Читать книгу: «Der Junge mit dem Feueramulett», страница 2

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Die Alte schien endlich gefunden zu haben, was sie gesucht hatte. »Hier, schau! Nimm es.«

Die Gova streckte ihm ihre knorrige Hand entgegen, in dem ein schwarzer, glänzender Stein zu liegen schien. Aber Kard wusste sofort, was es war. Er nahm das Amulett und legte es sich um den Hals. »Ein Drachenzahn«, flüsterte er ehrfurchtsvoll. Ein Drachenzahn war etwas anderes als die üblichen Amulette. Das war nicht irgendein Stein, auf den die Gova gespuckt hatte, um ihn mit göttlicher Magie aufzuladen.

»He, he, schlauer Junge. Und ein echter dazu! Obwohl ja viele behaupten, es gäbe keine echten Drachenzähne, da es ja auch nie Drachen gegeben habe. Aber du und ich wissen es besser, oder Kard? Ein echter Drachenzahn! Für Kard, dem Waisenkind aus den Drachenbergen. Das passt doch, oder? He. he.« Die Alte schaute zufrieden auf Kard, der mit offenem Mund und völlig erstarrt dastand.

Das Amulett hatte eine seltsame Wirkung auf Kard. Im allerersten Augenblick, als der Zahn sein Brustbein berührte, schien sich ein Graben aus Raum und Zeit aufzutun. Vulkane, Magma, Feuer brachen daraus hervor, aber nur Bruchteile von Sekunden später brach alles in sich zusammen und hinterließ eine schwarze Stille, die nun beruhigend in seinem Inneren pulsierte.

»Der ist doch bestimmt nicht echt«, stammelte Kard automatisch. »Es gibt ja gar keine Drachen.«

»Nein, nein, es gibt keine Drachen und das ist natürlich nur der Zahn eins Schwarzen Hais. Und wenn du ihn behalten willst, und ich nehme an, dass du keine Münzen bei dir hast, könntest du mir dafür zwei, oder sagen wir doch lieber drei, deiner Schaufelblätter geben. Die kann ich, wenn ich wieder in den Norden fahre, leicht an den Mann bringen. Also, einverstanden?«

Die Gova lächelte breit, die Falten in ihren Augenwinkeln tanzten, und Kard löste, ohne ein Wort zu sagen, die Schaufelblätter von seinem Gürtel. Wallas wird mich umbringen. Drei Schaufelblätter für ein Amulett. Aber er würde es schon irgendwie abarbeiten können. Oder hatte die Alte ihn gerade verhext?

*

In der Schmiede von Wallas war die Schlacke in den Essen ausgekühlt. Selbst für einen hartgesottenen Torak und erst recht für Kard, seinem Lehrling und Ziehsohn, war es tagsüber zu heiß, um auch noch den brodelnden Temperaturen der Kohlen ausgeliefert zu sein. Wie in allen Torakschmieden herrschte auch in der von Wallas üblicherweise eine derartige Höllenhitze, dass es kein normaler Mensch dort aushielt. Aber Kard war kein normaler Mensch. Er steckte die Hitze gut weg. Da den Toraks im allgemeinen Hitze wenig ausmachte, behaupteten manche Menschen, dass sie nicht nur Geschöpfe Branus, der auch Gott des Feuers war, seien, sondern dass das gelbe Blut in ihren Adern wie die Lava des Heiligen Vulkans Branubrabat sei. Das war natürlich Unsinn, aber es konnte nicht schaden, wenn die Menschen ein wenig Respekt vor ihnen, den tumben Toraks, hatten.

Wallas seufzte. Einst ist sein Volk frei gewesen und ist ungehindert über die Steppen Haragors gewandert. Mit ihren Tok-Rind-Herden sind sie durch die Weite gezogen und sind dem Lauf der Jahreszeiten gefolgt. Sie sind es gewohnt gewesen, auch in der größten Hitze ihre Tiere zu den verborgenen Quellen zu führen. Oder während des Winters den peitschenden Atem Charus, dem Zerstörer und Gott des Windes, ausgeliefert zu sein. Die Toraks sind geduldig gewesen. Langsam. Wachsam. Einige von ihnen sind damals sogar gute Jäger gewesen, sie haben die Faols zur Strecke gebracht, die sich im Frühjahr die Kälber holen wollten. Und in den Vulkanhöhlen der Drachenberge hatten die Toraks das Schmieden gelernt.

Damals haben die Menschen ihre Dörfer bewohnt und nur die fruchtbaren Täler besiedelt. Im Winter haben sie vor ihren warmen Öfen gesessen und zu Goiba gebetet, dass sie sie mit ihrer tödlichen Kälte verschonen solle. Die Toraks haben ihnen das Fleisch und Fell ihrer Tok-Rinder geliefert, aber auch die groben Werkzeuge wie Pflugscharen und Spitzhacken. Die Menschen sind Kleinbauern und geschickte Handwerker gewesen. Sie haben Obst und Rüben, aber auch Schmuck und Pfeilspitzen mit den Toraks getauscht. Doch irgendwann sind es immer mehr Menschen geworden. Ihre fruchtbaren Täler wurden zu eng. Sie begannen die kargen Böden der Ebene mit Winxgras zu bestellen, das nur einen mageren Ertrag brachte, aber das einzige Getreide war, das man hier anbauen konnte. Zugegebenermaßen verstanden die Menschen es, ein hervorragendes Schoff aus dem Winxgras zu brauen. Aber je mehr Winxgras sich über die Ebenen erstreckte, desto enger war es für die Tok-Rind-Herden der Toraks geworden. Heutzutage konnten die Toraks ihr nomadisches Leben nur noch an den äußersten Rändern der Ebene fortführen, von den Ausläufern der Drachenberge im Norden bis zu den Grenzen der Großen Wüste im Süden. Und viele Toraks waren inzwischen in die Dienste der Menschen getreten. Oft für die körperlich schweren Arbeiten auf dem Feld oder auch auf den Höfen, in denen die Menschen nun ihre eigenen Tok-Rinder eingepfercht hatten.

Von Anfang an haben sich die Menschen den Toraks überlegen gefühlt. Die Toraks, die es gewohnt waren, sich den Launen der Natur zu beugen, haben es mit sich geschehen lassen. Aber auch wenn die Menschen mit ihren kleinen, flinken Händen vielleicht die besseren Handwerker waren, hieß das noch lange nicht, dass sie auch schlauer waren. Die besseren Schmiede waren die kräftigen und hitzeresistenten Toraks schon immer gewesen. Aber das Gleichgewicht zwischen den ehemaligen Nomaden und den Talbewohnern hatte sich im Lauf der Generationen zugunsten der Menschen verschoben. Aus Hochmut wurde Verachtung, aus Demut Angst. Für Wallas und einige andere war diese Situation inzwischen unerträglich geworden.

Als Kard vom Markt zurückkehrte, wirkte er fröhlich, aber gleichzeitig verwirrt. Madad, sein bester Freund, ein Cu, wedelte mit dem Schwanz und tanzte dabei auf allen Vieren.

»Yo, Kard, du siehst aus, als ob du mit dem Kopf gegen die Wand gelaufen bist. Hast du einen Hitzschlag oder was ist los?«

Kard schien die Worte Madads zu hören, aber sie gingen durch ihn hindurch, ohne dass er sie wirklich registrierte. Madad schaute seinen Freund auffordernd an, aber Kard schien nicht in der Stimmung, mit dem Cu zu spielen. Und offensichtlich versuchte er auch Wallas aus dem Weg zu gehen. Hätte er noch die Schulbank gedrückt, hätte Wallas vermutet, dass er gerade eine schlechte Note kassiert hatte. Oder dass er wegen irgendeinem Unsinn zur Obersten Gova geladen worden war. Kard tänzelte zwischen den Ambossen und Werkbänken umher, als ob er nachsehen wolle, ob seit seinem Aufbruch heute Morgen noch alle Werkzeuge und Metallteile vorhanden waren. Er hatte nach einer kurzen Begrüßung jeden Blickkontakt mit Wallas vermieden.

»Wie war es auf dem Markt?« Der Torak saß auf einem Schemel in der Ecke, den Blick auf eine Messerschneide gerichtet, die er gerade polierte.

»Oh, nicht viel los. Die Hitze. Die Leute bleiben lieber zu Hause. Waren auch nur wenige Händler da.« Kard blickte zwar in Richtung von Wallas, hatte aber mehr mit der Wand hinter dessen Rücken gesprochen.

»Und?«

»Und, was?«

»Konntest du trotzdem ein paar unserer Sachen verkaufen?« Wallas hatte aufgehört, das Messer zu polieren und schien nun das Ergebnis seiner Arbeit zu prüfen.

»Äh, nun ja…« Kard kratzte seine flaumigen Bartstoppeln unter seinem rechten Ohr. »Weißt du, die Alte aus den Drachenbergen war auch da. Du weißt schon, die, die damals dabei war, als du mich aus dem Waisenhaus mitgenommen hast.«

»Die Gova, ich weiß schon, wen du meinst.« Wallas hatte inzwischen seinen mächtigen Schädel gehoben und schaute Kard neugierig an.

Kard zog eine Grimasse, hielt die Luft an, wackelte mit dem Kopf und versuchte dem Blick von Wallas auszuweichen. »Na, ja, ich glaube, sie hat mich verhext. Sie hatte dieses Amulett, weißt du. Sie hat behauptet, es wäre ein echter Drachenzahn. Aber das kann ja gar nicht sein, es gab ja nie Drachen, oder? Wie auch immer. Plötzlich hatte ich dieses Ding hier um den Hals und sie hatte drei unserer Schaufelblätter. Ich werde sie dir irgendwie bezahlen. Ich wollte es nicht, aber irgendwie ist es geschehen. Tut mir leid.«

Wallas sagte erstmal nichts und schaute Kard ernst aber nicht ärgerlich an. »Ein Drachenzahn, sagst du?«

»Ja, so ein Stein, der aussieht wie ein Zahn und sie hat behauptet, es wäre ein Drachenzahn. Jetzt komme ich mir schon irgendwie dämlich vor.«

»Dann geh doch zurück, sag ihr einen schönen Gruß von Wallas, dem Schmied, gib das Amulett zurück und hol dir die Schaufelblätter wieder.«

»Äh, nein…« Kard hatte den Blick wieder gesenkt. Sein Oberkörper wirkte angespannt. Er tänzelte auf den Fußballen. »Weißt du, Wallas, das Komische ist, jetzt möchte ich das Amulett schon behalten, ob Drachenzahn oder nicht, aber, wie soll ich sagen, ich habe schon das Gefühl, das es zu mir passt. Vielleicht ist es ja auch ihre Hexerei, keine Ahnung. Aber sicherlich, da glaube ich ihr schon, kommt es aus den Drachenbergen, du weißt schon, da komme ich ja auch irgendwie her, nur das ich nicht genau weiß, wer meinen Eltern waren, irgendwie…«

»Darf ich es mal sehen?« Wallas musterte den Jungen forschend.

»Ja, klar, hier schau.« Kard nahm das Amulett von seinem Hals und ließ es in die mächtige Handfläche des Toraks gleiten.

»Ein Drachenzahn soll das also sein? Sieht für mich fast aus wie Minas-Erz mit diesem bläulichen Schimmer.« Dann warf Wallas das Amulett mit einem gezielten Wurf direkt in eine der Essen, in denen unter der erkalteten Oberfläche immer noch die Kohlen glühten. Kard gab ein dumpfes Knurren von sich, sprang mit einem riesigen Schritt hinterher und hätte beinahe mit bloßen Händen danach gegriffen. Gerade rechtzeitig erinnerte er sich offensichtlich, dass es ratsam war, hier doch eine Zange zu benutzen. Geschwind packte er das Amulett, das Lederband war längst verbrannt, und hievte es aus der Glut. Dann stand plötzlich Wallas hinter ihm und beide betrachteten den schwarzen Zahn, den Kard völlig unverändert aus der Schlacke gezogen hatte.

»Überlege dir irgendwas, wie du die Schaufelblätter ersetzen kannst«, brummte Wallas und verschwand dann ohne weitere Worte nach draußen. Die meisten Metalle veränderten wenigstens die Farbe, wenn sie einige Sekunden der Hitze glühender Kohlen ausgesetzt waren. Wenn etwas diese Hitze ohne irgendwelche Anzeichen überstand, war dies meist ein untrügliches Zeichen dafür, dass Zauberei im Spiel war. Wallas sollte es wissen, er war nicht ganz unerfahren in den Fragen der Magie.

Inzwischen wurde es langsam Abend und die Sonnenscheibe würde bald hinter dem Horizont verschwunden sein. Wallas verabschiedete seinen Gott und wartete geduldig darauf, dass Goiba die Herrschaft über die Welt übernahm.

Drachen, dachte Wallas, während er draußen vor der Schmiede in den sich verdunkelnden Himmel schaute. Die waren schon vor vielen Jahrzehnten aus diesem verfluchten Land verschwunden. Inzwischen erzählten nur noch die alten Sagen von diesen Tagen. Früher, vor der Großen Schlacht, in der Alten Stadt am Fuß der Drachenberge, hatten einst die Drachenkönige regiert, ein schwarzer Drachen auf rotem Grund war ihr Banner gewesen. Bis Flanakan kam. Mit den Oguls. Magische Giganten aus den Tiefen der Berge, die er sich mithilfe der mächtigen Tsarr dienstbar gemacht hatte. Er konnte sich noch gut daran erinnern, er, Wallas, einst Wafenschmied unter dem letzten Drachenkönig. Jetzt herrschte Flanakan mit eiserner Hand über Haragor, unbarmherzig, grausam, machtbesessen. Und die Toraks waren für ihn Lebewesen zweiter Klasse. Eine Wache zögerte nicht lange, wenn ein Torak wagte, Widerworte zu geben. Ein toter Torak war eine Aufgabe für die Abdecker, mehr nicht. Es wurde Zeit, den Wachen ihre Grenzen aufzuzeigen.

*

Kard hatte sich nach dem anstrengenden Markttag auf seine Pritsche im Keller der Schmiede gelegt und war eingeschlafen. Als er jetzt wach wurde, spürte er, dass die Sonne gerade unterging. Dass er den Lauf der Sonne wahrnehmen konnte, auch wenn er sie nicht mit den Augen sah, war nicht neu. Neu war aber dieses dunkle kalte Pochen auf seinem Brustbein, das seine Sinne zu schärfen, sein Bewusstsein klarer zu machen schien. Er reckte sich, schüttelte seine schwarzen Locken und hievte seine schmalen aber kräftigen Beine über den Rand der Pritsche. Obwohl es im Keller der Schmiede stockfinster war, konnte er vor seinem inneren Auge die Sonne sehen, wie sie weit im Westen von den Wolken verschluckt wurde.

Wallas hatte ihm angekündigt, dass sie in dieser Nacht sein Gesellenstück anfertigen würden. Trotz aller Bedenken empfand Kard dies letztendlich als große Ehre. Er wusste, dass er inzwischen alle Geheimnisse und Tricks des Schmiedehandwerks beherrschte. Aber nie hatte er einen Gedanken daran verschwendet, dass Wallas, der Schmied, einer der renommiertesten Handwerker seine Zunft, ihn eines Tages zum Gesellen berufen würde. Schon allein die Tatsache, dass er in der Werkstatt eines Toraks eine Ausbildung machte, hatte ihn mit unbändigen Stolz erfüllt. Ein Mensch in der Schmiede eines Toraks, so etwas hat es noch nie gegeben. Aber das Feuer war schon immer sein Element gewesen. Wenn die schwarzen Köhler gekommen waren, um die rußigen Brocken in den Keller des Waisenhauses zu schaufeln, in dem er aufgewachsen war, war er stets von einer seltsamen Unruhe befallen worden. Und wenn dann mit den neuen Kohlen das erste Feuer des Winters angefacht worden war, hatte er keine Angst gehabt. Das Feuer war sein Freund, beschützte ihn. Und verletzte ihn nicht. Nie hatte er sich Brandwunden geholte, wenn er half, die riesigen Öfen anzuheizen, die in der kalten Jahreszeit das Waisenhaus auf halbwegs erträgliche Temperaturen erwärmten. Die anderen Kinder dagegen zeigten den Govas ihre Wunden, die sie sich holten, wenn sie ihren Dienst an den Öfen verrichteten. Oder sie brachen erschöpft zusammen, weil die unerträglichen Temperaturen im Heizungskeller ihnen alles Wasser aus dem Körper gesogen hatte. Bei Kard war es das Gegenteil. Die Hitze stärkte ihn, machte ihn mutig. Und eines Tages war dann Wallas aufgetaucht, auf der Suche nach einem Lehrling. Schon etwas seltsam, dass der Torak den weiten Weg von Conchar bis in dieses abgelegene Waisenhaus zurückgelegt hatte, um einen Menschen zu finden, der bei einem Torak-Schmied in die Lehre gehen wollte. Genauso gut hätte man auf der Suche nach Gold irgendeinen Pflasterstein in Conchar hochheben können. Oder hatte die alte Gova, mit der der Torak im Waisenhaus aufgetaucht war, ihre magischen Finger mit im Spiel gehabt? Aber Kard war es egal gewesen. Weg vom Waisenhaus, weg aus diesem einsamen Wald und auf nach Conchar in eine Welt, die vom Feuer regiert wurde. Kard musste nicht einen Moment überlegen, als die Oberste Gova des Waisenhauses ihn fragte, ob er mit diesem riesigen, fremden Torak mitgehen wolle.

Bevor er an diesem Abend nach oben in die Schmiede ging, nahm Kard den Schöpflöffel aus dem hölzernen Wasserbottich und nahm einen großen Schluck. An den Essen verdampfte das Wasser zu schnell, deswegen wurde es hier unten im Keller gelagert. Es schmeckte schal, der letzte Regen war vor Wochen gefallen. Aber der Sommer war jetzt auf seinem Höhepunkt, in wenigen Wochen würden die Herbststürme über Conchar fegen und dunkle Wolken mitbringen. Bis dahin mussten sie auf frisches Wasser warten. Und das brackige, schlammige Flussbrühe trinken.

Wallas wartete bereits auf ihn. Er schien erschöpft, die Augen des Toraks lagen etwas tiefer in den Höhlen als sonst. Kein Wunder bei dieser Hitze tagsüber, die selbst einem Torak langsam zu viel werden konnte. Obwohl Kard die Augen in den über vier Zentnern Muskelmasse und in weit über drei Cas, also drei Beinlängen Höhe, sowieso kaum ausmachen konnte. Manchmal wäre eines dieser geschliffenen Gläser, die die Wache benutzten, um die Ebenen hinter den Stadtmauern auszukundschaften, ganz hilfreich, dachte Kard. Dann könnte er sich sein Minenspiel mal genauer ansehen und wüsste vielleicht, was in diesem dicken Kopf vor sich ging. Aber Wallas lächelte. Das ist doch schon mal ein gutes Zeichen! Denn das kam bei diesem mürrischen Torak nicht oft vor.

»Nachdem Flanakan vor vielen Jahrzehnten die Große Schlacht gewonnen hatte, verbot er allen das Führen von Waffen, wie du weißt«, begann Wallas.

Kard nickte. Ah, eine feierliche Rede! Das gehörte wohl dazu, wenn man in den Gesellenstand erhoben werden sollte.

»Aber schon immer war das Gesellenstück des Schmiedes ein eigenes Schwert! Und das lassen wir uns von niemandem verbieten, auch nicht von einem Flanakan.«

»Aber vielleicht ist ein Gesellenstück ja gar keine richtige Waffe!« Kard sah Wallas hoffnungsvoll an. »Vielleicht gibt es ja eine Ausnahmegenehmigung? Man könnte mal im Großen Archiv nachschauen.«

Kard wäre gerne auf der sicheren Seite gewesen.

Wallas blieb ganz ruhig. »Ein Schwert ist ein Schwert ist ein Schwert ist ein Schwert.«

»Wir könnten den Obersten Verwalter fragen…«

Der Junge wusste selbst, dass dies kein gangbarer Weg war. Auch wenn sich hartnäckig das Gerücht hielt, dass im Archiv von Conchar alle Verträge, Aufzeichnungen und Steuerzahlungen aufbewahrt wurden, selbst aus der Zeit vor der Großen Schlacht. Leider nur, um in den inszenierten Gerichtsverhandlungen dem staatlichen Ankläger die passenden Beweisstücke zu liefern. Der Oberste Verwalter würde einen Teufel tun und irgendein Schriftstück hervorholen, wenn es nicht zum Vorteil von Flanakan wäre.

Der alte Schmied schüttelte nur schweigend den Kopf und sah Kard ernst ins Gesicht. »Einst waren die Toraks gute Krieger, Kard, das wusstest du wahrscheinlich nicht, oder?«

Kard schüttelte erstaunt den Kopf. Die Toraks - Krieger? Die Toraks erledigten in Haragor meist schwere körperliche Arbeit. Sie schufteten im Steinbruch, als Lastenträger, manche wie Zugtiere auf dem Feld, einige wenige als Schmiede, ein paar als Köche. Und einige arbeiteten bei den Schergen, denn sie konnten recht imposant auftreten, wenn sie grimmig wurden. Aber Krieger?

»Und wie es das Schicksal so will«, Wallas sah Kard mit ernster Miene an, »haben wir hier sogar ein paar Erzbrocken Minas.« Wallas hob ein Tuch hoch und die erstaunten Augen von Kard sahen das blau schimmernde Erz. Er schluckte. Das ist also Minas-Erz!

»Kard, du weißt nun alles über das Schmiedehandwerk. Du kannst Spitzhacken und Gartenzäune, Messer und Pflugscharen, Hufeisen und Türscharniere anfertigen. Selbst das Gießen der großen Schlüssel unserer Stadttore hast du gelernt. Du bist der beste menschliche Schmied, den ich je gesehen habe. Ich kann dir nur noch eines beibringen. Das Schmieden von Minas-Stahl. Dies soll dein Gesellenstück werden. Für ein kleines Menschenschwert wird es gerade reichen. Du musst vorsichtig sein, sparsam, du wirst jedes Gramm brauchen.«

Kard bekam weiche Knie. Ein eigenes Minas-Schwert? Was werden die Schergen dazu sagen, wenn es herauskommt? Er sah Wallas sprachlos und ängstlich an.

»Dein Gesellenstück, Kard, ist nicht einfach nur ein Schwert, das weißt du, oder?«

Kard nickte. Er fühlte sich klein und unbedeutend und hätte gerne gehabt, dass die Götter ihm irgendein eindeutiges Zeichen senden würden.

»Kard, es ist deine Entscheidung. Ein Schwert muss es sein, so sind unsere Zunftregeln. Wir sind stolz darauf, dass wir diese Kunst beherrschen. Gerade in diesen Zeiten.«

Kard atmete tief ein. »Aber würde ein normales Schwert nicht vollkommen ausreichen? Muss es gleich ein Minas-Schwert sein?«

Wallas wiegte den Kopf. »Du hast recht, das Gesellenstück muss nicht aus Minas bestehen. Ein normales Schwert würde ausreichen. Aber die Kunst, aus Minas-Erz ein Schwert zu schmieden, aus dem heiligen Erz von Branu, dem Schöpfer, ist der Gipfel unseres Könnens.«

Kard schluckte erneut. Er wusste, dass dies eine große Ehre war. Und er freute sich über das Vertrauen, dass Wallas ihm entgegenbrachte. Aber ist das erlaubt? Ist das rechtens? Er wollte nicht im Kerker der Schwarzen Burg landen. »Aber genau das ist es auch, was verboten ist, oder Wallas?«

Wallas lachte laut. »Jetzt sieh dir dieses Menschlein an. Zittern deine Knie?«

Beschämt sah Kard hoch. Aber Wallas schien nicht enttäuscht oder böse, er schien eher neugierig zu sein. Wie würde das Menschlein sich wohl jetzt verhalten, schienen seine Augen zu fragen. Aber Kard hatte sich schon entschieden. Auch wenn es ihm gerade speiübel war, gab ihm das Amulett auf seinem Brustbein Kraft. Er fühlte die Kraft der Flammen. Ein Minas-Schwert passte zu ihm wie das Feuer selbst. Das spürte er. Seine Zähne klapperten, als er sprach: »Wallas, danke, ich weiß nicht was ich sagen soll. Es ist eine große Ehre. Ich bin bereit.«

»Ich wusste, dass ich auf dich zählen kann«, donnerte Wallas und seine gewaltige Pranke klatschte derart auf Kards Rücken, dass er erstmal ein gutes Stück in die Knie ging. »Dann lass uns gleich anfangen, heiz die große Esse an, es wird eine lange Nacht!«

Kards schwarze Locken klebten unter dem Tuch, das seinen Kopf bedeckte. Er schwitzte wie noch nie in seinem Leben. Der Schweiß lief unter der Lederschürze seinen schmalen, sehnigen Körper hinunter und sammelte sich in den schweren Stiefeln. Im Kiefernholzfeuer lagen besondere Mineralien, die für eine außergewöhnliche Hitze sorgten. Nie hatte Kard derartige Temperaturen kennengelernt.

Wallas zeigte dem angehenden Gesellen nun die größten Geheimnisse der Schmiedekunst. Obwohl Kard immer sorgfältig bei der Arbeit gewesen war, verrichtete er sie diesmal mit einer neuen Ernsthaftigkeit, einer konzentrierten Innerlichkeit, als ob sein Geist direkt in den Schmiedeprozess eingreifen würde.

Stundenlang hatten sie das Erz immer und immer wieder den Feuern ausgesetzt, der Minas-Stahl hatte inzwischen die erforderliche Reinheit, gegen Mitternacht hatte er unter den wachsamen Augen von Wallas den eisernen Kern eingefügt. Endlich, kurz vor Sonnenaufgang, hatte Kard die Klinge in die endgültige Form gefaltet. Wallas half ihm, auch die Parierstange anzufertigen und den Griff mit Echsenleder zu umwickeln. Kard setzte alles zusammen, vorsichtig verlieh er der Klinge am Wetzstein den letzten Schliff. Als die Sonne aufging, zündete Wallas Räucherstäbchen im Schrein Branus an. Es war ein feierlicher Moment.

Dann standen sie gemeinsam vor der Schmiede, Kard hielt sein neues Schwert hoch in die Luft und Branu, der Schöpfer, strich mit den Stahlen der Sonne über die Klinge und gab ihr seinen Segen.

Das Minas-Schwert war fertig. Kard betrachtete stolz sein Gesellenstück. Und auch Wallas war wohl ganz zufrieden. Er nickte zustimmend und schlug Kard auf die Schulter.

»Ein gutes Schwert, Kard. Probier es aus.«

Wallas zeigte ihm die Grundregeln des Schwertkampfs. Ausfallschritt, Parade, Ausweichen. Gegen eine normale Wache würde Kard, wenn er ein wenig trainierte, so vielleicht ein paar Minuten bestehen können. Bis er weglaufen konnte. Denn Kard hatte ganz sicher nicht vor, dieses Schwert jemals wirklich zu benutzen. Es war das Gesellenstück eines Schmiedes. Mehr nicht. Obwohl Kard den Verdacht bekam, dass Wallas ihn zu einem Kämpfer ausbilden wollte. Was für ein Unsinn. Das kann ja nicht sein. Wahrscheinlich gehörte es einfach zum Zunftbrauch, mit seinem Gesellenstück auch ein wenig umgehen zu können, bevor es als Dekor über dem Kamin landete.

»Fettes Teil, für ein Menschenschwert«, bellte Madad, der sich inzwischen zu ihnen gesellt hatte. »Da sollen die Banditen mal kommen. Ich beiße ihnen in den Hintern und du haust ihnen eins über die Rübe.«

»Wenn ich einen Banditen sehe, lieber Madad, dann gebe ich den Pferden die Sporen und reite schneller als der Wind. Mit dieser Technik konnte ich bisher alle Pflugscharen an ihre Besitzer ausliefern.«

»Diesmal wird es aber keine Pflugschar, Kard«, unterbrach Wallas das freundschaftliche Geplänkel. »Das Minas-Schwert ist noch nicht ganz fertig.«

Verdutzt sah Kard seinen Meister an. Was sollte noch fehlen? Eine Verzierung am Knauf? Eine Änderung an der Parierstange? Die Klinge war doch perfekt!

»Ein Minas-Schwert wird erst ein Minas-Schwert, wenn es durch Branu, dem Schöpfer, gesegnet wird. Ein normales Schwert kann man von einem Govan segnen lassen, der die Magie Branus in das Metall fließen lässt. Aber ein Minas-Schwert erhält seine Magie durch den heiligen Urin eines Onchus, dem Wächter der heiligen Stätte, dem Boten der Götter. Dein Gesellenstück ist beendet, Kard. Du bist jetzt ein Schmied. Was jetzt vor dir liegt, wenn du bereit bist, diesen Weg zu gehen, ist deine Meisterprüfung. Und dein Meisterstück ist nicht etwa ein anderes Schwert oder irgend ein anderes Kunstwerk unserer Schmiedekunst. Es ist der Bund mit den Göttern.«

Bund mit den Göttern? Heiliger Urin? Was soll das alles sein? Um was geht es hier eigentlich?

Kard sah Wallas fragend an. Der entgegnete seinen Blick und Kard entdeckte in den gelben Pupillen, die er jetzt deutlich sah wie niemals zuvor, eine versteckte Unruhe, die er nicht zu deuten wusste.

»Geweihte Minas-Schwerter waren die Waffen der Drachenkönige, Kard. Ein geweihtes Minas-Schwert ist nicht einfach nur das Meisterstück eines Schmiedes. Es ist viel mehr. Und, ich sage es dir gleich, denn ich weiß, dass es dir nicht schmecken wird. Es wird den Wachen nicht gefallen, ganz und gar nicht. Es wird dem Herrscher selbst nicht gefallen. Ein geweihtes Minas-Schwert ist eine gewaltige magische Waffe. An der sich allerdings Branu, der Schöpfer, erfreuen wird.«

Es wird dem Herrscher nicht gefallen? Ist Wallas von allen Göttern verlassen? Auf keinen Fall wollte Kard ins Visier von Flanakan kommen. Die Wachen des Herrschers hatten kein Erbarmen. Aber noch schlimmer waren die Schergen, die Geheimpolizei, die in jedem Winkel des Reiches ihre Spitzel hatte. Also, er würde dieses Schwert jetzt in die Ecke stellen und ein wenig durch die Straßen von Conchar laufen, um wieder einen kühlen Kopf zu bekommen.

Aber das Schwert klebte an seiner Hand. Er betrachtete das bläulich schimmernde Metall und fühlte, wie er eins mit der Waffe wurde. Das Schwert gehörte zu ihm wie das Feuer, das wusste er jetzt. Und er wusste, dass diese Waffe noch nicht fertig war. Es fehlte etwas. Eine Leere, die gefüllt werden wollte. Und letztendlich ist es auch ein Dienst an Branu, oder? Das hat Wallas gesagt! Branu oder Flanakan, Gott oder Herrscher, wem sollte er dienen?

»Dieses Schwert soll mein Schicksal sein, Wallas.« Die Worte kamen ganz alleine aus seinem Mund. Am liebsten hätte Kard sie wieder eingefangen und zurück in den Hals gesteckt. War er denn verrückt geworden?

Der Torak aber schien erleichtert, er atmete tief ein.

»Aber was hat es mit diesem Onchu auf sich?« Wieder schien sich ein Teil seiner Persönlichkeit verselbständigt zu haben. Natürlich war das alles sehr spannend und Kard interessierte es wirklich, wieso man ein Minas-Schwert in Onchu-Urin tauchen sollte. Aber sollte ich nicht lieber in den Himmel schauen und den Wolkentieren lustige Namen geben? Das Schwert könnte man schön an die Wand hängen und morgen würde er wieder ein paar Spitzhacken anfertigen.

Kard kannte die Legenden über die Onchus. Die Götter, die einst das Land erschaffen hatten, die die Elemente ins Leben gerufen und Leben und Tod für alle Lebewesen unter der Sonne verteilt hatten, hatten als Wächter ihrer heiligen Stätten die Onchus zurückgelassen. Magischen Hunde, größer als ein Torak. So sagten die Legenden. Aber mal im Ernst, das sind doch Märchen, oder?

»Klingt komisch, das mit dem Onchu, ich weiß.« Wallas grinste den Jungen an.

»Yo, cool, ein Onchu. Mama hat von ihnen erzählt. Wir sind irgendwie verwandt. Die können auch sprechen. Sogar mit den Göttern, ziemlich abgefahren.« Madad wirkte ein wenig aufgeregt.

»Aber das sind doch nur Legenden, Wallas. Onchus gibt es nicht, das sind Sagengestalten.«

»Da irrst du dich, Kard. Die Onchus existieren. So wie die Götter. Und ich kann dir sagen, wo du einen dieser göttlichen Wesen finden wirst. Madad wird dich begleiten.«

Begleiten? Wohin? Von was redet Wallas da gerade?

»Genau, wir sind nämlich Nachfahren der Onchus. Irgendein Uropa war wohl mal einer von denen. Sagt Mama. Außerdem sind wir die besten Pfadfinder, Spürhunde, Fährtenleser von ganz Haragor. Sagt Mama«, kläffte Madad stolz.

»Kommt mit, ich zeichne euch eine Karte in die Asche. Die müsst ihr euch merken. Und morgen geht es los Richtung Norden. Ihr müsst tief hinein in den Drachenwald.«

Kard stöhnte. Losgehen? Was hat das alles zu bedeuten? Schon morgen? Onchus, Drachenwald, Schergen? Nein, das war nicht seine Welt. Er wollte lieber ein netter kleiner Schmied sein und ein paar Werkzeuge für die Bauern fertigen. Auch mal ein Messer und wenn es sein musste ein Schwert. Aber das alles hier in Conchar. In der Schmiede. Beim Feuer. Nicht irgendwo da draußen. Weit weg von allem, was er kannte und wo er sich sicher fühlte. Es würgte ihn, die Knie zitterten, alles in ihm schrie Nein. Aber ein anderer Teil von ihm verhinderte, dass er laut losheulte und folgte diesem seltsamen Torak zur Asche und staunte, als in dem grauen Mehl eine Karte entstand, mit der er eine Heilige Stätte Branus, dem Schöpfergott, finden sollte. Weit weg, dort draußen im Drachenwald.

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341 стр. 3 иллюстрации
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9783753191164
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