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KAPITEL 3
Die Heilige Schrift als Text: Gottes Offenbarung kennenlernen

Unser Leben, also alles, was wir erfahren – was wir brauchen, wollen und fühlen – ist wichtig für die Entfaltung des Lebens Christi in uns. Schließlich ist es unser Leben, das geformt werden soll. Doch es setzt seine Entwicklung nicht selbst in Gang. Neben vielen anderen Dingen bedeutet geistlich leben auch, uns selbst ernst zu nehmen. Es bedeutet, sich gegen den gesellschaftlichen Trend zu stellen, der uns unablässig auf unseren Status als Erzeuger und Leistende reduziert, so dass wir hinter den Siegeln unserer Abschlüsse und Gehälter nicht mehr als Mensch wahrgenommen werden. Wir sind doch so viel mehr als die Summe unserer Nützlichkeit und unseres guten Rufes, aller Orte, die wir besucht haben und der Menschen, die wir kennen. Es gibt ein einzigartiges, nicht kopierbares ewiges Ich, geschaffen im Ebenbild Gottes. Ein energisches Beharren auf der persönlichen Würde ist die Grundlage für geistliches Leben.

In gewisser Weise können wir uns gar nicht zu ernst nehmen. Wir sind „wunderbar und einzigartig gemacht“ (Ps. 139,14). Doch schnell können wir ein zu enges Maß an uns anlegen, denn wir sind viel mehr als unsere Gene und Hormone, unsere Gefühle und Ziele, unsere Arbeit und unsere Ideale. Da ist Gott. Das meiste, wenn nicht sogar alles, was uns ausmacht, hat mit Gott zu tun. Sobald wir versuchen, uns aus uns selbst heraus zu verstehen und zu entwickeln, lassen wir einen Großteil unseres Wesens außer Acht.

Deshalb besteht die Gemeinschaft der Christen seit jeher darauf, dass die Heilige Schrift, die offenbart, wie Gott sich uns nähert, notwendig und grundlegend für unsere Formung als Menschen ist. Während wir dieses Buch lesen, wird uns deutlich: Was wir brauchen ist nicht so sehr Information über Gott und uns selbst, sondern die Formung unseres Charakters hin zu unserem wahren Wesen.

Die tiefste Eigenschaft der Sprache ist es zu formen, weniger zu informieren. Wenn Sprache persönlich wird, und in ihrer Bestform ist sie das, dann offenbart sie; und Offenbarung ist immer auch Weiterentwicklung, Gestaltung – wir wissen nicht mehr, wir werden mehr. Die wahren Sprachkünstler, Dichter und Liebende, Kinder und Heilige, benutzen Worte, um etwas zu schaffen – Nähe, Charakter, Schönheit, Güte, Wahrheit.

Der offenbarende und offenbarte Gott

Beginnen wir am Anfang. Wir nennen dieses Buch „Offenbarung“. Gott offenbart sich und sein Verhalten uns gegenüber. Er erzählt uns nicht etwas, er zeigt sich selbst. Bücher haben Autoren. Wie auch immer wir uns die Inspiration vorstellen, die christliche Kirche geht davon aus, dass Gott auf die eine oder andere Weise für dieses Buch zuständig ist und zwar offenbarend, nicht nur informativ. Die Autorität der Bibel ergibt sich direkt aus der Autorschaft Gottes. Anders ausgedrückt handelt es sich hier nicht um eine unpersönliche Autorität, eine Ansammlung von Fakten oder Wahrheiten. Es ist keine papierene Autorität, wie wir sie in Gesetzestexten in unseren Rechtsbibliotheken finden oder die faktische Autorität eines Mathematikbuches. Dies ist eine Offenbarung, von einer Person offenbart – wir erhalten Einblick, wir erfahren von Angesicht zu Angesicht, was es heißt, unser Leben als Mann oder Frau zu leben, die wir im Ebenbild Gottes geschaffen sind.

Die frühen Christen bekamen eine gebrauchsfertige Bibel, das, was wir heute das Alte Testament nennen, die Thora und die Propheten und weitere Schriften, die für die Hebräer maßgebend waren. Für die erste Generation waren diese hebräischen Schriftrollen die christliche Bibel. Doch dann zirkulierten die Schriften von Paulus und anderen Leitern der frühen christlichen Kirche. Außerdem wurden die Geschichten über Jesus niedergeschrieben, die Inhalt für die gute Nachricht, das Evangelium lieferten, das mit viel Freude und Nachdruck gepredigt und gelehrt wurde. Man erkannte, dass diese Schriften eine Fortsetzung der Heiligen Schrift waren, die jene Christen ja in Ehren hielten, an die sie glaubten, aus der sie predigten und lehrten. Nach und nach wurde ihnen klar, dass beides zusammenpasste, dass es eine gemeinsame Autorschaft gab zwischen den hebräischen Schriften, die schon so lange Teil ihrer Tradition waren, und diesem neuen Evangelium sowie den Briefen der Gott lobenden und bezeugenden Christen. Es dauerte eine Weile, bis diese Erkenntnis sich etabliert hatte. Es passierte nicht von heute auf morgen. Schließlich musste man sich erst an die Vorstellung gewöhnen, dass ein dünnes Buch, geschrieben von Markus, zusammengefasst wurde mit dem gewaltigen, fünf Bände umfassenden Wort Gottes, das Mose zugeschrieben wurde. Es war ziemlich viel verlangt, die Briefe von Paulus an neu gegründete und unerfahrene Gruppen neu bekehrter Christen in eine Reihe mit den seit Jahrhunderten bewährten Psalmen und dem Ehrfurcht gebietenden Jesaja zu stellen. Auch wenn Paulus‘ Briefe brillant geschrieben waren, schien es nicht sehr wahrscheinlich, dass dies eintreten würde. Und doch passierte es. Die heilige Gemeinschaft fasste diese beiden Teile schließlich zusammen. Es entstanden die zwei „Testamente“, aus denen ein Buch wurde, unsere Heilige Schrift. Innerhalb von ungefähr einhundert Jahren besaßen die frühen Christen im Grunde die gleiche Heilige Schrift, wie wir sie heute haben.

Nicht alle waren damit einverstanden, was da gemacht wurde: Das Ergebnis blieb nicht unangefochten. Es gab Gruppen, die mit den alten hebräischen Schriftrollen nichts zu tun haben wollten. Sie wandten ein, dass der Gott, der sich in diesen alten Büchern zeigte, nicht im Entferntesten etwas mit dem Gott zu tun hatte, den Jesus offenbart hatte und von dem er gepredigt hatte. Dann gab es Splittergruppen (unterschiedlich gnostisch geprägt), die sich ins andere Extrem verstiegen – sie wollten alles einschließen, was innerhalb der großen Gruppe erbaulicher Texte gut schien, was offenbar exklusive Einsichten vermittelte. „Exklusive“ und „erbauliche“ geistliche Impulse waren damals so beliebt wie heute. Doch Schritt für Schritt entlarvte die Gemeinschaft der Christen alles Törichte und Sensationelle und wagte es, ihren Konsens als Gottes Wort zu bezeichnen.

Die Dreieinigkeit: Es bleibt persönlich

Um ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie man diesen Text liest, ist es ist für uns heute ausgesprochen wichtig zu erkennen, wie diese beiden Texte zusammengesetzt wurden. Man fing mit den Schriften an, die für Gottes Volk Israel die normative Basis darstellten. Bald erhielt man diese neuen Evangelien und Briefe, die innerhalb der neu entstehenden christlichen Gemeinschaften geschrieben wurden. Man musste die Kontinuität erklären, die man in diesen sehr unterschiedlichen Büchern festgestellt hatte.

Während man sich darüber austauschte, wurde deutlich, dass innerhalb der Unterschiede und Vielfältigkeit eine einzige Stimme zu hören war, und dass diese Stimme zu einer Person gehörte: die Stimme Gottes, der sich selbst offenbart. Diese personale, offenbarende Eigenschaft wurde in dem zusammengefasst, was wir heute die Dreieinigkeit nennen. Dreieinigkeit ist ein gedankliches Konzept, das es uns ermöglicht, die Einheit hinter der Verschiedenheit der Offenbarung zu erkennen. Hier ist nicht der Raum, um ausführlich auf die Dreieinigkeit einzugehen. Was ich sagen will ist, dass unsere Vorfahren dieses Konzept „Dreieinigkeit“ entwarfen, während sie die gleiche Bibel lasen, die wir heute lesen und sie damit inmitten all der Stimmen eine einzige, persönliche Stimme hörbar machten.

Im vierten und fünften Jahrhundert konzentrierten sich die besten Denker der Kirche schließlich darauf, diese Bibel zu lesen und dadurch zu verstehen, auf welche Weise Gott seine Souveränität persönlich und einzigartig unter uns ausübt. Ihre Formulierung der Dreieinigkeit ist ein geniales Werk, das groß und detailliert genug ist, um alles einzuschließen, was Gott ist, was er getan hat, tut und tun wird. Gleichzeitig zeigt es, dass wir alle, egal wer wir sind, was wir tun oder wo wir herkommen, eingeschlossen sind. Sie arbeiteten mit viel Einsatz und lange daran. Es gab Konzile, Bücher wurden geschrieben, man diskutierte, predigte, man beeinflusste und ja, man stritt auch. Es war wichtig, hier keinen Fehler zu machen und das wussten sie. Sie wussten, dass sie diese Arbeit nicht gelehrten Theologen in ihren Bibliotheken überlassen durften – hier ging es um Dinge, die den Alltag der Menschen betrafen. Es ging darum, richtig zu leben, nicht nur richtig zu denken, und darum in dieser Bibel alles persönlich und lebbar zu erhalten.

Ihr Ergebnis lässt sich wie folgt zusammenfassen: Beim Lesen der Bibel stellen wir fest, dass Gott eine dauerhafte und schlüssige Identität besitzt: Gott ist eins. Gott offenbart sich auf verschiedene Art und Weise und auf den ersten Blick scheint das nicht zusammenzupassen. Es sind drei Arten ersichtlich, auf die Gott am Werk ist und sich offenbart: der Vater (die gesamte Schöpfung steht hier im Vordergrund), der Sohn (hier geht es um das Chaos der Welt, in das Jesus Christus einbricht und um sein Erlösungswerk) und der Geist (wir erleben, wie unser Leben in Gottes Leben hineingezogen wird). Es ist immer der gleiche Gott, doch die „Person“ oder das „Gesicht“ oder die „Stimme“ ändern sich, je nachdem, auf welchem Weg wir die Offenbarung erhalten.14

Erstaunlich ist aber: Jeder Aspekt der Offenbarung, jede ihrer Ausprägungen ist personal – der Kern des Wesens Gottes ist Beziehung – und deshalb ist alles, was gesagt wird, alles, was offenbart wird, alles, was empfangen wird auch personal und steht in Beziehung. Es gibt nichts unpersönliches, nichts, was einfach nur funktional wäre. Alles, vom Anfang bis zum Ende und alles dazwischen, ist personal. Gott ist von Natur aus und umfassend personal.

Die logische Konsequenz ist, dass ich als Person auch persönlich an der Offenbarung beteiligt bin. Jedes Wort, das ich höre, alles, was ich mir im Verlauf dieser Geschichte vorstelle, nimmt mich in eine Beziehung hinein, zieht mich mit in die Teilnahme, hat Bedeutung für meine innerste Identität, hat Auswirkungen darauf, wer ich bin und was ich tue.

Was ich damit betonen will ist, dass das trinitarische Denken sich über einen Zeitraum von zwei- oder dreihundert Jahren entwickelte, während der unsere Mütter und Väter diese beiden Testamente geduldig, betend, überlegt lasen und dabei nach und nach erkannten, dass die Unterschiede gar nicht so groß sind. Während sie die Sätze von Jesaja und Paulus, Moses und Markus, David und Johannes lasen und hörten, bemerkten sie, dass sie genau jene Stimme hörten, die sie das Wort Gottes nannten. Und während sie hörten und zuhörten, hörten sie auch, dass sie selbst angesprochen wurden – angesprochen als Personen mit Würde, Sinn und Freiheit, Personen, die fähig sind zu glauben, zu lieben und zu gehorchen.

Das Verständnis, dass die Bibel einen Autor hat, definiert es als personal – in den Personen Vater, Sohn und Heiliger Geist. Weil es personal ist, ist es auch beziehungsrelevant, was bedeutete, dass für jedes Lesen/Hören der Heiligen Schrift auch personales, in Beziehung stehendes, teilhabendes Lesen/Hören nötig ist. Zugleich kam man zu der Erkenntnis, dass diese Heilige Schrift, in der Gott alles offenbarte, was Gott ist, auch alles einschloss, was uns ausmacht: Auf beiden Seiten, bei Autor und Leser, geht es um die ganze Person und um persönliche Teilnahme.

Möglicherweise ist dies der wichtigste Aspekt, den es zu erfassen gilt, wenn wir die Heilige Schrift lesen, studieren, ihr glauben: diesen mächtigen, lebendigen, sich selbst offenbarenden Gott, wie wir ihn in Vater, Sohn und Heiligem Geist erleben, der uns persönlich anspricht, egal in welcher Situation wir uns befinden, wie alt wir sind, wie es uns geht – ich, du, wir. Christliches Lesen ist teilnehmendes Lesen. Wir nehmen die Worte auf, sodass sie in unser Leben eingehen, dass Rhythmus und Bilder Teil unseres Gebets werden, zu Taten des Gehorsams, zu einem Lebensstil der Liebe.

Wir dürfen nicht für einen Moment annehmen, dass die Dreieinigkeit etwas ist, dass sich Theologen ausgedacht haben, um eine Erklärung für abgehobene Mysterien zu finden, die nichts mit dem täglichen Leben von Menschen wie uns zu tun haben, die Kinder großziehen und ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Nein, es ist das Ergebnis der Arbeit von Christen wie uns (vielleicht waren ein paar von ihnen etwas schlauer als wir!), die lernten und sich gegenseitig lehrten, wie man die Bibel so umfassend und aufmerksam und personal und erwidernd liest, wie es ihnen möglich war. Sie wollten so lesen, dass ihr Leben mit dem Text übereinstimmte. Sie waren davon überzeugt, dass dieser Text die beste Quelle für ein gutes Leben heute und in Ewigkeit ist. Sie wollten alles und sie wollten keinen Fehler machen.

Dem Text die Persönlichkeit nehmen

Allerdings liest nicht jeder die Bibel auf diese Weise und viele wollen es auch gar nicht. Viele finden Sie aus anderen Gründen interessant oder haben andere Verwendung für sie. Die Bibel hat sich über die Jahrhunderte als Autorität etabliert und man betrachtet sie auf vielerlei Weise als nützlich oder interessant oder hilfreich und sieht sie nicht notwendigerweise als Text, der uns in die Offenbarung Gottes hineinnimmt.

Es gibt beispielsweise schon immer eine große Zahl von Menschen, die von den intellektuellen Herausforderungen der Bibel fasziniert ist. Wer über einen neugierigen Geist verfügt und die Herausforderung sucht, der kann fast nichts Besseres tun, als Bibelgelehrter zu werden. Gehen Sie in eine theologische Bibliothek und wandern Sie durch die Gänge mit säuberlich katalogisierten Büchern, die über die Bibel und ihre verschiedenen Teile geschrieben wurden, und Sie werden erstaunt sein. Nehmen Sie irgendeines der Bücher heraus und sie werden mit großer Sicherheit das Ergebnis eines großartigen Geistes in Händen halten, der diese Sätze auf der Suche nach Wahrheit durchstöbert hat und mit höchst beeindruckenden und interessanten Ergebnissen aufwarten kann. Sprache, Geschichte, Kultur, Ideen, Geografie, Dichtung – suchen Sie sich ein Gebiet aus, die Bibel liefert es Ihnen. Ein Mensch kann sein ganzes Leben mit der Bibel verbringen – sie lesen, studieren, lehren und darüber schreiben – und nie zum Ende kommen.

Dann gibt es wiederum andere, die mit eher praktischen Absichten zur Bibel kommen. Sie wollen ein gutes Leben führen und wünschen sich das auch für ihre Kinder und Nachbarn. Sie wissen, dass die Bibel vernünftige Ratschläge bereithält und eine zuverlässige Richtung vorgibt, um in der Welt voranzukommen, was im Allgemeinen ja bedeutet, gesund, reich und weise zu werden. Die Bibel steht in dem Ruf, einen guten Kurs für persönliches und soziales Verhalten vorzugeben, und genau davon wollen diese Menschen profitieren. Generell ist man der Ansicht: Menschen sind ein störrischer Haufen, der dazu tendiert, sich in Schwierigkeiten zu bringen. Diese Bibel bewahrt uns vor Fallstricken und leitet uns auf einem geraden, schmalen Weg.

Und dann gibt es natürlich noch die große Zahl von Menschen, die die Bibel zu ihrer sogenannten Inspiration lesen. Es gibt so viele schöne und tröstliche Passagen in der Bibel. Wenn wir einsam sind oder trauern oder auf der Suche nach Worten sind, die uns dem alltäglichen Stumpfsinn entreißen, was gibt es Besseres als die Bibel? Die bewegenden Geschichten von Elia, der großartige Rhythmus der Psalmen, der kunstvolle Donner in Jesajas Predigten, die charmanten Parabeln von Jesus, die geladene Energie in der Lehre von Paulus. Wenn es dir um andächtige, behagliche Bibellektüre geht, dann musst du dir nur den passenden Abschnitt heraussuchen – es gibt in der Bibel große Passagen, die dich entweder einschläfern oder die ganze Nacht wachhalten. Allerdings gibt es in den meisten christlichen Buchläden kleine Spickzettel, die dir genau vorgeben, welche Abschnitte der Bibel du lesen musst, wenn du Trost suchst oder Beistand – oder was auch immer du im Augenblick gerade brauchst.

Ich will über keine dieser Gruppen von Bibellesern ein zu hartes Urteil fällen, insbesondere weil ich selbst viel Zeit in jeder dieser Gruppen zugebracht habe, aber ich will auf die augenfällige Tatsache hinweisen, dass, egal in welcher Gruppe du dich befindest, du die Bibel für deine eigenen Zwecke verwendest und dazu musst du unter Umständen keine Beziehung eingehen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass man offen und ehrlich an die Bibel herangeht, sich auf ihre intellektuellen Herausforderungen oder ihre moralische Führung einlässt oder die geistliche Ermutigung, die man erhält, und sich nicht einen Moment mit dem sich selbst offenbarenden Gott auseinandersetzt, der einen Plan für mich hat.

Oder um es in den Worten zu sagen, mit denen wir begonnen haben: Man kann die Bibel aus vielen verschiedenen Blickwinkeln lesen und aus mancherlei Gründen, ohne sich mit Gott, wie er sich selbst offenbart hat, auseinanderzusetzen, ohne sich unter die Autorität des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes zu stellen, der in allem, was wir sind und tun, lebendig und gegenwärtig ist.

Um es deutlich auszudrücken: Nicht jeder, der sich für die Bibel interessiert oder sich sogar dafür begeistert, will auch wirklich etwas mit Gott zu tun haben.

Doch es ist Gott, um den es in diesem Buch geht. In seinem letzten Buch schrieb C. S. Lewis von zwei Arten des Lesens: das Lesen, bei dem wir das Buch für unsere eigenen Zwecke verwenden und das Lesen, bei dem wir die Absicht des Schriftstellers aufnehmen. Das erste führt nur zu schlechtem Lesen. Das zweite hat das Potenzial zu gutem Lesen:

Wenn wir es „aufnehmen“, bemühen wir unsere Sinne und unsere Vorstellungskraft und verschiedene andere Kräfte entsprechend einem vom Künstler erdachten Muster. Wenn wir es „gebrauchen“, behandeln wir es als Hilfe für unsere eigenen Betätigungen. … „Gebrauchen“ ist dem „Aufnehmen“ unterlegen, weil die Kunst, wenn sie gebraucht, statt aufgenommen wird, unser Leben nur erleichtert, aufhellt, entspannt oder beschönigt, aber nicht bereichert.“15

Aus diesem Grund ist es bei der Annäherung an dieses Buch, die Bibel, so wichtig, dass wir erkennen, was die Kirche als Dreieinigkeit formuliert hat. Wir lesen, um Anteil zu haben an der Offenbarung Gottes, der so nachdrücklich personal ist. Wir lesen die Bibel so, wie sie auf uns zukommt, und nicht, wie wir auf sie zukommen. Wir unterwerfen uns den unterschiedlichen und sich ergänzenden Handlungen Gottes des Vaters, Gottes des Sohnes und Gottes des Heiligen Geistes. Wir empfangen diese Worte, um jetzt und für alle Ewigkeit zur Ehre Gottes gestaltet zu werden.

Die Ersatz-Dreieinigkeit

Es gibt heutzutage eine neue Tendenz, die Bibel ohne Bezug zur Dreieinigkeit zu lesen. Dieser Trend hat sich zu einer Epidemie ausgebreitet und sollte sorgfältig beobachtet werden. Die beste Beschreibung dafür ist, meiner Meinung nach, Ersatz-Dreieinigkeit. Ganz im Gegensatz zum beziehungslosen Lesen des Textes, das wir gerade kennengelernt haben (intellektuell, praktisch, erbaulich), ist diese Art des Lesens höchst personal und auch sehr trinitarisch, steht aber trotzdem im völligen Widerspruch zu dem, was man erreicht, wenn man unter der Führung der Heiligen Dreieinigkeit liest.

Nähert man sich der Heiligen Schrift mit trinitarischen Gedanken und Gebeten, dann entwickeln wir eine Haltung und innere Einstellung, mit der wir uns der vollkommenen Formung durch Gott unterstellen, genau so, wie Gott sich vollkommen und personal in der Heiligen Schrift als Vater, Sohn und Heiliger Geist offenbart. Die Alternative ist, dass wir unsere Formung selbst in die Hand nehmen. Der beliebteste Weg zu dieser Selbstgestaltung ist es heutzutage, das Ich in einer Art Dreieinigkeit zu sehen. Diese Art des Selbstverständnisses hat nichts mit dem intellektuellen Interesse an Ideen oder der Suche nach einem moralisch guten Leben oder dem Streben der Seele nach individuellem Trost zu tun. Vielmehr steht das göttliche Ich im Mittelpunkt, das über das eigene Ich waltet. Und dieses göttliche Ich wird als Heilige Dreieinigkeit verstanden.

Es funktioniert folgendermaßen. Zunächst ist es wichtig zu erkennen, dass bei der Gestaltung dieser neuen Dreieinigkeit, die das eigene Ich als den unangefochtenen Lebenstext definiert, die Bibel weder ignoriert noch ausgeschlossen wird; vielmehr nimmt sie einen Ehrenplatz ein. Allerdings wird die dreieinige Person Vater, Sohn und Heiliger Geist durch eine sehr individualisierte personale Dreieinigkeit, bestehend aus meinen Heiligen Wünschen, meinen Heiligen Bedürfnissen und meinen Heiligen Gefühlen, ersetzt.

Wir leben in einer Zeit, in der wir von der Wiege an lernen, uns für das zu entscheiden, was für uns das Beste ist. Wir durchlaufen ein paar Ausbildungsjahre, doch dann schickt man uns alleine los. Das Training beginnt schon sehr früh. Sobald wir einen Löffel halten können, dürfen wir uns zwischen einem halben Dutzend verschiedener Frühstücksflocken, von Cheerios bis Cornflakes, entscheiden. Unser Stil, unsere Neigungen, unser Geschmack werden laufend abgefragt. Schon früh entscheiden wir, was wir anziehen und wie wir uns die Haare schneiden lassen. Die Auswahl wird immer größer: welchen Fernsehsender schalten wir ein, welche Fächer wählen wir in der Schule, auf welche Universität gehen wir, welche Kurse besuchen wir, welches Auto in welcher Farbe kaufen wir, welcher Gemeinde schließen wir uns an. Wir lernen früh und werden im Laufe der Jahre immer wieder darin bestärkt, dass wir ein Mitspracherecht bei der Gestaltung unseres Lebens haben, innerhalb bestimmter Grenzen sogar das alleinige Sagen. Sofern die Gesellschaft dies ordentlich erledigt – und scheinbar ist sie bei den meisten von uns äußerst effektiv – dann werden wir zu Erwachsenen, die davon ausgehen, dass unsere Bedürfnisse, Wünsche und Gefühle das göttliche Kontrollzentrum unseres Lebens darstellen.

Die neue Heilige Dreieinigkeit. Das unabhängige Ich drückt sich aus durch Heilige Bedürfnisse, Heilige Wünsche und Heilige Gefühle. Zeit und Verstand, die unsere Vorfahren darauf verwandten, die Souveränität zu verstehen, die sich in Vater, Sohn und Heiligem Geist offenbart, werden von unseren Zeitgenossen dazu eingesetzt, die Souveränität unserer Bedürfnisse, Wünsche und Gefühle zu bestätigen und für gültig zu erklären.

Meine Bedürfnisse sind nicht verhandelbar. Meine so genannten, selbst definierten Rechte, sind die Basis meiner Identität. Mein Bedürfnis nach Erfüllung, nach Meinungsäußerung, nach Bestätigung, nach sexueller Befriedigung, nach Respekt, mein Bedürfnis zu tun, was ich mag – all das ist Grundlage für die zentrale Position des Ich und schützt mich vor der Bedeutungslosigkeit.

Meine Wünsche sind Ausdruck meines wachsenden herrscherlichen Empfindens. Ich lerne groß zu denken, weil ich groß bin, wichtig, entscheidend. Ich bin größer als das Leben selbst und deshalb benötige ich immer mehr Güter und Dienstleistungen, mehr Dinge und mehr Macht. Konsum und Eigentum sind die neuen Früchte des Geistes.

Meine Gefühle drücken aus, wer ich wirklich bin. Jede Sache oder Person, die mir ein Hochgefühl verschafft, Aufregung, Freude, Impulse, spirituelle Verbindungen, bestätigt meine Unabhängigkeit. Natürlich muss dafür ein Heer an Therapeuten, Reisebüros, technischen Geräten und Maschinen, Freizeitaktivitäten und Unterhaltungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Nur so können die Teufel der Langeweile, der Ungewissheit und der Unzufriedenheit vertrieben werden – allesamt Gefühle, die meine Selbstbestimmtheit untergraben oder infrage stellen.

Während der letzten zweihundert Jahre entstand eine riesige Literaturgattung, gelehrt und populärwissenschaftlich, die sich damit beschäftigt, die Heilige Dreieinigkeit der Bedürfnisse, Wünsche und Gefühle, die das unabhängige Ich ausmachen, zu verstehen. Eine ungeheure Menge an Wissen wurde hier angehäuft. Unsere neue Kaste geistlicher Meister setzt sich zusammen aus Wissenschaftlern und Wirtschaftsspezialisten, Ärzten und Psychologen, Erziehern und Politikern, Schriftstellern und Künstlern. Sie sind genauso intelligent und leidenschaftlich wie unsere frühen Kirchentheologen und genauso religiös und ernsthaft bei der Sache, denn sie wissen, dass das Ergebnis ihrer Überlegungen enorme Auswirkungen darauf hat, wie Alltag gelebt wird. Die Studien, die sie durchführen und die Anleitungen, die sie für den Dienst an unserem Selbst-Gott geben, die Gottheit, die sich aus unseren Heiligen Bedürfnissen, Heiligen Wünschen und Heiligen Gefühlen zusammensetzt, werden mit guten Absichten durchgeführt und sind sehr überzeugend. Es ist schwer, sich nicht vom Zeugnis all dieser Experten überzeugen zu lassen. Unter ihrer Anleitung werde ich mir ziemlich sicher, dass ich der bestimmende Text für mein Leben bin.

Man könnte meinen, dass die Predigt von dieser neuen Dreieinigkeits-Religion keine große Gefahr für Menschen darstellt, die im Namen der Dreieinigkeit getauft sind, die regelmäßig und andächtig das Apostolische und Nizänische Glaubensbekenntnis sprechen, die Gebete mit der Anrufung „Unser Vater…“ einleiten, die täglich aus dem Bett steigen, um Jesus als ihrem Herrn und Retter nachzufolgen und immer wieder singen „Jesus, meine Zuversicht …“

Allerdings ist diese konkurrierende Souveränität in derart geistliche Sprache verpackt und wir sind so leicht von unserer eigenen geistlichen Souveränität zu überzeugen, dass sie tatsächlich unsere Aufmerksamkeit erregt. Die neuen geistlichen Meister versichern uns, dass all unsere geistlichen Bedürfnisse in dieser neuen Dreieinigkeit verwirklicht sind: unsere Suche nach Sinn und Transzendenz, unser Wunsch nach einem größeren Leben, unsere Ahnung von geistlicher Bedeutsamkeit – und, nicht zu vergessen – es gibt jede Menge Platz für Gott, ob viel oder wenig entscheidest du selbst. Die neue Dreieinigkeit schafft Gott oder die Bibel nicht ab. Sie stellt sie vielmehr in den Dienst unserer Bedürfnisse, Wünsche und Gefühle. Das ist uns ganz recht, denn wir sind unser ganzes Leben darauf abgerichtet worden, alles und jeden genau so zu behandeln. So ist das nun mal. Das ist das Vorrecht der Unabhängigkeit.

Heute zeichnet sich erschreckend deutlich ab, dass der Kern der christlichen Gemeinschaft, nämlich die Souveränität Gottes, der sich in drei Personen offenbart, von nahezu allem angefochten und untergraben wird, was wir in der Schule lernen, was uns in den Medien präsentiert wird, was an sozialen, beruflichen und politischen Erwartungen an uns herangetragen wird, weil die Experten uns versichern, dass das Ich souverän ist. Diese Stimmen scheinen genau auf unserer Wellenlänge zu liegen. Wenn sie uns zeigen, wie wir unserem souveränen Ich zum Leben verhelfen, dann sind sie so bestimmend und maßgeschneidert, dass wir kaum bemerken, wie wir unsere Heilige Bibel eintauschen gegen diesen neuen Text, das Heilige Ich. Gehen wir denn nicht nach wie vor zum Bibelkreis und lesen wir nicht täglich die geforderten Verse und Kapitel? Während wir unaufhörlich dazu ermutigt werden, auf unsere Bedürfnisse, Träume und Vorlieben zu hören, merken wir kaum, wie wir uns von dem Glauben entfernen, den wir so lange bekannten.

Es ist eine große und heimtückische Gefahr, wenn wir das Ich als den bestimmenden Lebenstext einführen und gleichzeitig der Heiligen Schrift die Ehre erweisen, indem wir ihr einen besonderen Platz im Regal zuweisen. Niemand von uns ist gegen diese Gefahr immun.

Aus diesem Grund ist es so wichtig, den Befehl des starken Engels an Johannes wiederzubeleben. Wenn wir unserer Identität treu bleiben wollen, wenn wir einen Lebenstext wollen, der uns in die Nähe von Gottes Volk führt, der uns vertraut hält mit seinem wahren Wesen und seinem Handeln, dann müssen wir dieses Buch einfach essen.


Es ist grausam, aber wahr, dass wir trotz all unserer Kultiviertheit, all unseres Wissens und unserer Selbsterkenntnis nicht schlau genug sind, die Herrschaft über unser Leben zu erlangen. Der bemitleidenswerte Zustand vieler Menschen, die ihren eigenen Erfahrungshorizont als Lebenstext heranziehen, ist ein verheerender Beweis gegen die anmaßende Hervorhebung des souveränen Ich. Wir brauchen einen Text, der uns offenbart, was wir auch dann nicht wissen können, wenn wir das gesammelte Wissen sämtlicher Jahrhunderte zusammenfassen. Das Buch, die Bibel, offenbart uns den sich selbst offenbarenden Gott und damit gibt sie uns Einblick in den Zustand der Welt, den Zustand unseres Lebens und unseren eigenen Zustand. Wir müssen uns dort auskennen, wo wir leben. Wir müssen die Zusammenhänge kennenlernen, in diesem Land der Dreieinigkeit, in der von Gott geschaffenen Welt, in seiner Rettung und seinem Segen.

Gott ist nicht so, wie wir gemeinhin vermuten. Das meiste, was uns von Gott und seinem Handeln erzählt wird, sei es von unseren Freunden auf der Straße, oder was wir in der Zeitung über ihn lesen oder im Fernsehen sehen oder uns selbst ausdenken, ist schlicht und ergreifend falsch. Vielleicht ist es nicht vollkommen falsch, doch falsch genug, um unser Leben durcheinanderzubringen. Und dieses Buch ist, um es ganz genau zu sagen, Offenbarung; eine Offenbarung dessen, was wir selbst nie herausgefunden hätten.

Ist dieser Text nicht fest im entscheidenden Zentrum unseres gemeinschaftlichen und persönlichen Lebens angesiedelt, gehen wir unter. Wir versinken in einem Sumpf voller wohlmeinender, doch halbherziger Menschen, die gnadenlos in ihre Bedürfnisse, Wünsche und Gefühle verstrickt sind.

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