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Читать книгу: «Der Sinn und Wert des Lebens», страница 5

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Dieses Ja und Nein, dieses Stirb und Werde, was alle Verzweigung der Lebensgebiete durchdringt, faßt sich insofern auch in ein Ganzes zusammen, als das Kulturleben der Menschheit für jede eindringende Betrachtung nicht ein fortlaufendes Gewebe bildet, sondern sich in den Gegensatz einer durch die Zwecke des Menschen beherrschten Menschenkultur und einer ihr überlegenen, ja entgegengesetzten Geisteskultur zerlegt. Die Menschenkultur war und ist unablässig bemüht, die Geisteskultur zu sich herabzuziehen und in ihre Dienste zu stellen, die Vorkämpfer dieser haben mit jener stets einen harten Kampf zu bestehen gehabt, sie sind in ihm oft zu Märtyrern geworden und mußten durchgängig ein einsames Leben führen, aber nicht nur haben sie die Kraft dazu und eine Freudigkeit darin gefunden, sondern sie sind es, welche mit ihrer Belebung der Tiefen allein dem Menschenleben eine Seele erhalten und ihm einen Sinn und Wert verleihen. Streichen wir sie und was sie vertreten, und das Menschenleben wird ein verworrenes Chaos, ein vergebliches Mühen, die Naturstufe wesentlich zu überschreiten. Auch in das Dasein des Einzelnen erstreckt sich der Gegensatz. Der naturhaften Individualität tritt gegenüber die Persönlichkeit mit ihrer Selbsttätigkeit; sie kann sich nicht ausbilden und dem Menschen ein neues Leben erringen, ohne an jener eine scharfe Kritik zu üben, zu sondern und auszuscheiden, sie findet dabei mannigfachen Widerstand, den sie ohne Schmerz und Entsagung nicht überwinden kann. Aber allem solchen Nein hält ein Ja vollauf die Wage, und unter vielfacher Aufopferung kann sich das Leben doch zu einem Gewinn gestalten.

Wie haben wir dies alles zu verstehen? Wie kann im Menschen etwas Wurzel schlagen und die bewegende Kraft seines Lebens werden, was seiner besonderen Art so schroff widerspricht? Augenscheinlich kommt an ihn etwas wesentlich Überlegenes und hält ihm neue Ziele vor. Aber dies Überlegene mit seinen Zielen wird zugleich zum eigenen Leben des Menschen, es kann ihm etwas, das sein bisheriges Leben entwertet, zu wahrem Leben werden. Wie anders klärt sich das auf, und wie anders kann das neue Leben Kraft gewinnen als dadurch, daß das Gesamtleben mit seiner Tatwelt unmittelbar in den Menschen als eine ursprüngliche Lebensquelle gesetzt ist, daß schaffendes Leben ihm unmittelbar als sein eignes eingepflanzt wird. Eine Welt im Menschen aufbauen und von ihr der ganzen Umwelt den Kampf ansagen läßt sich nur, wenn in ihm selbst ein Weltleben von Haus aus angelegt ist; das kann aber nur durch eine Eröffnung, eine Schöpfung des Gesamt- und Urlebens in ihm geschehen. Daß er ein selbständiger Mittelpunkt, ein geistiges Selbst, man könnte sagen, eine geistige Energie ist oder doch werden kann, das besagt offenbar ein Gesetztsein, eine Tat, die nur aus dem Gesamtleben stammen kann und daher stets an diesem hängt. Das stimmt zu einer Erfahrung der Gesamtgeschichte geistigen Lebens. Denn diese zeigt, daß durchgängig den schaffenden Höhen der Menschheit das Gesetztsein durch eine überlegene Macht und ein Getragenwerden durch sie mit voller Klarheit gegenwärtig war. So fühlte sich das künstlerische Schaffen großen Stiles nicht als ein bloßes Erzeugnis individuellen Vermögens, sondern als Eingebung einer höheren Macht, als eine zu Ehrfurcht und Dank verpflichtende Gnade. Auch große Denker mußten unter einer inneren Notwendigkeit stehen, wenn sie die Forderung einer neuen Denkart – und sie forderten alle eine neue Denkart, nicht bloß einzelne Veränderungen – zuversichtlich allem entgegenstellen konnten, was von altersher und allen anderen als sichere Wahrheit galt. Auch die Helden der Tat pflegten sich als Werkzeuge einer höheren, wenn auch geheimnisvollen Macht zu fühlen; sonst hätten sie schwerlich den moralischen Mut zu ihrem Handeln gefunden, das so viel Verantwortlichkeit in sich trug. Daß aber das Überlegene sie mit solcher Gewalt ergreifen und der Kern wie die treibende Kraft ihres eigenen Lebens werden konnte, das hellt sich erst auf mit der Anerkennung dessen, daß in ihnen selbst das Ganze des höheren Lebens als eine ursprüngliche Quelle gesetzt war. So nur konnte ihnen jenes Höchste das Allernächste und Innerlichste werden, so nur wurde das Gegründetsein in einer höheren Ordnung mit vollster Freiheit des Handelns vereinbar, ja eine Grundbedingung dieser, so nur konnte Meister Eckhart sagen: »Gott ist mir näher als ich mir selber bin«, und Luther bekennen, daß »nichts Gegenwärtigeres und Innerlicheres sein kann in allen Kreaturen denn Gott selbst und seine Gewalt«.

Es erscheint aber das Leben des Menschen mit solcher Anerkennung einer selbständigen Eröffnung des Gesamtlebens in ihm als ein ungeheurer Widerspruch. Der Mensch ist seiner Lebensform nach begrenzt, er kann diese Begrenzung unmöglich überspringen. Aber in dieser begrenzten Form soll ein unendlicher Gehalt zur Entfaltung kommen. Das muß einmal das Leben in eine unermüdliche Bewegung versetzen, es läßt es nicht ruhen und rasten, es treibt über jedes erreichte Ziel immer weiter zu neuen Zielen. Zugleich aber ruft es ein Streben hervor, durch Ausbildung einer Gemeinschaft und auch durch ein Zusammenwirken der Zeiten jene naturgegebene Enge zu überwinden. Das nämlich ist der tiefste Antrieb zur Ausbildung einer Gesellschaft und einer Geschichte eigentümlich-menschlicher Art, daß das Individuum hier ein seiner Besonderheit und seiner Vergänglichkeit überlegenes Leben erstrebt und damit das dem Einzelnen völlig Unmögliche wenigstens einigermaßen anzunähern sucht.

Bei allem Aufschwung bleibt aber stets die Gefahr, daß das Engmenschliche sich einschleiche und mit schillernden, zweideutigen Formen die Bewegung zu sich zurückziehe. Das geschieht zum Beispiel oft durch den Begriff der Persönlichkeit und die ihm gezollte Schätzung. Persönlichkeit gehört zu den Begriffen, bei denen sich alles Mögliche denken läßt, und bei denen daher leicht gar nichts gedacht, leicht keine Rechenschaft gegeben wird. In diesem Begriff rinnt heute Höheres und Niederes vielfach zusammen, man denkt oft dabei an die Bildung eines geistigen Einzelkreises, der sich möglichst in sich selbst befestigt und alles Erlebnis auf sich als den beherrschenden Mittelpunkt und Selbstzweck bezieht. Bei solcher Fassung schützt alle Weite der Interessen nicht vor einer inneren Absonderung von der großen Welt, einem selbstischen Sicheinspinnen in einen besonderen Kreis und schließlich einem verfeinerten Epikureismus. Dem sei die Behauptung und die Forderung entgegengesetzt, daß das Gesamtleben den Hauptstandort zu bilden habe, damit das Streben volle Offenheit und Weite behalte; was an der besonderen Stelle an eigentümlichem Leben entsteht, das ist von jenem her als seine Individualisierung und Gestaltung zu verstehen. Daß eine solche eigentümliche Gestaltung des Gesamtlebens an den einzelnen Stellen möglich ist, und daß sie gewaltige Kraft zu üben vermag, das zeigen deutlich die großen geschichtlichen Persönlichkeiten, das wird zur Aufgabe für jedes Einzelleben.

So viel bleibt gewiß, daß das geistige Schaffen beim Menschen durch jenes Zusammentreffen von unendlichem Gehalt und endlicher Lebensform nicht nur in rastlose Bewegung versetzt wird, sondern daß es auch unter einander widerstreitende Richtungen gerät. Einmal zwingt jene Begrenztheit es nach geschlossenen Gestaltungen zu streben, um zusammenfassen und übersehen zu können, von der anderen Seite aber treibt die uns innewohnende Unendlichkeit zur Ablehnung aller Grenzen und damit in das Gestaltlose, Fließende, die bloße und reine Stimmung hinein. Daß hier große Lebenswogen gegeneinandergehen, das zeigt besonders deutlich die Kunst mit ihrem Kampf zwischen klassischem und romantischem Schaffen, im Grunde aber durchdringt der Gegensatz alle Weite des Lebens.

So scheinen wir großer Unfertigkeit, ja Unsicherheit ausgeliefert. Aber wir tun das nur für den ersten Anblick, jede tiefere Erwägung zeigt, daß inmitten aller Unfertigkeit das Leben einen festen Halt gewinnt und in sichere Bahnen geleitet wird, auch daß jene Unfertigkeit selbst eine unvergleichliche Größe bekundet. Jenes neue Leben in uns kann, so sahen wir, unmöglich vom Menschen selbst hervorgebracht sein; es als sein Werk verstehen, das heißt es verflachen, verkümmern, zerstören. Ist es aber vom Gesamtleben in uns gesetzt, so erfahren wir einmal darin, daß dieses Leben eine dem Gemenge der menschlichen Welt überlegene Wirklichkeit hat, wir erfahren aber zugleich, daß es bei dieser Überlegenheit sich uns mitteilt, nicht in einzelnen Wirkungen oder Stücken, sondern mit seiner ganzen Unendlichkeit; gerade daß das in so schroffem Gegensatz zur eigenen Lage und zum eigenen Wollen steht, bezeugt, daß sich damit eine Uroffenbarung in uns vollzieht, ein neues Leben uns mitgeteilt, ein hohes Ziel eingeprägt wird. Es ist nicht eigene Kraft, es ist verliehene Kraft, woraus wir streben und wirken. Mag dabei alle nähere Ausführung noch so unsicher und fließend bleiben, wir erkennen in jener Schöpfung eines neuen Lebens eine Grundtatsache, die uns allem Zweifel enthebt und zugleich das sichere Bewußtsein einer Bedeutung unseres Lebens gewährt. Derartige Umwälzungen und Erneuerungen liegen über aller bloßen Einbildung. Auch gewinnen wir hier die Gewißheit, nicht bloß ein Stück einer gegebenen Welt, ein Stiftchen eines seelenlosen Mechanismus zu sein, sondern jenes neue Leben mit seiner neuen Welt verlangt unsere Ergreifung und Aneignung, es versichert uns damit einer Freiheit. So gewiß Freiheit ein Unding, solange wir nur ein Stück einer natürlichen Ordnung bilden, sie wird zur unerläßlichen Forderung und felsenfesten Gewißheit, sofern ein Zusammentreffen und ein Zusammenstoß zweier Welten in unserem Lebensbereiche ersichtlich wird, in dem uns eine Entscheidung auferlegt ist. Mit der Sicherheit und der Freiheit gewinnt unser Leben aber zugleich ein hohes Ziel und eine unvergleichliche Größe. Denn nun gilt es, an unserer Stelle das Gesamtleben auszubilden und weiterzuführen, wir werden Mitarbeiter an der Weltbewegung, an einem Aufstieg des Lebens, und eben darin finden wir zugleich ein echtes Selbst. Die Tiefen des Lebens eröffnen sich uns damit zu eigenem Besitz, das Ringen nach Aneignung und Förderung seiner Unendlichkeit kann uns eine Freudigkeit bereiten, die aller bloßen Lust weitaus überlegen ist. Gewinnt damit unser Leben in seinem Kern ein helles Licht, so kann es ganz wohl alle Dunkelheit der Umgebung ertragen; auch kann dann kein Zweifel darüber bestehen, daß es so verstanden einen vollen Sinn und einen hohen Wert besitzt.

Hauptzüge des neuen Lebens

Die Gestaltung des Lebens, die sich für uns ergab, in alle Breite zu verfolgen, kann nicht unsere Aufgabe sein; wohl aber scheint es zur Erreichung eines deutlicheren Bildes nötig, einige seiner Hauptzüge herauszuheben. Zunächst zeigte sich, daß das Leben zum Selbständigsein nicht gelangen konnte ohne eine Aufrüttelung aus dem vorgefundenen Gemenge, ohne einen Bruch mit der nächsten Lage und das Erringen eines neuen Standorts. Es zeigte sich, daß es nicht nur einzelne Aufgaben, sondern eine Aufgabe auch als Ganzes enthält, es ist nicht nur hier und da zu verbessern, es ist im Ganzen umzuwandeln. Daher paßt für sein Grundgefüge nicht der Begriff der Entwicklung als eines sicheren, ja notwendigen Hervorgehens des Höheren aus dem Niederen, hier verwandt führt er unvermeidlich unter Naturbegriffe zurück. Jener Abbruch fordert eine Entscheidung und Tat, und zwar eine Tat, die, wenn auch bei besonderen Temperamenten als eine plötzliche Erleuchtung und Bekehrung erscheinend, sich nicht in den Augenblick erschöpft, sondern fortdauernder Art sein muß; denn das Neue ist dem Alten gegenüber immerfort aufrechtzuhalten, immerfort durchzusetzen. Mit solcher Tathaltung, wie man sagen könnte, erhält das ganze Leben einen Charakter ethischer Art, das Ethische entwächst dabei der Einschränkung auf ein besonderes Gebiet und dehnt seine erhöhende Kraft über das gesamte Leben aus, es betrifft dann keineswegs bloß das Verhältnis von Mensch zu Mensch und das dem zugewandte praktische Handeln, sondern durch alle Verzweigung des Lebens, so auch durch das Erkennen und das künstlerische Schaffen geht ein völliger Gegensatz, indem entweder vom Standort und von den Zwecken des bloßen Menschen aus gehandelt wird, oder aber darin selbständiges Leben mit seiner neuen Welt zur Entfaltung strebt. Demnach liegt die ethische Aufgabe nicht in einer Reihe mit anderen, sondern als eine Wendung des Ganzen geht sie allen anderen voran und macht ihr Gelingen erst möglich.

So gefaßt kann die ethische Betätigung keine Knechtung und Herabdrückung, sondern nur eine Befreiung und Erhöhung des Lebens bedeuten. Denn bei ihr steht in Frage, daß das selbständige Leben voll zu eigenem werde; dies aber kann nur dadurch geschehen, daß das Gesamtleben an dieser Stelle eine selbständige Wurzel schlägt und auch sie zur Bildung eines Selbst, zu einer Selbsterzeugung befähigt. Diese Erzeugung eines neuen, eines geistigen Selbst ist der Punkt, an dem das Gelingen des Lebens hängt; denn kein Streben gewinnt rechte Kraft, das nicht als Ausdruck eines Selbst und zur Erhaltung dieses Selbst geführt wird; ein Pseudoselbst, einen Selbstersatz bildet im nächsten Lebensstande das natürliche Ich, das mit unheimlicher Macht auch das Kulturleben ergreift und entstellt; seine Macht ist nur dadurch zu erschüttern, daß dem Pseudoselbst ein echtes, ein geistiges Selbst entgegentritt und der Bewegung die elementare Kraft und Glut einer Selbstbehauptung verleiht. Das ist die Hauptwaffe gegen das Scheinwesen und die Stumpfheit der Durchschnittskultur, das allein macht ein kraftvolles Leben ohne allen Egoismus möglich. Wenn demnach das Entstehen eines selbständigen Lebenszentrums die Hauptsache beim Aufstieg des neuen Lebens bildet, so erscheint dabei das Merkwürdige, ja Wunderbare, daß eben das, was gegenüber der Welt und auch gegenüber der ihrer Verkettung unterliegenden Seelenlage unser Allereigenstes und Ursprünglichstes ist und uns allein auf uns selber stellt, der höheren Ordnung gegenüber sich als ein Geschaffenes und uns Verliehenes darstellt. So hatte Luther in seinem Gedankenkreise völlig Recht, wenn er das, was ihm als das Innerlichste und Wesentlichste am Menschen galt, den Glauben, in keiner Weise als ein Werk des Menschen, sondern eine göttliche Gabe und Gnade verstand: »das Übrige wirkt Gott mit uns und durch uns, dies allein wirkt er in uns und ohne uns.« Nur eine flachere Fassung des Glaubens kann das Leben aus Glauben und Werken zusammensetzen. Wir brauchen jenen Grundgedanken Luthers nur weiter zu fassen, um ihn schlechterdings unentbehrlich zu finden. Nur er gestattet, mit tiefer Bescheidenheit und Demut im Grunde des Lebens eine volle Selbständigkeit, Unerschrockenheit, ja, wenn es sein muß, Trotz gegen alles Menschengetriebe zu verbinden.

Zur Vertiefung des Lebens, so sahen wir, muß sich notwendig eine Gestaltung gesellen: das aufsteigende Leben muß, um volles Leben zu werden, sich einen festen Zusammenhang, eine eigene Wirklichkeit bilden. So gilt es durchgängig, vom neuen Leben aus einen eigentümlichen Kreis zu bereiten unter Führung des Schaffens, unter Ausführung durch die Arbeit. Sonst bleibt die Umwandlung bei aller seelischen Wärme leicht ein bloßer Aufschwung, der keine genügende Kraft gegenüber der Starre und Sinnlosigkeit des gewöhnlichen Lebens aufbieten kann. So bleibt namentlich auf religiösem Gebiet viel ehrliche Begeisterung ohne rechte Frucht, weil sie nicht den Weg zur werktätigen Arbeit fand. Auch diese aber muß sich durch die Verbindung mit dem geistigen Selbst erhöhen. Denn erst diese läßt sie einen inneren Zusammenhang und eine durchgehende Beseelung gewinnen und sich damit deutlich von aller bloßen Nutzung der Kräfte unterscheiden, der ein geistiger Hintergrund fehlt.

Wie aber die Einzelstelle ihre Kraft letzthin aus dem Ganzen zu empfangen hat, so muß auch der Fortgang ihres Lebens vom Gesamtleben umfangen bleiben. Das um so mehr, als das Gesamtleben kein leeres Gefäß ist, sondern als schaffendes bestimmte Richtungen in sich trägt und Forderungen stellt, auch besondere Erfahrungen in Auseinandersetzung mit der menschlichen Lage macht; diese Forderungen und Erfahrungen hat die Einzelstelle erst herauszuarbeiten und bei sich zur Wirkung zu bringen; ihr Geschick wie ihre Aufgabe klärt sich ihr nur vom Ganzen her auf. Indem aber ihr Ziel und Los auf das des Ganzen aufgetragen wird, gewinnt ihr Leben unmittelbaren Anteil an Weltgeschehnissen und damit eine Größe; wird jene Verbindung unterbrochen und der Einzelpunkt lediglich auf sich selbst und sein Verhältnis zur Umgebung gestellt, so muß das Leben rasch in ein Sinken kommen; denn dann bleibt es an den kleinmenschlichen Kreis gebannt, und aller Radikalismus, mag er sich noch so wild geberden, der innerhalb dessen entstehen mag, befreit nicht von jener inneren Bindung und kleinmenschlichem Spießbürgertum. Es gibt keine Freiheit und keine Größe ohne ein Durchdringen zu den ursprünglichen Quellen des Lebens, wie es nur durch ein selbständiges Aneignen des Gesamtlebens möglich wird. Demgemäß haben auch die Wirklichkeiten der besonderen Kreise innerhalb der Bewegung des Gesamtlebens zur Wirklichkeit zu verbleiben, darin ihre Aufhellung und auch ihr Maß zu finden. Darin allein können sie sich auch untereinander zu einem Lebensgewebe verbinden. So stellt sich das Leben als eine unbegrenzte Fülle von Teilwirklichkeiten innerhalb einer Gesamtwirklichkeit dar; die Beziehung der Einzelenergie zur Gesamtenergie hat dabei als begründend allen Beziehungen zu den einzelnen voranzugehen, da diese eine innere Erhöhung, ja Umwandlung erst von jener zu empfangen haben. Es hatte daher guten Grund, wenn nicht nur große Religionen, sondern auch philosophische Gedankenwelten darauf bestanden, daß alle Beziehungen von Mensch zu Mensch, alle gegenseitige Liebe auf das Verhältnis zu Gott und die in ihm erwiesene göttliche Liebe gegründet und dadurch veredelt werde. Nur eine solche Begründung ergibt eine innere Gemeinschaft des Lebens und ein gegenseitiges seelisches Verständnis, während der dem bloßen Nebeneinander angehörige Mensch einer seelischen Vereinsamung nicht entgehen kann.

Wie aber in der Kraft, so müssen auch in ihrer Arbeit die einzelnen Lebensgebiete vom Ganzen umfangen und von ihm gerichtet bleiben, um nicht den Zusammenhang mit den ursprünglichen Lebensquellen zu verlieren. Die verschiedenen Lebensgebiete bedürfen das in verschiedenem Maße, im besonderen notwendig ist die Wahrung des Zusammenhanges den Gebieten, die als Träger geistigen Schaffens nur dadurch eine eigentümliche Aufgabe und eine sichere Stellung gewinnen wie die Religion, die Kunst und auch die Philosophie. Sie alle sinken und lassen den geistigen Gehalt zugunsten technischer Leistung verkümmern, wenn sie jenen Zusammenhang lockern oder wohl gar verschmähen. Wie wollte zum Beispiel die Philosophie mehr werden als eine Zusammenstellung der Einzelwissenschaften oder eine nicht sehr fruchtbare Fachwissenschaft neben anderen, wenn sie nicht ihre Hauptaufgabe darin fände, die Forderungen, welche der Aufstieg des Lebens zur Selbständigkeit enthält, deutlich herauszuarbeiten und sie gegen den Widerspruch der nächsten Welt zu vertreten? Solche Fassung macht die Einzelgebiete keineswegs zu bloßen Anwendungen einer schon gesicherten und abgeschlossenen Wahrheit, ihre besonderen Erfahrungen und Leistungen können auch das Gesamtleben fördern und weiterführen, aber das nur unter Versetzung auf seinen Boden.

Diese Forderung eines Zusammenhanges der Einzelgebiete mit dem Ganzen der Lebensentfaltung gibt der weltgeschichtlichen Bewegung der Menschheit einen hohen Wert auch für das Lebensproblem, sie drängt zur Ausbildung einer weiteren Gegenwart gegenüber der des bloßen Augenblicks. Denn den geistigen Kern jener Bewegung bildet das Sichselbersuchen und Entfalten des Lebens; darin sind eigentümliche Linien vorgezeichnet, Eröffnungen erfolgt und Erfahrungen gemacht, welche sich von der Zufälligkeit der Zeitlagen abzulösen vermögen, alle weitere Bewegung begleiten und Forderungen an sie stellen; so wenig das der Gegenwart die eigene Arbeit abnimmt, es kann sie in dieser erheblich fördern, sofern nur im geschichtlichen Befunde eine gründliche Scheidung von Zeitlichem und Ewigem erfolgt; eine solche Scheidung läßt sich aber nur vom Ganzen des Lebens aus vollziehen. Denn nur bei diesem kommen wir auf den letzten Punkt der Entscheidung, nur von hier aus wird ein endgültiges Urteil darüber möglich, was von den Erzeugnissen der bloßen Zeit angehört, und was über sie hinaus in eine ewige Ordnung weist.

Die durch das alles gehende Anerkennung eines Hervorgehens der Welt und Wirklichkeit aus der eigenen Bewegung des Lebens ist das sicherste Mittel, den Menschen von der Herrschaft des bloßen Intellekts zu befreien, wonach gerade unsere Zeit aus ganzer Seele schmachtet, ohne es genügend erreichen zu können. Denn solange die Welt als eine gegebene Wirklichkeit uns gegenübersteht, wird es immer der Intellekt sein, der eine Verbindung mit ihr herstellt und damit die Führung des Lebens an sich nimmt, erst wenn die Welt als ein Erzeugnis schaffenden Lebens und innerhalb dieses befindlich erscheint, tritt die Tat an die erste Stelle. Gewiß wird auch bei ihr als einer geistigen das Denken eine große Rolle spielen, aber es bildet dann nur die Form, in der sich das Leben entfaltet, eine Form, die eine Erfüllung und Belebung erst von dem wirklichkeitschaffenden Selbst erwartet; von diesem Selbst abgelöst werden die Erzeugnisse des Denkens bloße Schatten und das aus diesen bestehende Reich ein Scheinersatz echter Wirklichkeit. Die Welten aller großen Denker waren an erster Stelle Erweisungen ihres Selbst, Erhaltungen dieses Selbst; nur das gab ihnen ihren Charakter.

Alles miteinander verlegt das Leben mehr in die Innerlichkeit zurück, aber in eine Innerlichkeit, welche nicht nachbildender, sondern schaffender Art ist, welche nicht neben den Dingen steht, sondern sie aus ihrem eigenen Grunde hervorbringt. In einer solchen Innenwelt wird für die Einzelenergie zum Grundverhältnis des Lebens das Verhältnis zur Gesamtenergie, nur dann vollzieht sich die gesamte Lebensentfaltung innerhalb einer bei sich selbst befindlichen Welt, und gehört dieser Welt alles an, was den Grundbestand des Lebens betrifft. Hier steht in Frage das, was in der Sprache der Religion Rettung der Seele heißt. Das besagt zugleich, daß, was hier geschieht, gewonnen oder verloren wird, an Gehalt und Wert alles andere unvergleichlich überragt, was sonst dem Menschen zufallen und zur Aufgabe werden kann.

Eine derartige geistige Innerlichkeit kann sich aber nur behaupten unter steter Abwehr eines Eindringens bloßmenschlicher Elemente und eines Sinkens unter die Zwecke der bloßen Menschen. Die Geschichte zeigt hier einen durchgängigen Gegensatz niederer und höherer Art. Einerseits das Streben, alle Lebensbewegung dem Wohl des bloßen Menschen dienen zu lassen und ihn in seiner natürlichen Lebenshaltung dadurch zu stärken, andererseits eine Entfaltung vom Ganzen des Lebens her und damit eine Emporhebung über den bloßen Menschen; dort bei aller Geschäftigkeit eine innere Leere und ein Abhängigbleiben von der menschlichen Vorstellungsweise; hier eine Herausbildung von Lebensinhalten und das Aufnehmen eines Kampfes gegen jene Vorstellungsweise; dort bleibt der Mensch bei allem Sichstrecken nach außen hin im Kerne unverändert, hier heißt es, ihn innerlich zu erweitern und den Schwerpunkt seines Wesens zu verlegen. Am deutlichsten ist dieser Gegensatz wohl bei der Religion. Denn alle Gemeinschaft von Worten, Formeln und Einrichtungen verdeckt nicht den weiten Abstand zwischen einer Religion, die dem Menschen, ohne ihn wesentlich umzuwandeln, Glück und Fortbestand verheißt, und einer Religion, welche ein neues Leben verkündet und in dieses den Menschen versetzen will. Nur so gefaßt kann sie als lauterer Selbstzweck wirken, nur so auch den Vorwurf widerlegen, ein Erzeugnis bloßmenschlicher Begehrung und Meinung zu sein. Denn nun wird sie aus einer Selbsterhaltung des bloßen Menschen eine Selbsterhaltung des Lebens beim Menschen; was sie aus einer solchen an neuen Gehalten eröffnet und mit überlegener Macht an ihn bringt, das kann mit seiner Unendlichkeit, Ewigkeit, Vollkommenheit kein Machwerk des bloßen Menschen sein, das bedeutet augenscheinlich die Erschließung eines neuen Lebens. Ähnlich steht es mit den anderen Lebensgebieten; sie mußten oft genug dem bloßen Menschen dienen, aber sie verloren damit eine Selbständigkeit, einen inneren Zusammenhang, einen eigentümlichen Gehalt. Das ändert sich nicht wesentlich, wenn für den einzelnen Menschen das Nebeneinander der Menschen, die Masse, eingesetzt wird; denn die Summierung befreit nicht von der Abhängigkeit gegen bloßmenschliches Wohl und Wehe, sie ergibt keine höheren Ziele. Hier liegt eine nicht geringe Gefahr für die an sich so segensreiche soziale Bewegung, sie kann ein inneres Sinken nicht vermeiden, wenn sie als ein bloßes Mittel für das menschliche Wohlsein behandelt, was ohne innere Zerstörung keine solche Unterordnung verträgt. Wo zum Beispiel das Recht in dieser Weise behandelt wird, da verliert es alle eigentümliche Art, da steigert es nicht den Lebensgehalt, da hört es auf ein selbständiges Lebensgebiet zu sein. Das Durchschauen dieses inneren Gegensatzes einer bloßmenschlichen und einer selbständigen Behandlung der Lebensgebiete erzeugt aber unmittelbar die Forderung, die Vermengung, die das Durchschnittsleben beherrscht, mit aller Energie zu bekämpfen und den Geistesgehalt der Gebiete als Glieder eines großen Lebenszusammenhanges deutlich herauszuarbeiten.

Was die eigentümliche Art dieser Lebensbewegung an die einzelnen Lebensträger und Lebensbereiche an Forderungen stellt, das dürfte besonders deutlich aus der Vergleichung mit der modernen Lebensordnung erhellen. Diese hat einen eigentümlichen Charakter vornehmlich dadurch erhalten, daß sie die Kraft zum Kern des Lebens machte und in ihrer Entfaltung und Steigerung seine Hauptaufgabe fand, an ihre Lösung vornehmlich Gelingen und Glück des Lebens band. So hieß es beim Individuum alle Kraft zu entfalten, so wurde in Staat und Gesellschaft möglichst alle Kraft zur Betätigung aufgerufen und auch das gemeinsame Wirken vornehmlich auf das Ziel der Befreiung aller Kräfte gelenkt, so wurden die verschiedenen Kulturgebiete namentlich danach geschätzt und gestaltet, was sie der Kraftentwicklung leisteten, so bestand selbst die Neigung, das Weltall als einen großen Kraftkomplex zu verstehen. Mit solcher Steigerung der Kraft schien auch das Glück ins Unermeßliche zu wachsen. Die Durchführung dieses Strebens hat unendlich viel Schlummerndes geweckt, Starres in Fluß gebracht, uns mehr Macht nicht nur über die Umgebung, sondern auch über uns selbst gegeben, sie hat damit den Gesamtstand des Lebens beträchtlich gehoben. Aber diese Lebensordnung der Kraftentfaltung ließ auch manches verloren gehen, sie hat eine sehr bestimmte Grenze gezeigt. Denn so notwendig die Entwicklung der Kraft, sie ist mehr ein Mittel für ein höheres Ziel als ein vollgenügender Selbstzweck; wird sie als ein solcher betrachtet und behandelt, so entsteht die Gefahr, daß das Leben ein rastloses Weiter- und Weiterstreben werde, nie zu einem Ruhen in sich selbst und daher auch nie zur Herausbildung eines Inhalts gelange, demnach bei aller Aufregung und bei allen Erfolgen im Einzelnen als Ganzes schließlich ins Leere verlaufe. Die Gegenwart empfindet das schon deutlich genug, und sie empfindet zugleich die Notwendigkeit, über diesen Abschluß des Lebens hinauszukommen. Das kann aber nur geschehen, wenn die Kraftentwicklung einer überlegenen Ordnung des Beisichselbstseins des Lebens und der Inhaltsbildung eingefügt wird, es gilt durchgängig von den bloßen Kraftkomplexen zu bei sich selbst befindlichen Lebensenergien, zu Lebenszentren zu streben, so bei allen Lebensträgern und in allen Lebensgebieten. Eine solche Lebensenergie mit einem selbständigen Zentrum muß das Individuum, müssen Staat und Gesellschaft, müssen die einzelnen Lebensgebiete, muß schließlich auch das Ganze des Weltalls werden. Die Bildung einer solchen Energie fordert aber das Erringen einer inneren, der Mannigfaltigkeit überlegenen und sie durchdringenden Einheit, das kann aber den einzelnen Stellen nur innerhalb des Ganzen und im Schöpfen aus ihm gelingen. So gilt es durchgängig eine Wendung des Lebens nach innen, während die bloße Krafterweisung es unvermeidlich nach außen kehrt und bei sich selbst zerspaltet. Der Kulturarbeit ergeben sich damit weite Ausblicke und fruchtbare Aufgaben, die sich hier nur andeuten lassen.

Das Erkennen einer Grundtatsache des Lebens vor aller näheren Gestaltung vermag auch der menschlichen Überzeugung einen festeren Halt zu geben. Die nähere Durchbildung der Bewegung bringt viel Arbeit und verwickelte Fragen mit sich, welche die Individuen und ganze Kreise leicht weit auseinanderführen; der Zwiespalt und Streit läßt dann leicht die Gesamtbewegung als unsicher erscheinen. Suchen wir dagegen die erste Tatsächlichkeit beim Leben selbst, arbeiten wir sein Grundgefüge heraus, so läßt sich in der Ausführung das Auseinandergehen und selbst der Kampf wohl ertragen, ohne daß uns das Ganze wankend wird. Das gilt zum Beispiel von der Religion. Nach der Verschiedenheit der Individuen, der Bildungsstufen, der Kulturkreise wird ihre Gestaltung unvermeidlich recht verschiedener Art sein; aber wir brauchen uns dieser Spaltung nicht endgültig zu ergeben, wir können uns bemühen, vom Grundbestande des Lebens her ein gemeinsames Geschehen herauszuheben, das der Zersplitterung entgegenzuwirken vermag. Zugleich aber auch dem Zweifel, der über der Unfertigkeit der Durchbildung die bewegende Kraft übersieht, welche auch den Streit erst möglich macht, der so den Wald vor Bäumen nicht sieht und eine im Fluß befindliche Bewegung nach einem starren Maßstabe mißt.

Eben dieses muß dabei zur Befestigung der Überzeugung wirken, daß die Bewegung nicht an einzelnen Punkten hängt, sondern einen Kampf von Ganzem zu Ganzem in sich trägt. Einzelne Vorgänge lassen sich je nach der Fassung des Ganzen verschieden deuten und wenden, wie denn ein starkes Mißtrauen gegen sogenannte innere Erfahrungen berechtigt ist, da der eine sie so, der andere anders zu deuten vermag; ja selbst ganze Komplexe sind verschiedener Deutungen fähig und sehen wohl ihre Ursprünglichkeit bestritten. Besteht doch selbst darüber in der Wissenschaft keine Übereinstimmung, ob Größen wie Pflicht und Gewissen Urphänomene oder abgeleiteter Art sind. Wird aber der Kampf von Ganzem zu Ganzem geführt und die innerste Seele eingesetzt, so kommen wir auf das letzte, das ursprüngliche Geschehen; wenn irgendwo, so wird hier unsere Überzeugung eine elementare Festigkeit gewinnen. Denn hier wird uns nicht etwas von außen her zugeführt oder auch als ein innerer Zustand nur wahrgenommen, sondern hier steht die Sache auf unserer Tat und Entscheidung; es handelt sich dabei um nichts Geringeres als um unsere geistige Selbsterhaltung, um geistiges Sein oder Nichtsein. Diese Selbsterhaltung mit ihrer Selbstbejahung ist aber die Wurzel aller Gewißheit, aus ihr entspringt alles Suchen einer solchen. Dabei sei stets gegenwärtig, daß, was wir einerseits als eine Grundtatsache ergreifen, sich andererseits als eine unermeßliche Aufgabe darstellt. Denn volle Festigkeit kann uns das Leben nicht mit einem Schlage gewinnen, sondern nur durch ein fortschreitendes Zusammenschließen, durch ein Wachstum in gegenseitiger Verschränkung und Durchbildung der Mannigfaltigkeit, das aber innerhalb eines umfassenden Selbst, das durch alles hindurch sich entfaltet und den ganzen Umkreis beseelt. Je mehr das Leben das Gewebe einer Wirklichkeit aus sich entwickelt, zugleich aber ein volles Beisichselbstsein gewinnt, desto stärker wird die Befestigung; das Einzelne wird um so sicherer werden, je enger es sich dem Ganzen verkettet, und je mehr das Leben des Ganzen in ihm gegenwärtig ist. Wenn demnach volle Sicherheit uns Menschen als ein hohes und fernes Ziel gelten muß, so bleibt die Bewegung zu diesem Ziele mit ihrer Überlegenheit gegen alle menschliche Willkür eine Tatsache ursprünglicher und unbestreitbarer Art; wir könnten jenes Ziel nicht suchen, nicht unsere Seele daran setzen, wirkte es nicht von vornherein als treibende Kraft in uns; das aber kann es nicht, ohne irgendwie in uns selbst gegründet zu sein.

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
11 августа 2017
Объем:
190 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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