Читать книгу: «Romantic Thriller Doppelband 1301 - Zweimal Liebe, Spannung und Geheimnis», страница 2

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Irgendwie musste sie ihn überrumpeln.

„Aber George ist mein Freund‟, presste sie hervor, während sie sich mit dem Messer in der Hand bückte und neben ihm in die Hocke ging. Auch jetzt bewegte George sich nicht, war immer noch bewusstlos.

„Freundschaft ist nur eine Illusion‟, behauptete Bannister. „Etwas, woran du doch selber nicht glaubst, wenn du dir selbst gegenüber ehrlich bist. Sonst hätte sich davon auch in deinen Bildern etwas gefunden. Wirf diesen Ballast über Bord und töte ihn. Du wirst sehen, es wird wie ein Schritt in eine neue Welt für dich sein.‟

Heather registrierte, dass er seine Abwehrhaltung lockerte. Offenbar rechnete er jetzt nicht mehr wirklich damit, dass sie ihn aus dieser für sie sehr ungünstigen Position angreifen würde, und plötzlich wusste sie, was sie zu tun hatte.

Mit aller Entschlossenheit und Kraft rammte sie ihm das Messer durch den Schuh in seinen rechten Fuß. Noch während Bannister vor Überraschung, Schmerz und Wut aufschrie, warf sie sich bereits zur Seite und sprang auf.

Trotz seiner Schmerzen reagierte er unglaublich schnell und versuchte nach ihr zu greifen, bekam ihre Jacke jedoch nicht richtig zu packen. Heather riss sich los und war im gleichen Moment an ihm vorbei. So schnell sie konnte, hastete sie die Treppe hinauf.

„Das wirst du bereuen, du Miststück!‟, brüllte Bannister ihr nach, während er sich bückte, und das Messer aus seinem Fuß zog. „Warte nur, ich kriege dich!‟

Heather rannte weiter. Sie erreichte ihr Schlafzimmer und hastete hinein. Mit zitternden Fingern zog sie ihre Nachttischschublade auf und ergriff die Pistole. Ihre Nerven waren wie hauchdünne Seidenfäden und drohten jeden Moment zu zerreißen, doch mit der Waffe fühlte sie sich bereits ein klein bisschen sicherer.

Anders als zuvor, war sie sich nicht wirklich sicher, ob sie es fertigbringen würde, auf Bannister zu schießen, doch sie hoffte, dass das auch gar nicht nötig sein würde. So gleichgültig ihm das Leben anderer war, so wertvoll schien ihm sein eigenes zu sein. Vielleicht würde er aufgeben, wenn sie die Pistole auf ihn richtete.

Als sie sich umdrehte, hatte auch Bannister die Schlafzimmertür erreicht. Sein Fuß blutete stark, und er humpelte, doch Wahnsinn und Fanatismus halfen ihm, den Schmerz zu verdrängen.

„Das wird dir nichts nutzen‟, keuchte er. Drohend richtete er das blutige Messer auf sie, während er mit der anderen Hand etwas aus seiner Hosentasche zog. „Während ich auf dich gewartet habe, hatte ich genug Zeit, um mich umzusehen, und natürlich habe ich die Pistole auch entdeckt.‟

Er öffnete seine Faust und hielt sie ihr mit einem triumphierenden Grinsen entgegen. Auf seiner Handfläche lag das Magazin der Waffe. Achtlos ließ er es fallen.

„Und jetzt wirst du für alles bezahlen!‟, stieß er hervor und kam weiter auf sie zu.

Heather wusste, dass sie verloren war. Um den einzigen Ausgang aus dem Raum zu erreichen, hätte sie direkt an Bannister vorbei gemusst, und das würde ihr niemals gelingen. Die Verletzung am Fuß behinderte ihn zwar, aber bei Weitem nicht so stark, wie sie gehofft hatte.

Obwohl sie wusste, dass ihr die Waffe ohne Munition nichts nutzen würde, drückte sie in ihrer Verzweiflung den Abzug, und das Unglaubliche geschah. Donnernd löste sich ein Schuss. Die Kugel traf Bannister dicht unterhalb des Halses und schleuderte ihn zurück. Ungläubig starrte er sie einen Moment lang an, dann stürzte er schwer zu Boden und blieb reglos liegen.

Heather selbst war mindestens so fassungslos und überrascht wie er. Erst nach Sekunden begriff sie, was geschehen war. Obwohl er sich selbst als eine Art Todesengel sah, kannte Bannister sich mit Schusswaffen offenbar nicht besonders gut aus. Er hatte zwar das Magazin aus der Pistole gezogen, aber nicht gewusst, dass eine Kugel bei diesem Modell bereits im Lauf steckte, damit man nicht erst durchladen musste.

Als hätte sie sich daran verbrannt, ließ Heather die Waffe fallen. Vorsichtig, immer noch furchtsam, näherte sie sich Bannister, darauf gefasst, dass er sich plötzlich aufrichten und sie erneut angreifen würde.

Sie war kein besonders guter Schütze, und es wunderte sie, dass sie ihn überhaupt getroffen hatte. Erst als sie ihn erreichte und sich über ihn beugte, erkannte sie, dass es sich sogar um einen wahren Meisterschuss gehandelt hatte. Auf Bannisters Gesicht zeigte sich noch immer ein verblüffter Ausdruck, als könnte er nicht glauben, was geschehen war, doch seine Augen waren bereits gebrochen.

Er war tot.

Der Alptraum war vorbei.

4

Heather hatte sich getäuscht.

Mit Bannisters Tod war der Alptraum noch längst nicht vorbei.

War ihr die letzte halbe Stunde mit ihm wie der Vorhof der Hölle vorgekommen, so war das, was danach folgte, die Hölle selbst.

Dank ihrer panischen Angst hatte ihr Körper in der Zeit, in der sie mit dem wahnsinnigen Mörder durchs Fegefeuer gegangen war, massenweise Adrenalin produziert und in ihre Adern gepumpt, so dass sie praktisch die ganze Zeit über unter Hochspannung gestanden hatte. Sie war so damit beschäftigt gewesen, irgendwie zu überleben, dass sie gar nicht zum Nachdenken darüber gekommen war, was überhaupt passiert war. Panik und Entsetzen hatten ihren Verstand blockiert und keinerlei Raum für andere Gefühle mehr gelassen.

Das änderte sich erst, als sie nach Bannisters Tod ins Erdgeschoss zurückhastete, um sich um George zu kümmern, und erkennen musste, dass jede Hilfe für ihn zu spät kam. Das Stöhnen war offenbar nur ein letztes Aufbäumen vor dem Tod gewesen.

Kaum hatte Heather die Endgültigkeit seines Todes registriert, versagten ihr die Nerven vollends. Sie erlitt einen Zusammenbuch, der schließlich in einen minutenlangen Weinkrampf mündete.

Rocky war tot.

George war tot.

Sie selbst wäre um ein Haar ebenfalls ermordet worden, und sie hatte selbst einen Menschen getötet, auch wenn es sich um einen wahnsinnigen Mörder handelte.

Mit all dem auf einmal fertig zu werden, war nicht leicht. Minutenlang vergoss sie bittere Tränen über dem Leichnam ihres besten und einzigen Freundes, der ihr erst vor wenigen Stunden, die ihr mittlerweile wie Wochen vorkamen, einen Liebesantrag gemacht hatte.

Irgendwann versiegten ihre Tränen. Mühsam, als wäre sie eine uralte Frau, die sich kaum auf den Beinen halten könnte, wankte Heather ins Wohnzimmer und wählte mit zitternden Fingern die Nummer der Polizei

Die richtige Tortur für sie begann jedoch erst, als die Polizei nach einer knappen Viertelstunde, die ihr wie eine Ewigkeit erschien, schließlich eintraf.

Sie kannte Sheriff Brennan, einen noch relativ jungen und gutaussehenden Mann, der meist gutgelaunt war, flüchtig, und sie wusste, dass er seine Arbeit zwar gewissenhaft ausübte, aber nicht unbedingt ein absoluter Schnelldenker war. Die beiden Deputys, die er mitgebracht hatte, kannte Heather zwar nicht, aber für die beiden galt so ziemlich das gleiche wie für ihren Chef.

Wieder und immer wieder musste Heather berichten, was sich zugetragen hatte. Entweder begriff Brennan wirklich nicht auf Anhieb, was sie ihm mitzuteilen versuchte, oder er stellte sich noch begriffsstutziger, als er ohnehin war.

Ein Doppelmord mit anschließender Tötung des Täters stellte in einer so kleinen, ländlichen Gemeinde wie North Bend das vermutlich blutigste Verbrechen dar, das es hier je gegeben hatte. Entsprechend genau wollte Brennan alles wissen, um sich bei diesem Fall, der offenkundig ein paar Nummern zu groß für ihn war, nur ja kein Versäumnis vorwerfen lassen zu müssen.

Jedes noch so unbedeutende Detail interessierte ihn, und vor Allem mit Bannisters Motivation hatte er beträchtliche Schwierigkeiten. Sie lag so weit außerhalb seiner eigenen etwas naiven Denkweise, dass er kaum imstande war, sie nachzuvollziehen.

Ihre Aussage stellte für Heather eine grausame Qual dar. Sie wollte endlich allein sein, wollte ein Bad nehmen und sich so bald wie möglich hinlegen, um im Schlaf die schrecklichen Geschehnisse zumindest für eine Weile vergessen zu können.

Ganz bestimmt aber wollte sie sich nicht genauestens an alle blutigen Einzelheiten des Verbrechens erinnern, wozu der Sheriff sie mit seinen Fragen zwang. Es war, als ob sie alles noch einmal durchlebte, und dann ein weiteres Mal, wenn ihm wieder irgendein unwichtiger Punkt unklar erschien, und dann noch einmal.

Irgendwann schließlich konnte sie einfach nicht mehr, und endlich schien auch Brennan zu erkennen, welche Tortur er ihr zumutete. Er klappte sein Notizbuch zu und erhob sich.

„Ich werde dann ein Protokoll anfertigen, das Sie nur noch zu unterschreiben brauchen Mrs. Chambers‟, sagte er. „Bitte kommen Sie doch morgen im Laufe des Tages in meinem Büro vorbei. Falls sich noch weitere Fragen ergeben sollten, können wir diese dann klären.‟

Seine Deputys hatten inzwischen die Beweisaufnahme abgeschlossen, und auch die beiden Leichen waren bereits abtransportiert worden. Mittlerweile stand auch fest, wie Bannister ins Haus gekommen war. Er hatte eines der kleinen Kellerfenster gewaltsam aufgebrochen und sich irgendwie durch die Öffnung gezwängt. Es war nicht durch die im Haus installierte Alarmanlage gesichert gewesen, ein Versäumnis, das sie am nächsten Tag nachholen würde.

Wie sich aufgrund seines Führerscheins herausstellte, hatte er sogar seinen richtigen Namen genannt. Ein Stück entfernt war auf einem kleinen Waldweg auch sein Wagen gefunden und sichergestellt worden.

Die Polizisten verabschiedeten sich, und endlich war Heather allein.

Fast gleichzeitig jedoch schlugen ihre Gefühle ins Gegenteil um. So sehr sie sich vorher auch nach Ruhe gesehnt hatte, kaum waren die Polizisten abgefahren, begann die Einsamkeit, die sich über das Haus senkte, ihr Unbehagen zu bereiten.

Es war keine Ruhe, sondern die Stille des Todes, und immer noch schien die Gewalt, die sich hier in einem explosiven Ausbruch Bahn verschafft hatte, allgegenwärtig zu sein.

So allein fühlte sie sich mit einem Mal schutzlos und ängstlich. Bannister war tot, und ganz sicher würde in dieser Nacht nicht noch ein weiterer wahnsinniger Mörder hier auftauchen, aber das änderte nichts an ihrer Nervosität.

Bislang war ihr das Haus wie ein sicherer Hafen vorgekommen, ein Schutz gegen die Außenwelt. Dieser Funktion jedoch hatte Bannister es mit seinem Eindringen beraubt. Aus der vermeintlich sicheren Festung war eine Strohhütte geworden.

Auch alles andere, was ihr ein Gefühl der Sicherheit verliehen hatte, war fort. Zwar besaß sie einen Waffenschein für die Pistole, dennoch hatte man diese als Beweismittel sichergestellt, und sie würde sie erst in ein paar Tagen zurückbekommen.

Vor allem aber vermisste sie Rocky. Der Hund hatte sie nicht nur beschützt, sondern ihr auch die Einsamkeit vertrieben, war wie ein Freund für sie gewesen.

Im Gegensatz zu den beiden menschlichen Leichen hatte man ihn einfach liegengelassen, ihn lediglich aus dem Durchgang zwischen Wohnzimmer und Flur geräumt und Heather erlaubt, ein Laken über ihn zu breiten. Aber dennoch befand sich der Kadaver des Hundes noch im Haus, und sowohl im Flur, wie auch in ihrem Schlafzimmer kündeten große Blutflecken im Teppich von den Gewalttaten. Da es sich um einen sehr hellen Teppich handelte, würden sie sich auch nicht mehr entfernen lassen.

Heather würde nichts anderes übrig bleiben, als am nächsten Tag eine Teppichfirma kommen zu lassen, die die betroffenen Stellen entfernte und neue Teppichstücke einpasste. Bis dahin jedoch würde sie die Blutflecken ertragen müssen.

Auch ihre Müdigkeit war mit einem Mal wie weggewischt. Sie glaubte nicht mehr, dass sie in dieser Nacht in diesem Haus auch nur eine Sekunde Schlaf finden würde.

Sie überlegte, ob sie nach Snoqualmie hinüber fahren und sich ein Zimmer in der „Salish Lodge‟ nehmen sollte, dem „Great Northern Hotel‟ der Fernsehserie. Schließlich verwarf sie diesen Gedanken jedoch wieder. Wenn sie jetzt auszog, und wenn es nur für eine Nacht war, würde sie dieses Haus aufgeben. Dann würde sie sich hier nie mehr heimisch und sicher fühlen.

Es war, als wenn man als Reiter von einem Pferd abgeworfen wurde. Wenn man sich dabei nicht gerade schwere Verletzungen zugezogen hatte, sollte man direkt wieder in den Sattel steigen, damit man erst gar keine Zeit hatte, Furcht davor zu entwickeln. Später würde man womöglich nie wieder den Mut dazu aufbringen.

Ähnlich verhielt es sich auch mit diesem Haus. Diese erste Nacht würde schlimm werden, aber wenn sie erst morgen oder übermorgen hierher zurückkehrte, würde sich bis dahin eine solche Angst und Abneigung gegen das Haus in ihr aufgebaut haben, dass sie sich hier nie mehr wohlfühlen könnte, und diesen posthumen Triumph, sie von hier vertrieben zu haben, wollte sie Bannister nicht gönnen.

Immerhin war dies nicht nur der Ort, an dem er ihr aufgelauert hatte, sondern auch der Schauplatz ihres Sieges über ihn. Und so wie sie ihn besiegt hatte, so würde sie auch die Erinnerung an ihn besiegen.

Wie sich herausstellte, brauchte sie sich über die Einsamkeit in dieser Nacht jedoch ohnehin keine Sorgen mehr zu machen. Sie würde nicht allein sein, wie ihr kurz darauf bewusst wurde, als sie mit einer der besonders abscheulichen Folgen, Opfer eines Verbrechens geworden zu sein, konfrontiert wurde.

Erschrocken zuckte Heather zusammen, als es plötzlich an der Tür klingelte. Sie musste allen Mut zusammenbringen, um zur Tür zu gehen und durch den Spion zu blicken. Ein junger Mann in einem Trenchcoat stand draußen.

„Was wollen Sie?‟, rief sie durch die Tür.

„Steve Burnett von der Snoqualmie Gazette. Ich habe erfahren, was geschehen ist und würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen.‟

Reporter, dachte Heather angewidert. An dieses Pack hatte sie noch gar nicht gedacht. Es hatte eine Weile gedauert, bis sie von dem Vorfall erfahren hatten, aber nachdem nun einmal der Anfang gemacht worden war, würden sie innerhalb kurzer Zeit wie die Heuschrecken hier einfallen. Nein, eher noch wie die Schmeißfliegen.

„Verschwinden Sie!‟, rief sie. „Ich habe Ihnen nichts zu sagen.‟

„Aber Mrs. Chambers, nur ein paar Fragen und eine kurze Stellungnahme für unsere Leser.‟

„Haben Sie mich nicht verstanden?‟, schrie Heather unbeherrscht, eine Folge ihrer stark angegriffenen Nerven. „Gehen Sie! Verlassen Sie auf der Stelle mein Grundstück, oder ich rufe die Polizei!‟

Die Drohung schien zu wirken. Vielleicht war der junge Reporter noch nicht so abgebrüht wie viele seiner erfahreneren Kollegen, jedenfalls wich er tatsächlich bis zur Straße zurück, was allerdings nur eine Distanz von nicht einmal zwei Dutzend Metern ausmachte. Dort wartete er, und er würde sicherlich nicht der einzige bleiben.

Heather stellte die Türklingel ab.

Als sie sich umdrehte, fiel ihr Blick wieder auf Rocky, und sie entschloss sich, ihn jetzt direkt zu begraben. Obwohl es ihr fast das Herz brach, verstaute sie ihn in einem Plastiksack. Aus dem Keller holte sie einen Spaten und hob damit ein Loch unter einem der Bäume auf ihrem großen Grundstück hinter dem Haus aus. Nachdem sie den Hundeleichnam hineingelegt hatte, schaufelte sie es wieder zu und sprach ein kurzes Gebet.

Als sie ins Haus zurückkehrte und einen Blick aus dem Fenster warf, sah sie, dass mittlerweile weitere Journalisten eingetroffen waren. Auch der Übertragungswagen eines Fernsehsenders aus Seattle parkte nun vor dem Grundstück. Sollten die Reporter ruhig warten, irgendwann würden sie schon die Lust verlieren und frustriert abziehen.

Heather ging ins Badezimmer hinauf. Sie zog ihre verschwitzten und vom Graben schmutzigen Sachen aus, stellte die Dusche an, und trat in die kleine Kabine. Sie drehte das Wasser so heiß, wie sie es gerade noch aushalten konnte, und genoss es, sich von den prasselnden Strahlen massieren zu lassen.

Drei-, viermal seifte sie sich gründlich ein. Sie fühlte sich unrein, als hätte Bannister sich auch körperlich an ihr vergangen, als hätte er sie mit seinen Worten über ihre vermeintliche wahnsinnige Seelenverwandtschaft besudelt. Es schien ihr, als ob sie neben Schmutz und Angst auch die Erinnerungen daran abwaschen könnte.

Erst als ihre Haut schließlich krebsrot war und kribbelte, als ob tausend Ameisen darüber laufen würden, drehte Heather die Dusche wieder aus. Sie trocknete sich ab und föhnte ihre Haare.

Ein weiterer Blick aus dem Fenster zeigte ihr, dass sich vor dem Haus mittlerweile ein regelrechter Auflauf von Reportern gebildet hatte. Es hatte einige Zeit gedauert, bis die Nachricht von den Morden hier überhaupt durchgesickert war, aber danach musste sie sich nach dem Schneeballprinzip wie ein Lauffeuer verbreitet haben. Einige Journalisten versuchten auch weiterhin bei ihr zu klingeln, um eine Stellungnahme von ihr zu erhalten.

Heather war froh, dass sie die Türglocke abgestellt hatte, doch damit allein war es noch nicht getan. Die Reporter waren hartnäckiger und kannten kein Erbarmen.

Als sie das Bad verließ, hörte sie, wie im Erdgeschoss das Telefon klingelte. Mit gemischten Gefühlen nahm Heather den Hörer ab. Es meldete sich ein Reporter von einer Nachrichtenagentur. Sie ließ ihn erst gar nicht ausreden, sondern legte auf, kaum dass er sich vorgestellt hatte.

Keine halbe Minute später klingelte das Telefon erneut. Diesmal hob sie den Hörer nur kurz an, legte ihn direkt wieder auf die Gabel zurück und danach neben das Gerät. Nun konnte anrufen wer wollte.

Zwar glaubte Heather nicht, dass sie in dieser Nacht Schlaf finden würde, aber sie wollte es zumindest versuchen. In ihrem Schlafzimmer, wo sie Bannister getötet hatte, und wo der Teppich von seinem Blut besudelt war, würde sie jedoch auf keinen Fall übernachten.

Stattdessen brachte sie ihr Bettzeug ins Gästezimmer und legte sich dort zur Ruhe. Nach allem, was sie erlebt hatte, erschien die Dunkelheit ihr unerträglich, deshalb ließ sie das Licht brennen.

Mit hinter dem Kopf verschränkten Armen starrte sie zur Decke hinauf und bemühte sich, alle Gedanken an Bannister zu verdrängen, stellte sich statt dessen harmonische, beruhigende Landschaftsszenen vor.

Es funktionierte.

Zu ihrer eigenen Überraschung wurde Heather schon nach kurzer Zeit von ihrer Müdigkeit überwältigt und schlief kurz darauf ein.

5

Wie nicht anders zu erwarten war, schlief sie in dieser Nacht äußerst unruhig. Mehrfach schrak Heather aus furchtbaren Träumen auf, in denen Jack Bannister eine Rolle gespielt hatte, doch stets gelang es ihr, kurz darauf wieder einzuschlafen.

Erst spät am nächsten Vormittag stand sie auf. Bis auf eine kleine Schar Unermüdlicher, die in ihren Autos vor sich hin dösten oder sich unterhielten, hatten sich die Reporter mittlerweile verzogen.

Das Wetter an diesem Tag entsprach Heathers Stimmung. War es gestern noch sonnig und heiter gewesen, so wurde der Himmel heute von schweren grauen Regenwolken bedeckt, die so tief hingen, dass man meinte, sie anfassen zu können, wenn man nur die Hand danach ausstreckte. Die Luft war so feucht, dass sich der Frühdunst noch nicht verzogen hatte. Ihr Haus lag etwas erhöht auf einem Hügel, so dass sie einen guten Blick über die umliegende Landschaft hatte. Nebel stieg stellenweise wie Rauch zwischen Bäumen auf, so dass es aussah, als würde der Wald brennen.

Nachdem sie gefrühstückt hatte, rief Heather bei einer Teppichhandlung, einem Reparaturdienst für das herausgebrochene Kellerfenster und schließlich bei einer Firma für Alarmanlagen an. In allen drei Fällen wurde ihr versichert, dass man noch im Laufe des Nachmittags jemanden zu ihr schicken würde.

Um die Mittagszeit machte sie sich auf den Weg zum Sheriffbüro, um das Protokoll zu unterschreiben. Einige der Reporter schossen Fotos von ihr, als sie an ihnen vorbeifuhr, doch das war ein unumgängliches Übel.

Wie kaum anders zu erwarten, waren Sheriff Brennan noch zahlreiche weitere eigentlich überflüssige Fragen eingefallen, so dass es mehr als eine Stunde dauerte, bis sie fertig waren. Zu Heathers besonderer Freude kündigte er ihr an, dass sich wohl auch das FBI in die Ermittlungen einschalten würde, falls sich der Verdacht erhärten sollte, dass Bannister auch in anderen Bundesstaaten Morde begangen hatte. In diesem Fall würde ein Special Agent sie möglicherweise in den nächsten Tagen aufsuchen, was ihr gerade noch gefehlt hatte.

Nachdem sie die kleine Polizeistation verlassen hatte, kaufte sie sich an einem Kiosk einige Tageszeitungen, in denen bereits kurze Berichte über Bannister und sie standen, ehe sie wieder nach Hause zurückkehrte.

Dort überflog sie erst einmal die Berichte. Allzu viele Informationen waren darin noch nicht enthalten, aber was geschrieben wurde, entsprach immerhin der Wahrheit. Auf wilde Spekulationen hatte man glücklicherweise verzichtet, aber wie sie einige besonders gehässige Regenbogenblätter kannte, würde das in den nächsten Tagen noch folgen. Zumindest über Bannisters Motivation würde es sicherlich noch Gerüchte geben, und möglicherweise würde man ihr sogar eine Bekanntschaft mit ihm andichten.

Gegen zwei Uhr kamen zwei Mitarbeiter der Teppichhandlung. Sie rissen die mit dem mittlerweile getrockneten Blut verschmutzten Bahnen heraus und setzten neue ein. Glücklicherweise hatten sie den gleichen Teppich noch vorrätig, so dass es gar nicht auffiel.

Kurze Zeit später traf auch jemand ein, der das aus dem Rahmen gebrochene Gitterfenster im Keller ersetzte, und bald darauf jemand von der Firma für Alarmanlagen. Er sicherte nicht nur die Kellerfenster, sondern überprüfte auch das restliche Alarmsystem und wies sie auf Schwachpunkte hin, die Heather beseitigen ließ.

Zwischenzeitlich gab es auch einige Störungen durch Reporter, die sie jedoch gar nicht erst ins Haus ließ, sondern sofort des Grundstücks verwies. Ebenso wimmelte sie sofort alle Journalisten ab, die bei ihr anriefen.

Fast ohne dass sie bemerkte, wie schnell die Zeit verstrich, wurde es Abend, bis schließlich alle Anlagen installiert waren, und der Mann sich von ihr verabschiedete. Er hinterließ eine gesalzene Rechnung, doch soviel war ihr ihre Sicherheit wert. Wären die neuen Systeme schon gestern installiert gewesen, hätte Bannister bei seinem Eindringen sofort Alarm ausgelöst, und alles wäre anders gekommen.

Allerdings war sich Heather auch bewusst, dass es keine absolute Sicherheit gab. Statt ins Haus einzubrechen, hätte Bannister ihr womöglich bei ihrer Rückkehr im Freien aufgelauert, oder er hätte bis heute gewartet, einfach bei ihr geklingelt und sich als Telegrammbote oder etwas ähnliches ausgegeben, um sich Zutritt zu verschaffen.

Daran aber wollte sie jetzt nicht denken.

Nach einem kurzen Regenschauer hatte das Wetter im Laufe des Nachmittags etwas aufgeklart. So entschloss sie sich, vor Einbruch der Dunkelheit noch einen Spaziergang zu unternehmen, um etwas frische Luft zu schnappen.

Nach ihrer Rückkehr ging sie in ihr Atelier, einen großen, hellen Raum im hinteren Teil des Erdgeschosses. Sie hatte ein wenig Angst davor, denn was sie überprüfen wollte, würde ihr möglicherweise ein paar unangenehme Erkenntnisse über sich selbst vermitteln. Deshalb hatte sie dies bislang hinausgezögert, und auch der Spaziergang hatte ihr im Grunde nur einen weiteren Aufschub verschaffen sollen.

Sie arbeitete stets an mehreren Bildern gleichzeitig, konnte sich im Gegensatz zu vielen anderen Malern nicht ausschließlich auf ein Werk konzentrieren. Auch mehrere ältere Bilder, von denen sie sich nicht trennen wollte, bewahrte sie hier auf, und sie fotografierte sämtliche Bilder, bevor sie sie verkaufte.

Nacheinander musterte sie kritisch alle ihr Werke unter dem Blickwinkel, wie Bannister sie gesehen haben mochte. Völlig unrecht hatte er nicht gehabt, wie sie widerstrebend zugeben musste. Zwar hatte sie nie bewusst versucht, den Tod darzustellen oder gar zu verherrlichen, aber ihre Bilder waren unbestreitbar sehr düster, ein Spiegel ihres von Einsamkeit, Abschottung gegenüber der Außenwelt, Furcht und Verlust geprägten Seelenlebens.

Es erschreckte sie, dies herauszufinden, weil sie es sich nicht so schlimm vorgestellt hatte. Viele der Bilder stammten direkt aus ihrem Unterbewusstsein, und sie hatte bislang immer gedacht, dass es sich zu einem beträchtlichen Teil um reine Phantasie handeln würde.

Dem aber war nicht so. Die Gemälde vermittelten fast ausschließlich Leere, Trostlosigkeit und Trauer, so dass man tatsächlich glauben konnte, den Tod darin zu entdecken. Wenn sie wirklich ihren Seelenzustand widerspiegelten, dann musste es in ihr ziemlich finster aussehen.

War sie denn wirklich so? Es gab viele Kleinigkeiten des alltäglichen Lebens, über die sie sich freute, und sie war im Grunde eigentlich auch nicht depressiv veranlagt. Erstaunlich nur, dass ständig nur Negatives in ihre Arbeit geflossen war.

Bevor sie dazu kam, weiter darüber nachzudenken, wurde sie durch ein Vibrieren des Bodens aufgeschreckt. Auch die Fensterscheiben begannen leicht zu klirren.

Im ersten Moment glaubte Heather, es würde durch ein Flugzeug ausgelöst, doch war keinerlei Fluglärm zu hören. Statt dessen vernahm sie ein dumpfes Wummern, fast wie Herzschlag, und das Vibrieren verstärkte sich noch. Ein Pinsel, der auf einem Tisch lag, geriet in Bewegung, rollte bis zur Kante und fiel zu Boden.

Immer heftiger wurde das Vibrieren, und erst jetzt begriff sie, dass es sich um ein Erdbeben handelte. Die Fensterscheiben klirrten so stark, als wollten sie zerspringen.

Weitere Malutensilien fielen von ihren Ablagen. Terpentin schwappte aus einem Glas über, in dem sie ihre Pinsel nach Gebrauch einweichte.

Ein letztes Mal noch bebte die Erde, diesmal so stark, dass eine der Staffeleien umstürzte, dann war wieder Ruhe.

Heather konnte es kaum glauben. Anders als in Kalifornien war hier eigentlich kein ausgesprochenes Erdbebengebiet. Höchstens wenn sich die Kontinentalplatten an der St. Andreas Spalte, an der unter anderem San Francisco und Los Angeles erbaut waren, besonders stark bewegten, pflanzten sich leichte Ausläufer der Erschütterungen schon mal bis soweit in den Norden herauf fort, doch auch sie waren meistens kaum zu spüren.

Ein so starkes Beben wie gerade hatte Heather noch nie erlebt. Wenn das Epizentrum wie zu erwarten in Kalifornien lag, um wie viel schlimmer mochte es dann dort gewesen sein? Handelte es sich womöglich gar um das ganz große Beben, das jeder dort befürchtete, und das zwangsläufig irgendwann einmal kommen musste?

Heather ging ins Wohnzimmer hinüber und schaltete im Fernsehen den Nachrichtensender CNN ein. Da es dem Sender sehr auf Aktualität ankam, würde man dort wohl sehr schnell über das Beben berichten.

Aber die Minuten verstrichen, ohne dass eine entsprechende Meldung gebracht wurde. Offenbar waren doch keine größeren Schäden entstanden, Vielleicht hatte die Erde ja auch doch nur hier in der Gegend gebebt und das nicht einmal besonders stark, so dass CNN gar nicht erst darüber berichtete.

Um zehn Uhr schaltete Heather auf einen Lokalsender aus Seattle um, der Nachrichten brachte, doch auch dort wurde das Beben mit keinem Wort erwähnt. Dafür jedoch kam nach Berichten über bedeutende Vorfälle im In- und Ausland eine Meldung, die sie ebenfalls interessierte

Der Sprecher teilte mit, dass „die bekannte Malerin Heather Chambers gestern Nacht Opfer eines heimtückischen Überfalls wurde.‟

Weiter konnte Heather die Meldung nicht mehr verfolgen. Erschrocken fuhr sie aus ihrem Sessel hoch, als der Boden unter ihr plötzlich erneut zu vibrieren begann.

Im gleichen Moment verschwand das Gesicht des Nachrichtensprechers vom Fernsehschirm. Für einen kurzen Moment blieb das Bild dunkel, dann war plötzlich ein anderes Gesicht darauf zu sehen.

Schockiert und völlig fassungslos starrte Heather Jack Bannister an.

„Hallo, Heather‟, begrüßte er sie mit einem diabolischen Grinsen. „Hast du wirklich geglaubt, mich so leicht loszuwerden? Habe ich dir nicht gesagt, dass ich ein Todesengel bin und der Tod mich als seinen treuen Diener verschonen wird, wenn meine Stunde gekommen ist? Du hast mich enttäuscht, hast mich betrogen und gedemütigt, aber schon bald werde ich zurückkehren, mächtiger als je zuvor, und dann werde ich Rache an dir üben. Ich werde kommen, um dich zu holen!‟

Er stieß ein gellendes Gelächter aus.

Heather begann zu schreien.

333,93 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
23 декабря 2023
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210 стр. 1 иллюстрация
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9783956178528
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