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DIE MAGDALENA WIRD MORSCH

Nach Tagen und Nächten an Deck dieses Bootes, das geduldiger und gnädiger mit einer Horde verrückter und hoffnungsvoller Männer nicht sein konnte, kam am 28. April 1138 Bruder Waldemar, ein aus Aachen stammender Zimmermann, zu mir und überbrachte die Nachricht, die ich seit Beginn der Fahrt am meisten gefürchtet hatte.

„Die Magdalena wird morsch, Admiral! Wurmbefall und die salzige See holen sich ihren Tribut. Wasser dringt am Bug zwischen den Balken ein, und am Heck ist eine Kalfaterung dringendst nötig, sonst gebe ich dem Kahn noch höchstens vierzehn Tage, bis sich das Holz auflöst!“

„Was schlagt Ihr vor? Können wir die Reparaturen auf See verrichten?“, fragte ich frustriert.

„Auf keinen Fall, mein Bruder. Wir müssen am Bug die Beplankung erneuern, und das wird dauern. Dazu brauchen wir normalerweise gelagertes Holz, was natürlich in unserem Fall nicht vorhanden ist. Jedoch könnten wir nach den Reparaturen zumindest noch circa zwei Monate auf See, ohne den Zerfall des Kahnes befürchten zu müssen. Und wenn wir dort angekommen sind, wo wir sein wollen, müssen wir dann bessere Arbeiten verrichten. Soll heißen, Holzbalken zimmern und für zwei Jahre lagern …

„Nur, dass es dort, wo wir hinsegeln, kein geeignetes Holz gibt für solch Instandsetzung, mein bester Waldemar. Wir müssen versuchen, noch weitere zehn Tage auf See zu bleiben und so weit wie möglich nach Süden segeln …!“

„Das geht nicht, Admiral. Sie sagten es selbst. Weiter südlich, dort, wo wir hinsegeln, finden wir kein geeignetes Holz. Und falls dies doch der Fall sein sollte, werden wir mit der zerschundenen Magdalena kaum wieder nach Norden segeln können, um geeignetes Holz zu finden!“

Waldemar hatte leider recht, das wollte ich nur ungern zugeben. In diesen Breiten war die Küste noch bewaldet. Doch weiter südlich würden wir nur Sumpf und Moor vorfinden.

Kapitulierend nickte ich ihm zu und befahl, die Magdalena in einer sicheren Bucht unterzubringen und ein Lager für die Instandsetzung aufzubauen. Wir waren zwanzig Tage auf See, seit wir das letzte Mal hatten Anker setzen lassen, als wir Schutz vor dem Sturm suchten. So kam uns eine Landpause sehr entgegen, denn nicht nur die Magdalena brauchte eine Instandsetzung, sondern auch mein Körper, der sich der Krankheit nicht entledigen konnte, die ich in mir trug und mir die letzte Kraft nahm, um mich auf den Beinen halten zu können. Ja, ich konnte nicht vollständig genesen und ich brauchte dringend eine trockene Unterbringung, in der ich nicht mehr den Gestank des verschimmelnden Holzes meiner Kabine einatmen musste, der meine Lungen befiel.

Wir fanden eine Bucht. Eine Bucht, die nicht besser hätte sein können und uns Schutz vor Kälte, Stürmen und starken Winden gab. Sie war wie für uns gemacht, und ich hätte diesen Waldemar umarmen können, denn ich erkannte hier das Potenzial einer neuen Heimat. Der Strand war steinig und mit glänzendem Kies bepflastert, doch schon nach wenigen Schritten landeinwärts hatte man festen, erdigen Boden unter den Stiefeln und ein Wald erstreckte sich vor uns, dessen Duft in unsere Nasen stieg. Ein Duft aus Fichten und Pinien, Eichen und Ahorn, Zapfen und feuchter Erde. Ein Duft, der mir so bekannt vorkam und mir die Heimat näherbrachte. Ach du mein Viermünden mit all deinen Wäldern und deinem Ederfluss, wie vermisse ich dich. Ich hatte meine Kindheit wieder vor Augen und sah Bilder vom Hof und von der Schmiede, die ich einst zurückließ. Meine Augen strahlten vor Glück.

Ich hatte sofort ein gutes Gefühl, und so entschied ich, uns hier niederzulassen. Nicht nur für die Arbeiten am Kahn, nein, auch für den Bau einer Basis. Mein Gefühl gab mir recht, denn nachdem wir ein Lager errichtet hatten, fanden wir einen Tagesmarsch entfernt eine Lichtung mit einem Frischwassersee, der von einem kleinen Wasserfall gespeist wurde, und ein Gebiet reich an Flora und Fauna.

Es lag auf einem hohen Plateau, und wir konnten die Küste gut überblicken. Nun gut. Hier würden meine Zelte aufgebaut für die Zeit, die wir benötigten, um die Magdalena auf Vordermann zu bringen.

Wir entluden den Kahn und nahmen die Segel vollständig ab. Alles, was schwer war, wurde entladen, ja sogar die Schoten mit all ihren Schekeln und Rollen. Eine Rampe wurde errichtet, um das Boot aus dem Wasser ziehen und aufbocken zu können. Nach zwei Tagen endlich stand die Magdalena trocken.

Waldemar verschwendete keine Zeit und bildete einen Trupp aus zwölf Mann. Diese wurden Tag und Nacht für die Arbeiten eingeteilt. Die anderen elf Mann verstärkten den Bau des Lagers und ich beschloss, eine Siedlung aus Holzhütten aufzustellen und die Holzwände der Hütten später mit Felsgestein und Schlamm zu ummanteln. Wir teilten uns für die Jagd ein, obwohl wir laut Statuten nicht jagen durften. Doch wir mussten uns von etwas ernähren, und so war ein Hirschbraten eine willkommene Ergänzung zum eingesalzenen Fisch, den wir nicht mehr sehen konnten und in Zukunft als Köder für die Fischerei nutzen wollten. Wir alle Arten von Bäumen, Fichten, Eichen und Ahorn. Mit dem Werkzeug, dem Willen und der Manneskraft, die wir hatten, entzweigten und entrindeten wir die Bäume. Nun hieß es, Planken und Bretter aus diesen Stämmen zu zimmern. Ich kann euch sagen, dass Waldemar Wunder in seinem Handwerk vollbrachte. Die Männer, nein, wir alle waren am Abend so erschöpft, dass wir kaum genug Kraft hatten zu essen.

Wir konnten nicht einmal mehr einen Löffel halten. Geschwächt und ausgezehrt fielen wir abends vor Erschöpfung zu Boden. Ich ließ Waldemar zu mir kommen und fragte ihn, wie lange er glaube, dass es dauern würde, bis alle Arbeiten an der Magdalena fertig seien.

„Ich denke, vier Monate, Bruder. Wir müssen das Holz wenigsten austrocknen lassen und zurechtzimmern. Das dauert. In der Zeit, in der das Holz lagert, können wir andere Arbeiten verrichten, uns dem Bau der Siedlung widmen. Und, mit Verlaub, mein Admiral, ich rate ganz dringend dazu, Palisaden um die Siedlung zu errichten. Ich weiß nicht, ob die Gegend besiedelt ist, und falls ja, ob von Freunden oder Feinden. Doch wir sollten vorbeugen und uns schützen vor all dem, was wir nicht kennen und nicht wahrnehmen können!“

„Ihr habt recht, Bruder. Veranlasst all dies, was Ihr gerade vorgeschlagen habt. Und wenn Ihr fertig damit seid, gönnt Euch Ruhe, denn es läuft uns nichts weg.“

Waldemar verbeugte sich und verließ mein Zelt.

Hier waren wir nun, und siehe da, wir hatten aus purem Zufall eine Gegend gefunden, die ausgezeichnet passte, um eine Basis auf der anderen Seite des Meeres aufzubauen. Erleichtert stellte ich fest, dass auch die Männer frohen Mutes waren und Gott dankten, wieder an Land sein zu dürfen nach Tagen und Wochen auf See.

Das Hämmern und Klopfen konnte ich jeden frühen Morgen hören, wenn am Boot gearbeitet wurde. Der Klang gefiel mir. Ein Klang voller Leben und Tatendrang, der mir das Herz mit Hoffnung und Zuversicht erfüllte. Tage vergingen und dann Wochen und ebenso Monate. Nach vier Monaten, es war der 28. August 1138, ließ mich Ralf de Saddeleye wissen, dass es so weit war und wir wieder die Segel setzen konnten.

Sehr zu seiner Überraschung ließ ich ihn wissen, dass ich mir nochmals vier Monate Zeit lassen würde und die Basis hier nun absoluten Vorrang hätte. Die Mauer um die neugebauten Hütten müssten verstärkt werden und Pinzon könnte noch etwas warten. Doch Eduardo Cortez belehrte mich eines Besseren.

Die Suche nach Pinzon dürfe nicht weiter aufgeschoben werden, je früher wir ihn fänden, desto früher hätten wir zusätzliche Männer, die uns beim Bau und bei anderen Arbeiten unterstützen könnten. Eines war klar: Mit 23 Mann konnte ich keinen Angriff lange aufhalten, sollten wieder Wilde auftauchen wie einst damals hoch im Norden. Doch wer sollte hierbleiben und auf die Basis aufpassen, wenn wir lossegelten, um die anderen zu finden? Ein Plan musste her. Und zwar schnellstens.

DIE FESTUNG

Unsere Basis nahm Formen an und die Palisaden gaben zusätzlichen Schutz, sollte dieses Gebiet von unfreundlichen Bewohnern besiedelt sein. In all den Monaten hatten wir jedoch keine andere Menschenseele hier gesehen, und so fühlten wir uns relativ sicher. Die Ladung war trocken untergebracht und die Männer hatten mal wieder ein kleines Wunder vollbracht, denn die Festung wurde in jeder Hinsicht mit ausgeklügelter Fallenmechanik ausgestattet. Frisches Wasser wurde über kleine Holzaquädukte gespendet, und sogar ein Lazarett war eingerichtet. Doch nun war der 12. Dezember des Jahres 1138 und ich musste eine Entscheidung treffen, wer an Land bleiben und wer weitersegeln sollte, um Pinzon zu finden. So ließ ich Ascanio, Ralf de Saddeleye, Richard Cornwall, Eduardo Cortez, Chaplain Rutherford sowie die Isländer zu mir kommen, um eine Besprechung abzuhalten. Die Debatte ging bis tief in die Nacht hinein, und endlich wurde ein Beschluss gefasst.

An Land würden bleiben Richard Cornwall, der Chaplain, die Isländer, die Hälfte der kämpfenden Truppe und ich.

Umso mehr war Cortez überrascht, als ich ihn auf die Liste der Segler setzte zusammen mit Ralf und Ascanio. Natürlich übertrug ich das Kommando an Ascanio, der mein Vizekapitän war, doch das schien für Cortez kein Problem darzustellen, solange er mit auf der Suche war, um seinen alten Freund und Kompagnon zu finden. Auch dachte ich, dass sich Federico Pinzon eher blickenlassen würde, wenn sich einer seiner Katharerbrüder an Bord befände. Als alles zur jedermanns Zufriedenheit beschlossen war, entschied man sich, am 19. Dezember mit so wenig Zuladung wie möglich loszusegeln. Ascanio bekam die Karte zur Hand, die ich fast zwei Jahre zuvor erstellt hatte.

Am frühen Morgen trafen wir uns alle am Strand, um Abschied von den Männern zu nehmen, die sich in wenigen Augenblicken auf diese hoffentlich erfolgreiche Mission begeben würden. Es war mir klar, wie hoch das Risiko war, dass sie nicht wieder zurückkehren würden. Doch meine Hoffnung bestärkte mich in meinem Gefühl, zuversichtlich zu sein. Ein letztes gemeinsames Gebet, ein paar kurze und gut gemeinte Ratschläge, die ich ihnen mit auf dem Weg gab, und eine letzte Umarmung besiegelte den Beginn der Suchaktion, die, so hoffte ich, nicht länger als sechs Monate dauern würde. Dann sprangen sie in die Beiboote und ruderten der Magdalena entgegen.

Wir, die zurückblieben, verharrten am Strand, bis das Segel der Kogge nicht mehr zu sehen war und am Horizont verschwand.

„Gott mit Euch, meine Brüder!“, flüsterte ich nur. Jetzt überkamen mich das Gefühl und die Frage, ob das alles richtig war. Doch nun war es zu spät, etwas zu ändern. So gingen wir traurig zurück zur Festung und beteten noch einmal für den Schutz unserer Brüder auf See.

Die Tage an Land wurden mit der Jagd verbracht, und mit dem zurückgelassenen Beiboot versuchten einige Männer sich in der Kunst der Fischerei. Ein Netz wurde aus Hanf und Sisal geflochten, die wir aus der alten Welt mitgebracht hatten. Und siehe da, sie hatten Glück. So wurde zum Wild auch Fisch als Ernährungsergänzung getrocknet, gesalzen und gelagert. Es mangelte uns an nichts, und für den, der es nicht anders wusste, war dieser Wald nicht anders als der, den wir zu Hause zurückgelassen hatten. Die Mischung aus Bäumen, Beerengebüsch und diverser Pilzart kam uns allen bekannt vor und unser Medicus frohlockte innerlich jedes Mal, wenn er Kräuter fand, die in seine Behandlungssammlung passten. Außer uns war weit und breit keine Menschenseele zu sehen, und so war die Gefahr gering, dass wir uns gegen feindliche Stämme verteidigen mussten.

Dies hier wurde unsere neue Heimat. Was noch fehlte, war ein Name für die Festung, doch das hatte Zeit. Ich war nun allein mit dem Studium der mitgebrachten Dokumente und Schriftrollen, die mir Cortez überlassen hatte. Nur gut, dass ich Richard an Land behalten hatte, denn ohne ihn hätte ich vieles nicht übersetzen können. Während sich die anderen an Übungen und Gebeten beteiligten, studierten wir zwei die Chroniken vergangener Zeiten. Es handelte sich um Kaufverträge, Urteile, Erbschaften und mathematische Baupläne, die jeden in Erstaunen versetzten. Hermetische Regeln und Philosophien sowie nautische Berechnungen und Zeichnungen über Maschinen, die für unsere Zukunft mehr denn je an Bedeutung gewannen. Formeln und Gesetze, die für den Bau von Gebäuden und Kathedralen unverzichtbar wurden und ein geniales Entschlüsselungssystem, das von den Phöniziern entwickelt und später von den Orden in verbesserter Version verwendet wurde. Ein unerschöpflicher Reichtum an Wissen, und mir stellte sich die Frage, wie die Katharer an solch einen Schatz gekommen waren. Wie kamen sie an die Reliquien, die nun in Paris im Tempel lagerten und die jeder haben wollte, selbst wenn er seine eigene Mutter dafür umbringen müsste. Wie kam diese Sekte an solch ein Eigentum?

Sie, die Katharer, waren damals nicht dabei, als wir den Schatz in Jerusalem unter den Ställen des Salomonischen Tempels fanden. Das konnte nur eines bedeuten: Dass sie sich selbst irgendwann einmal, wahrscheinlich nach der Einnahme Jerusalems, unter den Kreuzfahrern befanden, am Kreuzzug beteiligten und an eine Stelle gerieten, wo sie all diese Schätze fanden. Anders konnte ich es mir nicht erklären. Doch wo war diese Stelle? Die Höhle der Maria Magdalena in Frankreich, das mochte für manche Sachen stimmen. Die Reliquien wie die Nägel der Kreuzigung, die Speerspitze des Longinus und auch den Kelch, das alles konnte Maria Magdalena nach Frankreich aus dem Heiligen Land mitgebracht haben, und die Gebeine mochten dann nach ihrem Tod von dieser Sekte gefunden worden sein. Jedoch all diese Dokumente …? Wie sollte Maria Magdalena an all diese Schriften gekommen sein? Ich glaubte auch nicht, dass sie bei ihrer Flucht zusammen mit Johannes oder Jesus Interesse daran hatte, sich mit solchen Massen an Schriften und Rollen davonzumachen. Nein, diese Schriften mussten sie aus einer anderen Quelle bezogen haben. Mehr und mehr bestätigte sich meine Vermutung, dass wir nicht die Einzigen waren, die etwas sehr Wertvolles in Jerusalem gefunden hatten.

Andererseits − wer sagte, dass dies alles in Jerusalem gefunden wurde? Vielleicht hatten sie es woanders gefunden? Nazareth, Ackon, Jaffa, Caesarea, Judäa oder gar Antiochia, wer konnte das schon wissen? Wieso kannten sie diese Höhle, in der sich Maria befand? Gilles behauptete einst, sie, die Katharer stammten aus Marias und Jesus Blutlinie, doch wenn das stimmen sollte, dann konnten es die Merowinger nicht gewesen sein. Dann müsste man auch dem Vatikan in Rom das Recht entziehen, der Vertreter Gottes und Jesus Christus zu sein, und dieses Privileg müsste man dann den Katharern übertragen. Doch hier stolperte ich über meine eigenen Gedanken. Jesus war Jude, und die Katharer waren es nicht. Sollten sie solch eine Verwandtschaft in Anspruch nehmen, so mussten sie ebenso Juden sein. Doch das waren sie nicht, und als richtige Christen konnte man sie auch nicht bezeichnen. Waren sie überhaupt Christen?

Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr wusste ich, dass sie eher das Gegenteil waren. Gnostizismus war das Ritual, das sie zu ihrem Gebet verwendeten, und diese Riten ließen sich mit denen des Vatikans nicht vereinbaren. Doch warum waren sie dann an Jesus Christus interessiert? War Jesus selbst ein Gnostiker und distanzierte sich vielleicht von den jüdischen Riten, mit denen er aufgewachsen und groß geworden war? Vergessen wir nicht die Tatsache, dass er sich ständig mit dem Rat und mit Kaifas angelegt hatte und dass diese Männer ihn schließlich ans Kreuz genagelt hatten, wenn es so gewesen war. War also Jesus ein Gnostiker und war dies vielleicht der Grund dafür, dass Gilles behauptete, dass sie, die Katharer, aus seiner Blutlinie stammten? Maria soll angeblich zwei Kinder in Frankreich zur Welt gebracht haben. Die einen sagten, zwei Mädchen, die anderen zwei Jungen. Andere wiederum behaupteten, die zwei Jungen seien schon im Heiligen Land zur Welt gekommen. Vielleicht stimmte aber auch beides. Was für ein unheimliches Durcheinander würde dadurch entstehen und der ganze Kreuzzug würde sich als falsch und sinnlos darstellen. Am Ende war dies auch so, denn Männer wie Hugues, Gottfried, André, Gondamer und die anderen hatten es erlebten und wussten am Ende auch, welch eine Lüge das Ganze war.

Meine Hände krallten sich in mein verschwitztes Haar, als ich mir darüber den Kopf zerbrach, und Furcht und Zweifel überkamen mich nach solchen Fragen. Würde sich Cortez mit Pinzon wieder verbünden, die anderen über Bord werfen lassen und dann mit der Magdalena fliehen? Ich beruhigte mich wieder, als mir einfiel, dass er, Cortez, die Reliquien so sehr wollte und er nur durch mich an sie herankam. Nein, so dumm würde er nicht sein. Auch hatte ich all das Gold und seine Schriften hier bei mir, nicht zu vergessen die Karte, die für die Heimreise wichtig wäre. Also lächelte ich wieder, nahm den Kelch mit dem Wasser, trank daraus und lehnte mich im Sessel zurück.

Die Tage vergingen wie vom Winde verweht. Die Männer arbeiteten Tag und Nacht, damit ihre Gedanken nicht von Sehnsüchten, Versuchungen und Ungewissheit vergiftet wurden. Wir beteten, wie es den Regeln entsprach, mehrmals am Tag. Dadurch kamen wir Gott näher. Er sprach mit uns, indem er uns zeigte, was wir jeden Tag erschufen und wie wir durch unseren Zusammenhalt den wahren Sinn von Liebe und Brüderlichkeit mehr und mehr verstanden. Ja, hier in dieser rauen, weit entfernten Welt spürten wir ihn und sprachen mit ihm. Wir dankten ihm täglich mit unseren Gebeten dafür, dass er uns den richtigen Weg zeigte.

Weihnachten stand vor der Tür und ich erlaubte meinen Männern, die nächsten zwei Tage zu feiern und sich gegenseitig symbolisch zu beschenken. Dabei war es egal, ob es eine Muschel war, ein alter, poröser Lederriemen oder ein aus Holz geschnitztes Werk. Sie sollten die Geburt Christi auch hier, jenseits der alten Welt, nicht vergessen, denn mehr und mehr versuchte ich, ihn wieder zu finden und in meinem Herzen zu spüren. Wir hatten uns in den letzten Jahren so weit von ihm entfernt. Trotz all der Rollen und Schriften, die einem die Augen öffnen sollten, wollte ich es mir nicht einfach machen, von ihm, Jesus, zu lassen. Ich konnte mich sehr gut an den Tag erinnern, als wir aus Jerusalem mit all dem Gefundenen nach Rom zurück segelten und wie mein Vater sich mit Hugue de Payns verbal anlegte und es fast zum Kampf an Bord der Kogge gekommen wäre (siehe Albrechts Chroniken/Weg eines Templers).

Er sagte damals: Nicht die Feder ist es, die Geschichte schreibt, sondern der, der diese führt, und man kann nicht in die Köpfe aller Chronisten schauen, um alles bedingungslos zu glauben. Nun, sei es drum. Am Abend des 25. Dezember des Jahres 1138 und nach der Andacht von Chaplain Rutherford versammelten wir uns um das lodernde Feuer, über dem ein erlegter Hirsch und zwei dieser Truthähne rösteten. Wir speisten, tranken und es gab Wein für diesen Anlass. Ein wolkenloser Himmel beschenkte uns mit seinem Sternenzelt und das Meer berauschte mit dem Klang seiner Brandung. Ob die anderen auf der Magdalena ebenso feierten?

EIN JAHR IST VERGANGEN

Ein Jahr war vergangen, und ich überspringe die Einzelheiten, die in diesem Jahr passierten, als die Magdalena in See stach, um Pinzon zu finden, denn nichts Außergewöhnliches geschah. Wir vergrößerten die Basis, erkundeten die Gegend, fanden neue und bessere Jagdgebiete und Wasserquellen und wiegten uns in der Hoffnung, die Segel der Magdalena bald wieder am Horizont zu sehen.

Doch nichts dergleichen passierte, und ich musste mich ernsthaft fragen, ob ich eine Dummheit begangen hatte, Cortez so leichtfertig die Kogge anvertraut zu haben, auch wenn ich Ascanio das Kommando übergeben hatte. Sollte diese Schlange Cortez Ascanio auf seine Seite gezogen haben und den Rest der Besatzung ebenso, oder hatten sie einfach Pech, waren in einen Sturm geraten und mit Mann und Maus von dieser See verschlungen worden? War der Grund dieses Meeres zu ihrem eigenen Grab geworden? Dann würde ich für ihren Tod die alleinige Schuld tragen und, wer weiß, vielleicht ebenso für uns alle hier an Land. Die alte Heimat würden wir nie wiedersehen und uns damit abfinden müssen, hier in dieser von uns geschaffenen Holzburg den Rest unseres Lebens zu verbringen. Es mangelte uns an nichts und doch konnten wir uns mit der Vorstellung, hier zu verrecken, nicht anfreunden. Dieser Platz war allein als Basis gedacht für die zukünftigen Ordensmänner, die hier eine Unterbringung und ein Lager vorfinden würden, sollten sie eines Tages auf meinen Spuren wandeln. Doch schnell wurde ich an diesem 6. Januar 1140 aus meinen Gedanken gerissen, als ein Bruder, der von der Jagd zurückkam, mich ohne Verzug sprechen wollte. Ich ließ ihn zu mir bitten und reichte ihm einen Becher Wasser, denn er schwitzte und war außer Atem.

„Sprich, Bruder. Was hat dich in solche Erregung versetzt, dass du nach Luft ringst und nicht zu Worte kommst?“

„Ihr werdet es nicht glauben, mein Admiral. Als ich von der Jagd zurückkehren wollte, bemerkte ich einen einzelnen Mann im Wald. Er bemerkte mich nicht, und so versteckte ich mich, um ihn weiter zu beobachten.“

„Ein Eingeborener?“, fragte ich ihn.

„Nein Herr. Eben nicht. Als er seine Höhle wieder verließ, wahrscheinlich um Nahrung zu finden, wagte ich mich hinein. Von innen war diese bequem eingerichtet, doch in der Mitte stand ein Altar. Felle und Schreine aus Wurzelholz füllten jede Ecke des Raumes und Fackeln brannten in ihren Halterungen. Doch jetzt kommt’s, mein Admiral. Ich, Renard Autem, aus der Bourgogne stammend, habe solche Männer in unseren Wäldern zu Hause des Öfteren gesehen. Dieselbe Kleidung, dieselbe Haartracht, dieselbe Einrichtung. Ich war sehr überrascht, so jemanden hier in dieser abgelegenen Welt vorzufinden!“

„Nun spann mich nicht auf die Folter, Mann, und spuck es aus! Was ist das für ein Mann, den du gesehen hast?“

Sichtlich mit sich kämpfend sagte er dann: „Ein Druide.“

Ich sah ihn fragend an und konnte nur mühsam ein Lachen unterdrücken, doch durfte ich diesen Bruder nicht beleidigen.

„Ein Druide, sagst du? Wie kommst du darauf? Einfach nur wegen der Kleidung und der Haarpracht?“

Dann holte Renard Autem etwas aus seinem Lederbeutel, das jeden Zweifel von mir weichen ließ: einen Dolch. Den Knauf des Dolches schmückte ein Wappen, ein Wappen, das ich nie zuvor gesehen hatte. Das warf die dringliche Frage auf, wie dieser Dolch hierhergekommen und wer sein Besitzer war. Hatte ihn vielleicht einer von uns im Wald verloren und dieser Mann war nichts anderes als ein vergessener Ureinwohner, der ihn wiedergefunden und nun seinen Besitz nannte?

„Lass alle antreten, Bruder Renard. Wir müssen klären, ob dieser Dolch jemandem von uns gehört. Vielleicht wird er vermisst und der Mann, den du gesehen hast, hat ihn gefunden und behalten.“

„Das glaube ich nicht, mein Meister und Admiral. Dort, wo ich herkomme, besuchte meine Mutter oft einen Druiden, und wenn dies die Kirche gewusst hätte, wäre sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden!“

„Und was lässt dich glauben, dass ich das nicht ebenso mit ihr tun würde, wären wir nicht hier? Wie du weißt, Bruder, in der alten Welt hätte ich ein solches Geständnis melden müssen.“

„Ich bin oft als Kind mit ihr zu einem Druiden gegangen, besonders da mein Vater und meine Schwester an einer Krankheit litten, die keiner heilen konnte. Nur der Druide fand Linderung für diese Krankheiten. Ich erkannte hier dieselbe Einrichtung wie bei dem Druiden in Frankreich. Der Dolch trägt das Wappen mit dem steinernen Tor: drei große, flache Felsen, der eine links senkrecht stehend und der andere rechts davon, darüber ein horizontal liegender und in der Mitte ein Eingang. Ich habe genau dasselbe Wappen bei uns zu Hause gesehen, als Mutter und ich den Druiden besuchten. Ich sage nicht, dass es sich um ein und dieselbe Person handelt, aber auf jedem Fall gehört er zum selben Klan!“, versicherte mir Renard.

„Doch wie zum Teufel sind sie oder ist er hierhergekommen?“ Dieser plötzlich aufkommende Gedanke störte mich sehr.

„Das weiß ich nicht, Herr. Doch erlaubt mir hinzuzufügen, dass dieses Wappen zu keinem von uns gehört. Es wäre reine Zeitverschwendung, die Männern danach zu fragen. Vielmehr sollten wir den Druiden dingfest machen und herausfinden, wie er hierhergekommen ist.“

Ich sah Renard lange an und wusste, er hatte recht,

„Such dir drei Mann aus und hol mir deinen Druiden!“

„Zu Befehl, mein Meister!“

Renard entschwand und mein Verstand füllte sich mit Fragen. Ein Druide. Wer würde sich noch hier in dieser so geheimen Welt aufhalten? War diese Welt doch nicht so geheim, wie ich es mir ständig einbildete und hatte vielleicht der Vatikan ebenso seine Zweifel bekommen, ob die Berichte mancher Sympathisanten der Wahrheit entsprachen? Ich musste diesen Mann sehen und mich vergewissern, wer er war. Die ganze Zeit war er uns nicht aufgefallen, doch wir ihm. Vielleicht.

In der Zwischenzeit wurden Jagdfleisch und Fisch getrocknet, Holz gespalten und Reparaturarbeiten an Palisaden und an den Türmen der Festung durchgeführt. Es vergingen weitere zehn Tage und ich vergaß, dass ich Renard mit drei Männern losgeschickt hatte, um den sogenannten Druiden zu finden. Sorgen plagten mich, wenn ich an die Besatzung der Magdalena dachte, denn ohne diesen Kahn würden wir hier nie wieder wegkommen. Sechs Monate gab ich ihnen, doch nun waren ein Jahr und zwei Monate vergangen ohne jegliche Spur oder Nachricht von ihnen. Um mich abzulenken, überprüfte ich die Lagerräume und die Schatzkammer. Der Schatzmeister zeigte mir das Buch mit den Aufzeichnungen der Bestände. Ich nickte ihm zu und übergab ihm das Buch wieder. Plötzlich nahm ich peripher eine schattenhafte, huschende Bewegung wahr und ich erschrak.

„Alles in Ordnung, mein Admiral?“, fragte der Schatzmeister verwundert.

„Hast du das nicht vernommen, Bruder?“, fragte ich leicht erschrocken zurück.

„Was denn, Herr?“

Ich blickte in die Richtung, aus der die Bewegung kam, doch ich sah nichts.

„Nichts, Bruder … wahrscheinlich nur ein Schabernack der Sinne. Ich dachte, ich hätte etwas gesehen. Nun gut, Schatzmeister. Ich lass dich allein.“

Der Schatzmeister verbeugte sich und ich schritt meinen Weg zurück zur Unterkunft. Es begegneten mir viele meiner Templer auf dem Weg. Wir begrüßten uns gegenseitig, und wieder erhaschte ich diese blitzschnelle Bewegung, sodass ich erschrak und fast das Schwert gezogen hätte. Gott sei dank bemerkte es keiner, sonst hätten sie denken können, ihr Admiral habe den Verstand verloren. Doch ich hatte den Verstand nicht verloren.

Ich spürte diesen Schatten. Er war unmittelbar in meiner Nähe und beobachtete jede meiner Bewegungen. Ich dachte an Ali, meinen Haschaschinenbruder, den ich als Aloisius im Orden aufnahm und der mir einst im Lager des alten Raschid viele Dinge beibrachte (siehe Albrechts Chroniken, Weg eines Templers), die mich vor den anderen Brüdern auszeichneten. Er selbst war der schleichende Tod. Im Grunde genommen war Ali sogar besser als dieser Schatten. Ali spürte man nicht. Man starb, ohne zu wissen, wer der Mörder war.

Ich ging weiter und hoffte, dass sich Renard mit seinem Spähtrupp bald wieder blicken lassen und mir diesen Druiden bringen würde. Langsam verspürte ich das Gefühl, dieser Schatten würde ihm, dem Druiden, gehören. Warum ich das spürte, konnte ich mir nicht erklären.

Die Laterne in meiner Unterkunft brannte noch, und so nahm ich an meinem aus hiesigem Holze gezimmerten Schreibtisch Platz. Ich wühlte in den herumgestreuten Unterlagen, um eine Beschäftigung zu finden, die ich noch nicht erledigt hatte, als plötzlich etwas Metallisches meinen Hals berührte. Es fühlte sich an wie eine Klinge, und mein linker Arm wurde grob nach hinten gebogen. Ganz ohne Zweifel, jemand hatte mich in seine Gewalt gebracht. Fast schämte ich mich, dass ihm dies gelungen war. Ich spürte einen stinkenden Atem im Nacken und ich versuchte, mich zu lösen. Doch je mehr ich das versuchte, desto mehr schnitt sich die Klinge in meinen Hals.

„Wer bist du?“, fragte ich nach Luft schnappend.

„Die Frage ist vielmehr, wer du bist, mon frère. Du sprichst die Sprache meiner alten Heimat und doch bist du kein Franke, wie ich es erkenne!“

„Was willst du?“

„Du hast etwas, das mir gehört. Händige es mir aus und ich werde verschwinden!“

„Was soll das sein? Und wie kommst du überhaupt hierher?“

„Fragen, Fragen … Ich sag es dir ein letztes Mal. Gib mir meinen Dolch zurück. Den Dolch, den dein Armseliger aus der Höhle gestohlen hat. Ich werde dann verschwinden und die vier Mann wieder freilassen!“

„Was? Wo sind die …?“

„Aber, aber, mein Bester. Hast du dich nicht gefragt, warum sie solange weg waren? Zehn Tage und keine Spur von ihnen. Ich hatte sie schon am ersten Tag, als sie die Suche nach mir begannen, in die Falle gelockt und festgenommen. Jetzt sind sie meine Geiseln. Also … alles, was ich will, ist mein Dolch und du wirst mich nie wiedersehen.“

„Du bekommst deinen Dolch, doch lass uns gemeinsam sprechen. Ich will wissen, wer du bist und was du hier auf der anderen Seite der alten Welt machst!“

„Wer sagt mir, dass du mir keine Falle stellst und mich nicht tötest. Nein, nein, mein einfältiger, naiver Freund. Es ist besser, wenn mich keiner kennt. Ihr habt euch in meinem Territorium eingenistet. Nach über dreihundert Jahren habt ihr es tatsächlich geschafft, einen Weg hierher zu finden.“

„Dreihundert Jahre? Ihr seid seit dreihundert Jahren schon hier?“

„Nein, du Dummkopf. Ich bin hier zur Welt gekommen. Meine Vorfahren kamen hierher, als sie verfolgt wurden. Geflohen sind sie und begaben sich auf See, ohne ein Ziel vor sich zu haben. Hunderte von uns wurden damals abgeschlachtet, so die Geschichten meiner Ahnen. Wenige haben es hierher geschafft vor dreihundert Jahren. Auch Frauen waren dabei, doch die meisten waren Druiden. Verfolgt von der Kirche und als Hexer abgestempelt, nur weil wir mit der Natur im Einklang lebten. Und ihr? Ihr tragt das Symbol des Todes auf euren Gewändern. Dieses Kreuz, an das euer Zimmermann genagelt wurde. Was wollt ihr hier? Seid ihr vor irgendetwas auf der Flucht?“

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Дата выхода на Литрес:
26 мая 2021
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511 стр. 2 иллюстрации
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9783962298296
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