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Elke Pahud de Mortanges

Weiß ich, was ich glaube?

Das Credo heute leben

Elke Pahud de Mortanges

Weiß ich,
was ich
glaube?

Das Credo heute leben


Für Elisabeth Pfaff Max Seckler Aurélie

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abruf bar.

© 2013 Echter Verlag GmbH, Würzburg

www.echter-verlag.de Umschlag: wunderlichundweigand.de Umschlagbild: © plainpicture / Millennium Satz: Hain-Team, Bad Zwischenahn (www.hain-team.de) Druck und Bindung: CPI – Clausen & Bosse, Leck ISBN 978-3-429-03600-3 (Print) 978-3-429-04691-0 (PDF) 978-3-429-06090-9 (ePub)

Inhalt

Vorwort

Das Apostolische Glaubensbekenntnis

1. Das Apostolische Glaubensbekenntnis – oder: die Melodie des Sonntags

2. Credo – Raum geben und Wurzeln schlagen

3. Gott – wer ist das?

4. Das „Woher“ und „Warum“ von Mensch und Welt

5. Jesus Christus – was ist das für ein Mensch?

6. Gekreuzigt, gestorben und begraben – und doch kein Ende

7. Höllenfahrt – Himmelfahrt – Wiederkunft

8. Macht euch auf, bringt Frucht, liebt einander

9. Kirche – wirklich heilig?

10. Das letzte „Wohin“ von Mensch und Welt

Literaturhinweise

Vorwort

Mit uns Theologieprofessoren ist es wie mit Vertretern anderer Wissenschaften auch, seien es Ärzte, Juristen oder Ökonomen. Wir schreiben (oder reden) klug daher und haben schnell mal auf alles eine Antwort parat. Dabei wissen doch alle – und wir selber am besten –, dass die vermeintlich glatten und einfachen Antworten, die zu geben wir gelernt haben, oft weder die anderen noch uns selber satt machen.

Als ich gefragt wurde, ob ich für das Katholische Sonntagsblatt der Diözese Rottenburg-Stuttgart im Sommer 2012 eine Serie über das Apostolische Glaubensbekenntnis schreiben wolle, war mir klar, dass ich mich nicht hinter einfachen Antworten und gängigen Floskeln im Kirchen- und Theologenjargon verstecken wollte. Denn der Name der Rubrik „Wissen und Glauben“ war mir Programm. Zwei Dinge musste ich zusammenbringen. Zum einen: Was weiß ich als Theologin über das Credo? Wie kann ich verantwortet darüber Auskunft geben, so dass der Glaube der Kirche sichtbar wird? Zum anderen: Wie „bewohne“ ich selber die Wissensantworten, die Kirche und Theologie geben? Inwiefern haben diese Wissensantworten mit meinem Leben als Mensch, als Ehefrau und Mutter, als Tochter und Urenkelin zu tun? Nährt sich das Wissen aus meinem Leben – und umgekehrt? Tun sich Abgründe zwischen beiden auf oder zeigen sich Spannungen? Gehe ich bisweilen eigene, andere Lebens- und Denkwege, nicht um vom Glauben der Kirche abzukommen, sondern um ihn für mich selber emotional und intellektuell bewohnbar zu machen?

Als die Serie erschien, war schnell klar: So manchem meiner Kollegen war sie etwas peinlich. „Bist du sicher, dass du so persönlich werden wolltest? War das nicht alles doch ein bisschen zu privat, das mit deiner Urgroßmutter, deiner Tochter und so?“ Zugegeben, es ist privat, ja. Doch wie anders können wir Theologen heute glaubwürdig sein, wenn wir nicht selber persönlich Flagge zeigen und Auskunft darüber geben, wie wir den Glauben der Kirche nicht nur mit unserem Intellekt im Haus der Wissenschaft sezieren, sondern ihn auch in unserem Leben bewohnen.

Der Echter Verlag hat sich auf diesen gewagten Blickwinkel eingelassen, mehr noch: Er konnte ihm so viel abgewinnen, dass die Serie nun auch als Buch erscheinen kann, wofür an dieser Stelle herzlich gedankt sei. Für den Druck wurde der Text zwar leicht überarbeitet und geringfügig erweitert. Die Struktur der Serie wurde aber beibehalten: In zehn Kapiteln wird Vers um Vers das Apostolische Glaubensbekenntnis vorgestellt und bedacht.

Dass ich meiner Urgroßmutter Elisabeth Pfaff auf meinem Weg ins Leben und in den Glauben viel verdanke und ebenso und auf ganz eigene Weise meiner Tochter Aurélie, das wird sich dem Leser unschwer erschließen. Dass ich meinem Doktorvater Max Seckler intellektuell und theologisch viel verdanke, das erschließt sich nur denen, die wie ich in seiner Denkschule gelernt haben, das Einmaleins des Glaubens zu buchstabieren. Von diesem Brot meiner frühen Tübinger Jahre zehre ich noch heute.


Greng, Januar 2013 Elke Pahud de Mortanges

Das Apostolische Glaubenbekenntnis


Credo in Deum, Ich glaube an Gott,
Patrem omnipotentem, den Vater, den Allmächtigen,
Creatorem caeli et terrae. den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Et in Iesum Christum, Und an Jesus Christus,
Filium eius unicum, Dominum nostrum: seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn,
qui conceptus est de Spiritu Sancto, empfangen durch den Heiligen Geist,
natus ex Maria Virgine, geboren von der Jungfrau Maria,
passus sub Pontio Pilato, gelitten unter Pontius Pilatus,
crucifixus, mortuus, et sepultus, gekreuzigt, gestorben und begraben,
descendit ad inferos: hinabgestiegen in das Reich des Todes,
tertia die resurrexit a mortuis; ascendit ad caelos; am dritten Tage auferstanden von den Toten,
sedet ad dexteram Dei Patris omnipotentis: aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters;
inde venturus est iudicare vivos et mortuos. von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.
Credo in Spiritum Sanctum, Ich glaube an den Heiligen Geist,
sanctam Ecclesiam catholicam, die heilige katholische Kirche,
Sanctorum communionem, Gemeinschaft der Heiligen,
remissionem peccatorum, Vergebung der Sünden,
carnis resurrectionem, Auferstehung der Toten
vitam aeternam. und das ewige Leben.
Amen. Amen.

1.
Das Apostolische Glaubensbekenntnis – oder: die Melodie des Sonntags

Hand aufs Herz – kennen Sie das Apostolische Glaubensbekenntnis? Hätte man meine Urgroßmutter gefragt, sie hätte nach kurzem Nachdenken und Zögern bestimmt den Kopf geschüttelt. Nein, das kenne sie nicht. Dabei kannte sie es auswendig, sagte es her, Vers um Vers, Sonntag für Sonntag, unbeirrt und mit großem Ernst, nach der Predigt des Pfarrers, im Chor mit allen anderen Kirchgängern. Ich stand als kleines Mädchen neben ihr in der Kirchenbank und war stolz, dass auch ich es sagen konnte, dieses „Etwas“ mit seiner ganz eigenen Melodie, das einfach dazugehörte zum Sonntag und zur Messe. „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen …“ Heute, im Jahr 2013, ist die Selbstverständlichkeit des Dahersagens meiner Urgroßmutter dahin. Meine eigene auch. Und die Ihre? Was es auf sich hat mit dem Apostolicum, woher es kommt und vor allem, was wir Christen sagen, wenn wir es hersagen, ob auswendig oder abgelesen, ob stehend oder sitzend – darüber will dieses Buch nachdenken. Dies im Wissen darum, dass es nicht nur in meinem eigenen, sondern auch im Leben der Kirche seinen Anfang nahm im Gottesdienst und seinen bleibenden Platz in der Liturgie des Sonntags und der Taufe hat.

Woher stammt es?

Das Apostolische Glaubensbekenntnis wurde weder von einem Papst noch von einem Konzil verordnet, auch nicht von einer Theologenkaste. Es ist einfach von Christen gebetet worden. Es ist ein Stück Gebetspraxis, wurde mündlich weitergegeben und irgendwann auch verschriftlicht. Seine Wurzeln lassen sich zurückverfolgen ins 3. Jahrhundert nach Christus, wo es in der römischen Ortsgemeinde seinen festen Platz in der Unterweisung der (erwachsenen) Täuflinge hatte. Was in der römischen Ortsgemeinde in Gebrauch war, das wurde im Frühmittelalter in Südwestgallien nachgesprochen und weitergeformt. Von dort gelangte es zurück nach Rom und wurde zum Bekenntnis der ganzen Kirche des Westens. Das geschah nicht ohne politisches Kalkül, war doch Kaiser Karl dem Großen im 9. Jahrhundert nach Christus an der Vereinheitlichung der Liturgie, aber auch der Kirche als Ganzer gelegen; so dass er kurzerhand das Apostolicum per Reichsgesetz für die Westkirche verbindlich machte.

(K)ein ökumenisches Bekenntnis?

Ein Reichsgesetz ist das Apostolicum schon lange nicht mehr. Doch eines der beiden Bekenntnisse der Kirchen des Westens ist es bis heute geblieben. Ob römisch-katholisch oder altkatholisch, ob anglikanisch oder evangelisch – in allen Kirchen der westlichen Tradition hat es seinen festen Platz. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass „getrennte christliche Konfessionen es gemeinsam bekennen“, weshalb es ein ökumenisches Bekenntnis heißen darf.

Doch halt. Was uns Christen im Westen eint, trennt uns formal vom Osten. Die Kirchen des Ostens haben eine ganz eigene Tradition, die mit dem Glaubensbekenntnis des Konzils von Nizäa (325) und Konstantinopel (381) verbunden ist, auf dessen Boden wir im Westen ebenso fest stehen. Um den dort formulierten Text vom Apostolicum zu unterscheiden, nennt man das erste bei uns das „Große“, das zweite das „Kleine“ Glaubensbekenntnis. 1438 erklärte der griechische Metropolit, die Kirche des Ostens kenne und anerkenne dieses „Kleine“ Glaubensbekenntnis nicht, weil es eben im Osten nie in Gebrauch war. Sie müsse es auch deshalb ablehnen, weil es gar nicht von den Aposteln stamme.

Stammt das Apostolicum gar nicht von den Aposteln?

Der Presbyter Rufinus von Aquileja berichtet im 5. Jahrhundert nach Christus, die Apostel selber seien es gewesen, die sich nach Pfingsten auf das Apostolicum als „Sinnzeichen“ für ihre Sendung zu den Völkern verständigt haben. Diese personelle Verankerung wurde in der Folge legendarisch weiter konkretisiert und ausgeschmückt: „Am zehnten Tage nach der Himmelfahrt (…) sandte der Herr ihnen den verheißenen Tröster. Bei seiner Herabkunft wurden sie entflammt (…) und (…) verfassten (…) das Glaubensbekenntnis. Petrus sagte: Ich glaube an Gott (…); Andreas sagte: und an Jesus Christus (…); Jakobus sagte: der empfangen wurde vom Heiligen Geist“. Das ist eindeutig. Der auferstandene Christus hat jedem der Apostel einen Vers anvertraut. Das macht: zwölf Apostel, zwölf Verse. Am Beginn steht Petrus, am Schluss Matthias, der Judas Ischariot im Apostelkreis ersetzt.

Aber eben, die apostolische Urheberschaft des Apostolicums ist eine schöne, aber historisch falsche Legende. Hier haben die Kirchen des Ostens Recht. Doch die Legende hat ihre eigene Wahrheit jenseits des Historischen. Apostolisch ist das Glaubensbekenntnis nicht wegen seines historischen Ursprungs, wohl aber wegen seiner theologischen Qualität und Dignität. Ist es doch seinem inhaltlichen Profil nach Ausdruck dessen, was den Zeugen der allerersten Stunde wert und wichtig war. Was sie glaubten und vor allem, was sie beteten – wenn auch nicht genau in diesem Wortlaut.

Das wussten auch die Reformatoren Martin Luther, Johannes Calvin und Huldrych Zwingli, die dem Apostolicum trotz des (berechtigten) Zweifels an der apostolischen Verfasserschaft einen zentralen Stellenwert beimaßen. „Jedenfalls steht außer Frage, woran uns einzig und allein liegen muss: es gibt wirklich die ganze Geschichte, auf der unser Glaube ruht, deutlich und in guter Ordnung wieder, und es enthält nichts, was nicht durch unumstößliche Zeugnisse der heiligen Schrift klar bewiesen ist. Wenn man das anerkennt, so ist es nicht der Mühe wert, (…) die Wahrheit des Bekenntnisses von dessen Verfasserschaft abhängig zu machen“ (Calvin).

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