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Dominic und der Autismus

Dominic ist das mittlere von drei Kindern. Die Schwangerschaft sei problemlos gelaufen, er ist in der 40. Woche zur Welt gekommen. Die Geburt gestaltete sich als sehr schwierig, da Dominic mit den Achseln im Geburtskanal hängen geblieben sei. Als er 10 Monate alt war, fiel der Mutter auf, dass mit Dominic etwas nicht stimmte. Nach mehreren Untersuchungen und eingeleiteter Früherziehung wurde im Jahre 1998 die Diagnose frühkindlicher Autismus gestellt.

Erstbegegnung am 25.9.2000 im Alter von 6 Jahren

Dominic kommt ins Untersuchungszimmer, schaut sich um, entdeckt 2 Autos und hält sich an diesen fest. Er begrüßt mich nicht, er schaut mich nicht an, er bleibt auf Distanz. Beim Seifenblasenmachen ist er bereit, sich zu beteiligen. Es gelingt ihm nicht, gezielt Seifenblasen zu produzieren. Seine Frustrationstoleranz ist sehr klein, und er ist nicht bereit, sich von mir helfen zu lassen. Dominic läuft weg. Danach ist es nur mit großer Anstrengung möglich, ihn nochmals für einige Tätigkeiten zu motivieren. Die Anwesenheit der Eltern beruhigt ihn und ich kann mit viel Vorsicht eine Teilaufmerksamkeit gewinnen.

Dominic ist Rechtshänder. Er ist bereit, verschiedene Materialien anzufassen. Er kann mit Farb- und Malstift umgehen, wobei die Kraftdosierung schwach ist. Dominic kann bei einem geometrischen Formenbrett die Formen problemlos zuordnen. Größen und Farben bereiten ihm keine Schwierigkeiten. Ein vierteiliges Puzzle kann er mit wenig Hilfe zusammensetzen. Seine Hand-Hand- und Hand-Augen-Koordination ist bei diesen Aufgaben angepasst. Dominic kann einen Ball fangen, ist aber nicht bereit, mir den Ball zurückzuwerfen.

Das Sprachverständnis zeigt sich während der Abklärungssituation nicht altersentsprechend. Dominic versteht wohl einzelne Wörter, kann in einer fremden Umgebung und mit einer fremden Person aber sehr wenig damit anfangen. Sobald ihn aber ein Material interessiert, ist er aufmerksamer und kann einigen verbalen Aufforderungen im Zusammenhang mit dem Situationsverständnis Folge leisten. In solchen Situationen zeigt er ein großes Lernpotenzial.

Dominic hat keine verbale Sprache. Es gelingt ihm auch nicht, einzelne Laute zu imitieren. Er zeigt eine stimmliche Stereotypie, bei der ich folgende Laute höre: „ai, ui, oi, ogi, agi, ei“.

Die oben genannten Verhaltensbeobachtungen lassen den „Laien“ wahrscheinlich keinen Autismus erkennen. Es könnte sich jedes Kind in bestimmten Situationen so verhalten. Die aufschlussreichen, beobachtbaren Verhaltensweisen bestehen aus: Inspizieren des Untersuchungszimmers, Ausschau halten nach bekannten oder interessanten Objekten, sich daran festhalten. Die anwesende Person ist kein Bezugspunkt, Blickkontakt wird nicht gesucht, sondern vermieden. Die Seifenblasen bekommen Aufmerksamkeit, die Person, welche die Seifenblasen produziert, wird nicht beachtet, Seifenblasen selber produzieren gelingt nicht. Daraus entsteht Frustration, die Hilfestellung der erwachsenen Person wird nicht angenommen, ist bedrohlich, also wird weggelaufen oder geschrien.

Bei den Autismus-Spektrum-Störungen kann eine erfahrene Person die Kernsymptomatik sehr schnell wahrnehmen. Sie kann das Kind nicht auf gleiche Weise erreichen wie ein neurotypisches Kind.

Erst die bewusste Beziehung und Verbundenheit mit sich selber lässt Beziehung und Verbundenheit mit anderen Menschen zu. Aus diesem Grund sind die Eltern – insbesondere die Mütter – lange die einzigen Vertrauenspersonen eines Kindes mit Autismus. Die Verbundenheit der Mutter zu ihrem Kind ist nebst der eigenen Verbundenheit wohl die stärkste.

Menschen sind in ständiger Interaktion mit der Umwelt. Bei einem neurotypischen Baby steht die erste soziale Interaktion mit der Mutter und weiteren Bezugspersonen im Zentrum. Bei Kindern mit Autismus merken die Mütter schnell, dass etwas „anders“ ist. Sie spüren die Verbundenheit nicht, anders oder immer nur von sich ausgehend. Dies verunsichert und die Interaktion beginnt das eigene Selbst in Angst zu versetzen. Viele Fragen, Ungewissheiten, Selbstzweifel und „Hilfeschreie“ beeinträchtigen die natürliche, liebende Verbundenheit mit dem Kind. Die Mütter werden oft lange mit ihren Ängsten alleine gelassen oder werden vertröstet, „das kommt schon noch“.

Durch Beziehungen, Verbundenheit und Interaktion mit der Außenwelt lernt das Kind. Dominic interessierte sich bereits früh für die Technik oder allgemein, wie Dinge funktionieren. Die Interaktion mit Menschen, welche ihn zur Erkundung und zum Verstehen der dinglichen Welt geholfen hätten, war und ist schwierig.

Dominic geht seinen eigenen, ihm bestimmten Weg, wie wir alle. Durch die Technik und die Verbundenheit mit seiner langjährigen Heilpädagogin und Freundin hat er nun ein Buch geschrieben, mit dem Wunsch, dass noch viele neurotypische Menschen versuchen, Menschen mit Autismus zu verstehen und sie so zu akzeptieren, wie sie sind.

aaa autismus approach

Cordilia Derungs

Ich

Ich bin ein autistischer Mensch, ein Mensch mit frühkindlichem Autismus. Was ist das? Mit einer sicheren Diagnose kommt auch ein normaler Mensch nicht zurecht. Ich habe Autismus dritten Grades. Das ist stark. So benehme ich mich vielmals auch. Ich spreche nicht und gebe sabbernde Laute von mir. Das passt gut vom Ausdruck her, denn ich empfinde es so. Ich verstehe nach vielen Jahren ABA – das ist eine Verhaltenstherapie aus Amerika2 – viel mehr als früher. Ich habe so lesen gelernt und Schuhe binden. Auch viele Wörter verstehe ich dadurch und begreife Ausdrücke. Das war harte Arbeit. Anfangs musste ich lernen, mich auf Befehl an den Arbeitstisch zu setzen und ruhig zu sein. Wenn ich das dann gekonnt habe, ging es weiter mit Füße stillhalten und Hände verschränkt auf den Tisch legen. Das brauchte Zeit und Nerven von mir und von meinen Therapeutinnen und war eine happige Zeit für alle. Wenn ich gut war, gab es eine Belohnung. Das war stark und obercool. Was ich am liebsten habe, sind Chips. Sicher war die Belohnung nur bei guter Arbeitshaltung und einem entsprechenden Arbeitsresultat. Manchmal ging das die ganzen drei Therapiestunden super. Aber Sicherheit gab es nie, dass es so verflixt optimal gut klappte. Sicherheit ertrage ich gut, aber mein Autismus Jonas – den Namen gebe ich ihm – legte mir Falle um Falle, die dann gottlos brutal zuschnappt. Scheiße, echt scheiße war und ist das manchmal. Ich will immer alles richtig machen. Dazu zwingt mich mein Autismus. Wenn es nicht klappt, bringt das eine große Unruhe in mich und ich muss schreien, meine Sprechorgien durchziehen und kann damit nicht aufhören. In der Nase bohren, Lippen ziehen, mich seitwärts in die Wange klemmen und so vieles mehr kann dann passieren. Ich bin aber ein Glückskind. Meine Eltern, vor allem meine Mami, ist eine grandiose Kämpferin, denn sie ist immer auf der Suche nach neuen Sachen. Sei das auf spiritueller Ebene, Ernährung, Alternativmedizin und eben immer noch ABA.

Ich bin während der Woche im Behindertenwohnheim und darf zweimal in der Woche nach Hause, um Therapie zu machen. Zu Hause ertrage ich es fabulös und gebe mir fast immer Mühe in der Therapie. Wenn ich Mami auf den Sack gehe, dann droht sie mir immer, dass ich jetzt dann in Meiringen3 bleiben könne. Sie geht mir ja manchmal auch auf den Sack, aber ich weiß auch, dass ich sie brauche. Aber auch großartig sind meine Schwestern. Sie sind verständnisvoll und verstehen mich gut. Melanie und Nathalie machen vieles mit mir, ertragen vieles und setzen sich auch für mich ein. Sicher zicken sie auch rum, aber das machen alle Frauen. Eine Sache ist klar: wir brauchen das weibliche Geschlecht, sonst wären wir einsam.

Ich arbeite gerne etwas, und wenn ich etwas gut kann, dann umso lieber. Aber nichts tun ist auch nicht ohne. Ich arbeite nur auf Aufforderung hin. Das ist auch nicht so toll, aber es geht auch nicht so gut ohne Aufsicht. Ich habe manchmal den Drang abzuhauen und mal alleine wegzubleiben. Sie haben dann ein paarmal die Polizei angefordert, um mich zu suchen. Das war, glaube ich, immer eine große Aufregung. Ich wäre noch immer zurückgekommen. Die mochten einfach nicht lange genug warten. So gesehen kann ja die Polizei schon mal was tun für mich, ich bezahle ja auch Steuern. Auch bringe ich etwas Schwung in den Alltag meiner Mitmenschen und halte sie auf Trab. Manchmal macht das Spaß und manchmal bin ich auch traurig und muss weinen, weil ich wieder mal nicht so funktioniere, wie die lieben Mitmenschen es von mir erwarten. Ich weiß nicht, ob sie sich wirklich bewusst sind, ob das immer das Beste ist für mich. Aber ich weiß, dass sie nur das Beste wollen für mich.

Das Leiden hat einen Namen

(Erika Müller)

Wie weiter?

Meine Vermutung wurde bestätigt. Es brachte Erleichterung, das Leiden von Dominic mit einem Namen benennen zu können. Gleichzeitig war es jedoch auch ein Schock, zu erfahren, dass unser Kind nicht gesund, sondern sogar unheilbar beeinträchtigt ist. Wir Eltern mussten das erst einmal verdauen. Ratlosigkeit und Trauer vermischten sich miteinander, die Nächte des Nachdenkens waren nach der Diagnosestellung lang und quälend. Irgendwann mussten wir jedoch die Entscheidung treffen, uns neu zu motivieren, um die große Herausforderung, ein Kind mit einer Beeinträchtigung zu haben, anzupacken. Wir wollten uns nicht durch Elend und Resignation demotivieren lassen.

Ich deckte mich kurz nach der Diagnosestellung „frühkindlicher Autismus“ mit Büchern über Autismus ein, um wenigstens rudimentär zu verstehen, was im Kopf von Dominic geschieht. Mein Mann nahm sich dem administrativen Teil an, was bis zum heutigen Zeitpunkt genauso viel Energie abverlangt, wie einen autistischen Menschen zu fördern. Ich danke meinem Mann herzlich für all die Unterstützung, die er mir und der ganzen Familie unermüdlich bietet.

„Autismus Schweiz“ organisiert regelmäßig Tagungen in Zürich. Wir lernten dort betroffene Eltern kennen, dadurch fühlten wir uns nicht mehr so alleine und hilflos. Wir schlossen uns einer Elterngruppe an, die sich sehr intensiv mit Autismus beschäftigte und sich weltweit informierte über neue Erkenntnisse zu diesem Krankheitsbild. Als Eltern waren wir in der Gruppe stets auf der Suche nach Hilfe für unsere Kinder. Beispielsweise war die gluten- und laktosefreie Diät sowie Nahrungsergänzungsmittel ein Thema. Wir haben vieles versucht, bei Dominic konnte ich bei all diesen gut gemeinten Versuchen keine wesentliche Veränderung im Verhalten feststellen.

Im Alter von vier Jahren suchten wir für Dominic einen Platz in einer Behinderteninstitution. Durch den stets stressigen Alltag war ich über diese Entlastung sehr froh. Ich hatte den Eindruck, dass er gerne in diese Institution ging. Der geregelte Tagesablauf vermittelte ihm Orientierung und Sicherheit.

Ich besuchte auch einen Workshop für Gestützte Kommunikation4. Dies bedeutete für mich eine weitere Hoffnung, eine Verbindung mit Dominic aufnehmen zu können. Eine betroffene Mutter aus der Elterngruppe zeigte mir auf, wie ich meinem Sohn möglichst viel Unterstützung geben könnte.

Wie es das Schicksal wieder mal einrichtete, hatten wir im Winter 1999 einen großen Schneefall, dass wir in Grindelwald wegen erhöhter Lawinengefahr eine Woche von der Außenwelt abgeschnitten waren. Dies bedeutete, dass Dominic nicht in die Behinderteninstitution gehen konnte. Er war zu dieser Zeit fünf Jahre alt. Nun wollte ich endlich wissen, ob Dominic nebst Autismus auch eine geistige Beeinträchtigung hatte. Also verkroch ich mich zusammen mit Dominic nahezu eine ganze Woche lang in seinem Zimmer. Ich hatte mir fest vorgenommen, mein Ziel zu erreichen. Dominic sträubte sich anfangs sehr energievoll und lautstark, sich zu mir hinzusetzen, geschweige denn neben mir sitzen zu bleiben. Bereits dieses Vorhaben dauerte Stunden. Ich vermute, dass er meinen festen Willen, mein Ziel zu erreichen, gespürt hat. Irgendwann wurde sein Widerstand gebrochen. Ich kommunizierte ihm meinen Willen die ganze Zeit über, ohne dass ich wusste, ob er meine Worte verstehen konnte. Im ersten Schritt brachte ich ihm das Zeigen auf Dinge bei. Wichtig ist bei autistischen Menschen, dass sie klar vermittelt bekommen, was ihre Aufgabe ist. Es dürfen keinesfalls zwei Aufträge zugleich gegeben werden. Mehrere Anforderungen zur gleichen Zeit lösen große Verwirrungen aus, in Folge wäre eine Kooperation unmöglich.

Für mein Vorhaben hatte ich mir einen Lernschreibkoffer für Kinder gekauft. Die einzelnen Buchstaben des ABC waren auf magnetische Holzklötze geschrieben. Dazu gab es Tafeln mit Magnetstreifen, damit die Buchstabenklötze nicht verrutschten. Auf dem Magnetstreifen waren diverse Namen bereits vorgeschrieben. Zu diesen Namen gehörten Holzklötze mit entsprechend passender Zeichnung. Ich klemmte mir Dominic zwischen die Beine, legte seine Hand in meine geöffnete Hand und zeigte mit ihm zusammen auf einen Holzklotz, auf welchem ein Baum abgebildet war, und sprach ihm das Wort „Baum“ vor. Wir übten immer wieder dasselbe, bis er zu begreifen begann, was ich von ihm wollte, wenn ich „zeig Baum“ sagte.

Als ich merkte, dass er sich gut führen ließ, war der nächste Schritt, meine Führung zurückzunehmen und ihn aus eigener Initiative führen zu lassen. Das heißt, er übernimmt die Führung des Zeigens, ich gebe dabei ganz sanften Rückzug mit dem Arm. Das übten wir so lange, bis diese Bewegung der Eigeninitiative stark genug war. Ich übte mit ihm weitere Zeichnungen. Mir war es wichtig, dass er den Ablauf „Zeigen“ verstand. Ob er die Bedeutung der Namen kannte, wusste ich nicht. Die Stunden vergingen wie im Flug. Dominic verweigerte die Zusammenarbeit immer wieder, und ich brauchte sämtliche Energie der Welt, um nicht zu resignieren.

Im nächsten Schritt sollte Dominic die vorgegebenen Wörter mit Buchstabenklötzen nachschreiben oder wir schrieben den Namen passend zum Bild auf dem Klötzchen. Mit der Zeit merkte ich, dass Dominic nicht geistig behindert ist. Bald schrieb ich ihm Fragen auf über unsere Familie, zum Beispiel: Wie heißt du? Darunter zwei Auswahlantworten: „ich heiße Dominic“ sowie „ich heiße Hans“. Das musste wiederum mühsam geübt werden, bis Dominic begriff, was er tun sollte. Dies waren unsere Anfänge mit der Gestützten Kommunikation. Als wir diese erste Hürde genommen hatten, versuchte ich im nächsten Schritt, mit ihm zu schreiben. Das brauchte nochmals einen ungeheuren Energieschub von mir, damit er auch für diese Arbeit bereit sein konnte.

Es dauerte mehrere Jahre, bis Dominic sich mittels der Gestützten Kommunikation so ausdrücken konnte, wie er es heute tut. Dominic schreibt jetzt mühelos mit mir, seit achtzehn Jahren. Wenn eine neue Person mit ihm schreiben möchte, braucht diejenige Person stets viel Ausdauer und den festen Willen, es mit ihm zu schaffen. Um ganz persönliche Angelegenheiten mit ihm zu besprechen, benötigt es unglaublich viel Zeit, viel Übung und viel starken Willen von der stützenden Person. Ich bin heute überglücklich, die Gestützte Kommunikation kennengelernt zu haben, um dadurch mit Dominic kommunizieren zu können. Es ist so wertvoll für jeden Menschen, sich mitteilen zu können. Die Methode der Mitteilung ist dabei egal, Hauptsache, Kommunikation ist möglich.

Die Gestützte Kommunikation
(facilitated communication, kurz: fc)

Definition von Wikipedia (17.08.2017): Ein Kommunikationshelfer, der sogenannte Stützer, berührt eine kommunikationsbeeinträchtigte Person, Schreiber oder auch Nutzer genannt. Diese körperliche Hilfestellung soll es der kommunikationsbeeinträchtigten Person ermöglichen, eine Kommunikationshilfe zu bedienen. Die Gestützte Kommunikation gilt bei vielen Praktikern und einigen Wissenschaftlern als Methode der Unterstützten Kommunikation – ein Fachgebiet, das sich mit alternativen und ergänzenden Kommunikationsformen für Menschen beschäftigt, die nicht oder nur unzureichend über Lautsprache verfügen.

In ihrer heutigen Form wurde die Gestützte Kommunikation Ende der 1970er Jahre von der Australierin Rosemary Crossley entwickelt, die einen Weg zur Kommunikation mit einer jungen cerebralparetischen Frau suchte. Später wurde die Methode auch bei Menschen mit Autismus und Down-Syndrom angewandt, heutzutage unabhängig von der medizinischen Diagnose allgemein bei Personen mit einer schweren Kommunikationsbeeinträchtigung.

Bei der Gestützten Kommunikation ist die alternative Kommunikationsform fast immer die Schriftsprache, in Einzelfällen werden auch alternative Symbolsysteme benutzt, beispielsweise Piktogramme. Die jeweiligen Symbole werden dabei entweder auf einer Kommunikationstafel bereitgestellt oder auf einer Schreibmaschine, einem Computer oder einem Sprachausgabegerät.

Das Besondere bei der Gestützten Kommunikation ist, dass die Symbole von der kommunikationsbeeinträchtigten Person (Schreiber oder Nutzer genannt) unter Hilfestellung einer zweiten Person, des so genannten Stützers, angesteuert werden. Der Stützer soll dem Schreiber das Zeigen auf die Buchstaben bzw. das Tippen auf der Tastatur erleichtern, indem er die Hand oder ein anderes Körperteil des Schreibers berührt, leichten Gegendruck ausübt, die Auswahl offensichtlich falscher Tasten verhindert und ähnliche körperliche Hilfestellungen gibt. Hierbei gilt das Prinzip der Minimalstützung. Um eine unabhängige Kommunikation zu ermöglichen, wird es als wichtig erachtet, die physische Stütze von Hand bis Schulter immer weiter zurück zu nehmen und diese schlussendlich sogar ganz auszublenden.

ABA (Applied Behavior Analysis)

(Erika Müller)

Seit vielen Jahren dokumentieren unter anderem die US-amerikanische Fachzeitschrift „Journal of Applied Behavior Analysis“ und auch das Journal „The Analysis of Verbal Behavior“ die wissenschaftlichen Forschungen und experimentellen Studien, die auf unabhängige Weise die Wirksamkeit von ABA bei Personen mit Autismus-Spektrum-Störungen und ähnlichen Entwicklungsstörungen belegen. Im Report von 1999, Kapitel 3, gibt der „U.S. Surgeon General“ (oberster Amtsarzt der US-Gesundheitsbehörden) Folgendes bekannt: „30 Jahre Forschung haben bestätigt, wie wirksam angewandte Verhaltensmethoden unangemessene Verhaltensweisen abbauen und Kommunikations- bzw. Lernfähigkeit sowie angemessenes Sozialverhalten aufbauen.“ Laut diesem Report ist ABA die einzige Interventionsmethode, die in der Lage ist, einen zuverlässigen Langzeitnutzen für Personen mit Autismus-Spektrum-Störungen zu demonstrieren.

Es war wiederum dieselbe betroffene Mutter, die mich auf die ABA-Therapie aufmerksam machte mit den Worten: „Wenn du willst, gehe ich vor dir auf die Knie, aber mach bitte diese Therapie!“. Da musste ja was dran sein, wenn sie sogar einen Kniefall in Kauf nahm. Ja, das war wirklich ein guter Entscheid – und ist es immer noch. Sie gab mir die Adresse von einer Fachperson. Nach dem ersten Gespräch mit dieser Fachperson war für mich klar, dass ich diese ABA-Therapie machen wollte. Wir stellten eine Dokumentation mit diversen Förderungsprogrammen zusammen, die speziell auf Dominic abgestimmt waren. Ich suchte mir zwei bis drei Therapeuten, welche als Schweizer ABA-Supervisoren in das Programm eingearbeitet wurden. Diese Therapeuten arbeiteten mit Dominic mehrere Male in der Woche jeweils drei Stunden lang. Wichtig war, dass verschiedene Personen mit Dominic arbeiteten, damit er sich nicht auf einen Therapeuten fixierte. Dominic machte in den ersten Jahren so große Fortschritte, dass jeweils monatlich eine Supervision notwendig war, um die Teilschritte neu anzupassen.

Die Programme bestanden aus verschiedenen Kategorien. So zum Beispiel beinhalteten sie das Zeigen nach Aufforderung, eine grob- und feinmotorische Förderung, betrafen das Sprachverständnis, Schreiben, das Benennen von Gegenständen, Ankleiden, den Toilettengang, Mathematik, Spielen, Selbsthilfe erlangen usw. Dominic lernte unter anderem auch das Binden seiner Schuhe, das Fahrradfahren und viele alltägliche Dinge mehr.

Dominic konnte vor der ABA-Therapie nicht viel mehr artikulieren als ein paar zusammenhängende Laute. Das Training der verbalen Sprache begann immer mit der Aufforderung: „Mach e Ton“. Es brauchte viel Geduld, bis er das konnte. Daraufhin begannen wir mit den Phonemen. Ein Phonem nach dem anderen. Die Phoneme wurden wie Vokale ausgesprochen, also B und nicht Be. Alles andere hätte ihn nur verwirrt. Erstaunlich war, dass er beim Buchstaben „I“ fast ein halbes Jahr gebraucht hat, bis er denjenigen richtig aussprechen konnte. Da ist die Unterstützung der Fachperson ganz wichtig, allein schon, um den Glauben daran nicht zu verlieren, dass er es schaffen wird. Am Ende hat sich die Arbeit ausgezahlt, denn Dominic hat es geschafft.

Er hat durch die ABA-Therapie lesen gelernt. Zwar liest er noch nicht sehr deutlich und in der notwendigen Lautstärke, aber er kann lesen und die umstehenden Personen verstehen das Gelesene. Ganz schwierige Wörter haben wir mit Bindestrichen abgetrennt, und Wortsilbe für Wortsilbe separat geübt. Schwierige Wörter wurden beim Lesen von hinten nach vorne geübt. Er liest manchmal die Untertitelungen beim Fernsehen sogar laut und deutlich. Erfahrungsgemäß sind die passende Tagesform sowie die notwendige Eigeninitiative maßgeblich zuständig für gute Resultate. Dominic hat in all den Jahren mit der ABA-Therapie ganz tolle und großartige Fortschritte gemacht, auf die er stolz sein kann. Wir sind auch stolz über diese Leistung. Viele Stunden haben wir zusammen, mit all unseren zahlreichen Therapeutinnen und Therapeuten, am Schreibtisch in seinem Zimmer verbracht. Es hat sich gelohnt. Mir gab es immer ein gutes Gefühl zu wissen, dass er während dieser Therapiestunden sinnvoll gefördert wurde. Ich konnte somit die Zeit, während die Therapeuten mit Dominic arbeiteten, ohne schlechtes Gewissen genießen und für mich persönlich nutzen. Noch heute will ich der lieben betroffenen Mutter danken für den Kniefall, den sie gegebenenfalls für mich gemacht hätte.

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1 426,81 ₽
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135 стр. 9 иллюстраций
ISBN:
9783906287386
Издатель:
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