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Читать книгу: «Kabale und Liebe», страница 7

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Achte Scene

Lady allein, steht erschüttert und außer sich, den starren Blick nach der Thüre gerichtet, durch welche die Millerin weggeeilt; endlich erwacht sie aus ihrer Betäubung.

Wie war das? Wie geschah mir? Was sprach die Unglückliche? – Noch, o Himmel! noch zerreißen sie meine Ohren, die fürchterlichen, mich verdammenden Worte: nehmen Sie ihn hin! – Wen, Unglückselige? das Geschenk deines Sterberöchelns – das schauervolle Vermächtniß deiner Verzweiflung? Gott! Gott! Bin ich so tief gesunken – so plötzlich von allen Thronen meines Stolzes herabgestürzt, daß ich heißhungrig erwarte, was einer Bettlerin Großmuth aus ihrem letzten Todeskampfe mir zuwerfen wird? – Nehmen Sie ihn hin! und das spricht sie mit einem Tone, begleitet sie mit einem Blick – Ha! Emilie! bist du darum über die Grenzen deines Geschlechts weggeschritten? Mußtest du darum um den prächtigen Namen des großen brittischen Weibes buhlen, daß das prahlende Gebäude deiner Ehre neben der höheren Tugend einer verwahrlosten Bürgerdirne versinken soll? – Nein, stolze Unglückliche! nein! – Beschämen läßt sich Emilie Milford – doch beschimpfen nie! Auch ich habe Kraft, zu entsagen.

(Mit majestätischen Schritten auf und nieder.)

Verkrieche dich jetzt, weiches, leidendes Weib! – Fahret hin, süße, goldene Bilder der Liebe – Großmuth allein sei jetzt meine Führerin! – Dieses liebende Paar ist verloren, oder Milford muß ihren Anspruch vertilgen und im Herzen des Fürsten erlöschen! (Nach einer Pause, lebhaft.) Es ist geschehen! – Gehoben das furchtbare Hinderniß – zerbrochen alle Bande zwischen mir und dem Herzog, gerissen aus meinem Busen diese wüthende Liebe! – In deine Arme werf' ich mich, Tugend! – Nimm sie auf, deine reuige Tochter Emilie! – Ha! wie mir so wohl ist! Wie ich auf einmal so leicht, so gehoben mich fühle! – Groß, wie eine fallende Sonne, will ich heut vom Gipfel meiner Hoheit heruntersinken, meine Herrlichkeit sterbe mit meiner Liebe, und nichts als mein Herz begleite mich in diese stolze Verweisung. (Entschlossen zum Schreibpult gehend.) Jetzt gleich muß es geschehen – jetzt auf der Stelle, ehe die Reize des lieben Jünglings den blutigen Kampf meines Herzens erneuern. (Sie setzt sich nieder und fängt an zu schreiben.)

Neunte Scene

Lady. Ein Kammerdiener. Sophie, hernach der Hofmarschall, zuletzt Bedienter.

Kammerdiener. Hofmarschall von Kalb stehen im Vorzimmer mit einem Auftrag vom Herzog.

Lady (in der Hitze des Schreibens.) Auftaumeln wird sie, die fürstliche Drahtpuppe! Freilich! Der Einfall ist auch drollig genug, so eine durchlauchtigte Hirnschale auseinander zu treiben! – Seine Hofschranzen werden wirbeln – Das ganze Land wird in Gährung kommen.

Kammerdiener und Sophie. Der Hofmarschall, Milady-Lady (dreht sich um). Wer? Was? – Desto besser! Diese Sorte von Geschöpfen ist zum Sacktragen auf der Welt. Er soll mir willkommen sein.

Kammerdiener (geht ab).

Sophie (ängstlich näher kommend). Wenn ich nicht fürchten müßte, Milady, es wäre Vermessenheit (Lady schreibt hitzig fort.) Die Millerin stürzte außer sich durch den Vorsaal – Sie glühen – Sie sprechen mit sich selbst. (Lady schreibt immer fort.) Ich erschrecke – Was muß geschehen sein?

Hofmarschall (tritt herein, macht dem Rücken der Lady tausend Verbeugungen; da sie ihn nicht bemerkt, kommt er näher, stellt sich hinter ihren Sessel, sucht den Zipfel ihres Kleides wegzukriegen und drückt einen Kuß darauf, mit furchtsamem Lispeln). Serenissimus-Lady (indem sie Sand streut und das Geschriebene durchfliegt). Er wird mir schwarzen Undank zur Last legen – Ich war eine verlassene. Er hat mich aus dem Elend gezogen – Aus dem Elend? – Abscheulicher Tausch! – Zerreiße deine Rechnung, Verführer! Meine ewige Schamröthe bezahlt sie mit Wucher.

Hofmarschall (nachdem er die Lady vergeblich von allen Seiten umgangen hat). Milady scheinen etwas distrait zu sein – Ich werde mir wohl selbst die Kühnheit erlauben müssen. (Sehr laut.) Serenissimus schicken mich, Milady zu fragen, ob diesen Abend Vauxhall sein werde oder deutsche Komödie?

Lady (lachend aufstehend). Eines von beiden, mein Engel – Unterdessen bringen Sie Ihrem Herzog diese Karte zum Dessert! (Gegen Sophie.).

Du, Sophie, befiehlst, daß man anspannen soll, und rufst meine ganze Garderobe in diesem Saal zusammen-Sophie (geht ab voll Bestürzung).

O Himmel! Was ahnet mir? Was wird das noch werden?

Hofmarschall. Sie sind echauffiert, meine Gnädige?

Lady. Um so weniger wird hier gelogen sein – Hurrah, Herr Hofmarschall! Es wird eine Stelle vacant. Gut Wetter für Kuppler!

(Das der Marschall einen zweifelhaften Blick auf den Zettel wirft.)

Lesen Sie, lesen Sie! – Es ist mein Wille, daß der Inhalt nicht unter vier Augen bleibe.

Hofmarschall (liest, unterdessen sammeln sich die Bedienten der Lady im Hintergrund):

"Gnädigster Herr!

Ein Vertrag, den Sie so leichtsinnig brachen, kann mich nicht mehr binden. Die Glückseligkeit Ihres Landes war die Bedingung meiner Liebe. Drei Jahre währte der Betrug. Die Binde fällt mir von den Augen. Ich verabscheue Gunstbezeugungen, die von den Thränen der Unterthanen triefen. – Schenken Sie die Liebe, die ich Ihnen nicht mehr erwiedern kann, Ihrem weinenden Lande und lernen von einer brittischen Fürstin Erbarmen gegen Ihr deutsches Volk. In einer Stunde bin ich über der Grenze.

Johanna Norfolk."

Alle Bedienten (murmeln bestürzt durcheinander). Über der Grenze?

Hofmarschall (legt die Karte erschrocken auf den Tisch). Behüte der Himmel, meine Beste und Gnädige! Den Überbringer müßte der Hals eben so jücken, als der Schreiberin.

Lady. Das ist deine Sorge, du Goldmann – Leider weiß ich es, daß du und deines Gleichen am Nachbeten Dessen, was Andre gethan haben, erwürgen! – Mein Rath wäre, man backt den Zettel in eine Wildpretpastete, so fänden ihn Serenissimus auf dem Teller-Hofmarschall. Ciel! Diese Vermessenheit! – So erwägen Sie doch, so bedenken Sie doch, wie sehr Sie sich in Disgrace setzen, Lady!

Lady (wendet sich zu der versammelten Dienerschaft und spricht das Folgende mit der innigsten Rührung). Ihr steht bestürzt, guten Leute, erwartet angstvoll, wie sich das Räthsel entwickeln wird? – Kommt näher, meine Lieben! – Ihr dientet mir redlich und warm, sahet mir öfter in die Augen, als ich die Börse; euer Gehorsam war eure Leidenschaft, euer Stolz – meine Gnade! – Daß das Andenken eurer Treue zugleich das Gedächtniß meiner Erniedrigung sein muß! Trauriges Schicksal, daß meine schwärzesten Tage eure glücklichen waren! (Mit Thränen in den Augen.) Ich entlasse euch, meine Kinder – Lady Milford ist nicht mehr, und Johanna von Norfolk zu arm, ihre Schuld abzutragen – Mein Schatzmeister stürze meine Schatulle unter euch – Dieser Palast bleibt dem Herzog – Der Ärmste von euch wird reicher von hinnen gehen, als seine Gebieterin. (Sie reicht ihre Hände hin, die alle nach einander mit Leidenschaft küssen.) Ich verstehe euch, meine Guten – Lebt wohl! Lebt ewig wohl! (Faßt sich aus ihrer Beklemmung.) Ich höre den Wagen vorfahren. (Sie reißt sich los, will hinaus, der Hofmarschall verrennt ihr den Weg.) Mann des Erbarmens, stehst du noch immer da?

Hofmarschall (der diese ganze Zeit über mit einem Geistesbankerott auf den Zettel sah). Und dieses Billet soll ich Seiner Hochfürstlichen Durchlaucht zu Höchsteigenen Händen geben?

Lady. Mann des Erbarmens! zu Höchsteigenen Händen, und sollst melden zu Höchsteigenen Ohren, weil ich nicht barfuß nach Loretto könne, so werde ich um den Taglohn arbeiten, mich zu reinigen von dem Schimpf, ihn beherrscht zu haben.

(Sie eilt ab. Alle Übrigen gehen sehr bewegt auseinander.)

Fünfter Akt

Abend zwischen Licht im Zimmer beim Musikanten.

Erste Scene

Luise sitzt stumm und ohne sich zu rühren in dem finstersten Winkel des Zimmers, den Kopf auf den Arm gesunken. Nach einer großen und tiefen Pause kommt Miller mit einer Handlaterne, leuchtet ängstlich im Zimmer herum, ohne Luisen zu bemerken, dann legt er den Hut auf den Tisch und setzt die Laterne nieder.

Miller. Hier ist sie auch nicht. Hier wieder nicht – Durch alle Gassen bin ich gezogen, bei allen Bekannten bin ich gewesen, auf allen Thoren hab' ich gefragt – mein Kind hat man nirgends gesehen. (Nach einigem Stillschweigen.) Geduld, armer, unglücklicher Vater! Warte ab, bis es Morgen wird. Vielleicht kommt deine Einzige dann ans Ufer geschwommen – Gott! Gott! Wenn ich mein Herz zu abgöttisch an diese Tochter hing? – Die Strafe ist hart. Himmlischer Vater, hart! Ich will nicht murren, himmlischer Vater, aber die Strafe ist hart! (Er wirft sich gramvoll in einen Stuhl.)

Luise (spricht aus dem Winkel). Du thust recht, armer alter Mann!

Lerne bei Zeit noch verlieren.

Miller (springt auf). Bist du da, mein Kind? Bist du? – Aber warum denn so einsam und ohne Licht?

Luise. Ich bin darum doch nicht einsam. Wenn's so recht schwarz wird um mich herum, hab' ich meine besten Besuche.

Miller. Gott bewahre dich! Nur der Gewissenswurm schwärmt mit der Eule. Sünden und böse Geister scheuen das Licht.

Luise. Auch die Ewigkeit, Vater, die mit der Seele ohne Gehilfen redet.

Miller. Kind! Kind! Was für Reden sind das?

Luise (steht auf und kommt vorwärts). Ich hab' einen harten Kampf gekämpft. Er weiß es, Vater. Gott gab mir Kraft. Der Kampf ist entschieden. Vater, man pflegt unser Geschlecht zart und zerbrechlich zu nennen. Glaub' Er das nicht mehr. Vor einer Spinne schütteln wir uns, aber das schwarze Ungeheuer Verwesung drücken wir im Spaß in die Arme. Dieses zur Nachricht, Vater. Seine Luise ist lustig.

Miller. Höre, Tochter! ich wollte du heultest. Du gefielst mir so besser.

Luise. Wie ich ihn überlisten will, Vater! Wie ich den Tyrannen betrügen will! – Die Liebe ist schlauer als die Bosheit und kühner – das hat er nicht gewußt, der Mann mit dem traurigen Stern – O, sie sind pfiffig, so lang sie es nur mit dem Kopf zu thun haben; aber sobald sie mit dem Herzen anbinden, werden die Böswichter dumm – Mit einem Eid gedachte er seinen Betrug zu versiegeln? Eide, Vater, binden wohl die Lebendigen, im Tode schmilzt auch der Sacramente eisernes Band. Ferdinand wird seine Luise kennen – Will Er mir dies Billet besorgen, Vater? Will Er so gut sein?

Miller. An wen, meine Tochter?

Luise. Seltsame Frage! Die Unendlichkeit und mein Herz haben mit einander nicht Raum genug für einen einzigen Gedanken an ihn – Wenn hätt' ich denn wohl an sonst Jemand schreiben sollen?

Miller (unruhig). Höre, Luise! Ich erbrechen den Brief.

Luise. Wie Er will, Vater – aber Er wird nicht klug daraus werden. Die Buchstaben liegen wie kalte Leichname da und leben nur dem Auge der Liebe.

Miller (liest). "Du bist verrathen, Ferdinand! – Ein Bubenstück ohne Beispiel zerriß den Bund unsrer Herzen, aber ein schrecklicher Schwur hat meine Zunge gebunden, und dein Vater hat überall seine Horcher gestellt. Doch, wenn du Muth hast, Geliebter, – ich weiß einen dritten Ort, wo kein Eidschwur mehr bindet und wohin ihm kein Horcher geht." (Miller hält inne und sieht ihr ernsthaft ins Gesicht.)

Luise. Warum sieht Er mich so an? Les' Er doch ganz aus, Vater.

Miller. "Aber Muth genug mußt du haben, eine finstre Straße zu wandeln, wo dir nichts leuchtet, als deine Luise und Gott – Ganz zur Liebe mußt du kommen, daheim lassen all deine Hoffnungen und all deine brausenden Wünsche; nichts kannst du brauchen, als dein Herz. Willst du – so brich auf, wenn die Glocke den zwölften Streich thut auf dem Carmeliterthurm. Bangt dir – so durchstreiche das Wort stark vor deinem Geschlechte, denn ein Mädchen hat dich zu Schanden gemacht." (Miller legt das Billet nieder, schaut lange mit einem schmerzlichen, starren Blick vor sich hinaus, endlich kehrt er sich gegen sie und sagt mit leiser, gebrochener Stimme.) Und dieser dritte Ort, meine Tochter?

Luise. Er kennt ihn nicht? Er kennt ihn wirklich nicht, Vater? – Sonderbar! Der Ort ist zum Finden gemalt. Ferdinand wird ihn finden.

Miller. Hum! rede deutlicher.

Luise. Ich weiß so eben kein liebliches Wort dafür – Er muß nicht erschrecken, Vater, wenn ich Ihm ein häßliches nenne. Dieser Ort – O warum hat die Liebe nicht Namen erfunden! den schönsten hätte sie diesem gegeben. Der dritte Ort, guter Vater – aber Er muß mich ausreden lassen – der dritte Ort ist das Grab.

Miller (zu seinem Sessel hinwankend). O mein Gott!

Luise (geht auf ihn zu und hält ihn). Nicht doch, mein Vater! Das sind nur Schauer, die sich um das Wort herum lagern – Weg mit diesem, und es liegt ein Brautbette da, worüber der Morgen seinen goldenen Teppich breitet und die Frühlinge ihre bunten Guirlanden streun. Nur ein heulender Sünder konnte den Tod ein Gerippe schelten; es ist ein holder, niedlicher Knabe, blühend, wie sie den Liebesgott malen, aber so tückisch nicht – ein stiller, dienstbarer Genius, der der erschöpften Pilgerin Seele den Arm bietet über den Graben der Zeit, das Feenschloß der ewigen Herrlichkeit aufschließt, freundlich nickt und verschwindet.

Miller. Was hast du vor, meine Tochter? – Du willst eigenmächtig Hand an dich legen.

Luise. Nenn' Er es nicht so, mein Vater. Eine Gesellschaft räumen, wo ich nicht wohl gelitten bin – an einen Ort vorausspringen, den ich nicht länger missen kann – ist denn das Sünde?

Miller. Selbstmord ist die abscheulichste, mein Kind – die einzige, die man nicht mehr bereuen kann, weil Tod und Missethat zusammenfallen.

Luise (bleibt erstarrt stehn). Entsetzlich! – Aber so rasch wird es doch nicht gehn. Ich will in den Fluß springen, Vater, und im Hinuntersinken Gott den Allmächtigen um Erbarmen bitten.

Miller. Das heißt, du willst den Diebstahl bereuen, sobald du das Gestohlene in Sicherheit weißt – Tochter! Tochter! Gib Acht, daß du Gottes nicht spottest, wenn du seiner am meisten vonnöthen hast. O! es ist weit, weit mit dir gekommen! – Du hast dein Gebet aufgegeben, und der Barmherzige zog seine Hand von dir.

Luise. Ist lieben denn Frevel, mein Vater!

Miller. Wenn du Gott liebst, wirst du nie bis zum Frevel lieben – Du hast mich tief gebeugt, meine Einzige! tief, tief, vielleicht zur Grube gebeugt. – Doch, ich will dir dein Herz nicht noch schwerer machen – Tochter, ich sprach vorhin etwas. Ich glaubte allein zu sein. Du hast mich behorcht; und warum sollt' ich's noch länger geheim halten? Du warst mein Abgott. Höre, Luise, wenn du noch Platz für das Gefühl eines Vaters hast – Du warst mein Alles. Jetzt verthust du nichts mehr von deinem Eigenthum. Auch ich hab' Alles zu verlieren. Du siehst, mein Haar fängt an grau zu werden. Die Zeit meldet sich allgemach bei mir, wo uns Vätern die Kapitale zu statten kommen, die wir im Herzen unsrer Kinder anlegten – Wirst du mich darum betrügen, Luise? Wirst du dich mit dem Hab' und Gut deines Vaters auf und davon machen?

Luise (küßt seine Hand mit der heftigsten Rührung). Nein, mein Vater.

Ich gehe als Seine große Schuldnerin aus der Welt und werde in der Ewigkeit mit Wucher bezahlen.

Miller. Gib Acht, ob du dich da nicht verrechnest, mein Kind? (Sehr ernst und feierlich.) Werden wir uns dort wohl noch finden? – Sieh! wie du blaß wirst! – Meine Luise begreift es von selbst, daß ich sie in jener Welt nicht mehr wohl einholen kann, weil ich nicht so früh dahin eile, wie sie. (Luise stürzt ihm in den Arm, von Schauern ergriffen – Er drückt sie mit Feuer an seine Brust und fährt fort mit beschwörender Stimme.) O Tochter! Tochter! gefallene, vielleicht schon verlorene Tochter! Beherzige das ernsthafte Vaterwort! Ich kann nicht über dich wachen. Ich kann dir die Messer nehmen, du kannst dich mit einer Stricknadel tödten. Vor Gift kann ich dich bewahren, du kannst dich mit einer Schnur Perlen erwürgen. – Luise – Luise – nur warnen kann ich dich noch – Willst du es darauf ankommen lassen, daß dein treuloses Gaukelbild auf der schrecklichen Brücke zwischen Zeit und Ewigkeit von dir weiche? Willst du dich vor des Allwissenden Thron mit der Lüge wagen: Deinetwegen, Schöpfer, bin ich da – wenn deine strafbaren Augen ihre sterbliche Puppe suchen? – Und wenn dieser zerbrechliche Gott deines Gehirns, jetzt Wurm wie du, zu den Füßen deines Richters sich windet, deine gottlose Zuversicht in diesem schwankenden Augenblick Lügen straft und deine betrogenen Hoffnungen an die ewige Erbarmung verweist, die der Elende für sich selbst kaum erflehen kann – wie dann? (Nachdrücklicher, lauter.) Wie dann, Unglückselige? (Er hält sie fester, blickt sie eine Weile starr und durchdringend an, dann verläßt er sie schnell.) Jetzt weiß ich nichts mehr – (mit aufgehobener Rechte) stehe dir, Gott Richter! für diese Seele nicht mehr. Thu, was du willst. Bring deinem schlanken Jüngling ein Opfer, daß deine Teufel jauchzen und deine guten Engel zurücktreten – Zieh hin! Lade alle deine Sünden auf, lade auch diese, die letzte, die entsetzlichste auf, und wenn die Last noch zu leicht ist, so mache mein Fluch das Gewicht vollkommen – Hier ist ein Messer – durchstich dein Herz und (indem er lautweinend fortstürzen will) das Vaterherz!

Luise (springt auf und eilt ihm nach). Halt! halt! O mein Vater! – daß die Zärtlichkeit noch barbarischer zwingt, als Tyrannenwuth! – Was soll ich? Ich kann nicht! Was muß ich thun?

Miller. Wenn die Küsse deines Majors heißer brennen als die Thränen deines Vaters – stirb!

Luise (nach einem qualvollen Kampf mit einiger Festigkeit). Vater! Hier ist meine Hand! Ich will – Gott! Gott! Was thu' ich? was will ich? – Vater, ich schwöre – wehe mir, wehe! Verbrecherin, wohin ich mich neige! – Vater, es sei! – Ferdinand – Gott sieht herab! – So zernicht' ich sein letztes Gedächtniß. (Sie zerreißt ihren Brief.)

Miller (stürzt ihr freudetrunken an den Hals). Das ist meine Tochter! – Blick' auf! um einen Liebhaber bist du leichter, dafür hast du einen glücklichen Vater gemacht. (Unter Lachen und Weinen sie umarmend.) Kind! Kind! das ich den Tag meines Lebens nicht werth war! Gott weiß, wie ich schlechter Mann zu diesem Engel gekommen bin! – Mein Luise, mein Himmelreich! – O Gott! ich verstehe ja wenig vom Lieben, aber daß es eine Qual sein muß, aufzuhören – so was begreif' ich noch.

Luise. Doch hinweg aus dieser Gegend, mein Vater – Weg von der Stadt, wo meine Gespielinnen meiner spotten und mein guter Name dahin ist auf immerdar – Weg, weg, weit weg von dem Ort, wo mich so viele Spuren der verlorenen Seligkeit anreden. Weg, wenn es möglich ist-Miller. Wohin du nur willst, meine Tochter. Das Brod unsers Herrgotts wächst überall, und Ohren wird er auch meiner Geige bescheren. Ja! laß auch Alles dahingehn – Ich setze die Geschichte deines Grams auf die Laute, singe dann ein Lied von der Tochter, die, ihren Vater zu ehren, ihr Herz zerriß – wir betteln mit der Ballade von Thüre zu Thüre, und das Almosen wird köstlich schmecken von den Händen der Weinenden-

Zweite Scene

Ferdinand zu den Vorigen.

Luise (wird ihn zuerst gewahr und wirft sich Millern laut schreiend um den Hals). Gott! Da ist er! Ich bin verloren.

Miller. Wo? Wer?

Luise (zeigt mit abgewandtem Gesicht auf den Major und drückt sich fester an ihren Vater). Er! er selbst – Seh' Er nur um sich, Vater – Mich zu ermorden, ist er da.

Miller (erblickt ihn, fährt zurück.) Was? Sie hier, Baron?

Ferdinand (kommt langsam näher, bleibt Luisen gegenüber stehen und läßt den starren forschenden Blick auf ihr ruhen, nach einer Pause). Überraschtes Gewissen, habe Dank! Dein Bekenntniß ist schrecklich, aber schnell und gewiß, und erspart mir die Folterung. – Guten Abend, Miller.

Miller. Aber um Gottes willen! Was wollen Sie, Baron? Was führt Sie her? Was soll dieser Überfall?

Ferdinand. Ich weiß eine Zeit, wo man den Tag in seine Secunden zerstückte, wo Sehnsucht nach mir sich an die Gewichte der zögernden Wanduhr hing und auf den Aderschlag lauerte, unter dem ich erscheinen sollte – Wie kommt's, daß ich jetzt überrasche?

Miller. Gehen Sie, gehen Sie, Baron – Wenn noch ein Funke von Menschlichkeit in Ihrem Herzen zurückblieb – wenn Sie Die nicht erwürgen wollen, die Sie zu lieben vorgeben, fliehen Sie, bleiben Sie keinen Augenblick länger. Der Segen war fort aus meiner Hütte, sobald Sie einen Fuß darein setzten. Sie haben das Elend unter mein Dach gerufen, wo sonst nur die Freude zu Hause war. Sind Sie noch nicht zufrieden? Wollen Sie auch in der Wunde noch wühlen, die Ihre unglückliche Bekanntschaft mit meinem einzigen Kinde schlug?

Ferdinand. Wunderlicher Vater, jetzt komm' ich ja, deiner Tochter etwas Erfreuliches zu sagen.

Miller. Neue Hoffnungen etwa zu einer neuen Verzweiflung? – Geh, Unglücksbote! Dein Gesicht schimpft deine Waare.

Ferdinand. Endlich ist es erschienen, das Ziel meiner Hoffnungen!

Lady Milford, das furchtbarste Hindernis unsrer Liebe, floh diesen Augenblick aus dem Lande. Mein Vater billigt meine Wahl. Das Schicksal läßt nach, uns zu verfolgen. Unsere glücklichen Sterne gehen auf – Ich bin jetzt da, mein gegebenes Wort einzulösen und meine Braut zum Altar abzuholen.

Miller. Hörst du ihn, meine Tochter? Hörst du ihn sein Gespötte mit deinen getäuschten Hoffnungen treiben? O wahrlich, Baron! es steht dem Verführer so schön, an seinem Verbrechen seinen Witz noch zu kitzeln.

Ferdinand. Du glaubst, ich scherze. Bei meiner Ehre nicht! Meine Aussage ist wahr, wie die Liebe meiner Luise, und heilig will ich sie halten, wie sie ihre Eide – Ich kenne nichts Heiligeres – Noch zweifelst du? noch kein freudiges Erröthen auf den Wangen meiner schönen Gemahlin? Sonderbar! die Lüge muß hier gangbare Münze sein, wenn die Wahrheit so wenig Glauben findet. Ihr mißtraut meinen Worten? So glaubt diesem schriftlichen Zeugniß. (Er wirft Luisen den Brief an den Marschall zu.)

Luise (schlägt ihn auseinander und sinkt leichenblaß nieder).

Miller (ohne das zu bemerken, zum Major). Was soll das bedeuten, Baron? Ich verstehe Sie nicht.

Ferdinand (führt ihn zu Luisen hin). Desto besser hat mich Diese verstanden.

Miller (fällt an ihr nieder). O Gott! meine Tochter!

Ferdinand. Bleich wie der Tod! – Jetzt erst gefällt sie mir, deine Tochter! So schön war sie nie, die fromme, rechtschaffene Tochter – Mit diesem Leichengesicht – Der Odem des Weltgerichts, der den Firniß von jeder Lüge streift, hat jetzt die Schminke verblasen, womit die Tausendkünstlerin auch die Engel des Lichts hintergangen hat – Es ist ihr schönstes Gesicht! Es ist ihr erstes wahres Gesicht! Laß mich es küssen. (Er will auf sie zugehen.)

Miller. Zurück! Weg! Greife nicht an das Vaterherz, Knabe! Vor deinen Liebkosungen konnt' ich sie nicht bewahren, aber ich kann es vor deinen Mißhandlungen.

Ferdinand. Was willst du, Graukopf? Mit dir hab' ich nichts zu schaffen. Menge dich ja nicht in ein Spiel, das so offenbar verloren ist – oder bist du auch vielleicht klüger, als ich dir zugetraut habe? Hast du die Weisheit deiner sechzig Jahre zu den Buhlschaften deiner Tochter geborgt und dies ehrwürdige Haar mit dem Gewerb eines Kupplers geschändet? – O! wenn das nicht ist, unglücklicher alter Mann, lege dich nieder und stirb – Noch ist es Zeit. Noch kannst du in dem süßen Taumel entschlafen: ich war ein glücklicher Vater! – Einen Augenblick später, und du schleuderst die giftige Natter ihrer höllischen Heimath zu, verfluchst das Geschenk und den Geber und fährst mit der Gotteslästerung in die Grube. (Zu Luisen.) Sprich, Unglückselige! Schriebst du diesen Brief?

Miller (warnend zu Luisen). Um Gottes Willen, Tochter! Vergiß nicht!

Vergiß nicht!

Luise. O dieser Brief, mein Vater-Ferdinand. Daß er in die unrechten Hände fiel? – Gepriesen sei mir der Zufall, er hat größere Thaten gethan, als die klügelnde Vernunft, und wird besser bestehn an jenem Tag, als der Witz aller Weisen – Zufall, sage ich? – O die Vorsehung ist dabei, wenn Sperlinge fallen, warum nicht, wo ein Teufel entlarvt werden soll? – Antwort will ich! – Schriebst du diesen Brief?

Miller (seitwärts zu ihr mit Beschwörung). Standhaft! Standhaft, meine Tochter! Nur noch das einzige Ja, und Alles ist überwunden.

Ferdinand. Lustig! lustig! Auch der Vater betrogen! Alles betrogen. Nun sieh, wie sie dasteht, die Schändliche, und selbst ihre Zunge nun ihrer letzten Lüge den Gehorsam aufkündigt! Schwöre bei Gott, bei dem fürchterlich wahren! Schriebst du diesen Brief?

Luise (nach einem qualvollen Kampf, worin sie durch Blicke mit ihrem Vater gesprochen hat, fest und entscheidend). Ich schrieb ihn.

Ferdinand (bleibe erschrocken stehen). Luise! – Nein! So wahr meine Seele lebt! du lügst – Auch die Unschuld bekennt sich auf der Folterbank zu Freveln, die sie nie beging – Ich fragte zu heftig – Nicht wahr, Luise – Du bekanntest nur, weil ich zu heftig fragte?

Luise. Ich bekannte, was wahr ist.

Ferdinand. Nein, sag' ich! nein! nein! Du schriebst nicht. Es ist deine Hand gar nicht – Und wäre sie's, warum sollten Handschriften schwerer nachzumachen sein, als Herzen zu verderben? Rede mir wahr, Luise – Oder nein, nein, thu' es nicht, du könntest Ja sagen, und ich wär' verloren – Eine Lüge, Luise – ein Lüge! – O wenn du jetzt eine wüßtest, mir hinwärfest mit der offenen Engelmiene, nur mein Ohr, nur mein Aug überredetest, dieses Herz auch noch so abscheulich täuschtest – O Luise! Alle Wahrheit möchte dann mit diesem Hauch aus der Schöpfung wandern und die gute Sache ihren starren Hals von nun an zu einem höfischen Bückling beugen! (Mit scheuem bebendem Ton.) Schriebst du diesen Brief?

Luise. Bei Gott! bei dem fürchterlich wahren! Ja!

Ferdinand (nach einer Pause, im Ausdruck des tiefsten Schmerzes). Weib! Weib! – Das Gesicht, mit dem du jetzt vor mir stehst! – Theile mit diesem Gesicht Paradiese aus, du wirst selbst im Reich der Verdammniß keinen Käufer finden – Wußtest du, was du mir warst, Luise? Unmöglich! Nein! Du wußtest nicht, daß du mir Alles warst! Alles! – Es ist ein armes verächtliches Wort, aber die Ewigkeit hat Mühe, es zu umwandern; Weltsysteme vollenden ihre Bahnen darin – Alles! und so frevelhaft damit zu spielen – O, es ist schrecklich! – Luise. Sie haben mein Geständniß, Herr von Walter. Ich habe mich selbst verdammt. Gehen Sie nun! Verlassen Sie ein Haus, wo Sie so unglücklich waren.

Ferdinand. Gut! gut! Ich bin ja ruhig – ruhig, sagt man ja, ist auch der schaudernde Strich Landes, worüber die Pest ging – ich bin's.

(Nach einigem Nachdenken.) Noch eine Bitte, Luise – die letzte! Mein Kopf brennt so fieberisch. Ich brauch Kühlung – Willst du mir ein Glas Limonade zurecht machen? (Luise geht ab.)

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
28 октября 2017
Объем:
130 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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