Читать книгу: «Osteopathie und Swedenborg», страница 12

Шрифт:

11. DIE PHILOSOPHIE DER HARMONIE UND DER FRÜHE SPIRITISMUS
DIE PHILOSOPHEN DER HARMONIE

Die kleine Gruppe, welche sich in New York von 1845 bis 1847 um Davis bildete, ist als die der ‚Philosophen der Harmonie’ bekannt. Seit Beginn von Davis’ Berufslaufbahn war ‚Harmonie’ eines seiner Kernthemen. Weil sein eigenes Leben durch Streit geprägt war, entwarf er ein Utopia, das entstehe, wenn die Menschheit sich spirituell in einer universalen Harmonie mit dem Nächsten, mit der Natur und Gott entwickelte. Davis formulierte seine eigene Version swedenborgianischer Kosmologie und Philosophie, grab ganze Abschnitte der wissenschaftlichen und theologischen Ideen Swedenborgs (etwa von der Bewegung des Gehirns) aus und bezog sie in seine Paradigmen mit ein, die auf Swedenborgs Anschauungen beruhten; das Ganze bezeichnete er als ‚Philosophie der Harmonie’.256

Wie schon zuvor erwähnt, waren seine drei frühen Mitstreiter in New York der universalistische Geistliche und Verleger Samuel Brittan, dessen Schwager Silas Lyon, ein Arzt, sowie Rev. William Fishbough, ebenfalls ein universalistischer Geistlicher, der 1845 – 1847 Davis’ Trance-Vorträge aufzeichnete. In den universalistischen Kirchen der Gegend um New York gab es viele Menschen, die an Swedenborg sehr interessiert waren; die Gegend bildete gleichsam einen Brennpunkt der swedenborgianischen Bewegung in den 1840ern. Obgleich sie wahrscheinlich keine echten Swedenborgianer waren, hatten sie doch Interesse an Swedenborg. Auch der bekannte swedenborgianische Professor Bush besuchte die Vorträge von Davis und stand im Kontakt mit anderen Besuchern. 1847 wurden diese Vorträge als The Principles of Nature, Her Divine Revelations, and a Voice to Mankind veröffentlicht. Es handelte sich um Davis’ erstes Buch und es erschien, nachdem Davis Bushs öffentliche Unterstützung gewonnen hatte, was zu maßgeblich seinem anschließenden Erfolg beitragen sollte. Das Buch beruhte offensichtlich auf Swedenborgs Kosmologie und Theologie. Dem Historiker Frank Podmore zufolge geht es in The Principles of Nature inhaltlich um Folgendes:

„Das Buch verkörpert philosophische und theologische Sichtweisen, die in der Luft lagen. Die Lehre vom Großen Menschen, die Wissenschaft der Entsprechungen, die Beziehungen zwischen der Welt der Materie und der Welt des Geistes – mit einem Wort der größere Teil seines theologischen Schemas – stammen von Swedenborg.”

Andere Menschen traten in Verbindung zu dieser frühen Gruppe, darunter die Swedenborgianer Joel Tiffany, W. S. Courtney und W. M. Fernald, ferner Thomas Lake Harris, der einen universalistischen Hintergrund hatte und später als Swedenborgianer, wenn auch als sehr Freier Geist, verortet wurde.257

W. M. Fernald verteidigte Davis früh und besuchte seine Sitzungen, in denen dieser um 1845 im Trancezustand diktierte Texte vortrug. Er war bereits sehr versiert in den Ideen und Prinzipien der ‚Theologie, der reinen Theosophie und des rationalen Spiritismus’. Bei einer dieser Sitzungen traf er auch Professor Bush. Sie wurden gute Freunde, wobei Bush Fernald über Swedenborgs Ideen ins Bild setzte. Dies führte dazu, dass Fernald zum Swedenborgianismus konvertierte und am Ende des Jahrzehnts als Geistlicher der Neuen Kirche ordiniert wurde. Fernald blieb ein enger Freund Bushs und schrieb nach dessen Tod eine Gedenkschrift. Er unterstützte außerdem Thomas Lake Harris nach Kräften. Fernald lässt sich gewissermaßen als Inbegriff eines Freien Geistes verstehen.

Die Philosophie der Harmonie war also nachweislich und in erheblichem Maße von Swedenborgs Ideen geprägt. Das lag nicht nur an Davis’ revisionistischer Version der Schriften Swedenborgs, sondern ebenso am engen Kontakt ihrer Vertreter zu Swedenborgianern und ihr reges Interesse am Swedenborgianismus. Das Spektrum ihrer Anhänger reichte von neugierigen Lesern von Swedenborgs Schriften über ebenso begeisterte wie kreative Denker bis hin zu regulären Mitgliedern der Neuen Kirche. Letztere verfügten über ein breites und tiefes Verständnis von Swedenborgs Gedanken. Die daraus erwachsende und von der Gruppe verbreitete Philosophie der Harmonie bestand also zum guten Teil aus Swedenborgs Gedankengut, allerdings mit gewissen Modifikationen. Die hauptsächliche Differenz zum Swedenborgianismus bestand darin, dass die Philosophie der Harmonie davon ausging, der Kontakt mit Geistern könne ein gutes und hilfreiches Werkzeug sein, um eine tiefere Einsicht in die und ein Verständnis für die Realität zu gewinnen. Konservative Swedenborgianer der Neuen Kirche zitierten hingegen Swedenborgs Warnungen vor dem willentlich herbeigeführten Kontakt mit Geisterwesen und sie distanzierten sich davon – mit der bemerkenswerten Ausnahme der Swedenborgianer der Neuen Ära, welche ihre spiritistischen Praktiken in den 1850ern fortsetzten, wobei sie stark mit den Philosophen der Harmonie und der frühen spiritistischen Bewegung interagierten.258

Die öffentliche Reaktion auf Davis’ Principles of Nature variierte erheblich. Einige Menschen glaubten, dass Davis wirklich mit Geisterwesen kommuniziere. Er sei vom Geist Swedenborgs über eine neue harmonische Vision instruiert worden, die den Beginn eines Neuen Zeitalters bedeute und welche auch einen Kontakt mit dem Reich der Geisterwesen umfasse. Andere wie Bush waren der Ansicht, obgleich Davis in der Tat Kontakt mit Geisterwesen gehabt haben möge, seien dies nicht diejenigen gewesen, von denen Davis angenommen habe, dass sie es gewesen wären. Seine Lehren hätten nichts von der Autorität Swedenborgs an sich. Obgleich auch die Reaktion innerhalb der Neuen Kirche selbst variierte, war ihre offizielle Reaktion doch darüber verdrossen, dass jemand Swedenborgs Werke im Namen eines angeblichen Geistes Swedenborgs plagiierte. Wieder andere äußerten in der Öffentlichkeit, dass Davis wirklich geglaubt habe, was er sagte und schrieb. Doch habe er sehr wahrscheinlich ein ausgezeichnetes Gedächtnis und sich an große Teile seiner eifrigen Lektüre Swedenborgs und anderer Autoren erinnert. Das sei dann in seinem System unter Hypnose bzw., als er im Trancezustand diese Gedanken wieder aufgerufen habe, durcheinander geraten. Einige der Textpassagen stimmen nahezu oder vollständig mit Swedenborgs Werken überein. Die größten Skeptiker meinten, dass Davis schlicht ein Opportunist mit exzellenter Erinnerung an seine Lektüren sei, der sein Fähnchen nach den Winden der öffentlichen Meinung ausrichte. Es handele sich um einen Scharlatan, der „[…] seine weit gebildeteren und unendlich leichtgläubigeren Brüder […] hereingelegt habe.259

So unwahrscheinlich es auch klingt, Davis behauptete, dass er Swedenborgs Überlegungen und Texte weder gekannt habe, noch seien ihm überhaupt irgendwelche größeren Bücher vor seinen Trance-Vorträgen bekannt gewesen. Er behauptete, sein ganzes Wissen komme aus der Geisterwelt. Davis erklärte, dass er in seinem Leben nur fünf Monate Schulbildung genossen und nur ein einziges Buch gelesen habe, den Groschenroman The Three Spaniards. Ein früherer Freund, Rev. A. Bartlett, widersprach. Bartlett kannte Davis aus seinen frühen Jahren 1842 – 1845 und beschrieb ihn als eifrigen Leser, der:

„[…] einen forschenden Geist besaß, Bücher liebte, insbesondere umstrittene religiöse Werke, die er stets bevorzugte, wenn er sie ausleihen konnte. Und er hatte die Muße, sie durchzulesen. Demzufolge schuldet er diesen Bemühungen einige achtbare Fortschritte in seinen Kenntnissen.”260

Eine andere Quelle bemerkte, dass Davis den Schriften Swedenborgs begegnet sei, als er nach dem Tod seiner Mutter 1841 bei einem Schuhmacher arbeitete.261

Wie auch immer der Entstehungsvorgang und die Quelle seiner von Swedenborg beeinflussten Ideen einzuschätzen sind, in jedem Fall wurde seine Philosophie der Harmonie äußerst populär und spielte bald eine bedeutende Rolle für die sich bereits ankündigende spiritistische Bewegung. Davis’ Principles of Nature erlebte 17 Auflagen und wurde bis in die Zeit nach dem Bürgerkrieg hinein veröffentlicht. Davis schrieb ununterbrochen über die Philosophie der Harmonie und entwickelte sie in den folgenden 30 Büchern weiter.262

Kurz nach der Veröffentlichung der Principles of Nature begründete Samuel Brittan die Zeitschrift The Univercoelum and Spiritual Philosopher, deren Erstausgabe Dezember 1847 erschien. Brittan arbeitete als Herausgeber mit Silas Lyon und William Fishbough zusammen, Thomas Lake Harris stieß später zu der Gruppe und sie alle und weitere Autoren verfassten Artikel. Darin begleiteten sie zahlreiche Vorträge über mannigfache Themen, welche sich auf die Philosophie der Harmonie bezogen. Die meisten Autoren waren ehemalige universalistische Geistliche oder Swedenborgianer der einen oder anderen Art. Die Zeitschrift förderte Davis’ Ideen, widmete sich aber auch direkt denen Swedenborgs und gleichgesinnten aus dem Universalismus und dem Transzendentalismus. Dadurch entstand eine ausgeglichene Mischung von Denksystemen mit vielen Übereinstimmungen. Die Mitarbeiter des Univercoelum förderten naturgemäß die Philosophie der Harmonie und hier insbesondere die Idee, dass Harmonie allen voran die Einheit von Wissenschaft und Theologie bedeute. Man erreiche größere Harmonie durch ein besseres Verständnis der Beziehungen zwischen geistiger und materieller Welt sowie der Prinzipien der Naturgesetze, welche beide ebenso leiteten, wie die Interaktion zwischen ihnen.

Die erste Ausgabe von The Univercoelum verkündete, dass sich eine notwendige und unausweichliche Veränderung in den religiösen Systemen der Welt nähere, welche antiquierte Ideen zum Verschwinden bringen werde. Diese würden durch eine neue Theologie der harmonischen Bewegung ersetzt, die jene intrinsische Intelligenz erforsche, welche die gesamte Schöpfung durchdringe und von die von der Höchsten Gottheit abstamme. Eine Zeit neuer Befreiung sei gekommen. Die Zeitschrift erschien bis Juli 1849. Brittan setzte seine Herausgebertätigkeit mit der spiritistischen Zeitschrift Shekinah und ab 1852 mit der Zeitung Spiritual Telegraph fort, die bis 1860 bestehen sollte.263

1848 wurden die Beziehungen zwischen Davis und seinen Kollegen der Philosophie der Harmonie auf die Probe gestellt. Es entwickelten sich unauflösliche Meinungsdifferenzen – insbesondere im Blick auf Davis’ Ablehnung des Christentums. Brittan, Fernald und mehrere andere, insbesondere Thomas Lake Harris, waren desillusioniert von Davis’ ‚naturalistischem’ Ansatz, der die Göttlichkeit Jesu und die Unfehlbarkeit des Alten und Neuen Testaments leugnete. Ebenso waren sie über Davis’ Verhalten verstört. Er lebte eine Beziehung zu einer ‚geistigen Schwester’, Catherine De Wolf Dodge, die 20 Jahre lang seine Betreuerin gewesen war und dabei half, The Principles of Nature zu finanzieren. Zum Skandal kam es, als die anderen Philosophen der Harmonie entdeckten, dass die beiden zusammen im Haus Brittans lebten. Davis heiratete Dodge bald darauf, doch der Vorfall hatte den bereits bestehenden Riss in der Gruppe nur ausgeweitet. Es ist anzunehmen, dass der Bruch auch auf andere Weise entstanden wäre. Brittan, Fernald und Harris betrachteten sich als christliche Spiritisten. Sie stimmten mit großen Teilen von Davis’ harmonischer Philosophie überein, doch hatten sie Schwierigkeiten, Davis’ Behauptungen als neue Autoritätsquelle zu akzeptieren. Davis hatte seinerseits ein ebenso starkes Selbstbewusstsein wie Harris und es war sehr deutlich, dass eine Konfrontation unvermeidlich sein würde.264

Thomas Lake Harris ist einer der rätselhaftesten Charaktere jener Zeit. Zu verschiedenen Zeiten seines Lebens war er universalistischer Pastor, führender Philosoph der Harmonie, Swedenborgianer der Neuen Ära, christlicher Spiritist, Begründer von verschiedenen spiritistischen utopischen Gemeinschaften sowie seiner eigenen Kirche des Guten Hirten – ferner Autor zahlreicher Artikel und Bücher. Obgleich er oft als Swedenborgianer bezeichnet wird (zu einer Zeit war er tief und bis in Einzelheiten mit Swedenborgs Anschauungen befasst), ging er durch so viele Phasen und Veränderungen, dass vieles, was von ihm bekannt ist, entweder eine Mischung aus swedenborgianischen und anderen populären Reformideen darstellt oder gar nicht wirklich swedenborgianisch ist. Er ist ein gutes Beispiel dafür, wie verwirrend der Begriff ‚swedenborgianisch’ für Historiker sein kann.265

Nach Davis wurde Harris zum zweiten bekannten Philosophen der Harmonie. Während Davis als der eigentliche Philosoph der Bewegung galt, fungierte Harris als ihr Dichter. Er wurde 1823 in Utica nahe London in England geboren, wuchs dort auf und wurde von calvinistisch-baptistischen Eltern aufgezogen. Er lehnte diese Religion aber ab und wurde Geistlicher der universalistischen Kirche, in der er 1844/​45 als Pastor einer universalistischen Gemeinschaft in New York 1844/​1845 diente. Dies war die Zeit, in der er mit Davis bekannt wurde und seine ersten Trance-Vorträge zusammen mit Bush und Fernald besuchte. Im Jahr 1847 war er entzückt von den Ideen der harmonischen Philosophie und gab seine Stelle als universalistischer Geistlicher zugunsten von Davis und der Philosophie der Harmonie auf, um in ihrem Sinne Vorträge zu halten. Daneben verfasste er Artikel für The Univercoelum und er bildete eine eigene, unabhängige christliche Versammlung.266

T. L. Harris war zunehmend enttäuscht von Davis und folgte 1848 Brittans Vorbild, indem er eine eigene, christlich-spritistische Form der harmonischen Philosophie vorantrieb. Er sah Defizite in Davis’ Schriften, insbesondere eine mangelnde Anerkennung der göttlichen Offenbarung und das Fehlen eines personalen Gottes. Harris offenbarte in Wort und Schrift eine poetische ‚Begabung’, die Brittan enorm beeindruckte. Brittan erklärte Harris, dass seine Fähigkeit das Werk von Geisterwesen darstelle. Harris kultivierte seinen poetischen Sinn, bis er im Jahr 1850 drei Visionen hatte, die ihm versprachen, seinen inneren Sinn der spirituellen Erleuchtung zu öffnen. Seine Geschichte soll an späterer Stelle fortgesetzt werden.267

DIE GEBURT DES SPIRITISMUS 30*

Im März 1848 ereignete sich schließlich etwas, das eine populäre Bewegung entzünden und die religiöse Landkarte Nordamerikas im 19. Jahrhundert verändern sollte: das Klopfen von Hydesville (auch als Klopfen von Rochester bekannt). 1847 zog der methodistische Farmer Fox mit seiner Frau und seinen sechs Kindern in ein kleines Haus in Hydesville, New York. Man sagte, in dem Haus spuke es; angeblich hatte es der letzte Bewohner wegen merkwürdiger, unerklärlicher Geräusche verlassen. Die Familie Fox hatte bis zum März 1848 keine Probleme damit, als dann doch plötzlich einige starke Klopftöne zu hören waren. Da die unheimlichen Geräusche andauerten, begann Fox die Vorhänge zu schütteln. Während er das tat, bemerkte seine elfjährige und jüngste Tochter Kate, dass die Zahl der Klopftöne der Zahl entsprach, wie oft ihr Vater die Vorhänge schüttelte. „Herr Klumpfuß, machen Sie es so wie ich!”, rief sie und klatschte in die Hände. Zur Überraschung aller folgten die Klopftöne ihrem Klatschen. Kate und Margaretta, ihre 14-jährige Schwester, überlegten, ob es sich um einen Geist handeln könne. Sie gaben die Anweisung, je zweimal für ‚Ja’ zu klopfen, wenn es sich so verhielte. Zwei Klopftöne folgten. Kate und Margaretta etablierten dann einen Code für Ja- bzw. Nein-Antworten, wonach ‚Ja’ zwei Klopftöne auslösen sollte, ‚Nein’ nur einen. Mithilfe dieses Codes befragten sie den Geist und stellten fest, dass es sich angeblich um ein Bettler handelte, der in diesem Haus früher ermordet worden war. Nachbarn und andere wurden in das Haus geladen und bezeugten weitere Klopfgeräusche.268

Die Nachricht dieser übernatürlichen Ereignisse verbreitete sich rasch. Horace Greely, der Herausgeber der New York Times, erforschte journalistisch die Kindererzählungen und bestätigte ihre Behauptungen. Bald gewann die Geschichte der beiden Fox-Kinder bedeutende Öffentlichkeitswirksamkeit, was zu einem stetigen Besucherstrom von nah und fern führte, wobei sich die Phänomene aufs Neue bestätigten. Die Familie zog bald nach Rochester, New York, wo sich die Klopftöne fortsetzten und andere Geister einbezogen wurden. Eine ältere Schwester, Ann Leah Fox-Fish, entdeckte, dass sie ebenfalls die Fähigkeit besaß, als Medium für den Kontakt mit Geisterwesen zu dienen und so wurden die Fox-Schwestern zu Berühmtheiten.269

Als er von den Klopftönen hörte, lud Davis die Fox-Schwestern in sein Haus nach New York City ein und untersuchte selbst die mediale Kompetenz der Schwestern. Er erklärte, dass diese authentisch sei, und begann, die Geisterkontakte mit Begriffen der Philosophie der Harmonie gegenüber der Öffentlichkeit zu erklären. Dazu verfasste er den Band Philosophy of Spiritual Intercourse (1850). Darin gab Davis nicht nur einen Überblick über seine Philosophie und Kosmologie und wendete sie auf die Interaktion mit Geistern an, sondern er gab zudem Anweisungen für die Bildung von Kreisen, die zur Grundlage vieler spiritistische Zirkel wurden.270

Ab 1850 gab es in ganz Nordamerika Medien und spiritistische Zirkel. Der Zeitgeist und die intellektuelle Umgebung brauchten nun keine weiteren Spukhaus-Geschichten. Die Klopftöne der Fox-Schwestern und ihre Begleitung durch Davis’ Philosophie der Harmonie genügten vollauf, um eine Art Buschfeuer zu entflammen. Der ‚Burned-over District’ raste erneut und verbreitete wieder einmal eine Bewegung über das Land. Bis zu dieser Zeit wuchs die Philosophie der Harmonie nur langsam. Die Zeitschrift der Philosophen der Harmonie, The Univercoelum, bestand lange genug, um die geheimnisvollen Klopftöne der Fox-Schwestern als Beleg für die Wahrheit von Davis’ Voraussage, es beginne ein Neues Zeitalter, welches die Kommunikation mit Geistern einschließe, zu feiern.

Als Davis und seine Anhänger ihre Sache mit der Geisteroffenbarung verbanden, gewann die Philosophie der Harmonie große Popularität. Der Funke der Faszination sprang angesichts der Erregung und der Neuheit des Geisterkontakts auch zu denen über, die sonst keine Gelegenheit oder kein Interesse hatten, sich mit der Philosophie der Harmonie zu beschäftigen. Gleichwohl: Nachdem die Menschen sich mit dem Spiritismus beschäftigt hatten, suchten sie eifrig nach philosophischen Erklärungen für das, was sie gesehen hatten oder zu sehen hofften.

Diese neue amerikanische Bewegung wurde als ‚Spiritismus’ bekannt und obgleich sie niemals durch ein strenges Glaubensbekenntnis organisiert war, erkannten die Spiritisten weithin Davis’ Werk als Leitphilosophie ihrer Bewegung an und akzeptierten ihn als ihren zentralen Führer. Viele andere Autoren schrieben über metaphysische Themen, doch Davis behielt den Status als der Philosoph des Spiritismus. Die Spiritisten bezogen sich auf Davis auch als ‚Johannes den Täufer’, der die Ankunft des modernen Spiritismus ankündige.271

Obgleich die Spiritisten Davis als den führenden Philosophen des Spiritismus anerkannten, verstanden sie Swedenborg als einen Vorläufer des Spiritismus und den „[…] ersten, der die Welt der Geister als Reich des Gesetzes […]” verstanden habe. Viele Spiritisten sahen in Swedenborg einen Vorläufer und er wurde für sie zu einem kulturellen Symbol. Davis’ Philosophie der Harmonie hingegen bildete die Basis für den religiösen Aspekt des Spiritismus, denn sie erklärte die Kosmologie und den phänomenalen Aspekt des Geisterkontaktes. Der amerikanische Spiritismus, obgleich er eine neuartige und eigenständige Bewegung war, diente dazu, im Laufe der 1850 er bis 1870ern, insbesondere in den Jahren vor dem Bürgerkrieg, swedenborgianische Ideen sowohl in reiner als auch deutlich modifizierter Form zu vermitteln.272

12. DER AMERIKANISCHE SPIRITISMUS
DER SPIRITISMUS ALS METAPHYSISCHE ANTWORT AUF DAS NORDAMERIKA DER 1840ER

Der Glauben an die Möglichkeit und Wirklichkeit von Geisterkontakten existierte in vielen Gesellschaften an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten. Man bezeichnet ihn als Spiritismus. Eine davon deutlich abzugrenzende Bewegung, die als Spiritismus (oder moderner Spiritismus) bekannt war, nahm im Nordamerika der 1840er und 1850er, noch vor dem Bürgerkrieg, ihren Ausgang, verbreitete sich rasch nach Europa und war in mehrfacher Hinsicht einzigartig. Wie bereits erwähnt, wurde der Spiritismus zu einer populären Bewegung, die den Geisterkontakt mit einer ihr zugrunde liegenden Philosophie der Harmonie verband, welche ihrerseits einer Kombination aus Mesmerismus und swedenborgianischen Ideen entsprang. Man sah im amerikanischen Spiritismus jedoch mehr als nur eine Bewegung, denn viele Menschen betrachteten ihn als eine metaphysische Religion. Viele ihrer Anhänger machten den Glauben in Gemeinschaft mit den Geistern der Verstorbenen zum Teil eines um Geisterwesen zentrierten Systems religiöser Glaubensüberzeugungen und Praktiken, die eine Alternative zur traditionellen orthodoxen Religion bot. Dies galt insbesondere für die 1850 er bis 1870 er273.

Um den Spiritismus besser zu verstehen, muss man seinen Kontext besser verstehen. Der Spiritismus war sowohl eine populäres phänomenal orientierte als auch eine metaphysische religiöse Bewegung, welche die spirituellen und emotionalen Bedürfnisse vieler Menschen befriedigte. Unglücklicherweise war die Bewegung bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zu einer hauptsächlich an öffentlichkeitswirksamen Sensationen interessierten Bewegung verkommen, in der viele mehr Unterhaltung denn Religion sahen. Obgleich in der Geschichte des Spiritismus religiöse und populäre Themen stets miteinander verbunden waren, hatten in den späten 1870ern sensationalistische Medien die Führung übernommen und so lag der Schwerpunkt nicht länger auf theologischen, philosophischen und kosmologischen Aspekten, so wie er noch vor dem Bürgerkrieg existierte. Zudem verließen in den späten 1870ern zahlreiche spiritistische Leitfiguren die Bewegung und es wurde eine Welle betrügerischer Séancen bekannt. Beides führte zum Niedergang und zur Diskreditierung der Bewegung, ein Vorgang, der sich bis zum Ende des Jahrhunderts noch verstärkten sollte.

Heutzutage herrscht in der öffentlichen Wahrnehmung kaum mehr Kenntnis über jene Zeit in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Gesellschaft sehr viel einfacher war und Séancen, die man als eine Mischung aus Leichtgläubigkeit und Betrug betrachtete, populär waren. Gleichwohl bildete die historische Bewegung, auf die man sich unter dem Begriff Spiritismus bezieht, einen lebendigen, farbigen und faszinierenden Teil einer Kultur, die von religiösen, sozialreformerischen und wissenschaftlichen Innovationen erfüllt war. Er faszinierte intelligente, neugierige und spirituell aufgeschlossene Menschen, die in einer Zeit großen Wandels der amerikanischen Gesellschaft nach Antworten suchten – deshalb ist ihre Geschichte einer näheren Untersuchung wert.274

Der amerikanische Spiritismus kann als Antwort auf eine spirituelle Krise betrachtet werden, die sich seit den 1840ern entwickelt hatte. Die Veränderungen, die dazu führten, ereigneten sich über Generationen hinweg. Das religiöse Denken der Aufklärung hatte einen rationalen Zugang zum Leben, den Bereich der Religion eingeschlossen, befördert, die darauf folgende Romantik wiederum konzentrierte sich ganz auf das subjektive Gefühl und religiöse Einsicht. Beide Impulse existierten nun im Nordamerika des frühen 19. Jahrhunderts nebeneinander, als der naturwissenschaftliche Materialismus (welcher geistige Angelegenheiten ignorierte) zu dominieren begann, und das, obschon sich die religiöse Erfahrung des Protestantismus von der liturgischen Orientierung fort zur evangelikalen bewegte, vom Äußeren ins Innere, und sich auf subjektive und intuitive Erfahrungen des einzelnen Individuums konzentrierte. Dies führte zu einer Multiplikation von Ideologien und Sekten, die miteinander um Zuspruch und religiöse Wahrheit konkurrierten, wodurch sich die Wirklichkeit zunehmend als relativ und unsicher darstellte. Diese Umgebung religiöser Unsicherheit verstärkte sich noch durch bedeutende Veränderungen des amerikanischen Lebens im sozialen, ökonomischen und politischen Bereich Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts und hier besonders im Nordosten und im Mittleren Westen. Verstädterung, Industrialisierung, verstärkte Einwanderung und kommerzieller Kapitalismus begünstigten die Pluralisierung und Verunsicherung vieler Protestanten der Mittelklasse, wobei sich die Einsicht breit machte, dass soziale Ordnung und Kontrolle verloren gegangen seien. Die rasante technologische Entwicklung, etwa durch Elektrizität, Telegrafie, Eisenbahnen und Fabriken, sowie politische Veränderungen und die Bewegung hin zu einer eher materialistischen Kultur hinterließen ein weit verbreitetes Gefühl, dass etwas fehle. Die Generation der Revolution verschwand und hinterließ die Empfindung, dass Helden verloren gingen und Werte sich veränderten. Dem entsprachen zunehmende Unzufriedenheit, empfundene spirituelle Leere und sogar Verzweiflung, welche weite Bereiche der Gesellschaft durchzog.275

Viele unter der wachsenden Zahl religiös unzufriedener Nordamerikaner fühlten sich allerdings in keiner der beiden vorherrschenden religiösen Formen des frühen 19. Jahrhunderts wohl – weder mit liturgischem noch mit evangelikalem Schwerpunkt. Die formale liturgische Tradition des Katholizismus und die etablierten protestantischen Gemeinschaften stellten immer mehr Nordamerikaner aus der Mittelschicht nicht zufrieden. Die evangelikalen Traditionen der Baptisten, Methodisten und konservativer Protestanten erlebten dagegen einen Schub neuer Aktivität durch die ‚Zweite Große Erweckungsbewegung’ einige Jahrzehnte zuvor. Sie jedoch konzentrierte sich auf das innere Bekehrungserlebnis und verlangte glühenden Glauben, mit dem sich jedoch nicht alle identifizieren konnten. In dieser Zeit entstand ein drittes Modell der Spiritualität: das metaphysische Modell.276

Der Begriff ‚metaphysisch’ bezieht sich auf eine Reihe von Ansichten, welchen die Überzeugung gemeinsam ist, dass mehr als nur die physische Wirklichkeit des alltäglichen Lebens existiert. Die metaphysischen Religionen gedeihen irgendwo zwischen der konventionellen Religion und der Naturwissenschaft, oft konzentrieren sie sich auf den Verstand und das Herz. Einige Formen metaphysischer Spiritualität legen ihren Schwerpunkt auf mystische Verbindungen zwischen geistigem und natürlichem Aspekt, während andere mehr damit befasst sind, ‚objektive’ Beweise für die Existenz einer nicht-materiellen Wirklichkeit zu präsentieren, die naturgemäß von der konventionellen Naturwissenschaft nicht anerkannt wird. Ein gewöhnliches Ziel der metaphysischen Sichtweisen besteht darin, jene umfassenden geistigen Kräfte zu verstehen, die das Leben auf der natürlichen Existenzebene beeinflussen. Beide Seiten werden oft als einander entsprechend verstanden und in Begriffen von Bewegung und Energie zum Ausdruck gebracht, die allen interessierten Menschen zugänglich sind. Dieses Verständnis fördert eine harmonische Spiritualität, Überzeugung und Praxis, welche geistiges Wachsen und Balance unterstützen und dadurch wiederum ein ordnungsgemäßes Einströmen der geistigen in die natürliche Ebene verstärken und sogar körperliches Wohlbefinden und Heilung befördern sollen.

Anfangs und in der Mitte des 19. Jahrhunderts bestanden die metaphysischen Gruppen in Nordamerika tendenziell aus einzelnen unabhängigen Denkern, die – obgleich sie in vielen Prinzipien übereinstimmten –, sich nicht auf dauerhafte Institutionen einlassen wollten, so wie es die konventionell-religiöse Gegenseite tat. Daher haben sie auch keine kohärenten Aufzeichnungen zurückgelassen, an denen sich ein Historiker orientieren könnte. Gleichwohl haben Historiker in den vergangenen Jahrzehnten die enorme Bedeutung metaphysischer Religionen anerkannt, welche diese bei der Ausbildung der religiösen und intellektuellen Landschaft gespielt hat. Vor dem Bürgerkrieg bestanden in Nordamerika drei bedeutende Bewegungen, in deren Fokus metaphysische Spiritualität stand: der Swedenborgianismus, der Transzendentalismus und der Spiritismus. Swedenborgs Paradigmen waren so breit angelegt, dass die swedenborgianische Neue Kirche dabei sowohl als konventionelle als auch als metaphysische Religion bezeichnet werden kann. Die Transzendentalisten nahmen viel von Swedenborgs Metaphysik in ihr eigenes metaphysisches System auf. Die religiösen Spiritisten wiederum nahmen beim Bau des Fundaments ihrer metaphysischen Bewegung bei Swedenborgs Metaphysik Anleihen.277

5 281,08 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
23 декабря 2023
Объем:
931 стр. 3 иллюстрации
ISBN:
9783941523395
Редактор:
Издатель:
Правообладатель:
Автор
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают