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Amerika – der Kontinent der Arnikas

Stellen Sie sich vor, Sie blicken von oben auf einen Globus, auf den Nordpol, und jemand hätte das Verbreitungsgebiet der Gattung Arnica eingezeichnet, dann würde sich dieses rings um den Nordpol erstrecken, mit einem Schwerpunkt auf der westlichen Erdhalbkugel. Die Heimat der Arnikas umfasst weite Teile West-, Nord- und Mitteleuropas, Nordamerika sowie Japan. Heutzutage werden etwa 30 Arten (27 bis 32, je nach Wertigkeit der Unterarten) zur Gattung Arnica vereint. Die meisten davon leben im Westen von Nordamerika, von Alaska bis nach Kalifornien und New Mexico, drei Arten auch in Japan.

Auffällig ist, dass die Arnikas Regionen bevorzugen, in denen heute die auf Industrialisierung und damit verbunden Ausbeutung der Natur basierende »westliche« Zivilisation zu Hause ist: die westlichen Industriestaaten einschließlich Japans. Die Gattung besitzt einen absoluten Schwerpunkt hinsichtlich Verbreitung und Artenvielfalt dort, wo die moderne Informationsindustrie ihren Hauptsitz und ihr Zentrum hat: im amerikanischen Westen, in der Heimat von Giganten des Informationszeitalters, wie Apple, Google, Microsoft und anderen, sowie unzähligen größeren und kleineren Internet- und Technologie-Unternehmen. Spontan möchte man fragen: Ist es reiner Zufall, dass Vertreter der Gattung vor allem dort zu finden sind, wo heute gewissermaßen das zentrale Nervensystem der industrialisierten Menschheit lokalisiert ist?


Die Verbreitung der Arnikas (nach MAGUIRE). In der Mitte der Darstellung befindet sich der Nordpol. (Aus EKENÄS 2008)

Arnica mollis, eine amerikanische Art, die in Gestalt und Aroma der europäischen Arnica montana recht nahe kommt.

Interessanterweise wachsen die Arnikas aber eben gerade nicht wie Gänseblümchen am Wegesrand oder Löwenzahn in einer überdüngten Wiese (um zwei verwandte Heilpflanzen zu nennen), sondern sie brauchen zu ihrem Gedeihen abgelegene Gebiete, möglichst wenig vom Menschen gestört. Es ist eine Besonderheit des äußersten amerikanischen Westens, dass sich dort unberührte Bergwildnis in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Schaltstellen der hochtechnisierten westlichen Zivilisation findet. Wir werden noch genauer erfahren, dass Arnica montana eine besondere Affinität zum zentralen Nervensystem des Menschen hat (siehe vor allem »Arnika in der Anthroposophischen Medizin« ab Seite 143). Arnikaarten lieben Böden, die reich an Silikaten (wie man die Verbindungen der Kieselsäure nennt) sind. Das in der Kieselsäure bzw. den Silikaten enthaltene Silizium ist zugleich der Rohstoff schlechthin für die Computerindustrie – woraus die Bezeichnung Silicon Valley (»Silizium-Tal«) für die bedeutendste Hightech-Region in Kalifornien herrührt.

Was hat es mit diesen merkwürdigen Entsprechungen auf sich? Lassen sie womöglich auf eine tiefere Beziehung zwischen geografischer Region, Pflanzenwelt und menschlicher Kultur schließen? Und was sagen sie über das Wesen der Arnika aus?

Womit haben wir es überhaupt zu tun, wenn wir als Europäer von dem »Westen«, dem »Norden«, dem »Osten« und dem »Süden« sprechen? Vielfach geht es ja dabei nicht einfach um die Himmelsrichtungen als solche, sondern es gibt eine ganze Reihe von mitschwingenden Bedeutungen, die wir mit ihnen verbinden. So meinen wir, wenn wir die Begriffe »Orient« und »Okzident«, die alten lateinischen Bezeichnungen für »Osten« und »Westen« gebrauchen, auch nicht nur lediglich geografische Richtungen, sondern auch die jeweiligen Kulturen. Und auch »Osten« und »Westen« stehen manchmal nicht nur für verschiedene Traditionen, sondern für unterschiedliche, ja polare Geisteshaltungen, die in den entsprechenden Regionen der Welt günstige Bedingungen gefunden haben. Nicht umsonst gibt es Ost-West-Konflikte. Und auch mit dem viel zitierten Nord-Süd-Gefälle hat es eine Bewandtnis, die weit über unterschiedliche geografische Bedingungen hinausweist.

Die antiken Philosophen haben bereits gewusst, dass Himmelsrichtungen mehr sind als nur geografische Koordinaten. In der alten Lehre von den vier Elementen (Erde, Wasser, Luft und Feuer) waren Norden, Süden, Westen und Osten mit Qualitäten verbunden, was heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist. So war in der Vier-Elemente-Lehre dem Norden das Element Erde (mit den Eigenschaften kalt und trocken) und dem Westen das Element Wasser (mit den Eigenschaften kalt und feucht) zugeordnet (siehe Tabelle).


ElementEigenschaftHimmelsrichtung
Feuerwarm und trockenSüden
Luftwarm und feuchtOsten
Wasserkalt und feuchtWesten
Erdekalt und trockenNorden

Die vier Elemente in ihrer Beziehung zu den vier Himmelsrichtungen und den vier Eigenschaften.

Beiden, dem Wasser und der Erde, ist in diesem Ordnungssystem die Kälte gemeinsam. Die Arnikas orientieren sich also, wenn man der Vier-Elemente-Lehre folgt, zur Kälte hin: Sie bevorzugen den Nordwesten. Zusätzlich gedeihen sie gern in gebirgigen Gegenden mit kalten Wintern.

In spiritueller und kultureller Hinsicht lässt sich die Bedeutung der Himmelsrichtungen auch so verstehen, dass vom Osten das Geistige in die Welt kam. Alle geistigen Traditionen haben letztlich ihre Quelle im Osten, das Christentum eingeschlossen. Im Westen hingegen tritt an die Stelle der Traditionen das Freiheitsstreben der Menschen. Das Geistige steht im Westen nicht länger im Zentrum der religiösen Verehrung. Infolge von Aufklärung und naturwissenschaftlicher Entwicklung machen sich die Menschen von traditionellen Bindungen frei und stoßen vom reinen Erfahren des Geistigen zu den angewandten Wissenschaften vor, mit dem Ziel der Emanzipation des Menschen von göttlichen und natürlichen Zwängen.

Zusammenfassend kann man sagen: Während das Geistige im Osten (Element Luft, warm und feucht) in Form des Denkens (als Religion und Philosophie) in die Welt kam, verbindet es sich im Westen mit den Kräften und Stoffen der materiellen Welt und wird hier zum Instrument des freien Willens und der willensbasierten freien Handlungen. Die Folge sind die technologischen Entwicklungen, die uns Raum und Zeit überwinden lassen, zunächst in Form von physischen Transportmitteln, zunehmend aber durch digitale Vernetzung im Internet. Diese Entwicklung geht hauptsächlich von der Westküste der USA aus, jener hochindustrialisierten Region, die sich vor allem vom bereits erwähnten Silicon Valley in Kalifornien bis hoch in den Nordwesten in den Staat Washington erstreckt, wo in der Nähe von Seattle Firmen wie Boeing (Flugzeuge, Weltraumfahrt) und Microsoft (Software) zu Hause sind.

Die besonderen Qualitäten des Nordens wiederum treten in Erscheinung, wenn wir uns die Polarität Süd-Nord vor Augen führen. Der Süden (Element Feuer, warm und trocken) spricht den Menschen vor allem an, indem er die Sehnsucht nach Emotionalität, nach farbenfrohem Eros, nach lichterloh brennender Liebe weckt. Im Norden hingegen herrschen Kälte, Nüchternheit, Zurückhaltung und Erstarrung vor, Eigenschaften, die der naturwissenschaftlich-technologischen, einseitig verstandesmäßig gesteuerten Entwicklung zugutekommen.

Kulturelle Einseitigkeiten, wie sie in den nordwestlichen Industriestaaten vorherrschen, begünstigen die Anfälligkeit für bestimmte Krankheiten. Das gilt vor allem für die sogenannten stressassoziierten Beschwerden, zu denen die meisten Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch viele neurologische Krankheitsbilder gehören.

Der große amerikanische Neurologe und Begründer der modernen Nervenheilkunde George Miller Beard (1839–1883) stellte diese Zusammenhänge zwischen Industriekultur und Zivilisationskrankheiten als einer der Ersten fest, als er in seinem berühmten Hauptwerk American nervousness (1881, »Amerikanische Nervosität« – Nervosität war damals eine gängige Bezeichnung für Stress und seine Begleiterscheinungen) schrieb: »Die amerikanische Nervosität breitet sich über Europa aus, das, zumindest in bestimmten Ländern, rasch amerikanisiert wird.« Dieser Prozess ist heute weit vorangeschritten – mit dem Ergebnis, dass sich die westlichen Zivilisationskrankheiten in den Industrieländern seit Generationen manifestiert haben.

Es ist faszinierend, sich an dieser Stelle den berühmten Vers von Friedrich Hölderlin (1770–1843) ins Bewusstsein zu rufen, der lautet: »Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.« In diesem Falle – »wachsen« darf hier ruhig wörtlich genommen werden – wächst es seit langen Zeiten in Form von Pflanzen, die vornehmlich in den Bergwelten des Nordwestens zu Hause sind: die Arnikas. Hier finden wir diese Pflanzen in Massen gigantischen Ausmaßes, von denen wir im dicht besiedelten Europa nur noch träumen können.

Dass die Arnikas in Nordamerika in so großer Zahl und so artenreich gedeihen, hat auch geografisch-geologische Hintergründe, die der Vorliebe der Arnikas für raue Umgebungsbedingungen mit starken Temperaturschwankungen entgegenkommen. Arnikaarten lieben Gegensätze – und hiervon hat Nordamerika, vor allem im Westen, viel zu bieten. Das hängt mit der sogenannten Plattentektonik zusammen. Die Lithosphäre, der äußere Teil des Erdmantels, besteht aus keiner einheitlichen Gesteinsschicht, sondern aus einzelnen Platten, die sich gegeneinander bewegen, wie Eisschollen auf einem See. Man spricht auch von der Kontinentalverschiebung oder Kontinentaldrift. Der nordamerikanische Kontinent nun besteht aus einer einzigen Steinplatte, der sogenannten Nordamerikanischen Platte. An ihrem Westrand stößt diese mit der Pazifischen Platte zusammen. Die Pazifische Platte bewegt sich nach Osten und taucht im amerikanischen Westen unter die Nordamerikanische Platte ab, was man auch Subduzieren nennt. Folgen der Subduktion der Pazifischen Platte unter die Nordamerikanische sind der weitverbreitete Vulkanismus in dieser Region sowie die hohe Erdbebenaktivität.

Die Subduktion hat aber auch erhebliche Auswirkungen auf die Gestalt des nordamerikanischen Kontinentes als Ganzes. Denn sie ist der Grund dafür, weshalb sich die langen Hochgebirgsketten am Westrand der Nordamerikanischen Platte in Nord-Süd-Richtung aufgefaltet haben, nämlich infolge der beim »Abtauchen« entstehenden physikalischen Kräfte (in Europa geschieht dies in Ost-West-Richtung). Aus diesem Nord-Süd-Verlauf ergeben sich die spezifischen Bedingungen, die der gegensatzliebenden Arnika ideale Voraussetzungen bieten und mit denen sich auch die Menschen auseinandersetzen müssen, die sich in dieser Region niedergelassen haben. Sie führen dazu, dass die temperaturausgleichenden milden und feuchten pazifischen Westwinde nicht das Landesinnere erreichen, und ermöglichen stattdessen vor allem einen ungehinderten Luftmassenaustausch zwischen der Arktis und den Subtropen. Die Folge sind warme, trockene Sommer und extrem harte, lang andauernde Winter mit Dauerfrost über viele Monate. Blizzards, heftigste Schneestürme, wie wir sie in Europa überhaupt nicht kennen, sind damit auch weit im Süden möglich, während es umgekehrt im Sommer Warmlufteinbrüche bis weit hoch in den Norden gibt. Wegen dieser Polaritäten ist Nordamerika der Kontinent der Arnikas. Auch die dort ansässigen Menschen und ihre Kulturen wurden durch die Polaritäten auf vielen Ebenen geprägt.

Amerikanische Arnikas – Heilpflanzen der Indianer

DieVerwendung der amerikanischen Arnikaarten durch die Indianer wurde im Jahre 1927 erstmals von Alpheus HyattVerrill beschrieben. Verrill, der angesehene Universalgelehrte und Schriftsteller, geht sogar so weit zu behaupten, die Arnika sei wie Kartoffeln, Mais, Tabak und andere Pflanzen vor der Entdeckung Amerikas in Europa unbekannt gewesen. Dieser Vergleich ist sachlich nicht richtig, schließlich ist Arnica montana, ganz im Gegensatz zu Tabak, Mais und Kartoffel, eine in Europa heimische und weit verbreitete Pflanze. Es bleibt jedoch bemerkenswert, dass die europäische Arnika, der Bergwohlverleih (Arnica montana), erst ab dem 16. Jahrhundert an Popularität gewann (siehe »Die Arzneigeschichte der Arnika« ab Seite 86). Der Siegeszug von Arnica montana ist vor allem der Homöopathie zu verdanken, durch die Arnikaglobuli, -salben und andere Arnikamittel in die entferntesten Winkel der Erde Einzug gehalten haben.

Wissenschaftlich belegte Arnikaanwendungen bei den indigenen Völkern Nordamerikas

In der folgenden Übersicht werden die jeweils dokumentierten Arten nicht extra berücksichtigt. Fast allen der genannten Indikationen begegnen wir auch in Europa bei der Verwendung von Arnica montana.

• Sinnesorgane, Kopf und Hals: Augenentzündungen, Zahnschmerzen, Halsschmerzen, Haarausfall

• Schmerzen: Rückenschmerzen, Schmerzen aufgrund von Schwellungen

• Verletzungen: Prellungen, Verstauchungen, Schnittverletzungen und andere Wunden, Insektenbisse

• Bauch: Magenprobleme, Verdauungsstörungen

• Sonstiges: Tuberkulose, Warzen, Altersflecke, allgemein als Stärkungsmittel

• Ebenso ist die magische Verwendung von Arnica latifolia, der breitblättrigen Arnika, als Liebeszauber belegt, wie bei Hildegard von Bingen (siehe Seite 86) für »de Wolfesgelegena«. Außerdem die Einnahme von Arnica latifolia und der herzblättrigen Arnika, Arnica cordifolia, als Aphrodisiakum. Verwendet wurden bei den genannten Indikationen sowohl die unterirdischen Teile als auch die ganze Pflanze. Zubereitet wurden Aufgüsse für die innerliche und äußere Anwendung sowie Breis aus der ganzen Pflanze für Umschläge. Zahn- und Halsschmerzen wurden durch Kauen von Arnica cordifolia behandelt.

Welche Arten von den Indianern verwendet wurden, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten. Der Chicagoer Historiker Virgil J. Vogel (1918–1994) spricht von vier Arten, die von den einzelnen Stämmen genutzt wurden: Arnica fulgens, Arnica sororia, Arnica cordifolia, die herzblättrige Arnika, und Arnica acaulis. Ferner sind Anwendungen belegt für Arnica discoidea und die wollige Arnica mollis. Die reduzierte Gestalt und das würzige Aroma der letzteren, die auch in einer der Kalifornischen Blütenessenzen Verwendung findet, kommen dem Habitus von Arnica montana recht nahe. Es ist davon auszugehen, dass die Indianer je nach Bedarf mit anderen Arnikaarten geheilt haben.

Heinz J. Stammel (1926–1989) nennt 1986 Arnica lanceolata und Arnica chamissonis als indianische Heilpflanzen. Letztere, die Wiesenarnika (Meadow Arnica), ist von Alaska bis Kalifornien verbreitet und wächst in feuchten Wiesen. Näheres über sie auf der folgenden Seite.

Die Fähigkeiten der Arnica montana

Sowohl innerhalb ihrer großen Korbblütler-Verwandtschaft als auch in ihrer Gattung stellt Arnica montana eine Besonderheit dar. Sie ist in mehrfacher Hinsicht einzigartig, denn sie vereint sehr eigenwillige Qualitäten, die nur für sie charakteristisch sind.

Es beginnt mit ihrem Verbreitungsgebiet: Was bedeutet es, wenn sich eine Pflanzenart so eindeutig von ihren Verwandten separiert? Nur Arnica montana ist eine wirklich gesamteuropäische Pflanze, von Südeuropa bis nach Skandinavien lebend. Sie wurde von Linné montana genannt, weil sie typischerweise in Mittelgebirgen wächst; sie kann aber auch im Hochgebirge bis in 2800 Meter Höhe gefunden werden. Die viel kleinere Arnica angustifolia (auch als Arnica alpina bezeichnet) wird nur bis 15 Zentimeter groß und wächst in Skandinavien, im nördlichen Russland und auf Spitzbergen, beschränkt sich also auf den Norden Europas. Von den zahlreichen nordamerikanischen Verwandten ist bei uns nur die bereits erwähnte Wiesenarnika, die Arnica chamissonis, bekannt. Ihren Namen bekam sie von dem Arzt und Botaniker Christian Friedrich Lessing (1809–1862), einem Enkel des Dichters Gotthold Ephraim Lessing, zu Ehren des aus Frankreich geflohenen preußischen Offiziers, Dichters und Weltumseglers Adalbert von Chamisso. In Schweden hat sie sich als Neophyt eingebürgert, in Russland und in Ostdeutschland wird sie seit Längerem angebaut. In Gartenmagazinen wird mit ihrer einfachen Kultivierbarkeit geworben. Ihre Unterart Arnica chamissonis ssp. foliosa ist bis zu 90 Zentimeter groß, reich verzweigt, trägt viele Blätter und zahlreiche gelbe Blütenkörbchen. Sie war von 1984 bis 2000 als Stammpflanze im Arzneibuch ebenfalls zugelassen (WICHTL 2016), um zusätzlich zu Arnica montana »Arnikablüten« für phytotherapeutische Zubereitungen zu liefern (entsprechend der Monographie der Kommission E, der Sachverständigenkommission des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte).

Beim Betrachten von Bildern der amerikanischen Arnikaarten fällt sofort eine Besonderheit von Arnica montana auf. Sie wird für eine Gebirgspflanze erstaunlich lang (30 bis 60 Zentimeter), verzichtet aber weitgehend auf Verzweigungen und Blattmasse. Ihr Thema ist: Zurückhaltung in der oberirdischen Gestalt.

Alle Arnikaarten haben gegenständige Blätter, was bei Korbblütlern selten ist. Typischerweise sind bei diesen vegetativ so kräftigen Pflanzen die Blätter spiralig angeordnet – das ist an einer Sonnenblume schön zu sehen. In der goetheanistischen Naturbetrachtung gilt die Gegenständigkeit von Laubblättern als Zeichen einer blütenhaften Durchdringung, wie beispielsweise bei den Lippenblütlern. An natürlichen Standorten beschränkt sich Arnica montana oberirdisch auf einen aufrechten Stängel und eine Dreiergruppe von Blütenkörbchen: nämlich auf den größeren endständigen Blütenstand sowie zwei kleinere aus den beiden etwas tiefer stehenden Blättern. Erst viel weiter unten, näher am Boden, entspringt in der Regel ein weiteres, größeres Blattpaar.

Arnica montana wächst am liebsten in Mooren, in Heiden, in Silikatmagerrasen und lichten Wäldern, auf feuchten, nährstoff- und kalkarmen, sauren Böden. Von daher liegen die wichtigsten Standorte im kieselhaltigen Urgestein. Sie ist jedoch auch in Kalkgebirgen zu finden, zum Beispiel in den Karawanken, wenn durch starken Niederschlag der Kalk in den obersten Erdschichten ausgewaschen wurde. Sie liebt Stellen mit einer relativ dichten Rohhumusschicht aus abgestorbenem, aber noch nicht vollständig zersetztem Pflanzenmaterial; Stellen, die feucht und ausreichend durchlüftet sind, sich im Sommer gut erwärmen und beim Betreten federnd schwingen. Immer braucht die Arnika in der Erde genügend Feuchtigkeit. Oberirdisch sind ihre Standorte meist stark dem Wind, dem Licht sowie Wärme und Kälte ausgesetzt.

Eine eindrückliche Beschreibung eines Erlebnisses mit der Arnika gibt die Apothekerin Christina Kiehs-Glos. Sie zeltete in den Vogesen am Rande von Arnika-Hochflächen, als Regenfluten und ein Orkan über die Landschaft hereinbrachen: »In der dritten Nacht gab ich auf, flüchtete, das Zelt dem Sturm überlassend, ins Auto, vorbei an Hunderten blühender Arnika. Sie alle tanzten im Wind und schienen das entfesselte Element zu genießen. Keine einzige war geknickt, keine einzige hatte den Kopf verloren« (KIEHS-GLOS 2002, S. 21).

Gestalt und Entwicklung der einzelnen Pflanzenteile

Das wichtigste Organ der Arnika ist das unterirdische Rhizom, ein annähernd horizontal wachsender »Erdspross«, rhythmisch gegliedert in Knoten und Internodien und nur maximal sechs Millimeter dick. Dieses Rhizom verbindet sich wenig mit dem Untergrund, sondern bleibt dicht unter der Erdoberfläche im Bereich der oben geschilderten Rohhumusdecke oder in Moornähe unter den Moospolstern. Es wird mehrere Zentimeter lang und spiegelt die Aktivitäten der Arnika im Jahresgang wieder: dickere, gestauchtere Abschnitte mit eng beieinanderliegenden Knoten und Blattnarben verweisen auf das Sommerwachstum; schmalere, weiter auseinanderliegende Knoten und Blattnarben entsprechen dem Frühjahrswachstum. Die Rhizome verzweigen sich zu einem Netzwerk, sodass die verschiedenen Erdsprosse benachbarter Pflanzen neben- und übereinander verlaufen. Nach einigen Jahren sterben die ältesten Teile ab.

Blattrosette von Arnica montana mit dunkelbraunem Rhizom und kräftigen hellbraunen Wurzeln.

Aus dem Rhizom entspringen viele Wurzeln. Sie sind – im Vergleich zum schmalen Rhizom – mit einem Durchmesser von etwa zwei Millimetern verhältnismäßig dick, erstaunlich fleischig und zunächst unverzweigt. Die bekannte Klagenfurter Wurzelforscherin Lore Kutschera (1917–2008) nennt sie »schnurförmig«. Sie grub Arnikapflanzen an verschiedenen Standorten aus und gibt Wurzeltiefen von 25 bis 90 Zentimetern an, je nach Bodenerwärmung und Untergrund. Die Wurzeln leben in Symbiose mit Mykorrhizapilzen.

Im Herbst sind an den Rhizomspitzen Knospen zu sehen, aus denen im Frühsommer (im Mai oder Juni, abhängig vom Standort) die jungen Blätter treiben. Diese ersten Blätter bleiben noch ganz dicht am Boden, bilden also eine sogenannte Rosette. Bei vielen Rosettenpflanzen sieht man wunderschöne Blattspiralen auf der Erde, vor allem wenn sie grün durch den Winter getragen wurden, wie beispielsweise bei der Nachtkerze, den Königskerzen oder der Wegwarte. Bei der Arnika gibt es niemals Blattspiralen, da alle ihre Blätter strikt gegenständig angelegt sind. Das entspricht der Blattstellung von jungem Feldsalat, dessen gekreuzt gegenständige Rosetten wir im Winter so gern essen. Am hellen Naturstandort im Gebirge legt die Arnika die Blätter der noch nicht blühenden Rosetten jedoch nach dem Sprießen flach auf den Boden und dabei so übereinander, dass das charakteristische »Arnikakreuz« entsteht. Inmitten der feingliedrigen Vegetation einer Magerwiese fällt es durch seine Größe und Robustheit sofort auf – auch wenn es nicht ganz exakt gebildet ist.

Das auffällige »Arnikakreuz« der Rosettenblätter.

Klas Diederich und Urte Riggers, die die Arnica montana ausführlich beobachteten, beschreiben, dass unter der Blattdecke ein eigenes Kleinklima entsteht, das auch bei starker Sonnenbestrahlung kühl und feucht bleibt: »Jede einzelne Arnikapflanze wird an ihrem Standort dominant. Sie selbst prägt das Klima am Boden« (DIEDERICH und RIGGERS 2003, S. 66). Die Blätter sind fest, übersät mit Drüsenhaaren und weißen Borstenhaaren, breit lanzettlich und »sitzend«, sie haben also keinen Blattstiel. Trotz der geometrischen Anordnung ist ein einzelnes Blatt bei genauer Betrachtung in sich nicht vollkommen symmetrisch, sondern oft leicht verzerrt beziehungsweise verbogen.

Viele Rhizomabschnitte bilden über mehrere Jahre diese der Erde verhafteten Blattkreuze, mal größer, mal kleiner. Hat sich jedoch der Vegetationspunkt der Achse für den Blütenimpuls geöffnet, dann erhebt sich rasch und kraftvoll aus der Mitte eines Kreuzes der Stängel, der die Dreiergruppe der Knospen hoch ins Licht trägt. Alle Blätter, auch die untersten, richten sich nun auf. Zunächst sind die drei Knospen vom untersten Blattpaar des Stängels noch wie von zwei großen grünen Händen umfasst. Der Stängel ist rundlich, fest, oft rötlich gefärbt. Neben den Borstenhaaren trägt er auch Drüsenhaare. Ganz im Inneren befindet sich ein weißes Mark, das sich im Laufe des Sommers auflösen kann, sodass dann die Stängel hohl werden.

Vor dem Aufblühen neigen sich die Blütenkörbchen noch einmal zur Erde zurück, ehe sie sich dezidiert in dieVertikale aufrichten. Die langen Zungenblüten drängen als Erste hervor. Ihre sonnengelbe Farbe ergibt einen warmen Farbklang mit den oft rot überlaufenen, ansonsten leuchtend grünen Hüllkelchblättern. Obwohl die Zungenblüten parallelnervig sind und in drei ordentlichen kleinen Spitzen enden, biegen sie sich von Anfang an in verschiedene Richtungen. Die sprichwörtliche wirbelnde »Strubbeligkeit« von Arnikaköpfchen, an denen man die Pflanzen in der Natur unfehlbar erkennen kann, rührt nicht vom Wind her, sondern ist tief mit dem Wesen dieser besonderen Pflanze verbunden. Mehr dazu später.

Die Zungenblüten der Arnika haben die Fähigkeit verloren, Früchte hervorzubringen – im Gegensatz zur Calendula (Seite 54). Sie bilden keine Staubblätter, und trotz eines vorhandenen Fruchtknotens mit langem Griffel kann keine Befruchtung stattfinden. Die dunkleren gelben Röhrenblüten verharren zunächst im Knospenstadium, ehe sie sich allmählich von außen nach innen öffnen. Kleine leuchtende Fünfsterne werden nun sichtbar, aus deren Mitte sich die rotgoldene Staubblattröhre herausschiebt (die Staubbeutel sind seitlich miteinander verklebt), durch die sich schließlich auch der zweiteilige Griffel ans Licht streckt (siehe Seite 18/19). Am natürlichen Standort entstehen in der Regel in einem Arnikakorb 15 bis 19 Zungenblüten, die eine Gruppe von 80 bis 90 Röhrenblüten einschließen. Arnika blüht zur Johannizeit bis in den Juli hinein. Helmut und Margrit Hintermeier beschreiben in ihrem Buch von 2012, dass bis zu 18 verschiedene Insektenarten – Bienen, Hummeln, Schwebfliegen, Falter und Käfer – die Arnika besuchen und Nektar und/oder Pollen aufnehmen.

Zu einer echten Blüte gehören typischerweise auch Kelchblätter. Bei vielen Korbblütlern sind die Kelchblätter der Röhren- und Zungenblüten gar nicht ausgebildet oder zu kleinen Zähnchen reduziert. Beim Löwenzahn dagegen kann man sie bereits im Blütenkorb als feine Haare oberhalb der Fruchtknoten bemerken. Die so verwandelte Kelchhülle wird »Pappus« genannt. Während der Frucht- und Samenreife strecken sich beim Löwenzahn sowohl alle Pappushaare als auch das Stielchen zwischen Frucht und Pappusschirmchen. Schließlich bilden alle Haare gemeinsam die lichte, eindrucksvolle Kugel der Pusteblume in ihrer kristallinen Vollkommenheit. Obwohl eine Arnika kaum Ähnlichkeit mit einem Löwenzahn hat, sind ihre Zungen- und Röhrenblüten auch von Pappushaaren umgeben. Sie machen einen beträchtlichen Teil der Droge »Arnikablüten« aus. Lässt man abgeschnittene Blütenköpfe der Arnika zum Trocknen liegen, dann strecken sich diese Haare und es entsteht auch eine kugelige Pusteblume. Im Vergleich mit einer Löwenzahnkugel ist die Arnikakugel kleiner, dichter und struppiger. Das liegt daran, dass Arnikafrüchtchen viel länger als Löwenzahnfrüchtchen sind und die 30 bis 40 Pappushaare direkt an ihrem oberen Ende entspringen: ein Stielchen fehlt. Außerdem sind die Haare borstig-rau, kürzer und schimmern nicht so rein weiß. Wenn man sie verbrennt, bleibt von jedem Pappushaar ein feinster, verkrümmter, aber zusammenhängender, reinweißer Strang übrig. Inwieweit es sich dabei um reine Kieselsäure handelt oder welche anderen Substanzen mit hineingewoben sind, müsste geprüft werden.

Längsschnitt durch ein junges Blütenköpfchen, die weißen Pappushaare bedecken die noch knospigen Röhrenblüten.


Kugelige »Pusteblume« der Arnika.

Leicht werden die Früchte ab Ende August mithilfe der Flugschirme vom Wind über die Landschaft getragen. Dort, wo die Grasnarbe durch Erosion, Trittspuren von Rindern oder auf Skipisten aufgerissen ist, können die Arnikafrüchtchen keimen und im Laufe der Zeit zu verzweigten Rhizomen und gekreuzten Rosetten heranwachsen. Die oberirdischen Triebe der Pflanze verdorren allmählich im Herbst und verharren braun, steif und rau bis zum Wintereinbruch. Unterirdisch bleiben die Rhizome aktiv und können noch im September neue kleine Rosetten bilden.

Bemerkenswert ist, dass die spitzen, durchsichtigen Borstenhaare zum Blütenstand hin zunehmen und auch im Inneren der Köpfchen vorhanden sind: Mit einer Lupe ist zu erkennen, dass die unteren Abschnitte der Röhrenblüten und die ausgereiften Früchte dicht borstig besetzt sind.

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