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Brief an den Träumer

Hallo, großer Visionär!

Ich hoffe, es geht Dir gut. Weißt Du, ich wollte mich ja schon seit Längerem mal bei Dir melden. Tja, und nun ist es soweit. Endlich. Und ... also ... um ehrlich zu sein ... als Freund möchte ich ungern lange um den heißen Brei herumreden. Nimm es mir also bitte nicht übel, wenn ich gleich zur Sache komme. Ich würde nämlich mit Dir am liebsten direkt mal über den Stand Deiner Lebensträume nachdenken.

Warum? Nun, ich nehme ja an, dass Du – wie fast alle Männer – solche verrückten Momente kennst, in denen Du auf einmal unruhig wirst und in denen plötzlich eine ziemlich schillernde Frage im Raum hängt ... wie soll ich das beschreiben … man hat dann gelegentlich das Gefühl, als ob einem von irgendwoher eine raue Stimme zuflüstert: „Schau Dir Dein Leben doch an! So! Und jetzt sag mir: Ist es wirklich das, was Du wolltest?“ Manchmal ist die Stimme sogar so laut, dass es wehtut: „Ja, Du Träumer, was ist aus Deinen Träumen geworden?“ Tja, was? Träumst du noch – oder lebst du nur? Und was machst Du mit Deinen Träumen, wenn Du sie denn hast?

Meist tut sich dahinter gleich eine gigantische Palette ähnlicher unschöner Anfragen auf: Ist meine Existenz wenigstens annähernd so, wie ich sie mir ursprünglich mal vorgestellt habe? Oder nicht? Was ist aus all den farbenfrohen Erwartungen und Hoffnungen geworden, mit denen ich in meiner Jugend gestartet bin? Und: Habe ich wirklich das Beste aus mir gemacht – oder bin ich weit unter meinen Möglichkeiten geblieben? Wie sieht es aus: Hätte mein Leben auch ganz anders ablaufen können? Viel schöner vielleicht? Erfüllter? Entspannter? Und: Hat der Typ in meinem Rasier-Spiegel irgendwas mit meinem Ideal von einem „erfolgreichen“ Mann zu tun?

Tja, und mit einem Mal wird einem klar, wie viele existenzielle Entscheidungen man schon getroffen hat. Für einen bestimmten Beruf. Für einen bestimmten Arbeitgeber. Für eine Partnerin. Für ein Land. Für einen Wohnort. Für ein Lebensmodell. Für eine Automarke. Für ein Rasierwasser. Für ein Hobby. Und für einen Kleidungsstil. Beunruhigend dabei ist: Jede dieser Entscheidungen war eine Weichenstellung. Und wäre die Weiche anders gestellt gewesen, dann wäre unser „Zug des Lebens“ wahrscheinlich ganz woanders hingefahren. Möglicherweise ins Paradies. Oder auch nicht!

Manchmal driften die Gedanken dann richtig ab. Ungefähr so: „Wenn ich damals diese eine Entscheidung anders gefällt hätte, dann besäße ich jetzt wahrscheinlich eine Surfschule auf Bora Bora mit der unfassbar süßen Rothaarigen aus der Nachbarklasse, die ich aus lauter Unsicherheit leider niemals angesprochen habe – obwohl meine Freunde mir versichert haben, sie wäre ungemein an mir interessiert. Wir lägen jeden Abend mit Cocktails am Strand, hätten grandiosen Sex unter einem schier endlosen Sternenhimmel und wären einfach nur glücklich.“ Ich bin sicher, dass Du solche verführerischen Gedankenspiele auch kennst. Es wäre seltsam, wenn nicht. Das sind nun mal die wilden „Was-wäre-wenn“-Fantasien, die sich ab und an in unseren Kopf schleichen.

Besonders unangenehm wird das Eintauchen in derartige „Lebensalternativen“ übrigens, wenn man irgendwann im Laufe seines Entwicklungsprozesses zwischen zwei beinah gleichwertigen Optionen entscheiden musste. Ich denke da etwa an den begabten Musiker, der sich auf Anraten seiner Eltern – die es wirklich nur gut mit ihm meinten – dann doch für eine „anständige“ Ausbildung entschieden hat. Oder an den Berufseinsteiger, der statt beim quirligen und kreativen Start-Up-Unternehmen lieber beim Branchenriesen unterschrieben hat. Weil das fürs Renommee besser schien. Oder an den Großstädter, der sich in stillen Stunden immer noch fragt, ob er nicht doch diese romantische Hofreite im grünen Hinterland hätte sanieren sollen, die ihm ein Bekannter damals für einen Spottpreis angeboten hat. Was wäre, wenn ... Diese Frage schickt unsere Gedanken auf Reisen. Bisweilen auf verführerische Reisen. Ganz anders könnte man leben ...

Nebenbei: Nicht in jedem Leben gibt es solche extremen Alternativen, aber wenn Du Deinen Lebenslauf anschaust, entdeckst Du garantiert auch überall potenzielle „Abzweigungen und Alternativrouten“, die Du hättest nehmen können. Und dass Du sie – aus welchen Gründen auch immer – nicht gewählt hast, wird Dir gerade in schwierigen und unklaren Zeiten Deiner Biografie schmerzhaft bewusst werden. Natürlich kannst Du nie sagen, ob die anderen Strecken tatsächlich in ein stimmigeres Dasein geführt hätten, aber wenn wir mit dem Ist-Zustand unzufrieden sind, wächst verständlicherweise die vermeintliche Attraktion der „Alternativen“. Und plötzlich fragst Du Dich: Was hätte ich anders machen können? Oder hätte ich sogar etwas anders machen müssen?

Brisant an diesen Fragen ist vor allem, dass Du ja nicht alle Entscheidungen völlig autark und selbstbestimmt gefällt hast. In den meisten Fällen gibt und gab es zahlreiche äußere Faktoren, die uns beeinflusst haben: Freunde, Gegebenheiten, Kontakte, Zufälle, Bequemlichkeit, miserables Wetter, eine grässliche Grippe und vieles mehr. Ja, oftmals erschien uns bloß der eine Weg „einfacher“ oder „sicherer“ als der andere. Mit einem BWL-Studium hat man nun mal ein klareres Berufsbild als mit „Kunstgeschichte“ oder „Ökotrophologie“. Nur kann es dann auch passieren, dass man nach zwanzig Berufsjahren enttäuscht feststellt, dass der ach so „sichere“ Beruf zwar gut bezahlt, aber leider nicht besonders erfüllend ist. (Womit ich überhaupt nichts gegen BWL sagen will. Wirklich nicht! Ich liebe BWLer. Sind ja auch Menschen.)

Jetzt denkst Du möglicherweise: „Hey, wenn ich solche Zweifel nicht kenne, bzw. wenn keine Sehnsüchte an mir nagen, dann ist ja alles in Ordnung.“ Da kann ich nur sagen: Vorsicht! Möglicherweise machst Du Dir was vor. Kein Lebenslauf ist so gradlinig, dass darin nicht auch noch eine andere verlockende Variante denkbar wäre. Und es ist etwas ganz Natürliches, sich diese Möglichkeiten auch hin und wieder vor Augen zu führen: „Was wäre, wenn ...“

Ja, mehr noch: Wenn ein Leben letztlich so etwas wie die „Summe unserer Entscheidungen“ ist, dann sollten wir diese Entscheidungen auch ernst nehmen. Sehr ernst sogar. Und das können wir nur, wenn wir die Alternativen genau kennen und geprüft haben. Nur wenn wir sorgfältig betrachten, welche verschiedenen Möglichkeiten wir überhaupt haben oder gehabt hätten, können wir mündig und begründet wählen – und letztlich zu unseren Entscheidungen auch aus ganzem Herzen „Ja“ sagen. Und wer beim achten Bier leutselig gesteht: „Och, ich hab das Mädel damals geheiratet, weil grad keine andere da war!“, der hat letztlich nicht wirklich gewählt, sondern einfach das Naheliegende geschehen lassen. Das heißt: Erst, wenn ich verschiedene Optionen geprüft habe, ist eine Entscheidung eine echte Entscheidung.

Die Erfahrung lehrt jedenfalls: Wenn wir die verschiedenen Möglichkeiten bei unserer Wahl nicht vor Augen hatten und einen bestimmten Weg nicht ganz bewusst gegangen sind, dann holt uns dieses Versäumnis irgendwann ein. Dann kann die Frage „Führe ich das Leben, das ich mir erträumt habe?“ schnell auch krank machende Züge annehmen und in die berühmte Midlife-Crisis führen.

Dann erscheinen die möglichen Alternativen, die ich – aus welchen Gründen auch immer – bislang nicht auf dem Schirm hatte, auf einmal so betörend, dass manche Männer bereit sind, dafür ihre gesamte Vergangenheit zu verdammen – und gegebenenfalls auch abzustoßen, was manchmal tatsächlich helfen kann, verfahrene Lebensmuster aufzubrechen. Meist werden dabei aber nur oberflächliche Symptome behandelt, ohne dass den Ursachen auf den Grund gegangen würde. Deshalb ist das mit den Lebensträumen so ein relevantes Thema.

Also: Wie sieht es aus mit Deinen Lebensträumen? Lebst Du sie? Oder ist die Realität viel kleiner als all das, was Du erreichen wolltest? Tut die Diskrepanz weh? Helfen Dir Deine Lebensträume, Deinem Dasein eine Struktur zu verleihen? Hier ein paar Anregungen:

1. Träume sind Kraftquellen. Das ist erst einmal großartig. Und darum solltest Du auch niemals aufhören zu träumen. Denn wenn Du Deine Träume nicht wahrnimmst, dann verkümmern sie nach und nach. Und damit ein Teil von Dir. Darum bringt es auch nichts, seine Träume immer wieder auf die lange Bank zu schieben. Natürlich kann man sich vornehmen: „Meinen Lebenstraum – die große Weltreise, die Overland-Safari, den Tauchgang auf den Hybriden, den Einsatz als Stuntman, die freiberufliche Karriere – den erfülle ich mir nach der Pensionierung.“

Aber erstens weiß niemand, wie es ihm nach der Pensionierung körperlich und mental geht, und zweitens ist beispielsweise eine Weltreise mit 30 Jahren etwas anderes als eine mit 67 Jahren. Außerdem: So mancher, der sich lange damit beruhigt hat, dass er für seine Träume ja noch viel Zeit hat, ist mit 50 Jahren tot umgefallen – und dann stand auf seinem Grabstein in breiten Buchstaben: „Er wäre so gerne mal nach Australien ins Outback geflogen.“ Die richtige Zeit für Träume ist immer jetzt. Dabei darfst Du allerdings nie die eigentliche Funktion von Träumen vergessen:

2. Träume sind Wegweiser. Sie verweisen zuallererst auf starke Wesenszüge in Deiner Persönlichkeit. Und die gilt es vordringlich wahrzunehmen. Also: „Was sagen Deine Träume über Dich aus, über Deinen Charakter und Deine Sehnsüchte?“ Das gilt es zu klären. Weil kein Mann glücklich werden kann, der Teile von sich selbst verdrängt. Und das wiederum bedeutet: Manchmal ist es wichtiger, Lebensträume zu haben, als sie in einer konkreten Form umzusetzen. Weil sie uns intensiv helfen, uns selbst zu verstehen. Auch die Illusionen.

Lebensträume sind wegweisend. Trotzdem hat man mit 18 Jahren in der Regel noch keine Vorstellung von der Komplexität des Daseins. Und manches junge Paar, das sein erstes Kind bekommt, stellt verwundert fest, dass der 24-Stunden-Betreuungs-Service eines brüllenden Säuglings mit dem vorher gepflegten Partyleben gar nicht so leicht vereinbar ist. Sprich: Natürlich führt jede Entscheidung (etwa die für eine Familie oder für einen Wohnort) zu Kompromissen. Ja, zu selbst gewählten Abstrichen von ersehnten Lebenszielen. Zumindest in einer bestimmten Lebensphase.

Und dann ist es entscheidend, nicht nur ärgerlich zu fragen: „Was fehlt Dir?“ sondern vor allem zu sehen: „Was hast Du? Wofür hast Du Dich entschieden?“ Welche Facetten Deiner Lebensträume konntest Du Dir erfüllen, auch, wenn sie möglicherweise andere Ideale begrenzen? Jede Entscheidung für etwas ist zugleich eine Entscheidung gegen etwas. Und diesen Schmerz gilt es manchmal einfach auszuhalten.

3. Träume sind Aufforderungen. Sie motivieren uns, mit uns selbst im Gespräch zu bleiben. Das Spannende daran ist jedoch: Ich kann zu einem Ziel auch sehr bewusst „Nein“ sagen. Und die Kernfrage wird irgendwann lauten: Hängt der „Erfolg“ Deines Lebens für Dich von der Erfüllung Deiner Lebensträume ab? Interessante Frage, oder? Hängt der „Erfolg“ Deines Lebens von der Erfüllung Deiner Lebensträume ab? Nur: Wenn dem so ist, bist Du ohnehin zum Scheitern verurteilt. Denn mal unter uns: Wem gelingt es schon, alle seine Träume zu verwirklichen? Ja, man kann sogar frech fragen: Wäre das wirklich wünschenswert? Ein Leben, in dem es keine Lebensträume mehr gibt? Wohl eher nicht.

Wenn der „Wert“ Deines Daseins aber nicht von Umsetzung ganz konkreter Träume bestimmt werden darf, dann gilt es, den Träumen auch den ihnen zustehenden Platz zuzuweisen: Sie dürfen Dich unterstützen, leidenschaftlich sogar, als Anreger und Leitlinien, als Motivatoren und Prüfsteine – aber sie dürfen nicht in einer Form Macht über Dich gewinnen, die etwas in Dir (oder gar um Dich herum) zerstört.

Wenn das gelingt, dann sind Lebensträume wie Leuchttürme: Sie weisen den Weg – aber manchmal stehen sie eben auch auf dem Riff, dem Du ausweichen sollst. Lebensträume bringen Dich – hoffentlich – auf einen guten Kurs. Viel entscheidender ist aber die Frage: Ist das Schiff seetüchtig und die Mannschaft fit?

Nebenbei: Die Frage „Lebe ich das Leben, das ich mir erträumt habe?“ ist ziemlich egozentrisch. Schließlich geht es darin ausschließlich um Dich. Deshalb ist sie trotzdem legitim, aber wenn wir schon beim Thema „Lebensträume“ sind, sollten wir nicht vergessen, dass viele Männer in ihrer Jugend tatsächlich noch von viel mehr geträumt haben, nämlich davon, „die Welt zu retten“.

Ja, sie haben als junge Heißsporne radikale Träume, die weit über die persönliche Entwicklung hinausgehen. Sie möchten etwas Bedeutendes für die Gesellschaft tun, für Gerechtigkeit, Freiheit und die Zukunft der Erde. Sie engagieren sich in Umwelt-Gruppen, demonstrieren für den Frieden, setzen sich für fairere Lebensbedingungen ein und beweisen Zivilcourage. Wie war das bei Dir? Erinnerst Du Dich noch an die Zeiten, in denen Du die Welt verändern wolltest? Oder willst Du es immer noch?

Wenn ja, dann bist Du eher eine Ausnahme. Denn leider sind es oftmals diese höheren „Lebensträume“, die als allererste flöten gehen. Und das ist tragisch, weil dadurch der Horizont der Träumenden ganz klein wird. Wer nur noch ängstlich fragt, wie er sein kleines, individuelles Heil erreichen kann, der wird es schon deshalb nicht schaffen, ein stimmiges Leben zu führen, weil nun mal jeder Mann Teil von größeren Zusammenhängen ist. Und diese Zusammenhänge darf man nicht ignorieren.

Ja, ich behaupte sogar: Glücklich wird man nie unabhängig von der Gesellschaft, in der man lebt, sondern nur in ihr und mit ihr. Darum ist es so grundlegend, dass Du Dir klarmachst, in welchen Dimensionen Du träumst. Geht es Dir nur um Deine privaten Begierden? Oder fragst Du nach dem, was eurer Partnerschaft, Deiner Familie, Deiner Gemeinde, Deinem Land oder Deiner Erde guttäte? Um es auf den Punkt zu bringen: Je stärker in Deinen Träumen die Verantwortung für andere eine Rolle spielt, desto weiser bist Du. (Siehe dazu: Brief an den Kulturfreak)

Natürlich darfst Du Dich dabei nicht vor lauter Altruismus selbst verlieren, aber andersherum geht es eben auch nicht. Persönliche Lebensträume müssen immer vernetzt sein mit den großen Systemen, in denen Du existierst. Zugegeben: Das ist bisweilen ungeheuer kompliziert. Aber erst ein Mann, der die Folgen seines Handelns für andere im Blick hat, kann dann auch beobachten, ob seine Träume für ihn selbst dauerhaft Segen stiften oder nicht.

Insofern wünsche ich Dir, dass Du ein großer Visionär wirst oder bleibst. Einer, der die Folgen seiner Visionen im Blick hat und sich von den „Was wäre, wenn“-Träumen nicht beirren, sondern inspirieren lässt. Denn wer weiß: Vielleicht wagst Du es ja demnächst, den einen oder andern Lebenswunsch intensiver in den Blick zu nehmen. Dann tue es. Nicht aus Verzweiflung, sondern mit dem liebevollen Blick für das, was Dir und der Welt guttut.


Brief an den Ängstlichen

Hallo, wilder Zweifler!

Da bin ich wieder. Und sorry, dass es gleich am Anfang meiner Briefe so zur Sache geht. Aber manchmal muss das eben sein. Also: Gerade haben wir uns mit den Fragen der Lebensträume beschäftigt – und jetzt würde ich gerne mit Dir ein wenig über Ängste nachdenken. Deine Ängste. Mann o Mann!

Ja, stimmt. Das ist kein leichtes Thema. Gerade für uns Männer. Weil es noch immer zu den scheinbar absoluten Tabus einer coolen Macho-Gesellschaft gehört, über seine Sorgen und Nöte zu reden. „Hey, so was macht man nicht, kapiert?“ Das klingt viel zu sehr nach Weichei und Selbsthilfegruppe: „Hallo, ich bin der Jürgen. Und ich bin ein anonymer Schisser!“ Uahh ...

Nur: Dass man über etwas nicht redet, verändert leider nichts. Schon gar nicht die Realität. Auch wenn wir diesem bescheuerten Irrtum immer wieder unterliegen. Ja, wir glauben in unserer Naivität:

• „Wenn ich nicht über den Tod rede, dann werde ich ganz bestimmt nicht sterben.“

• „Wenn ich meine Eheprobleme nicht anspreche, dann lösen sie sich garantiert von selbst.“

• „Wenn ich meinem Chef nicht sage, dass ich kurz vor dem Burn-out stehe, dann tue ich der Firma einen Riesengefallen.“

• „Wenn ich nicht wahrhabe, dass mein Fußballverein auf dem letzten Tabellenplatz steht, dann wird er garantiert nicht absteigen.“

So ein Unfug! Wie kann man sich nur so in die Tasche lügen? Mann kann!

Das Erstaunliche ist: Obwohl wir alle wissen, dass es nichts hilft, heikle Themen zu verschweigen, tappen wir alle immer wieder in diese Falle. Wir bilden uns dann ernsthaft ein: „Worüber ich nicht spreche, das gibt es nicht.“ Hä? Ja, so sind wir Männer! Seltsam, oder? Natürlich kann ich bestimmte Themen totschweigen, aber dadurch werden sie doch meist im Untergrund nur umso einflussreicher und mächtiger. Ich würde sogar behaupten: Manche Dinge bestimmen unser Leben gerade deshalb so sehr, weil wir uns ihnen nicht stellen wollen. Sie zerfressen uns quasi von innen heraus – aus den finsteren Winkeln unserer Seele, in die wir sie unbedingt verbannen wollten. Sie kommen zurück – als furchterregende Guerilla-Kämpfer. Eiskalt und unberechenbar.

Darum ist es so absurd, wenn zum Mann-Sein angeblich immer noch die Aura des „Ritters ohne Furcht und Tadel“ gehört. So ist die Welt noch nie gewesen. Oder kennst Du einen Mann, der keine Ängste hätte? Ich nicht. Aber ich kenne unendlich viele „harte“ Jungs, die ernsthaft denken, man dürfe – um es mit Star-Trek-Begriffen zu sagen – seine Schutzschilde nicht herunterfahren. „Über Ängste redet man nicht. Basta.“ Nun, sagen wir doch mal offen, wie es in Wirklichkeit ist: Nur Angsthasen reden nicht über ihre Ängste.

Ich bin der festen Überzeugung, dass es Dir guttut, Dich mit dem Ängstlichen in Dir auseinanderzusetzen. Mit dem Mann, der allzu oft Sorge hat, nicht gut genug zu sein, der fürchtet zu versagen, der die ganze Zeit den Druck empfindet, ein guter „Verdiener“ zu sein, mit dem unsicheren Zeitgenossen, der die Verantwortung für den „Lebensstandard“ der Familie und das noch nicht abbezahlte Haus wie ein schweres Joch auf seinen Schultern fühlt und sich den nicht enden wollenden Herausforderungen des Alltags oftmals einfach nicht gewachsen fühlt. Kennst Du diesen Mann in Dir? Wenn ja, dann lass uns überlegen, wie wir ihn unterstützen können. Wenn nein, dann solltest Du ihn schleunigst kennenlernen. Denn er ist da. Glaub mir: Er ist ein Teil von Dir. Ob Dir das gefällt oder nicht.

Das Verrückte dabei ist, dass Du in Dir Persönlichkeitsanteile voller Angst hast, das willst Du ja nicht nur vor den anderen, sondern auch vor Dir selbst verbergen. Darum entwickelst Du – wie alle anderen Männer – ziemlich kluge Mechanismen, um Dich den Sorgen nicht stellen zu müssen? Witzigerweise nimmst Du viele dieser Schutzmechanismen bei Dritten sehr kritisch wahr, nur bei Dir selbst klingen sie ganz überzeugend. Hier ein paar Beispiele:

• „Dass etwas im meinem Leben nicht klappt, daran sind nur die Umstände schuld.“

• „Mir werden andauernd von irgendwelchen Leuten Steine in den Weg gelegt.“

• „Wenn ich nur so könnte, wie ich wollte, dann wäre alles ganz einfach.“

• „Ich hatte es schon immer viel schwerer als alle anderen. Darum läuft es nicht so.“

Die Ängste vor dem Leben sind die ganze Zeit in uns, aber wir reden uns cool ein, äußere Faktoren wären dafür zuständig, dass wir nicht alles im Griff haben. Weil wir uns davor fürchten, uns selbst infrage zu stellen. Eigentlich bescheuert. Denn es ist ja gar keine Schande, der eigenen Begrenztheit mal Ausdruck zu verleihen. Natürlich bist Du nicht perfekt. Kein Mann ist es. Und der Einzige, der sich das nicht eingestehen will, bist Du selbst. Wie schade, denn damit verleugnest Du zugleich einen äußerst wichtigen Teil Deiner Persönlichkeit. Ja, der Ängstliche gehört doch auch zu Dir.

Mich würde interessieren: Hast Du Dich schon einmal hingesetzt und aufgeschrieben, was Dir im Leben Angst macht? Was Dich bedrückt und bedrängt? Was Dich manchmal nicht schlafen lässt? Das solltest Du mal machen. Es hilft. Weil es Dir wesentliche Charakterzüge Deines Wesens offenbart. Aber nicht nur das: Eine Angst, die man benannt hat, verliert auch augenblicklich ganz viel von ihrer Kraft. Wirklich. Es gibt dazu eine berühmte Geschichte, in der Jesus einem Mann begegnet, der von einem Dämon besessen ist. Und was macht Jesus? Ganz einfach: Er fragt den bösen Geist als Allererstes: „Wie heißt du?“ Weil etwas, das einen Namen hat und mit dem wir uns offen auseinandersetzen können, lange nicht so furchterregend ist, wie das, was im Halbdunkel unserer Gedanken umherschleicht. Frage also Deine Ängste: „Wie heißt ihr?“ Nimm ihnen die Möglichkeit, sich im Geheimen zu Gruselwesen zu entwickeln.

Ich weiß natürlich nicht, welche Ängste Du auf Deinem Zettel notieren würdest, aber ich nehme mal stark an, dass dahinter – wie bei fast allen Männern – zwei Urängste erkennbar würden. Die eine ist die furchtbare Angst, nicht gut genug zu sein, die andere die damit verbundene Sorge, den unzähligen Anforderungen, die von allen Seiten an uns zerren, nicht gewachsen zu sein.

„Ich kann das nicht!“ und „Ich schaff das nicht!“ stehen für die zwei großen Angst-Ungetüme, die uns Männern regelmäßig zu schaffen machen. Wir möchten doch so gerne alles im Griff haben und alles hinbekommen – und entdecken an vielen Stellen, dass uns die Aufgaben trotz besten Willens über den Kopf wachsen: „Was ist, wenn ich es nicht hinbekomme? Zum Beispiel, weil ich so erschöpft bin und andauernd an meine Grenzen stoße?“

Diese Sorgen sind verständlich: Einerseits fürchten wir uns vor den vielen möglichen Folgen des Versagens – eine Kündigung, die Aufgabe bestimmter Luxusgüter oder einen massiven Ansehensverlust – viel gravierender ist aber sicherlich die tief sitzende Angst, man könne uns nicht mehr lieb haben. Ja, was ist, wenn man mich nicht mehr schätzt und achtet? Als Kollegen, als Ehemann, als Vater? Was ist, wenn Du den Erwartungen nicht entsprichst und fallen gelassen wirst wie eine heiße Kartoffel?

Wir leben alle von der Anerkennung, und wenn wir befürchten, diese Anerkennung zu verlieren, flößt uns das schreckliche Angst ein. Eine so große Angst, dass wir lieber die Wirklichkeit verbiegen, dass wir bereit sind, anderen zu schaden, oder dass wir uns selbst ausbeuten, um nur ja niemals in diese Situation kommen zu müssen.

Allerdings ist das natürlich ein sehr brisanter Zustand. Solange ein Mann fortwährend das Gefühl hat, er müsse sich die Anerkennung seiner Umwelt verdienen, bzw. er bekäme sie nur für entsprechende Leistungen – so lange wird er auch unter Strom stehen und sich selbst verrückt machen. Und so lange wird er auch voller Sorge sein, er könne irgendwann den Erwartungen seiner „Anerkennungsspender“ nicht mehr genügen. Sprich: Der Dauerstress ist programmiert. Solange das Spiel „Anerkennung gegen Erfolg“ heißt, bleibst Du ein Abhängiger Deines Outputs. So lange darfst Du Dir keine Fehler, keine Krankheiten, keine Freiheiten und keine Freizeit gönnen. Ein fataler Denkfehler, den wir aber alle begehen.

Erich Fromm hat in seinem Buch „Haben oder Sein“ klug ausgeführt, dass es letztlich nur zwei Arten gibt, wie man sich mit der Wirklichkeit auseinandersetzen kann. Entweder man definiert sich über das, was man hat – oder man definiert sich über das, was man ist. Natürlich weist er mit Nachdruck darauf hin, dass wir versuchen sollten, uns nicht mehr über das „Haben“, sondern über das „Sein“ zu definieren. Und da sind wir beim Kern der Sache. Letztlich funktioniert unser Streben nach Anerkennung nämlich ausschließlich nach den Regeln des „Habens“. Du willst etwas bekommen, nämlich Anerkennung! Du bestimmst Deinen Wert über die Rückmeldungen Deiner Umwelt. Und je mehr Anerkennung Du bekommst, desto besser fühlst Du Dich. Vermeintlich jedenfalls. Und immer nur für einen Moment. Weil das Haben-Muster ja niemals aufhört. Weil wir nie an den Punkt kommen, an dem wir glauben, so viel zu haben, dass es genügt. Das Haben-Muster ist ein Kreislauf des Begehrens, der kein Ende kennt.

Entscheidend im Umgang mit unseren Ängsten ist deshalb die Arbeit an unserem Sein. Und so wie unsere Partnerin und unsere guten Freunde hoffentlich auch dann zu uns stehen, wenn es im Job mal nicht so gut läuft, sollten wir das auch selbst tun: Wir sollten lernen, zu uns zu stehen. Unabhängig von der aktuellen Bilanz unseres Handelns. Und wir sollten froh über uns sein, selbst wenn gerade vieles schiefgeht.

Die mittelalterlichen Mystiker haben für diesen Zustand einen wunderbaren Begriff erfunden, den ich über alles liebe. Er heißt: Gelassenheit. Ja: Gelassenheit. Was für ein herrliches Wort! Und gemeint ist damit: Ein Mann, der in sich ruht und seinen Wert nicht über sein „Haben“, sondern über sein „Sein“ erhält, der kann das Leben gelassen angehen. Trotzdem wird er nicht weniger aktiv an die Gestaltung seiner Aufgaben herangehen, im Gegenteil: Er kann ohne die Bremse des „Was ist, wenn es schiefgeht?“ leben, und er wird vom Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens nicht auf seinen Wert schließen. Und das ist eine echte Gnade. Ein heilvoller Zustand.

Natürlich zogen die Mystiker ihre Kraft dabei vor allem aus ihrem Glauben. Sie waren der festen Überzeugung: Dass Gott uns liebt, dass er für mich und für Dich Mensch geworden ist, das macht unsere Existenz schon derart wertvoll, dass äußere Kriterien dagegen relativ unbedeutend werden. Ja, die Mystiker waren leidenschaftliche Menschen, aber sie bezogen ihre Stärke nicht aus irdischen Erfolgserlebnissen, sondern aus der Liebe Gottes. Oder, um es ein wenig poetischer zu sagen: Wenn der Schöpfer des Himmels und der Erde mich für wertvoll hält, ist das wichtiger als jede Anerkennung von Menschen.

Deshalb solltest Du Dich bei der Auseinandersetzung mit Deinen Ängsten weniger fragen, was Du an materiellen Dingen gewinnen oder verlieren kannst, sondern prüfen, ob Dein Lebensfundament so stark ist, dass es allen äußeren Stürmen trotzen könnte. Weil dann die Ängste ganz schnell ihre Macht verlieren. Verstehst Du jetzt, warum mir das Thema „Ängste“ so wichtig ist? Weil es etwas darüber aussagt, was uns im Innersten Halt gibt. Hier sind übrigens noch ein paar ganz konkrete Anregungen für den Umgang mit der Angst:

1. Nimm Dir regelmäßig Zeit, vor Dir selbst, aber auch vor und mit anderen, über Deine Befürchtungen und Sorgen zu reden. Weil der offene Umgang damit auf jeden Fall besser ist, als eine wie auch immer geartete Form der Verdrängung. Wer seine Ängste unterdrückt, der lebt nämlich letztlich in einer Art Scheinwelt, weil er grundlegende Bausteine seines Daseins ausblendet. Das mag nach außen hin auch eine Zeit lang funktionieren, es bringt aber eine dauerhafte Ebene der Falschheit in Dein Handeln, eine Ebene des Ausgeschlossenen, die dazu führt, dass Du nie in einem ganzheitlichen Sinn heil werden kannst. Und ich befürchte: Solange Du das Lebendige in Dir durch etwas Mechanisches wie eine verborgene Angststruktur belastest, wirst Du immer ein Unbehagen empfinden.

2. Mach Dir bewusst, dass unterdrückte Ängste Konsequenzen haben. Schließlich bringen sie eine schmerzhafte Unehrlichkeit in unser Mann-Sein. Warum? Nun, wer sich seinen Ängsten nicht stellt, der ist andauernd gezwungen, vor sich selbst und vor seiner Umwelt seine Angst auf unterschiedlichste Art zu überspielen. Und es ist kein Zufall, dass eigentlich die meisten männlichen Unarten – Aggression, Brutalität, Unbelehrbarkeit – auf unterdrückte Ängste zurückgeführt werden. Weil wir Männer uns die Furcht nicht eingestehen wollen, überspielen wir sie mit abstoßenden Formen der Machtausübung: „Seht her, wie stark ich bin. Wer so stark ist, der hat doch keine Angst.“ Nur ist es in Wirklichkeit genau andersherum: „Wer keine Angst hat, der hat es nicht nötig, andere klein zu halten.“

3. Erstaunlicherweise geistert in unseren Köpfen immer noch ein Ideal herum, das uns das Leben richtig schwer macht. Dieses Ideal lautet: „In einem gelungenen Leben läuft alles gut.“ Ich habe keine Ahnung, wer diese verkorkste Theorie in die Welt gesetzt hat, aber sie steht weder in der Bibel, noch in sonst einem guten Buch. Und trotzdem leben wir alle danach. Ja, wir sind der Überzeugung, dass wir einen Weg gehen sollten, der gradlinig nach oben führt, von einem Erfolg zum nächsten. Nur hat uns das nie einer versprochen. Wie gesagt: auch Gott nicht. In jedem Lebenslauf gibt es Hochs und Tiefs, traumhafte Erfahrungen und schmerzvolle Erlebnisse. Und manche Menschen behaupten sogar, dass gerade die harten Momente ihnen etwas von den Geheimnissen des Lebens offenbart haben. Nur: Wenn dem so ist, wenn das Leben weder als Dauerparty gedacht war, noch sinnvoll wäre, dann können wir vielleicht etwas entspannter akzeptieren, dass selbst der perfekteste Mann bisweilen ins Stolpern gerät. Das ist nicht tragisch, das ist nur menschlich.

4. Männer tun sich mit ihren Ängsten auch deshalb so schwer, weil sie ja irgendwie – ich habe es schon angedeutet – doch alle denken, sie müssten die Welt retten. Ich habe in einer Klinik Männer gesehen, die hatten gerade ihren dritten Herzinfarkt, saßen im Krankenzimmer vor ihrem Laptop und sagten: „Der Arzt meinte, ich dürfte nichts machen. Aber wenn ich nicht mehr für meine Firma da bin, dann bricht doch alles zusammen.“ Was für ein Angstsyndrom! Und was für ein perverses Gefühl: Wenn ich nicht da bin, bricht alles zusammen. Darauf gibt es nur zwei Antworten. Erstens: „Wenn ohne Dich alles zusammenbricht, dann hast Du ohnehin einen ganz miesen Job gemacht. Denn Du hättest ja rechtzeitig gute Vertretungsstrukturen schaffen können.“ Und zweitens: „Wenn Du morgen stirbst, dreht die Welt sich auch weiter.“ Darum ermutige ich Dich, Dir immer wieder zu sagen: „Ich muss die Welt nicht retten.“ Fromme Menschen werden hinzufügen: „Die Welt ist schon gerettet.“

5. Die Gelassenheit, von der ich oben gesprochen habe, lässt sich ganz schön in einem Bild zusammenfassen, das in christlichen Kreisen gerne benutzt wird: „Ich kann nicht tiefer fallen als in Gottes Hand.“ Ich bin sicher, dass dieses Wissen für Glaubende das entscheidende Argument gegen die Angst ist. Natürlich kann ich materiell und emotional viel verlieren, aber ich werde daran nicht zugrunde gehen, wenn mein Innerstes fest verankert ist. Wenn es ermutigende und tragfähige Zusagen des Himmels gibt, denen ich vertraue. Wenn ich weiß, dass ich niemals ins Bodenlose stürze.

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Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
23 декабря 2023
Объем:
148 стр. 15 иллюстраций
ISBN:
9783865065469
Издатель:
Правообладатель:
Автор
Формат скачивания:
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