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Denise Remisberger

Die reisegeplagte Reliquie

Ein Pfarrer Jacques Krimi

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Inhaltsverzeichnis

Titel

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Impressum neobooks

1

Isaak sass auf einer Treppenstufe und schaute aufs Meer hinaus. Das salzige Wasser glitzerte und funkelte in der Mittagshitze, doch der Pfarrer schwitzte nicht, denn um diese Jahreszeit, kurz vor Weihnachten, fegte ein ziemlich kühler Wind durch Málaga, der sich seinen Weg vom Atlantik her durch die Strasse von Gibraltar zielsicher zu bahnen wusste.

Isaak hatte seine Soutane über die Knie gezogen, sodass seine Blue Jeans darunter sichtbar wurden. Er rauchte eine dieser ultrastarken spanischen Zigaretten ohne Filter und genoss seine Siesta uneingeschränkt, solange, bis sein Ministrant Pepe ihn aus seinen andächtigen Träumereien aufschreckte.

«Isaak, Isaak, das Amulett ist weg, das Amulett ist weg!», schrie Pepe und fuchtelte mit den Händen vor den Augen des Pfarrers herum.

«Du sprichst nicht zufällig von unserem Amulett, unserem Schutz, der Reliquie unserer kleinen Kirche? Pepe?»

«Doch, Isaak», schluckte Pepe. «Es ist weg. Der Schrein aus gefärbtem Bleiglas, er ist noch ganz. Aber das Schloss ist aufgebrochen, kaputt. Und das Reliquiar ist leer.»

Nachdem Isaak die Katastrophe in Augenschein genommen hatte, zog er sich zurück, um zu beten. Er betete zur Schutzheiligen seiner kleinen Kirche, obwohl er auch zu Maria hätte beten können. Doch das tat er nie. Sie war ihm zu fremd. Giuseppa hingegen, das war seine Ansprechperson in Zeiten der Not und in Zeiten der Freude. Der gestohlene Schutzgegenstand und die Heilige waren eins.

Ursprünglich aus Neapel, pilgerte Giuseppa nach Spanien, wurde in Málaga überfallen und schlug die messerbewehrte Gruppe in die Flucht, genau dort, wo jetzt seine kleine Kirche stand. Mit dem magischen Talisman in der Hand. Ein Wunder. Es hatte gewirkt.

Die Kugel, aus der Lava des Vesuvs geformt und durchlöchert, liess manchmal den Blick frei ins Innere, dorthin, wo sich ein Milchzahn befand, der an die Innenwände der Wunderkugel klackte, wenn sie geschüttelt wurde. Es wurde allgemein angenommen, dass der Milchzahn der Heiligen gehört hatte. Wie er in die Kugel gekommen war, wusste niemand so genau. Ein weiteres Wunder eben.

Und nun war sie weg, die heilige Kugel, und das ging nicht. Sie musste zurückkommen. Das war klar.

Isaak betete um das Wie. Was konnte er tun, um die Reliquie zu finden und nachhause zu holen? Die Antwort der seit mehreren hundert Jahren toten Frau kam wie immer anders, als erwartet.

«Warte, Isaak, warte hier und konzentriere dich. Bilde in deiner Vorstellung ein energetisch starkes Band zwischen dir und meiner Wunderkugel und sie wird automatisch zu dir zurückfinden. Weise ihr den Weg. Sie gehört hierher. Niemand sonst kann sie lange behalten. Hier, in ihrem Zuhause, gewährt sie Schutz. Fern, gestohlen, entweiht, bringt sie Unglück.»

2

Senda rührte mit einem langstieligen Holzlöffel in einem grossen Topf, der auf der einzigen Herdplatte stand. Darin befand sich Tschai, der indische Gewürztee. Sie musste aufpassen, dass die Milch, die sie kurz vorher beigefügt hatte, nicht überkochte. Sternanis, Zimtstangen und Kardamomsamen: Alles hatte Senda von Hand im Mörser zerrieben, bevor es in den Topf gekommen war.

Hinter ihr hockte Kandel auf einem wackeligen, mit Farbklecksen übersäten Holzstuhl und zog tief an seinem Shillum.

Ein Tresen teilte den Raum ein in den kleineren Abschnitt, in dem sich jetzt Senda und Kandel aufhielten, und in einen grösseren, mit einem uralten schwarzen Kachelofen in der Mitte und Bänken drum herum, entlang den bemalten Wänden. Eine schwer begehbare Wendeltreppe führte in den oberen Stock, dessen Haupträume nur über ein fussbreites Mäuerchen erreicht werden konnten. Der Ausgang befand sich zwischen dem Tresen und der ersten Bank, mit einem dicken Vorhang verhängt, der gerade von einer kräftigen Hand zur Seite geschoben wurde.

Ulrich, der eine Woche zuvor aus der Psychiatrischen Klinik Burghölzli, ins Nobelquartier der Stadt Zürich platziert, ausgebrochen war und hier, im hinteren Teil der Grotta, Unterschlupf gefunden hatte, setzte sich, ganz in seinen Träumereien gefangen, auf die Bank neben dem Eingang, um jederzeit wieder hinausrennen zu können.

«Der Tschai ist bald fertig, Ulrich», sprach ihn Senda lächelnd an.

Ulrich drehte ihr den Kopf zu, mit einem erstaunten Gesichtsausdruck, und nickte feierlich.

Nach und nach trudelten die üblichen Gäste ein. Manuel, der Musiker, der noch bei seiner Mutter wohnte, Blero, der die Karten legte, und die neu in die Grotta Eingezogenen: Biffi mit seinem Wolfshund Raiuk und Aristo, den hohen Zauberhut auf dem Kopf, ebenfalls in Begleitung seiner Hündin Hexe.

Der Tschai war fertig, und für zwei Franken die Tasse wurde er von Kandel eingeschenkt und verteilt. Santana tönte aus den grossen Lautsprechern, während sich das Hybridium langsam mit Mensch und Tier füllte.

Gegen Mitternacht stand plötzlich ein junger Mann neben dem Kachelofen und wusste nicht so recht, wohin er sich setzen sollte. Er hatte als Einziger weit und breit kurze Haare, einen nüchternen Blick und eine seltsam gewöhnliche Ausstrahlung.

Alle grinsten auf den Stockzähnen – der Ankömmling war ein Fahnder, der hier, in diesem besetzten Haus, nach Haschisch suchte.

Er konnte es aber nirgends sehen, nur riechen, und das zermürbte ihn ein bisschen. Darum begann er ein Gespräch mit Senda, die gerade an Manuels Gitarre zupfte. «Bringst du mir ein Lied bei, Gitarrera?», strahlte er sie in seiner hellwachen Art an.

Senda kicherte zurück: «Sicher, auch du sollst etwas Sinnvolles lernen.»

Sie fing den Unterricht gleich mit einem komplizierten klassischen Stück an, um den Herrn Polizisten etwas aus der Bahn zu werfen, was ihn aber unerwartet zu wahren Begeisterungsschüben animierte.

Die Polizei setzte sich eben gerne in Szene.

3

Armand schaute sich den seltsamen Gegenstand, den er hatte klauen müssen, genauer an. Er drehte die löcherige schwarze Kugel in der Hand und zuckte dann mit den Schultern. Was für schwachsinnige Aufträge er manchmal ausführen musste. Was wollte dieser blutjunge protestantische Pfarrer aus Zürich nur mit diesem hässlichen Ding? Es vielleicht seiner Zukünftigen vor die Füsse legen? Die durften ja heiraten, die falschen Hochwürden. Dieser Jacques mit seinem Blick. Schlimmer als sein Nachbar, der Börsenspekulant. Profitgier bis ins Mark.

Er selber, Armand, war eigentlich konfessionslos. Er arbeitete schon sein ganzes Leben lang als Dieb. Seine eine Stärke war, dass er sich überall unbemerkt einschleichen konnte, sozusagen geräuschlos war. Und unsichtbar. Ja, er gab es ja zu, diesen Umstand des Unsichtbarseins verdankte er seiner Unscheinbarkeit. Aber dies verursachte ihm keine Komplexe. Darum war seine zweite Stärke, dass er niemandem erzählen musste, dass er ein Dieb war. Er verspürte dieses Bedürfnis einfach nicht.

Und das würde auch so bleiben, denn als Armand die vielbefahrene Küstenstrasse kurz vor Algeciras entlangbrauste, rammte ihn ein Lastwagen, dessen Fahrer, völlig übermüdet, nur für ein paar Sekunden eingenickt gewesen war und nun, beim Lärm des Zusammenpralls, wachgerüttelt wurde und sogleich in einen Schockzustand verfiel.

Als die Polizei kam, fand sie einen kreideweissen Chauffeur vor, der am Strassenrand hockte und über die Strasse hinweg aufs Meer starrte, und hinter der Leitplanke, im dornigen Gestrüpp verheddert, einen gewissen Armand Mélange, wie es in seinem Fahrzeugausweis zu lesen war, der als völlig unbeschriebenes Blatt in der Unfallstatistik vermerkt werden würde.

Ganz zuunterst im Dornenbusch lag die Reliquie der Giuseppa. Und als die Polizei und die Beteiligten, einer tot, der andere krank, ihre ramponierten Fahrzeuge im Schlepptau, das Feld geräumt hatten, lag sie immer noch dort.

4

Er verzichtete gänzlich darauf, zu kiffen, und zog nervös an seinen Bidis, eine Art indischer Zigaretten, während er vom grossen Passagierschiff hinunterstolperte und auf dem festen Grund des Hafens von Algeciras aufkam. Er holte sich nur eine kleine Schramme an einem Zeh, die niemand bemerkte, da das wenige Blut, das aus der Verletzung tröpfelte, in der dicken Teerschicht, die seine Fusssohlen überzog, versickerte.

Felix hasste Schuhe. Darum bewegte er sich barfuss fort. Zudem trug er lange senfgelbe Jeans und ein rot-oranges wallendes Oberteil, mit Spiegelchen verziert. Seine hennagefärbten roten Haare lockten sich im Wind, während er panisch nach den Hunden des spanischen Zolls Ausschau hielt. Zu seinem Glück waren diese aber mit einem Lieferwagen beschäftigt, der allem Anschein nach mehrere Kilo Haschisch aus Marokko in seinen Innereien versteckt gehabt hatte. Blöderweise war ein geringer Teil der Droge auf dem Beifahrersitz gelandet, was sofort den Geruchssinn der Polizeihunde alarmiert hatte.

Als Felix endlich im Bus nach Málaga sass, zitterte er immer noch. Mit ihm wackelten die drei Kilo bester Qualität aus dem klimatisch einwandfreien Atlasgebirge, eingewickelt in diverse Verpackungen, die wichtigste davon waren Bienenwaben, die den Geruch am Durchdringen hindern sollten. Die ganze Emballage war mit Klebeband um Felix’ Bauch befestigt, das sich jetzt, vor lauter kaltem Schweiss, zu lösen begann. Bei der nächstbesten Gelegenheit würde er aus dem Bus aussteigen und das ganze Zeugs einfach in seinen Rucksack umtopfen. Bis zur Schweizer Grenze gab es keine Zölle mehr und dort, ja, dort verliefen so viele grüne Grenzen, dass ihm ganz froh ums Herz wurde.

5

In diesem Café hier in Algeciras würde er noch versauern. Jacques hockte nun schon seit drei vollen Stunden am gleichen runden Tischchen und schlürfte einen Kaffee nach dem anderen.

Langsam aber sicher machten sich der Kellner und vor allem der Gastwirt Sorgen, ob dieser blonde junge Mann mit dem komischen Talar inklusive Beffchen nicht etwas völlig anderes war, als er zu sein vorgab. Zum Beispiel ein Journalist, der Tests in diversen Lokalen durchführte, um dann in seiner Zeitung Noten für die Freundlichkeit des Personals und die Qualität des Ausgeschenkten zu verteilen. Als Jacques sich endlich erhob, bezahlte und gegangen war, atmeten die beiden sichtlich auf.

Wo war die Reliquie? Wo war Armand? Der verzichtete doch nicht auf tausend Euro, die zweite Hälfte seiner Bezahlung. Irgendetwas Unvorhergesehenes musste geschehen sein. Er wusste nicht, was. Aber eines wusste er: Er musste unbedingt die göttliche Kugel haben. Jacques knirschte mit den Zähnen und setzte sich entschlossen in seinen Camper. Er glaubte zwar nur an Gott und keineswegs an irgendwelche Götzenbilder, doch in Momenten der Not sprach er mit seinem Camper, so wie gewisse andere mit der Maria.

«Wo muss ich suchen?», fragte Jacques und fixierte das Steuerrad. Er liess seine Hände ganz locker darauf ruhen und wartete, bis sie sich auf dem Lenker wie von selbst in eine bestimmte Richtung drehten. Also startete er den Motor und nahm die Küstenstrasse in Richtung Frankreich.

6

Als Felix kurz nach Algeciras den Bus verlassen hatte, überquerte er die Strasse und suchte Sichtschutz hinter einer Gruppe Dornengestrüppen. Er kauerte sich auf den Boden, entfernte die Haschischplatte von seinem Bauch und schob sie mitsamt dem feuchten Klebeband zuunterst in seinen Rucksack, wobei er zuerst alles andere daraus hervorgeholt hatte, um es jetzt über seine Schmuggelware zu legen. Sein Päckchen Bidis fiel dabei in eines der Dornengestrüppe, und als Felix es herausfischte, fiel sein Blick auf etwas Dunkles, das ihn magisch anzog. Als er vorsichtig seine Hand zwischen die Dornen schob und den fremden Gegenstand barg, staunte er nicht schlecht. Das war Lava. In dieser Gegend gab es aber seines Wissens keinen Vulkan. Und löcherig war diese kugelförmige Sache. Als er sie schüttelte, klackte es drinnen. Und als er sie ins Licht hielt, erblickte er einen Zahn.

«Du wirst meine Schutzkugel, wenigstens für die Heimreise.»

Und als Felix den nächsten Bus bestieg, fühlte er sich entspannt und sicher.

7

«Isaak, Isaak, eines der Gläser des Reliquienbehälters ohne Reliquie hat einen Riss bekommen», schrie Pepe wiederholt, rannte zur kleinen Kirche hinaus und in den Kräutergarten hinein, wo Isaak die Beete mit Wellpappe vor dem kühlen Wind schützte, erstens, weil es nötig war, und zweitens, um sich abzureagieren.

«Dann hat unsere Reliquie den Besitzer gewechselt, Pepe. Sie befindet sich auf Wanderschaft.»

«Wanderschaften führen irgendwann wieder nachhause, Isaak.»

«Genau, Pepe, wir müssen nur abwarten.»

8

«Und?», forderte der Abteilungsleiter der Vierten Spezial, Neo Klägeli, in einem hässlichen Büro der Kantonspolizei Zürich zu wissen, während er den Dreck aus den Rillen seiner Schuhsohlen auf dem gräulichen Linoleumfussboden verteilte.

«Nichts», flüsterte Heribert Klaun und scharrte ebenfalls mit den Füssen, nur dass seine Schuhe sauber waren.

«Was machen die denn dort?», insistierte Neo Klägeli.

«Nichts», wiederholte Heribert Klaun, «sie spielen Gitarre, kochen Tee, …»

«Haschtee?», frohlockte Klägeli.

«Nein, Gewürztee», korrigierte Heribert.

«Und sonst?»

«Sie hören Musik, legen Karten, …»

«Ah!», unterbrach Klägeli erneut.

«Wir sind nicht die Heilige Inquisition, sie können so viel Karten legen, wie sie wollen», empörte sich Heribert, vor allem, da ihm die Gitarrera endlich eine Freundin prophezeit hatte. Daran hielt er fest.

«Und dieser obere Stock?»

«Der ist nur über ein fussbreites Mäuerchen erreichbar.»

«Dann geh’ halt auf diesem Weg hinein!»

«Ich bin doch nicht lebensmüde!»

«Tu, was ich dir sage!»

«Und wenn ich runterfalle?»

«Dann bezahlt der Staat die Beerdigung. Verschwinde jetzt und tu deine Pflicht fürs Vaterland.»

«Mein Vaterland ist aber Deutschland und meine Mutter stammt aus Österreich.»

«Das tut jetzt nichts zur Sache. Ausserdem hast du den Schweizer Pass.»

«Nein, auf den habe ich verzichtet.»

«Was?»

«Ja.»

«Geh!», befahl Klägeli befremdet.

Und Heribert Klaun gehorchte widerwillig.

9

«Heut’ Abend ist Grufti-Party im X-Tra», verkündete Senda gut gelaunt. «Kommt jemand mit?»

«Ich», lachte Aristo, «passt du auf Hexe auf, Ulrich?»

«Ich?», erschrak der Angesprochene.

«Ja, du. Weisst du nicht, dass Tiere heilsam für psychische Störungen sind?»

«Meinst du?»

«Ja, sicher.»

Als Senda und Aristo, beide in lange schwarze Mäntel gehüllt und mit schwarzen spitzen Lederschuhen an den Füssen, im X-Tra ankamen, schlug der Kirchturm nebenan gerade Mitternacht. Der Eintritt war gratis, die Getränke billig. Hier liess es sich abhängen.

«Grossalarm!», kreischte Heribert Klaun in sein Diensthandy.

«Was für ein Grossalarm?», fragte Kommissar Trüb gelangweilt zurück.

«Die Gitarrera, äh, ich meine die Hausbesetzerin geht in die Disko. Und sie ist nicht alleine.»

«Und jetzt?»

«Ich brauche mindestens zehn Leute für eine Beschattung. Sofort. Ins Palais-X-Tra am Limmatplatz.»

«Du kriegst höchstens fünf, Heribert, und schrei nicht so.»

«Ich warte im Eingangsbereich.»

«Ja, ja, wir beeilen uns.»

Auf der Tanzfläche war es nicht sehr voll, sodass sich Senda und Aristo ausgiebig im Rhythmus von «Joy Division» bewegen konnten.

Alle hier trugen Schwarz. Absolut niemand kam in einer anderen Farbe daher. Darum fielen die fünf Bestellten von der Kripo in ihren abgefriemelten Blue Jeans, mittelbraunen hohen Stiefeln und labbrigen weissen T-Shirts unglaublich auf.

Heribert versteckte sich hinter einem grossen Sofa. Er wollte keinesfalls von seiner Gitarrera erkannt werden.

«Was sind denn das für welche?», platzte es aus Mullrow heraus, der gerade bei Aristo stand und an seinem Plastikbecher Bier nippte. Er zeigte mit dem Finger auf die seltsamen fünf und kicherte.

Senda und Aristo schauten sich nur wissend an und sagten nichts. Sie beobachteten, wie einer der Auffälligen, ein kleiner Blondgelockter, auf die Tanzfläche schlich und zwar gut tanzte, aber absolut nicht im Stil der anderen. Ein zweiter, ein schöner Afrikaner mit Alibi-Arbeitsbewilligung bei der Schweizer Polizei, kam dazu, lächelte Senda die ganze Zeit über an und stolperte dauernd. Es war nicht sein Rhythmus. Viel zu cool.

Während es für Heribert hinter dem Sofa immer unbequemer wurde, ermüdeten die beiden Fahnder langsam und liessen sich von den drei anderen ersetzen.

Nicht, dass Senda und Aristo nicht schon selber den Altersdurchschnitt in dieser Disko anhoben, doch diese drei hier bombten die Skala direkt ins Altersheim. Der eine, grauhaarig und mit dicken Tränensäcken unter den trüben Augen, versuchte, sich dem ihm völlig fremden Rhythmus anzupassen, indem er, mit leicht gekrümmtem Rücken, sein Gewicht von einem Fuss auf den anderen verlagerte und wieder zurück. Der zweite, grösser und kräftiger, tat sein Bestes, es den schwarzbemantelten Hüpferlingen, die ihn, intensiv nach Haarspray duftend, umzingelten, gleichzutun und kam rasend schnell aus der Puste. Die Frau, klein und grauschwarz, hätte jetzt zwar lieber die Miracle Workers gehört, doch sie hielt sich ganz tapfer.

Heribert hatte endgültig genug und verdrückte sich in das eine der beiden Dienstautos, die am Strassenrand vor dem Lokal korrekt in einer Parklücke standen. Nach ein paar Minuten setzte sich sein blondgelockter Kollege zu ihm in den Wagen und zündete sich eine Super Light an.

«Musst du diese grässliche Pseudo-Zigarette hier drinnen rauchen, Carlo?», meckerte Heribert.

«Na hör mal, wir sind extra hierher gekommen, um dir beizustehen, und was ist passiert? Nichts! Absolut nichts. Dein Grossalarm hat sich als Fehlalarm entpuppt. Die beiden tanzen und trinken Bier. Das ist alles. Nein, das ist nicht alles. Sie lachen uns aus, das kommt noch dazu. Warum hast du nicht gesagt, dass hier alle schwarz angezogen sind? Dann hätten wir das auch so gemacht und wären weniger aufgefallen.»

«Woher sollte ich denn das wissen? Im besetzten Haus gibt es hauptsächlich Hippies, in alle möglichen Farben gehüllt.»

«Aber wie Hippies sehen wir auch nicht aus.»

«Nicht wirklich, nein. Zu stillos.»

«Keinen Stil, nein. Vielleicht sollten wir mal neue Arbeitskleidung bestellen.»

«Und wo kriegen wir die her?»

«Keine Ahnung.»

399
669,35 ₽
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0+
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90 стр. 1 иллюстрация
ISBN:
9783748595502
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