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Kapitel 9
Wahrheit in Wissenschaft und Yoga

Worte Sri Aurobindos

Man könnte natürlich fragen, ob die Wissenschaft selbst bei irgendeiner höchsten Wahrheit angelangt sei; im Gegenteil, es scheint vielmehr, als ob die höchste Wahrheit selbst auf der physischen Ebene sich in dem Maße zurückzieht, in dem die Wissenschaft fortschreitet. Die Wissenschaft geht von der Annahme aus, die höchste Wahrheit habe physisch und objektiv zu sein und das objektive Höchste (oder sogar noch etwas weniger als das) würde alle subjektiven Phänomene erklären. Der Yoga geht vom gegenteiligen Standpunkt aus, nämlich dass die höchste Wahrheit spirituell und subjektiv ist und wir die objektiven Erscheinungen in diesem höchsten Licht zu betrachten haben. Es sind dies zwei einander entgegengesetzte Pole, und die Kluft ist so weit, wie sie nur irgend sein kann.

Yoga kann insofern als wissenschaftlich bezeichnet werden, als er vom subjektiven Experiment ausgeht, und alles, was er findet, auf der Erfahrung gründet; mentale Intuitionen werden nur als ersten Schritt anerkannt und nicht als Verwirklichung betrachtet – sie müssen bestätigt werden, indem man sie auf eine Erfahrung überträgt und durch diese rechtfertigt. Was den Wert der Erfahrung als solcher anbelangt, so wird dieser vom physischen Mental bezweifelt, da es sich um etwas Subjektives und nicht um etwas Objektives handelt. Doch hat diese Unterscheidung wirklich große Bedeutung? Ist nicht alles Wissen, alle Erfahrung im Grunde gleich subjektiv? Die objektiven äußeren und physischen Dinge werden vom Menschen in genau der gleichen Weise gesehen, da sein Mental und seine Sinne entsprechend aufgebaut sind; wären Mental und Sinne anders aufgebaut, dann würde die Erklärung der physischen Welt völlig anders ausfallen – die Wissenschaft selbst betont dies nachdrücklich. Doch der Standpunkt deines Freundes ist, dass Yoga-Erfahrung etwas Individuelles sei, gefärbt von der Individualität dessen, der sie hat. Dies trifft in gewissem Umfang für die genaue Form oder die Darstellung der Erfahrung in bestimmten Bereichen zu; doch selbst hier besteht ein Unterschied nur oberflächlich. Es ist eine Tatsache, dass yogische Erfahrung überall in gleichen Bahnen verläuft. Natürlich gibt es nicht nur eine, sondern viele dieser Bahnen, denn schließlich haben wir es mit einem vielseitigen Unendlichen zu tun, zu dem es viele Wege der Annäherung gibt und geben muss; doch die großen Richtlinien sind überall die gleichen, und die Intuitionen, die Erfahrungen und Phänomene sind dieselben in weit auseinanderliegenden Zeiten und Ländern und in Glaubenssystemen, die völlig unabhängig voneinander praktiziert wurden. Die Erfahrungen des mittelalterlichen europäischen Bhakta oder Mystikers sind in ihrem Gehalt genau die gleichen wie jene des mittelalterlichen indischen Bhakta oder Mystikers – sie mögen sich unterscheiden was die Namen, Formen, die religiöse Färbung anbelangt. Und dennoch standen diese Menschen weder miteinander in Verbindung, noch kannten sie ihre jeweiligen Erfahrungen und Ergebnisse, wie dies heutzutage bei den modernen Wissenschaftlern von New York bis Yokohama der Fall ist. Dies scheint doch zu beweisen, dass etwas Gleiches, Universales und vermutlich Wahres in ihnen enthalten ist, wie sehr sich auch die Nuancen der Übertragung aufgrund der Verschiedenheit einer mentalen Sprache unterscheiden mögen.

Was nun die höchste Wahrheit anbelangt, so würden vermutlich der viktorianische Agnostiker und der – nennen wir ihn – indische Vedantin darin übereinstimmen, dass sie zwar verhüllt, jedoch vorhanden sei. Beide bezeichnen sie als das Unerkennbare; der einzige Unterschied besteht darin, dass der Vedantin sagt, sie sei durch das Mental nicht erkennbar und durch die Rede nicht ausdrückbar, aber durch etwas Tieferes oder Höheres als mentale Wahrnehmung dennoch erreichbar; und sogar das Mental vermag die tausend Aspekte, die sie der äußeren und inneren mentalen Erfahrung darbietet, widerzuspiegeln, und die Rede vermag sie auszudrücken. Der viktorianische Agnostiker würde vermutlich dieser Formulierung nicht zustimmen; er würde für das zweifelhafte Vorhandensein und, wenn überhaupt vorhanden, für die absolute Unerkennbarkeit dieses Unerkennbaren stimmen.

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Teil III

Sri Aurobindo

Wann immer etwas zu geschehen hat, tauchen Kräfte auf, die sich einmischen wollen. Vermutlich wollen sie uns zeigen, dass das leichte Dahinwandern und der breite, weit offenliegende und dornenlose Pfad nur dem vedischen rtam, satyam, brhat [dem Recht, der Wahrheit, der Weite] angehören und dass wir uns nach dorthin aufmachen müssen – wenn wir können. — Sri Aurobindo

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Kapitel 1
Die Unwissenheit – ihr Ursprung und ihre Natur

Worte Sri Aurobindos

Die Unwissenheit kann den Ursprung ihres Daseins oder den Ausgangspunkt für ihr zertrennendes vielfaches Wirken nicht im absoluten Brahman oder im integralen Sachchidananda haben. Sie gehört nur einem partiellen Wirken des Wesens an, mit dem wir uns identifizieren, so wie wir uns im Körper mit diesem partiellen, vordergründigen Bewusstsein identifizieren, das zwischen Schlafen und Wachen abwechselt. Tatsächlich ist gerade diese Identifikation, die die ganze übrige Wirklichkeit in den Hintergrund drängt, die grundlegende Ursache der Unwissenheit. Wenn nun die Unwissenheit kein Element oder keine Macht darstellt, die der absoluten Natur des Brahman oder Seiner Vollständigkeit eigen ist, kann es auch keine ursprüngliche und primäre Unwissenheit geben. Wenn Maya eine ursprüngliche Macht des Bewusstseins des Ewigen sein soll, kann sie selbst nicht Unwissenheit oder irgendwie mit der Natur der Unwissenheit verwandt sein. Vielmehr muss sie eine transzendente und universale Macht des Selbst-Wissens und des All-Wissens sein. Die Unwissenheit kann da nur als eine untergeordnete und nachträgliche, als partielle und relative Bewegung intervenieren. Ist sie dann etwas, das der Vielfalt der Seelen innewohnt? Entsteht sie gleichzeitig dann, wenn Brahman sich selbst in der Vielfalt schaut? Besteht diese Vielfalt aus einer Summe von Seelen, von denen jede ihrer eigentlichen Natur nach bruchstückhaft und von all den übrigen Seelen im Bewusstsein getrennt ist, unfähig dazu, ihrer überhaupt anders bewusst zu werden als der Dinge, die außerhalb von ihr liegen, die höchstens durch Kommunikation von Körper zu Körper, von Mental zu Mental verknüpft werden, jedoch zur Einheit unfähig sind? Wir haben gesehen, dass wir das nur in unserer vordergründigsten Bewusstseinsschicht, im äußeren Mental und physischen Wesen zu sein scheinen. Sobald wir in eine subtilere, tiefere, umfassendere Wirkensweise unseres Bewusstseins zurücktreten, finden wir, dass die Trennungswände dünner werden und zuletzt überhaupt keine Trennungswand und keine Unwissenheit mehr übrig bleiben.

Der Körper ist das äußere Zeichen und die niederste Basis der scheinbaren Zertrennung, die die Natur bei ihrem Sturz in Unwissenheit und Nichtbewusstheit des Selbsts zum Ausgangspunkt macht, um durch die individuelle Seele die Einheit wiederzugewinnen, Einheit selbst inmitten der ausgeprägtesten Formen ihres vielfältigen Bewusstseins. Körper können miteinander nur durch äußere Mittel und über einen Abgrund von Äußerlichkeiten hinweg zur Kommunikation gelangen. Sie können ineinander durch einen Spalt eindringen, um einander zu durchdringen. Oder sie können sich einer Lücke im anderen Körper, einer vorher vorhandenen Teilung, bedienen. Sie können sich nur miteinander vereinen, wenn sie einander zerbrechen und verzehren, einander verschlingen und absorbieren oder den anderen sich assimilieren oder miteinander so verschmelzen, dass beide Gestaltungen verschwinden. Auch das Mental ist, wenn es mit dem Körper identifiziert ist, durch dessen Begrenzungen behindert. An sich ist es aber subtiler. Bei zwei Wesen kann das Mental des einen in das des anderen ohne eine Verletzung oder Zerteilung eindringen. Beide können ihre Substanz ohne gegenseitige Schädigung miteinander austauschen. Sie können in gewisser Welse zu beiderseitigen Teilen werden. Doch besitzt auch das Mental seine eigene Form, die dem anderen Mental gegenüber gesondert ist und sich in dieser Gesondertheit behaupten kann. Wenn wir zum Bewusstsein der Seele zurückgehen, verringern sich die der Einheit entgegenstehenden Widerstände und hören schließlich ganz auf. Die Seele kann sich in ihrem Bewusstsein mit dem anderer Seelen identifizieren. Sie kann diese in sich aufnehmen. Sie kann in jene eingehen und zum Inhalt dieser werden und so ihre Einheit mit diesen verwirklichen. Das alles kann im völligen Wachzustand stattfinden, der alle Unterschiedlichkeiten beobachtet und in Betracht zieht, aber über sie hinausgeht, – und nicht in einem gestaltlosen ununterscheidbaren Schlaf, in einem Nirvana, in dem alle Unterschiede und Individualitäten von Seele, Mental und Körper verloren sind.

Darum ist die Unwissenheit und die selbst-begrenzende Zerteilung nicht der Vielfalt der Seelen eingeboren und auch nicht unüberwindlich. Sie ist nicht die wahre Natur der Vielfalt des Brahman. So wie Brahman die Passivität und die Aktivität überragt, so überragt er auch die Einheit und die Vielfalt. Er ist in sich selbst eins, jedoch nicht mit einer sich selbst-begrenzenden Einheit, von der die Macht der Vielfalt ausgeschlossen wäre, so wie das bei der gesonderten Einheit des Körpers und des Mentals der Fall ist. Er ist nicht das mathematische Integral, die Eins, die unfähig ist, in sich die Hundert zu enthalten und die deshalb weniger ist als die Hundert. Er ist eins in sich selbst, und er ist auch eins in den Vielen, und die Vielen sind eins in ihm. Mit anderen Worten, Brahman ist in seiner Einheit des Geistes seiner vielfachen Seelen bewusst, und er ist in dem Bewusstsein seiner vielfältigen Seelen der Einheit aller Seelen inne. In jeder Seele ist er, der immanente Geist. Als der Herr in jedem Herzen ist er seiner Einheit bewusst. Der durch ihn erleuchtete Jivatman, seiner Einheit mit dem Einen bewusst, nimmt auch seine Einheit mit den Vielen wahr. Unser vordergründiges Bewusstsein, das mit dem Körper und mit dem zerteilten Leben und dem zerteilenden Mental identisch ist, ist unwissend. Aber auch dieses kann erleuchtet und bewusst gemacht werden. Die Vielfalt ist also nicht die notwendige Ursache der Unwissenheit.

Unwissenheit tritt, wie wir schon festgestellt haben, erst auf einer späteren Stufe, als eine spätere Bewegung, auf, wenn das Mental sich von seiner spirituellen und supramentalen Basis getrennt hat. Sie erreicht ihre Höhe in diesem Erdenleben dort, wo sich das individuelle Bewusstsein in den Vielen durch das zerteilende Mental mit der Form identifiziert, die die einzige sichere Basis für die Zerteilung ist. Was ist aber die Form? Sie ist, wenigstens so, wie wir sie hier sehen, eine Ausgestaltung von konzentrierter Energie, eine Konzentration von Bewusstseinskraft in ihrer Bewegung, eine Verknüpfung, die durch einen ständigen Wirbel von Aktivität im Dasein erhalten wird. Aber aus welcher transzendenten Wahrheit oder Wirklichkeit sie auch hervorgehen oder welche sie auch zum Ausdruck bringen mag, sie ist in keinem ihrer Teile von selbst dauerhaft und ewig in der Manifestation. Sie ist weder ewig in ihrer Ganzheit noch in den sie konstituierenden Atomen. Denn diese können dadurch zertrümmert werden, dass man in einer dauerhaften konzentrierten Aktion die Energie-Verknüpfung auflöst, die das einzige ist, was ihre scheinbare Stabilität erhält. Eine Konzentration von tapas in Bewegung von Kraft auf die sie im Dasein erhaltende Form bringt die physische Grundlage für die Zerteilung zustande. Aber alle Dinge in der Aktivität sind, wie wir gesehen haben, eine Konzentration von tapas in Bewegung von Kraft auf sein Objekt. Der Ursprung der Unwissenheit muss also in einer gewissen in sich selbst absorbierten Konzentration von tapas, von Bewusster-Kraft, gesucht werden, die auf eine separate Bewegung der Kraft einwirkt. Für uns nimmt das den Anschein an, als ob sich das Mental mit der separaten Bewegung identifiziere und sich auch innerhalb der Bewegung getrennt mit jeder der Formen identifiziere, die aus ihr hervorgehen. So bildet die Unwissenheit eine Wand von Separation, die das Bewusstsein in jeder Gestalt davon ausschließt, dass es seines eigenen totalen Selbsts oder des Bewusstseins anderer verkörperter Wesen und des universalen Wesens gewahr wird. Hier müssen wir Ausschau halten nach dem Geheimnis der in Erscheinung getretenen Unwissenheit des verkörperten mentalen Wesens ebenso wie der großen in Erscheinung getretenen Nichtbewusstheit der physischen Natur.

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Worte Sri Aurobindos

In der wesentlichen Tatsache seines universalen Seins ist Brahman eine Einheit und eine Vielfalt, die einander bewusst und ineinander bewusst sind. In seiner Wirklichkeit ist Brahman jenseits des Einen und der Vielen, enthält beide in sich und ist beider bewusst. Darum kann die Unwissenheit nur als ein untergeordnetes Phänomen durch eine Bewusstseins-Konzentration zustande kommen, die in ein Teil-Wissen oder ein Teil-Wirken des Wesens versunken ist und alles Übrige von ihrem Wahrnehmen ausschließt. Das mag entweder zu einer Konzentration des Einen in sich selbst unter Ausschluss der Vielen oder zu einer Konzentration der Vielen in ihrer eigenen Aktivität führen, wobei die All-Bewusstheit des Einen ausgeschlossen ist. Oder das individuelle Wesen ist in sich selbst konzentriert unter Ausschluss sowohl des Einen wie der übrigen Vielen, die dann für es gesonderte, in seine unmittelbare Bewusstheit nicht mit eingeschlossene Einheiten sind. Es ist aber auch möglich, dass an einem gewissen Punkt eine allgemeine Regel exklusiver Konzentration gilt oder eintritt, die in allen diesen drei Richtungen wirksam ist, eine Konzentration gesonderten aktiven Bewusstseins in einer gesonderten Bewegung. Das findet aber nicht in dem wahren Selbst statt, sondern in der Kraft des aktiven Wesens, in Prakriti.

Wir ziehen diese Hypothese den anderen vor, weil keine der anderen, für sich allein genommen, alle Fakten des Seins in sich enthalten oder miteinander in Einklang bringen kann. Das integrale Brahman kann in seiner Vollständigkeit nicht der Ursprung der Unwissenheit sein, da seine Vollständigkeit eigentlich All-Bewusstsein ist. Das Eine kann in seinem bewussten integralen Wesen das Vielfältige nicht ausschließen, weil sonst das Vielfältige überhaupt nicht existieren würde. Höchstens könnte es fern vom kosmischen Kräftespiel in seinem Bewusstsein irgendwo in den Hintergrund treten, um im individuellen Wesen eine ähnliche Bewegung möglich zu machen. In der Vollständigkeit der Vielen oder in jedem Selbst der Vielen können diese nicht wirklich unwissend sein hinsichtlich des Einen oder der anderen Vielen, weil wir unter „Viele“ das gleiche göttliche Selbst in allen verstehen, das hier zwar individualisiert, doch im bewussten Wesen mit allen und auch mit dem ursprünglichen und transzendenten Wesen in einer einzigen Universalität eins ist. Unwissenheit ist darum nicht der natürliche Charakter des Bewusstseins der Seele, selbst nicht der individuellen Seele. Sie ist das Ergebnis dessen, dass durch ein gewisses Wirken in der Bewusstseins-Kraft das Besondere hervorgehoben wird, wenn diese ganz in ihrer Aktivität versunken ist und ihr Selbst und die vollständige Wirklichkeit der Natur vergisst, Dieses Wirken kann nicht das ganze Wesen oder die ganze Kraft des Wesens ausmachen. Denn der Charakter dieser Vollständigkeit ist ein ganzes und nicht ein partielles Bewusstsein. Es muss sich um eine vordergründige oder partielle Bewegung handeln, die in einer oberflächlichen oder partiellen Aktion des Bewusstseins und der Kraft versunken, in seine äußere Form konzentriert ist und alles Übrige vergisst, das nicht in der äußeren Gestalt beschlossen und offenkundig wirksam ist. Die Unwissenheit ist das absichtliche Vergessen des Selbsts und des Alls in der Natur. Sie schiebt diese beiseite und stellt sie in den Hintergrund zurück, um allein das zu tun, was sie in einem bestimmten äußeren Spiel des Seins zu tun hat.

In der Unendlichkeit des Wesens und seiner unendlichen Bewusstheit ist die Konzentration des Bewusstseins, tapas, stets als innewohnende Macht von Bewusstseins-Kraft gegenwärtig. Sie ist ein selbst-verhaltenes oder in sich oder auf sich oder auf sein Objekt konzentriertes Innesein der ewigen Bewusstheit. Das Objekt ist aber in irgendeiner Weise stets sie selbst, ihr eigenes Wesen oder eine Manifestation oder Bewegung ihres Wesens. Die Konzentration mag wesenhaft sein. Sie mag sogar ein einziges Innewohnen oder völliges Versunkensein in den Grund ihres eigenen Wesens sein, eine erleuchtete oder selbst-vergessene Versenkung in sich. Sie kann eine vollständige, eine ganz oder teils mannigfaltige Konzentration sein. Sie mag auch die gesonderte Berücksichtigung eines einzigen Feldes ihres Wesens oder ihrer Bewegung sein, eine ausschließliche, punktartige Konzentration auf ein einziges Zentrum oder ein völliges Aufgehen in einer einzigen objektiven Form ihres Selbst-Seins. Die erste, die wesenhafte Konzentration ist am einen Ende das überbewusste Schweigen und am anderen Ende das Nichtbewusste. Die zweite, die vollständige, ist das umgreifende Bewusstsein von Sachchidananda, die supramentale Konzentration. Die dritte, die mannigfaltige, ist die Methode der zusammenfassenden oder globalen obermentalen Bewusstheit. Die vierte, die abgesonderte, ist charakteristisch für die Art der Unwissenheit. Die höchste Vollständigkeit des Absoluten hält alle diese Zustände oder Mächte seines Bewusstseins als ein einziges unteilbares Wesen zusammen. Es schaut auf sie alle als sein Selbst in Manifestation mit gleichzeitiger Selbst-Schau.

Man könnte also sagen, Konzentration im Sinne verhaltenen Innewohnens in sich selbst oder bezogen auf sich als Objekt gehöre zur eigentlichen Natur des bewussten Wesens. Denn obwohl es eine unendliche Ausweitung und weite Ausstreuung von Bewusstsein gibt, bleibt es doch eine verhaltene oder im Selbst enthaltene Ausweitung oder eine verhaltene oder im Selbst enthaltene Ausstreuung. Wenn es auch scheinbar eine Zerstreuung seiner Energien ist, ist es doch in Wirklichkeit eine Form von Austeilung und in einem Bereich seiner Außenseite nur möglich, weil sie von einer zugrunde liegenden, verhaltenen Konzentration getragen und unterstützt wird. Eine ausschließliche Konzentration auf ein einzelnes Subjekt oder Objekt oder in einem Bereich des Wesens oder einer Bewegung ist kein Verneinen der Bewusstheit des Geistes oder ein Heraustreten aus ihr, vielmehr eine der Formen, in denen sich die Macht von tapas selbst sammelt. Wenn aber die Konzentration exklusiv ist, bewirkt sie, dass alles übrige Selbst-Wissen hinter ihr zurückgehalten wird. Sie mag sich immer dieses Übrigen bewusst sein, handelt aber, als wäre sie dessen nicht bewusst. Das wäre aber noch kein Zustand oder Handeln der Unwissenheit. Erst wenn das Bewusstsein durch die Konzentration eine Wand der Ausschließung errichtet und sich dadurch selbst auf ein einzelnes Feld, auf einen Bereich oder einen Haltepunkt in der Bewegung so begrenzt, dass es nur dessen bewusst wird und alles andere als außerhalb von sich auffasst, haben wir das Prinzip eines sich selbst begrenzenden Erkennens, das zu einem separativen Wissen führen und seinen Höhepunkt in positiver und effektiver Unwissenheit finden kann.

Wir können eine gewisse Ahnung dessen, was das bedeutet und wozu es beim Handeln führt, bekommen, wenn wir die Art einer ausschließenden Konzentration im mentalen Menschen, in unserem eigenen Bewusstsein, betrachten. Zuerst müssen wir beachten, dass das, was wir gewöhnlich unter dem Menschen verstehen, nicht sein inneres Selbst ist; es ist nur die Summe einer sichtbaren, dauernden Bewegung von Bewusstsein und Kraft in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, der wir diesen Namen geben. Es ist das, was in der äußeren Erscheinung alles Wirken des Menschen leistet, alle seine Gedanken denkt und alle seine Empfindungen fühlt. Diese Energie ist eine Bewegung von Bewusstseins-Kraft, die in einem vorübergehenden Strom innerer und äußerer Wirkensweise konzentriert ist. Wir wissen aber, dass hinter diesem Energie-Strom ein ganzes Meer von Bewusstsein existiert, das zwar des Stromes bewusst, dessen aber der Strom unbewusst ist. Denn diese Summe von Energie an der Oberfläche ist eine Auswahl, ein Resultat von allem Übrigen, das unsichtbar ist. Dieses Meer ist das subliminale Selbst, das überbewusste, das unterbewusste, das des Inneren oder das der Außenwelt bewusste Wesen, ferner die Seele, die seelische Wesenheit, die dies alles zusammenhält. Der Strom ist der natürliche, der äußere Mensch. In diesem an seiner Oberfläche lebenden Menschen ist tapas, die dynamische Bewusstseins-Kraft des Wesens, vordergründig in einer bestimmten Menge von Wirkensweisen an der Außenseite konzentriert. Alles Übrige von seinem Selbst hat es zurückgestellt und kann dessen nur vage im unartikulierten Hintergrund seines bewussten Seins gewahr werden. Es ist dessen aber nicht in der vordergründigen, von der Oberfläche in Anspruch genommenen Bewegung bewusst. Es ist nicht eigentlich, zumindest nicht in jenem Hintergrund oder in jenen Tiefen, in einem wesentlichen Sinn des Wortes über sich selbst unwissend. Aber es hat für die Zwecke seiner Bewegung an der Oberfläche und innerhalb dieser Bewegung sein wirkliches, größeres Selbst vergessen, da es allein von dem in Anspruch genommen und ausschließlich auf das konzentriert ist, was es in seinem vordergründigen Bereich tut. In Wirklichkeit vollzieht jedoch jenes verborgene Meer und nicht die oberflächliche Strömung alles Wirken: Das Meer ist die Ursache dieser Bewegung, nicht die bewusste Welle, die es emporwirft, einerlei, was das Bewusstsein dieser Woge, die in ihre Bewegungen versunken ist, in diesen lebt und nichts anderes sieht als diese, darüber denken mag. Und dieses Meer, dieses wirkliche Selbst, das integrale bewusste Wesen, die integrale Kraft des Wesens, ist nicht unwissend. Sogar die Woge ist nicht wesenhaft unwissend, denn sie enthält in sich selbst das ganze Bewusstsein, das sie zwar vergessen hat, ohne das sie aber gar nicht wirken oder weiterbestehen könnte. Sie ist aber selbstvergessen, in ihrer eigenen Bewegung völlig aufgegangen, zu sehr darin versunken, als dass sie etwas anderes als diese Bewegung zur Kenntnis nehmen könnte, solange diese sie ständig und vor allem anderen beschäftigt. Ein begrenztes praktisches Sich-selbst-Vergessen, aber keine essenzielle und bindende Selbst-Unwissenheit ist die Art dieser ausschließenden Konzentration, die jedoch die Wurzel von dem ist, was sich als Unwissenheit auswirkt.

So sehen wir auch: Zwar ist der Mensch in Wirklichkeit ein unteilbarer Strom von tapas, von bewusster Energie in der Zeit: Er kann in der Gegenwart nur aufgrund der Summe der Kraft seines vergangenen Wirkens handeln, und er erschafft bereits seine Zukunft durch seine vergangene und gegenwärtige Aktivität. Dennoch lebt er, vom gegenwärtigen Augenblick völlig absorbiert, von einem Augenblick zum anderen. Darum weiß er in dieser oberflächlichen Aktivität seines Bewusstseins nichts von seiner Zukunft und ebensowenig etwas von seiner Vergangenheit, abgesehen von jenem kleinen Teil von ihr, den er sich jeden Augenblick durch seine Erinnerung zurückzurufen vermag. Er lebt jedoch nicht wirklich in der Vergangenheit. Was er zurückruft, ist nicht die Vergangenheit selbst, sondern nur ihr Gespenst, der begriffliche Schatten einer Wirklichkeit, die jetzt für ihn tot, nicht-existent, nicht mehr im Dasein ist. Aber all das ist ein Wirken der vordergründigen Unwissenheit. Das wahre Bewusstsein in seinem Inneren ist sich seiner Vergangenheit nicht unbewusst. Es bewahrt sie, nicht notwendigerweise in der Erinnerung, sondern im Wesen, als noch aktiv, lebendig und in ihren Ergebnissen greifbar. Es sendet diese von Zeit zu Zeit empor in die Erinnerung, konkreter dem äußeren bewussten Wesen, im Resultat eines vergangenen Handelns oder vergangener Ursachen – das ist in Wirklichkeit die Erklärung für das, was man Karma nennt. Dieses wahre Bewusstsein nimmt auch die Zukunft wahr oder kann das tun. Denn irgendwo im inneren Wesen ist ein Bereich des Erkennens, der für Zukunfts-Wissen, für einen Zeit-Sinn, für eine Zeit-Schau, für ein Zeit-Verstehen offen ist, das ebenso voraus wie nach rückwärts schaut. Etwas in ihm lebt unteilbar in den drei Zeiten und enthält alle scheinbaren Zerteilungen in sich. Es hält in sich die Zukunft zu ihrer Manifestation bereit. Hier also, in dieser Gewohnheit, nur in der Gegenwart zu leben, haben wir ein zweites Versunkensein, eine zweite ausschließende Konzentration, die das Wesen weiter kompliziert und eingrenzt, die aber den sichtbaren Ablauf des Wirkens dadurch vereinfacht, dass sie dieses nicht auf den ganzen unendlichen Ablauf der Zeit, sondern auf eine begrenzte Aufeinanderfolge von Augenblicken bezieht.

Darum ist der Mensch in seinem äußeren Bewusstsein sich selbst gegenüber dynamisch und praktisch der Mensch des Augenblicks, nicht der Mensch der Vergangenheit, der einst war und nicht mehr existiert, und auch nicht der Mensch der Zukunft, der noch nicht existiert. Durch Erinnerung verbindet er sich mit dem einen, durch Vorausahnen mit dem anderen. Sein Ego-Sinn durchläuft beständig die drei Zeiten. Dieser ist aber eine zentralisierende mentale Konstruktion, kein wesenhaftes und umfassendes Sein, das alles in sich enthält, was war, ist und sein wird. Hinter ihm steht eine Intuition des Selbsts. Diese ist aber eine fundamentale Identität, die von den Wandlungen seiner Personalität nicht beeinträchtigt wird. Er ist in seiner vordergründigen Wesensgestaltung nicht jenes, sondern das, was er im Augenblick ist. Dennoch ist dieses Dasein im Augenblick die ganze Zeit über nicht die wirkliche oder die ganze Wahrheit seines Wesens, sondern nur eine praktische oder pragmatische Wahrheit für die Zwecke der Abläufe an der Außenseite seines Lebens und in dessen Grenzen. Sie ist Wahrheit, keine Unwirklichkeit. Aber sie ist Wahrheit nur in ihrem positiven Tell. In ihren negativen Teilen ist sie Unwissenheit. Diese negative Unwissenheit begrenzt auch die praktische Wahrheit und entstellt sie oft so, dass das bewusste Leben des Menschen gemäß der Unwissenheit, einem partiellen, halb-wahren und halb-falschen Wissen verläuft und nicht Im Einklang mit der wirklichen Wahrheit seiner selbst, die er vergessen hat. Weil jedoch sein wirkliches Selbst in Wahrheit die bestimmende Macht ist und alles insgeheim vom Hintergrund her lenkt, bestimmt in Wirklichkeit ein hintergründiges Wissen den gestalteten Verlauf seines Daseins. Die vordergründige Unwissenheit bildet eine notwendige, begrenzende äußere Linie und liefert die Faktoren, durch die seinem Bewusstsein und seinem Wirken die äußere Färbung und Richtung gegeben werden, die er für sein gegenwärtiges menschliches Leben und seinen jetzigen Augenblick braucht. In derselben Welse und aus demselben Grund identifiziert sich der Mensch auch nur mit dem Namen und der Gestalt, die er in seinem gegenwärtigen Dasein trägt. Er weiß nichts von seiner Vergangenheit vor der Geburt und ebensowenig von seiner Zukunft nach dem Tod. Aber alles, was er vergisst, ist in dem alles-bewahrenden integralen Bewusstsein in seinem Inneren enthalten und bleibt gegenwärtig und wirksam.

Es gibt noch eine untergeordnete pragmatische Verwendung einer ausschließenden Konzentration im Vordergründigen, die uns, trotz ihres vordergründigen Charakters, einen Hinweis geben kann. Der äußere Mensch lebt von einem Augenblick zum anderen. Er spielt in seinem gegenwärtigen Leben sozusagen verschiedene Rollen. Während er mit jeder einzelnen Rolle beschäftigt ist, kann er sich ausschließlich auf sie konzentrieren und ist von ihr so absorbiert, dass er sein ganzes übriges Dasein vergisst, es für den Augenblick nach hinten verdrängt und im gleichen Maß sich selbst vergisst. Für den Augenblick ist dieser Mensch der Schauspieler, der Dichter, der Soldat oder das, wozu er durch ein besonderes und charakteristisches Wirken der Kraft seines Wesens, durch sein tapas, seine vergangene bewusste Energie und das Handeln, das sich daraus entwickelt, konstituiert oder gestaltet wurde. Er ist nicht nur fähig, sich an diese ausschließliche Konzentration auf einen Teil seines Wesens für den Augenblick ganz hinzugeben, sondern sein Erfolg im Wirken hängt weithin von der Vollständigkeit ab, mit der er so all sein übriges Wesen beiseite lassen und nur in seinem unmittelbaren Werk leben kann. Dennoch können wir allezeit sehen, dass es der ganze Mensch ist, der in Wirklichkeit die Handlung vollzieht, und nicht nur dieser besondere Teil von ihm. Was er tut, die Art, wie er es tut, die Elemente, die er bei seinem Tun verwendet, und das Gepräge, das er seinem Werk verleiht, sind abhängig von seinem ganzen Charakter, seinem Mental, seiner inneren Gestaltung, seinem Genie, von allem, wozu ihn seine Vergangenheit gemacht hat und nicht allein seine Vergangenheit in diesem Leben, sondern auch in anderen Lebensabläufen. Und wiederum ist nicht nur seine Vergangenheit, sind vielmehr Vergangenheit, Gegenwart und vorausbestimmte Zukunft sowohl von ihm selbst als auch seiner Umwelt die bestimmenden Faktoren seines Wirkens. Der gegenwärtige Schauspieler, Dichter oder Soldat in ihm ist nur eine gesonderte Bestimmung seines tapas. Es ist die Kraft des Wesens, die für eine besondere Art des Wirkens seiner Energie, für eine gesonderte Bewegung von tapas organisiert und befähigt ist – und diese Befähigung ist keine Schwäche, kein Mangel, sondern eine große Macht des Bewusstseins -, sich in diesem besonderen Wirken ganz zu verzehren, so dass er zeitweilig all sein Übriges vergisst, obwohl doch jenes Übrige die ganze Zeit im Hintergrund des Bewusstseins und im Wirken selbst gegenwärtig und aktiv ist oder seinen Einfluss auf die Gestaltung des Werkes ausübt. Diese aktive Selbst-Vergessenheit des Menschen in seinem Werk und in der Rolle, die er spielt, unterscheidet sich von der anderen, tieferen Selbst-Vergessenheit insofern, als die Trennungswand weniger deutlich in Erscheinung tritt und auf die Dauer nicht vollständig ist. Das Mental kann seine Konzentration auflösen und jederzeit von seinem Werk in das Bewusstsein jenes umfassenderen Selbsts zurücktreten, dessen Teil-Wirksamkeit es war. Der äußere, der nur im Sichtbaren lebende Mensch, kann nicht ebenso aus eigenem Willen zu dem wirklichen Menschen in seinem Inneren zurücktreten. Unter außergewöhnlichen Bedingungen seiner Mentalität kann er das auf abnorme oder übernormale Weise nur bis zu einem gewissen Grad oder dauernd als das Ergebnis eines langen und harten Selbst-Trainings, einer Selbst-Vertiefung und Selbst-Erhöhung oder Selbst-Ausweitung. Immerhin kann er zurücktreten. Darum ist der Unterschied nur ein phänomenaler, kein essenzieller. Im wesentlichen ist es in beiden Fällen dieselbe Bewegung einer ausschließenden Konzentration, wobei der Mensch in einen besonderen Aspekt seiner selbst, in ein Handeln, eine Bewegung von Kraft absorbiert ist. Jedoch sind die Umstände verschieden, und es handelt sich um eine andere Art des Wirkens.

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Возрастное ограничение:
18+
Дата выхода на Литрес:
26 мая 2021
Объем:
266 стр. 11 иллюстраций
ISBN:
9783963870682
Правообладатель:
Автор
Формат скачивания:
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