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Читать книгу: «Reise in Südamerika. Erster Band.», страница 10

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Man gewöhnt sich rasch an dieses Reiten, da man bald die Vortrefflichkeit der Pferde erkennt, welche selten straucheln, aber fast nie stürzen, und welche man zudem durch das scharfe Gebiß gut in der Hand hat und fast buchstäblich niederreißen kann.

Eine beliebte Uebung des chilenischen Landvolks ist folgende: Von einem frisch geschlachteten Stiere wird die Haut mit der feuchten und schlüpfrigen inneren Seite aufwärts auf dem Boden mit Pflöcken befestigt. Man stellt sich zwei bis dreihundert Schritte davon auf, sprengt im Carriere an und arretirt auf der spiegelglatten Haut.

Aber die Pferde, gewöhnt von Jugend auf an solche Uebung, sind willig und gutartig und haben dabei eine Sicherheit des Ganges und eine Ausdauer, welche unglaublich erscheint.

Man reitet zwanzig bis fünf und zwanzig Stunden des Tags ohne das Pferd nur ein einziges Mal zu füttern, höchstens reitet man es bis an den Bauch in einen Bach, läßt es nach Belieben trinken und reitet im Galopp weiter, denn alle diese Reisen werden galoppirend gemacht, das Traben kennt man nicht. Aber hat man solche starke Touren gemacht, so läßt man das Pferd wenigstens einige Wochen lang ausruhen, und geht es an, auch länger. Ueberhaupt bleibt ein Pferd nicht länger im Dienste als etwa vier Wochen. Man schickt es dann auf's Land, wo es eben so lange Zeit frei umherläuft, auf den Felsen umherklettert, und überhaupt ganz nach Willkühr lebt. Es giebt Landleute, welche größere und unbebaut liegende Landstrecken zu diesem Zwecke benützen. Man schickt seine Thiere einem solchen, und die bereits ausgeruhten werden mit dem Lasso gefangen und wieder zur Stadt zurückgebracht.

Selbst in den Städten besitzt fast jedermann einige Pferde, auf dem Lande aber, wo der Unterhalt derselben fast gar Nichts kostet, ist kaum irgend Jemand, der nur eine Hufe Landes besitzt, ohne fünf, zehn oder mehrere Pferde, welche alle frei umherlaufen, grasen und sich, bis man ihrer bedarf und sie mit dem Lasso fängt, vollständig selbst überlassen sind. Auch die Ställe in den Städten sind von den unsrigen sehr verschieden. Es sind Schuppen, in welchen die Thiere frei umherlaufen und sich des Winters gegen etwaigen Regen, oder im Sommer gegen allzustarke Sonne, unter einem im Ecke des Schuppens angebrachten Dache schützen.

Es erhellt aber, daß auf solche Weise das Pferd nie den freien Gebrauch seiner Glieder verliert und nachdem es wochenweise auf Felsen umhergeklettert ist, um sich seine Nahrung zu suchen, später ebenfalls nicht ängstlich ist oder strauchelt, wenn es seinen Reiter über schmale Felsenpfade oder an Abgründen vorüber tragen soll.

Die Pferde werden mit Gerste gefüttert, da man den Hafer nicht kennt, Grünfutter ist indessen die vorzüglichste Nahrung derselben.

Der Preis eines Pferdes ist sehr verschieden; um zwei bis drei Unzen erhält man ein ganz taugliches Pferd, bisweilen aber werden wohl auch vier bis fünfhundert Peso für eins gezahlt. Ich muß als eine Eigenthümlichkeit erwähnen, daß man in Chile die Gewohnheit mancher Pferde, im Paßgange oder Schritt die Vorderfüße über einander zu werfen, für eine ganz besondere Schönheit hält, während bei uns dies für einen sogenannten Schönheitsfehler angesehen wird. Indessen weiß ich weder den deutschen noch den spanischen Kunstausdruck für diese Tugend oder Untugend der Pferde, obgleich ein solcher existirt. Man sucht sorgfältig Stuten und Hengste, welche diese Eigenschaft haben, zusammen zu bringen, und gut ausgefallene Fohlen, welchen man möglichst noch durch Dressur nachhilft, werden dann zu den oben angegebenen hohen Preisen verkauft.

Maulthiere und Esel werden von den Chilenen weniger zum Reiten als zum Waaren-Transport und Lasttragen verwendet, doch sieht man ärmere Leute auf Eseln reiten. Unbedingt aber zieht man in Chile die Pferde den Maulthieren für gefährliche Gebirgsreisen vor. Letztere sind, wie Alles was zum weitverzweigten Geschlechte der Esel gehört, störrisch und eigensinnig, ja selbst boshaft, und es gilt in Chile als Regel, stürzt man mit einem Maulthiere, sich sogleich, selbst bei gefährlichem Terrain, so weit als möglich vom Thiere hinweg zu wälzen, da es augenblicklich nach dem Kopfe des Liegenden schlägt.

Ich habe den Pferden und dem Reiten eine, vielleicht anscheinend ungebührlich lange Stelle gewidmet, aber da der Chilene als Kind von drei Jahren auf's Pferd kömmt, und die siebzigjährige Matrone noch Tagreisen auf demselben macht, so mag dem treuen Genossen jener Menschen diese Schilderung seiner Vorzüge wohl gegönnt sein14.

Ich komme jetzt auf einen eigenthümlichen fast schwierig zu behandelnden Gegenstand, welcher nichts desto weniger mit einigen Worten erwähnt werden muß. Ich meine das, was man die Sittlichkeit eines Volkes im engeren Sinne des Wortes nennt.

Allenthalben ist man geneigt südlichen Völkern einen größeren Hang zur Sinnlichkeit beizumessen, als solchen, welche in kälteren Landstrichen wohnen. Man spricht von heißem Blute, von unbezähmbaren Leidenschaften, von dem Feuer, welches sich in jenen glühenden Blicken verrathe u. dgl. mehr. Ich möchte dem nicht unbedingt beipflichten, nach Allem was ich erfahren habe in kalten und heißen Ländern, und vielleicht gerade in dem Punkte, im Punkte der sinnlichen Liebe. Es will mir scheinen als sei der Saame der alten Erbsünde nahebei gleich stark vertheilt in den Herzen aller Menschen, unter Blonde, Braune und Schwarze, und es neige sich der Sohn des kalten Nordens so stark zu verbotener Liebe, als das Kind der tropischen Sonne.

Aber ein bischen mehr Verstellung versteht der erstere zu üben, mancher zügellose Wunsch wird dort mit dem Schleier der Sittsamkeit bedeckt, und die scharfe Zunge einer Heuchlerin tadelt an der Nachbarin das Vergehen, dessen sie selbst schuldig.

Näher dem Aequator ist man nicht so ängstlich bemüht seine Leidenschaft zu verbergen, man sündigt weniger geheim, und begeht deshalb in Wirklichkeit weniger Sünde, weil man minder lügt, minder heuchelt.

Eigentlich mag Valparaiso im Betreff der Sittlichkeit, behalten wir den Ausdruck bei, keine sichere Norm abgeben, denn es ist eine Hafenstadt und in dieser begegnet man auch in tugendreichen Landen, mehr als in andern Städten, gefallenen Töchtern und verlorenen Söhnen.

Aber eben wegen der Freiheit, mit welcher man in Chile gewisse Dinge behandelt, tritt kein so strenger Gegensatz zwischen andern Städten des Innern auf, und dort, so wie hier, öffnen des Abends jene Damen, von welchen ich oben erzählte, daß sie den Maskenball besuchten, ihre Thüren und lassen ein Paar Blumen, ein Paar Bilder an den Wänden, ein Licht und eine freundliche Miene sehen. Fremde und Einheimische treten ein, man spricht, scherzt, die Guitarre erklingt (bisweilen indessen verzweifelt verstimmt) und man trinkt wohl auch ein Glas aus der Nachbarschaft geholten Weines. Endlich werden die Thüren wieder geschlossen, und die Besuchenden sind gegangen. Ich kann keine Rechenschaft ablegen davon, ob nicht etwa einer derselben geblieben ist, aber ich kann bezeugen, daß der Vorübergehende nicht in diese Zimmer gelockt oder gerufen wird, ohne Zweifel bloß deßhalb, weil man weiß, daß ohnedieß eintritt, wer Belieben dazu trägt. Das ist schon ein großer Unterschied zwischen Valparaiso und andern Hafenstädten in Europa. Bisweilen sieht man vor solchen geschlossenen Thüren einen Mann oder ein altes Weib kauern und friedlich wartend eine Cigarre rauchen.

Ein Freund, der sich nähere Kenntniß erworben, hat mir versichert, dieß sei nach der Aussage der Mädchen un amigo oder mi matre, welche vorläufig außen verweilend, den Schlaf der Freundin oder Tochter bewachen, und später wieder eintreten. Ländlich, sittlich!

Mancherlei noch wußte mein Freund zu berichten, aber streng und nördlich gesinnt, habe ich Alles wieder vergessen, bis auf die burleske Schilderung, die er mir entworfen von der künstlerischen Ausschmückung jener Zimmer. Es bestünden die Bilder an den Wänden dort meist aus deutschen Lithographien, und friedlich habe er dort neben einander hängen gesehen europäische und deutsche Fürsten, Marien und Heilige, Robert Blum und Hecker. Sieht man da nicht, sagte mein Freund, wie Liebe, Unschuld und ein kindliches Gemüth alle Gegensätze zu einen wissen?

Im Kreise der höheren Stände und der Leute, welche Geld besitzen, hat man sich ohnedem ganz nach europäischem Typus eingerichtet, wie solches, mit Ausnahme der Glacé-Handschuhe, auch mit den Kleidern geschehen ist; es ist also wohl auch derselbe Fall mit der Tugend und Moralität eingetreten, gegen außen wenigstens.

Aber manche rosenfarbene Sünde, die geheim betrieben wurde, mag auch durch geheime Buße und Reue gesühnt worden sein, denn noch sind die Frauen fromm und gläubig in Chile.

Aber es ist Zeit wieder einmal von mir selbst zu sprechen. Ich hatte fast acht Wochen in Valparaiso und der Umgebung zugebracht. Da meine Excursionen mich oft weit ab von der Stadt führten, hatte ich häufig Gelegenheit, oder war viel gezwungen, auf dem Lande in einem einsamen Gehöfte oder einer Hütte zu übernachten, das Leben der Landbewohner kennen zu lernen und praktisch so viel Spanisch zu erwerben, daß ich nothdürftig ein Gespräch führen konnte. Allenthalben wurde ich gastlich aufgenommen, und obgleich von Chilenen selbst vor Räubern gewarnt, ist mir doch nie das Geringste begegnet. Indessen wurde einmal während meines Aufenthalts in Valparaiso eine Räuberbande, oder wenigstens in die Gattung einschlagendes Gesindel eingebracht. Von einem Morde aber oder von einem räuberischen Anfalle verlautete während der ganzen Dauer meines Aufenthaltes Nichts. Fürchten aber mag man sich wohl vor Aehnlichem. Wenn ich des Abends oder während der Nacht allein auf einsamen Straßen ritt und mir ein oder mehrere Reiter entgegen kamen, bin ich denselben nicht ausgewichen, sondern ritt stets auf derselben Seite der Straße, welche sie behaupteten; meist wich dann der Entgegenkommende schon in der Entfernung aus. Lenkte ich aber mein Pferd nochmals auf die Seite der fremden Reiter, so bogen jene häufig von der Straße ab, gaben auch wohl querfeldein Fersengeld. Freilich war ich stets bewaffnet und mag einem »Ladron« nicht unähnlich gesehen haben in meinem Reise- und Jagdcostüme.

Wenn man aber fragt, warum ich eigentlich jenen Reitern entgegen geritten, so muß ich antworten, daß dieses ziemlich aus demselben Grunde geschehen, aus welchem sie auswichen. Da ich denn doch nicht wußte, wem ich das Vergnügen haben sollte zu begegnen, so zog ich vor, das Prävenire zu spielen.

Vierzehn Tage wohnte ich während jener Zeit auf den Windmühlen etwa 2 Stunden von Valparaiso. Ein deutscher Aufseher, Namens Schmids, der dort wohnte, trat mir freundlich eine Stube ab, stellte mir seine Pferde zur Disposition, und half mir gefällig in meinen Arbeiten. Ich habe in seiner Begleitung größere Touren in das Land gemacht, und noch später überbrachte er mir für mich gesammelte Naturalien nach Valparaiso. Mit wahrhaft aufrichtiger Freude gedenke ich stets der deutschen Landsleute aus allen Ständen, welche mir im fernen Lande so freundlich entgegen gekommen sind, und ich schalte bei dieser Gelegenheit ein, daß während meines zweiten Aufenthaltes in Valparaiso, vier Monate später, mir mehrere deutsche Handwerker, welche dort als Gesellen arbeiteten, Käfer und Conchylien überbrachten, da sie durch das Gerücht erfahren hatten, daß ich Naturforscher sei und solche Dinge sammle.

Die Abende auf jener Mühle wurden gewöhnlich bei einem Italiener zugebracht, welcher eine Frau aus Buenos-Ayres geheirathet hatte und dort an der Straße nach Santjago einen kleinen Kaufladen und eine Schenke unterhielt. Sein Lager war ziemlich gut mit verschiedenem Getränke versehen, aber wie überhaupt in jenen Ländern gebräuchlich, waren alle Flaschen und Vorräthe auf Gestellen längs den Wänden aufgestellt, und durch kürzlich vorgenommene Baureparaturen in einige Unordnung gekommen. Selten war das Richtige zu finden, und so kam es, daß statt chilenischem Biere Portwein, statt Teneriffa Ale, und statt Madeira Bordeaux gereicht wurde. Nach einigem Suchen überreichte der Wirth irgend eine Flasche mit der stehenden Redensart. »Ich weiß nicht, was es ist, aber es wird wohl auch gut sein,« und auch die Preise wurden willkürlich gemacht.

Diese Art, Wirthschaft zu betreiben, ergötzte mich höchlich. Die durch Zufall erworbene Flasche wurde meist mit den Wirthsleuten getheilt, während ich an ihrem Abendessen Theil nahm und Paraguai-Thee mit ihnen trank. Obgleich bei Tage schon stärkere Hitze eingetreten, waren doch die Abende und Nächte ziemlich kühl, da der Berg, auf dem die Mühlen erbaut, der höchste der nächsten Umgebung und dem Winde stark ausgesetzt war, und es fehlte bei diesen abendlichen Unterhaltungen nie der Brasero. Ich habe dort gemüthlich am Kohlenfeuer sitzend manche schätzenswerthe Aufschlüsse über Chile und die benachbarten Länder erhalten, welche theils der Deutsche, theils der Italiener durchzogen hatte, und welche ich großen Theils, einmal aufmerksam gemacht, bestätigt fand.

Ich muß bei dieser Gelegenheit einer eigenthümlichen Notiz erwähnen, welche mir dort mitgetheilt wurde, und welche zwar allerdings theilweise gewiß eine Fabel, eben so gewiß aber auch nicht ganz aus der Luft gegriffen ist. In den La Plata-Staaten – erzählte der Müller – also auf der »andern Seite« wie man in Chile zu sagen pflegt, existirt ein sonderbares und gefährliches Thier. Es ist eine Schlange von etwa fünfzehn Fuß Länge, aber von der Dicke eines sehr starken Mannes, wohl auch stärker. Dieses Thier hat eine nur langsame Bewegung, aber eine furchtbare Kraft im Athem. Selbst größere Säugethiere, zum Beispiel Füchse, werden, sind sie einmal auf zehn oder zwölf Schritte im Bereich der Schlange, von ihr angezogen und verspeist. Die Thiere, welche, einzig durch das mächtige Einziehen der Luft, dem Unthier immer näher gebracht werden, stemmen sich mit aller Kraft dagegen, und schreien häufig aus Angst, aber alles ist vergebens. Die Schlange zieht auf gleiche Weise kleine Kinder an sich und ist sehr gefürchtet, da sie sich nicht selten in der Nähe von Dörfern und Städten blicken läßt. So bei Mendoza, San Juan, La Bioja. Da sie keine raschen Bewegungen hat, können kräftige Männer ihrer Herr werden, und man erschlägt sie mit Aexten. Ihre Haut giebt dann Riemen und Lederzeug und wird in Streifen geschnitten und zu Reitpeitschen verwendet. So weit der Müller. Daß die Geschichte mit dem Anziehen durch den Athem eine Fabel ist, begreift jedermann. Aber daß dort ein Thier von ähnlicher Form und Größe existirt, was von unsern Naturforschern bis jetzt noch nicht gekannt ist, unterliegt fast auch keinem Zweifel. Ich habe später mit einem deutschen Arzte in Santjago, welcher sich vielfach mit der Fauna jener Gegenden beschäftigte, über die Sache gesprochen, und er sagte mir, daß jene allgemein verbreitete Sage in Betreff der Größe der Schlange ihre Richtigkeit habe und es sei ihm durch die glaubwürdigsten Zeugen bestätigt, daß kleinere Säugethiere, Vögel und Amphibien sich wirklich der Schlange nähern und von ihr verspeist werden. Aber die Haut der Schlange sei stets klebrig, so daß eine Menge von Insekten, ja selbst kleine Vögel auf derselben klebten und diese sowohl als die größeren, später zum Opfer fallenden Thiere, sähen die Schlange selbst für einen liegenden Baumstamm an, dem sie wirklich ähnlich sehe. Auf diese Weise würden letztere eine Beute des Unthiers, indem sie sich der kleinen fest klebenden Thiere bemächtigen wollten. – Relata refero!

Aber selten ist eine so allgemein im Volke verbreitete Sage wie die eben erzählte ganz ohne Grund; und ich halte es für Pflicht des Forschers ihrer zu erwähnen um spätere wissenschaftliche Reisende aufmerksam zu machen.

Bei meinem Aufenthalte auf den Mühlen traf ich einige Mal Leute, welche aus den Vorbergen der Cordillera herabkommend, verschiedene Volksheilmittel und ähnliche Gegenstände zum Verkaufe brachten. Ich bin durch einen eigenthümlichen Zufall, den ich nicht näher erwähnen kann, um jene Medikamente gekommen, aber ich glaube, daß sie wenigen Werth für die Wissenschaft gehabt hätten, indem die Wurzeln und Kräuter, aus welchen sie bestanden, meist zu unscheinbarem Pulver zerrieben waren, während ihre Bezeichnung der beim Volke gebräuchliche Name der Pflanze ist, der sich noch häufig nur auf kleinere Distrikte beschränkt.

Des Beispiels halber führe ich indessen einige solche Artikel an, welche ich im Hausschatze einer Landbewohnerin fand, bei welcher ich öfter auf Excursionen einkehrte:

Voican, klein geraspelte Holzspähne, gegen Leucorrhoea;

Mansarilla de Castilio, Blattfragmente gegen Magenschmerzen;

Goma de Mimbrilla 15, Samenkörner, gegen Hämorrhagien aller Art;

Triaca 16, Wurzel gegen Magenschmerzen;

Pichoa, Blattfragmente, als Purgirmittel gebräuchlich;

Pietra de aguila, Adlerstein, wurde als reines Eisenoxydhydrat befunden, von der Besitzerin aber als eine große Seltenheit und theurer Gegenstand geschätzt. Es wird gegen Fallsucht angewendet.

Endlich Asarcon gegen Verstopfung. Dieses Mittel bestand aus reinem Mennige, welcher im Spanischen minio heißt. Woher der Name asarcon, weiß ich nicht, wenn nicht vielleicht von asarse, verbrennen. Die Frau hielt dieses Mittel, vielleicht wegen der rothen Farbe, am höchsten in ihrem ganzen Arzneischatze. Ich gab ihr einige Aloë-Pillen mit der Anweisung zwei derselben bei vorkommenden Fällen zu gebrauchen, und die Mennige zu entfernen. Als ich des andern Tages wiederkehrte, fand ich ihre Magd, ganz nach Art der deutschen Stubenmädchen, mit verbundenem Kopfe und mürrischer Miene umherschleichen, und nachdem sie sich entfernt hatte, gestand mir die Herrin mit heimlicher Freude, sie habe, um die Stärke meines Mittels zu prüfen, dem Mädchen fünf Pillen gegeben. Well! man sieht hieraus wie der Drang, wissenschaftliche Experimente anzustellen, selbst unschuldigen Naturkindern einwohnt.

VI.
Reise nach Santjago (Chile)

Wieder von den Mühlen nach Valparaiso zurückgekehrt, beschloß ich nach kurzer Zeit tiefer in's Innere von Chile zu gehen, und vorläufig mich nach Santjago zu verfügen. Ich miethete und bezahlte meine Wohnung auf zwei Monate im Voraus, um einen ruhigen Platz für meine bereits gesammelten Naturalien zu haben, nahm von meinen Freunden Abschied und wurde von Uhde, Freundt und Dr. Ried mit sehr guten Empfehlungsbriefen versehen, welche mir mehr Nutzen und bessere Aufnahme gebracht haben als alle anderen zusammen, die ich aus Europa mit mir genommen.

Ich nahm eine Berloche, einen zweirädrigen und zweisitzigen Wagen, für welchen ich nebenher gesagt 20 Peso bis nach Santjago zahlen mußte, und machte mich eines Morgens etwa gegen 9 Uhr auf den Weg. Die Art, auf welche man durch solche Berlochen fortgeschafft wird, ist folgende. Der Wagenlenker erscheint am Hause, reitend, und führt das in einer Gabel gehende Wagenpferd am Zügel. Die Effekten des Reisenden werden gepackt, d. h. nach Seemannsart festgestaut, angebunden, eingekeilt, kurz eigentlich mehr befestigt als verpackt. Dann fährt man durch die Stadt; an irgend einer Ecke gesellt sich ein zweiter Berittener zum Wagen, und schon am Ende der Stadt erscheint ein dritter mit etwa zwanzig oder dreißig ledig laufenden Pferden, und kaum vor der Stadt, wo auf dem Wege nach Santjago zu sogleich ein Berg ansteigt, beginnt die tolle Jagd, aus welcher eigentlich die ganze Fahrt besteht. Man lenkt sogleich auf den äußersten Rand der Straße, wo häufig kein Geländer gegen das Stürzen in den Abgrund schützt, und fährt bergan bergab im schnellsten Galopp, und auf der Ebene oft Carriere. An steilen Stellen helfen beide Reiter aufwärts ziehen, indem sie Haken, welche mit starken Riemen an ihrem Sattel befestigt sind, am Wagen einhängen und so zu beiden Seiten nebenher galoppiren.

Der dritte Reiter treibt, den Lasso schwingend, die frei laufenden Pferde neben her, welche bald zurückbleiben, an günstigen Stellen ein wenig grasend, dann wieder im vollsten Laufe an der Berloche vorüber rasend, voraus eilen. Hie und da wird angehalten, eines dieser Pferde mit dem Lasso heraus gefangen und statt des ermüdeten eingespannt. Ein eigentliches Wettrennen beginnt auf den weiten Ebenen, welche man an mehreren Stellen des Wegs antrifft und woselbst der von der Sonne hart gebrannte Boden das günstigste Terrain bietet. Da fast alle Reisenden, welche von Valparaiso nach Santjago gehen, zu gleicher Tagszeit abreisen, so treffen auf jenen Flächen häufig die Berlochen zusammen und nun beginnt die Wettfahrt.

Wenn man es mit einem – wie soll ich mich ausdrücken – mit einem etwas aufgeregten Menschen zu thun hat, muß man entweder die größte Ruhe beobachten, oder was auch bisweilen hilft, sich noch unsinniger geberden. Wir fuhren dort mit noch zwei anderen Wagen fast in einer Reihe. In dem einen zwei chilenische Herrn, in dem zweiten zwei Damen mit einem Negerkinde. Als das raschere Fahren begann, setzten die Damen das Kind neben sich auf den Boden der Berloche und hielten verschiedene Schachteln und Büchsen mit den Händen fest, und die Herren nahmen des stärkeren Luftzuges halber die Hüte ab, niemand aber zeigte eine besondere Aufregung oder Verwunderung, sondern jene Vorkehrungen wurden mit derselben Ruhe getroffen, mit welcher man eben bei uns, fängt es gelinde an zu regnen, den Regenschirm aufspannt, oder einen Handschuh auszieht und in die Tasche steckt. Dort rief ich meinen Chilenen zu. »mas pronto!« (rascher!) Sie sahen mich einen Augenblick verwundert an, denn solches war ihnen wohl noch selten gesagt worden, hierauf aber begann ein wirklich so verrücktes Jagen, daß wir bald unsere Rivalen hinter uns hatten.

Durch diese Narrheit hatte ich mir die dauerhafteste Achtung und Ergebenheit meiner Berlocheros erworben, welche mich von diesem Augenblicke an für einen ächten Caballero hielten.

Man kehrt auf dem Wege nach Santjago zweimal ein; einmal in Casa blanca, wo man zu Mittag speist und Siesta hält, das zweite Mal um zu übernachten, in Curicavia. Die Gasthöfe an beiden Orten sind so ziemlich in europäischem Style eingerichtet, und man befindet sich wohl dort. Von Curicavia geht man bald des Morgens ab, und kömmt bei guter Zeit in Santjago an. Die ganze Strecke, welche 40 bis 50 Stunden Weges beträgt, fährt man in nicht ganz 15 Stunden.

Dem von Valparaiso nach Santjago Reisenden ist ein Ueberblick über das Land wohl gestattet. Es mag das chilenische Land kurz so bezeichnet werden. Seiner ganzen Länge nach ist der schmale Landstrich, welcher Chile bildet, von zwei Gebirgszügen eingeschlossen und begrenzt. Gegen Westen, und die Küste des stillen Oceans bildend, ist es die sogenannte Cordillera de la Costa, die Küstenreihe, ein Gebirgszug, welcher in wechselnder Höhe 800 bis 1200 Fuß ansteigt und selten die Höhe von 3000 Fuß übersteigen wird. Bisweilen in sanfteren Krümmungen abfallend gegen die See, erhebt sich jene Bergreihe doch meist in steilen schroffen Ufern, an welchen eine donnernde Brandung sich bricht. Es ist dieselbe gegen Süden auf dem Gipfel und gegen das Land zu häufig bewaldet, aber im nördlichen Theile Chile's fast durchgängig kahl und schroff. Indessen auch dort, wo schon die glühende Sonne kaum auf den Höhen mehr eine Vegetation aufkommen läßt, sind noch jene Schluchten, die ich schon oben erwähnte, so wie bei Valparaiso, mit üppigem Grüne bekleidet, dem einzelne schlanke Palmen und mächtige Schlinggewächse ein tropisches Ansehen verleihen.

Hat man diese Küsten-Cordillera überstiegen, so breitet sich das Flachland von Chile vor unsern Blicken aus und gewährt den erfreulichen Anblick eines Landes, von welchem die Cultur Besitz genommen hat, ohne schon vollständig die Freiheit der Natur verdrängt zu haben. Kleinere und größere Besitzungen, von der Hütte des armen Landmannes, der nur wenige Hufen Landes besitzt, bis zu der wohl eingerichteten Hacienda des Reichen, welche Tausende von Thalern jährlichen reinen Ertrag abwirft, bieten sich allenthalben dem Auge dar, aber waldige Thäler, felsige Schluchten und selbst öde, nur mit der Espina17 spärlich bedeckte Ebenen, liegen zwischen jenen Zeugen des Fleißes und beweisen, daß noch fleißige Hände dort Beschäftigung finden würden, und der Fluch der Uebervölkerung dort noch nicht eingetroffen.

Einzelne kleinere Gebirgszüge, aber nicht so regelmäßig fortgesetzt wie die Küstenreihe, wohl auch isolirte kegelförmige Berge, unterbrechen jene Ebene, bis endlich die hohe Reihe der Anden, la Cordillera alta, Chile vom anderen Theile Südamerikas trennt.

Im Allgemeinen ist dies der landschaftliche Charakter des Landes und namentlich im mittleren Theile. Während im Norden und Süden aber beide Hauptgebirgszüge sich gleichmäßig fortziehen wie im mittleren Theile, und auch jene Unterbrechungen der Ebene durch einzelne Bergformen stattfinden, wird das landschaftliche Bild im Norden modificirt durch den Mangel der Flora und erinnert bereits an die nachbarliche Wüste von Atacama. Im Süden hingegen zeigt eine noch weit ausgebreitete waldige Fläche und Ströme, die sie durchziehen, daß hier zwar der im Norden mangelnde, alles befeuchtende Regen nicht fehlt, wohl aber noch Bevölkerung und Arbeitskraft.

Stellen, auf welchen man Belege für das eben Ausgesprochene findet, sind die Cuesta18 de Valparaiso, die Cuesta de Zapata und die Cuesta de Prado. Die Cuesta de Valparaiso, auf welcher die Mühlen erbaut sind, ist ein Glied der Küsten-Cordillera. Ich habe sie nach meinen barometrischen Messungen 1279 Fuß hoch gefunden; die Cuesta de Prado 2277 Fuß hoch. Der letztere Berg steigt steil an und die Straße, welche über denselben führt, läuft im Zickzack aufwärts, wenigstens 30 Windungen machend. Von dort hat man eine besonders schöne Fernsicht über das Land, während die wilden steilen Abhänge und Schluchten einen romantischen Vordergrund bilden.

Ich habe in einer größern wissenschaftlichen Abhandlung, welche in den Denkschriften der k. k. Akademie der Wissenschaften in Wien erschienen ist, die geographischen Verhältnisse von Chile so ausführlich behandelt als es mir nach den gemachten Erfahrungen möglich war, und ich muß auf jene Abhandlung denjenigen verweisen, welcher sich speciell für Geognosie interessirt. Als kurze Skizze eines geognostischen Bildes, und vorzugsweise das mittlere Chile betreffend, möchte etwa Folgendes anzuführen sein. Granitisches Gestein bildet die Hauptmasse der Küstenreihe. Meist gegen Süden, z. B. in Valdivia, als Glimmerschiefer auftretend, herrscht bei Valparaiso der eigentliche Granit vor, hie und da vertreten durch Sienit, oder übergehend in Gneis. Zahlreiche Gänge vom basaltischen, doleritischen und vorzugsweise porphyrischen Gesteine, durchdringen die granitischen Formen, an der Küste häufig als kegelförmige Erhebungen aus den Fluthen ansteigend, in den Gebirgen des Landes aber mächtig sich ausbreitend an manchen Stellen, so daß der flüchtig untersuchende Geognost an ein Ueberwiegen wohl glauben mag. Wirklich aber beginnt ein solches Vorherrschen dieser vulkanischen Gesteine weiter gegen das Innere, gegen die hohe Cordillera zu. Es treten endlich dem Forscher die Vorberge derselben entgegen, Trachyte, Dolerite, Porphyre der verschiedensten Art werden immer häufiger, sie sind kaum mehr als Gangbildung zu betrachten, sondern als selbständige Formen und bilden große mächtige Kegelberge. Dort wird das granitische Gestein in allen seinen Modificationen seltener, bis endlich in der Kette des Andes-Gebirges selbst, das wildeste bunteste Gemenge aller Felsarten der vulkanischen Reihe auftritt, bisweilen aber auch noch von vereinzelten granitischen Schichten bedeckt, die offenbar empor gehoben worden sind, nicht selten aber auch einschließend und umhüllend mächtige Massen darstellen, die mehr oder weniger verändert und umgestaltet sind.

Es giebt vielleicht wenige Landstriche der Erde, für deren Entstehung, d. h. für ihre Erhebung aus der Tiefe, aus den Fluthen des Meeres, leichter eine glaubwürdige Theorie aufgestellt werden kann, als für Chile und einen großen Theil der Westküste. Aber wir haben keinen Maßstab mehr auf unserer Erde für jene gewaltigen Reactionen, welche dort vorgegangen sein müssen, und gegen welche sich das Erdbeben von Lissabon verhält, wie ein emporgeschnelltes Sandkorn gegen das Auffliegen eines mächtigen Pulverthurmes.

Ohne Zweifel war der größere Theil von Südamerika, der jetzt die östliche Seite bildet, längst empor gestiegen, als durch einen jener gigantischen Vorgänge im Innern der Erde sich eine neue Spalte öffnete, und ohne Zweifel mächtig erschütternd das ganze schon bestehende Festland, die Kette der hohen Cordillera feurig flüssig aus jener Riesenkluft hervordrang. Gleichzeitig mag das wohl geschehen sein, wenigstens das Emporsteigen des größten Theils der Andes-Kette, wenn auch nicht gleichzeitig nach unsern Begriffen von Raum und Zeit, für welche hundert Jahre schon eine Periode.

Durch jene kolossalen glühenden Felsmassen hindurch bahnten sich wieder neue nachdringende Massen einen Weg, theils erstarrend ehe sie die Oberfläche erreicht, theils sie durchdringend und mehr oder weniger flüssig sich ergießend über dieselbe. Längs der ganzen Reihe des neu entstandenen Gebildes aber blieben Kanäle offen nach der gährenden, schmelzenden Tiefe. Fortwährende vulkanische Ausbrüche fanden statt durch dieselben, eine Reihe meteorologischer Erscheinungen hervorrufend, deren Intensität wir nur zu ahnen vermögen, nehmen wir auch die analogen Processe zu Hülfe, welche noch heute vor unsern Augen bei den Ausbrüchen unserer jetzigen Vulkane vor sich gehen.

Später wohl erst hob sich das Flachland von Chile und den andern Ländern, welche jetzt die Westküste bilden. Sind nun jene Gänge und Spalten-Ausfüllungen, welche den Granit und die Gesteine des Flachlandes durchziehen, schon entstanden als noch das Meer alle jene Formen bedeckte, oder erst später, so viel ist sicher, mächtige Erschütterungen müssen durch eine lange Reihe von Jahren das neue Land heimgesucht haben, davon geben die Erdbeben Zeugniß, welche noch heute dort häufiger als irgendwo sonst auftreten.

An manchen Stellen in Chile, unweit Valparaiso, unweit Santjago, im Norden und im Süden, trifft man neptunische Formen den granitischen aufgelagert, und diese oft Versteinerungen führend; die Schichten sind ohne Zweifel der alte Meeresgrund, in der Tiefe schon früher dem Granite aufgelagert und später dann mit demselben emporgestiegen. Aber auch mächtige Alluvialgebilde werden häufig in Chile getroffen und man begegnet auf der Reise von Valparaiso nach Santjago vielfachen Spuren, daß mächtige Wassermassen dort geströmt haben müssen, so wie die schroffen und steilen Schluchten der Küsten-Cordillera, offenbar blos mächtige Wasserrisse, ebenfalls dessen Zeugniß geben.

14.Der Pferdefreund fragt mich: Welche Race? Ich weiß es nicht. Das chilenische Pferd ist, ähnlich seinem Herrn, von Mittelgröße, eher aber kleiner als dieselbe überragend. Es ist zierlich und schlank gebaut und erinnert an die ungarische Race. Jedenfalls ist es zuerst von den Spaniern mitgebracht worden und auch die wilden Pferde auf der Ostküste Amerikas stammen von spanischen Pferden ab, aber wie es sich zur gegenwärtigen Race andalusischer Pferde verhält, ob und wie es verändert, vermag ich nicht anzugeben.
15.Goma, eigentlich Gummi, Harz. In meinem Tagebuch finde ich bei der Goma de Mimbrilla verzeichnet: »ist auch in der Pharmacie bekannt,« aber ich habe hier nicht entwickeln können, woher der Name kömmt.
16.Triaca, wörtlich Theriak, oder allgemeines Gegengift.
17.Eine Akazien-Art mit langen Stacheln, welche erst später im Sommer sich belaubt.
18.Cuesta heißt auch die Höhe eines Berges, wird aber häufiger noch als Abhang, als die abschüssige Seite des Berges gebraucht, während los altas den eigentlichen Gipfel, die Höhe bezeichnet. Die Chilenen gebrauchen vorzüglich den Ausdruck Cuesta, wie mir scheint, um das Hinderniß zu bezeichnen, was sich den Reisenden beim Uebersteigen entgegenstellt.
Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
05 июля 2017
Объем:
245 стр. 9 иллюстраций
Правообладатель:
Public Domain

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