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Christizismus

„Die haben überall ihre Leute.“, klagte Henning. „Du kannst nichts dagegen machen.“

„Das klingt mir aber nach einer gewaltigen Verschwörungstheorie.“ Annegret rümpfte die Nase. „Evangelikalen-Mafia. Hört sich an wie Anarcho-Diktatur oder Burn-out-Entspannung.“

„Ach ja?“, erwiderte Henning gereizt. „Und wie kommt es dann, dass weder das Gesundheitsamt noch die Polizei intervenieren, wenn die sich mit über hundert Leuten ohne Abstand und Maske zum Sing-Gottesdienst treffen?“

„Die Polizei hat genug andere Probleme und das Gesundheitsamt ist auch total überfordert. Genehmigt ist genehmigt. Die schaffen das nicht.“

„Die laufen in jedem städtischen und volkskirchlichen Jugendzentrum auf und gucken nach, ob die Arbeitsflächen auch sauber sind und ob da Küchenpapier rumsteht. Auf jedem kleinen Weihnachtsmarkt wurde kontrolliert, ob am Waffelstand auch warmes Wasser zum Händewaschen zur Verfügung steht. Aber wenn die Mennoniten oder Baptisten ihre Jesus-Partys im Bethaus veranstalten, halten alle die Füße still. Da stimmt doch was nicht.“

„Ist wegen Religionsfreiheit.“, erklärte Annegret schulterzuckend.

„Mit Religionsfreiheit ist aber eigentlich was Anderes gemeint. Auf jeden Fall steht die Religion nicht über staatlichen Gesetzen.“

„Meine Fresse!“ Annegret atmete tief durch. „Jetzt reg dich mal ab.“

„Einen Teufel werde ich tun!“, empörte Henning sich weiter. „Als ich vor zwei Jahren einen Bauantrag gestellt habe für ein Mehrfamilienhaus mit Wohneinheiten in unterschiedlichen Preissegmenten, Single- und Familien-Wohnungen, tolles Konzept, super Architekt, da wurde der Antrag ratz fatz abgelehnt. Jetzt wurde da plötzlich gerade eben ein Klotz hochgezogen, der nur eine Zielgruppe anspricht und der außerdem verboten hässlich aussieht und sich optisch absolut gar nicht in die Umgebung einfügt. Rate mal, wer der Bauherr ist.“

„Dann hat eben mal einer Vitamin B beim Bauamt. So was kommt vor.“, erklärte Annegret lapidar.

„Ja, aber die sitzen überall, halten zusammen wie Pech und Schwefel und schustern sich gegenseitig die Vorteile zu. Und keiner macht was dagegen, nur weil die keine SUVs fahren und sich nicht auf Menschenhandel verlegen.“

„Nee, die haben ja so schon genug Kinder zur Verfügung.“

Für einen Moment schien Henning die Sprache verloren zu haben, dann sagte er betont langsam: „Das ist jetzt aber böse.“

„Das ist jetzt aber auch nicht unwahrscheinlich.“, erwiderte Annegret.

„Die machen doch nicht in Kinderpornographie.“

„Nee, eher altmodisch. Analog statt digital.“

„Ja, kann sein, aber darum geht es nicht.“

„Worum geht es dann?“ hakte Annegret nach

„Die sind gefährlich.“ erklärte Henning. „Die haben einen Plan.“

„Meinst du so was wie evangelischen Dschihad?“

„Ja. Vielleicht nicht mit Bomben und Schusswaffen. Perfider. Durch Infiltration. So in dem Stil wie in Polen. Den Staat immer ein bisschen weiter nach rechts rücken. Bis sich niemand mehr traut, gegen die Religionsdiktatur aufzumucken.“

„Gut, das wäre denkbar. Gibt ja etliche Religionsfaschisten in deren Kreisen. Sieht man ja in den USA, wozu das führen kann.“

Elisa hatte alles mit angehört. Jedes einzelne Wort. Die beiden hatten nicht bedacht, dass die Wand zwischen dem Pausenraum und dem Lager dünn wie Papier war. Elisa notierte ihre Namen und noch ein paar Einzelheiten. Peter würde alles dokumentieren. Für später.

Verkürzt

Hätte sie das Ende abgewartet, hätte sie ihn nicht umgebracht.

Sie dachte an Fabiola. Fabiola war die erste, an die sie dachte, wenn sie morgens aufwachte und die letzte, wenn sie abends einschlief. Auch den ganzen Tag über dachte sie an sie. Fabiola lebte nicht mehr. Leukämie. Sie war gerade mal acht Jahre alt geworden. Zwei davon hatte sie erfolglos gegen den Tod angekämpft. Ein Viertel ihrer viel zu kurzen Lebenszeit.

„Jaja, kenn‘ ich schon, kenn‘ ich schon.“, stöhnte sie genervt. Nur noch ungern ließ sie sich aus ihrer Gedankenwelt reißen.

„Nee, warte mal.“, protestierte Patrick. „Die Liste der Gehaltsempfänger ist lang. Du glaubst gar nicht, wer alles daran verdient hat.“

Patrick las sämtliche Namen und vermeintlichen Zuwendungsmotive vor. Manche waren allzu durchschaubar. Unfassbar, wen die AKW-Betreiber alles gefügig gemacht hatten. Man fragte sich allmählich, ob es überhaupt noch jemanden gab, der nicht käuflich war.

Als er fertig gelesen hatte, wusste sie, was zu tun war. Sie begann, sich darauf vorzubereiten. Das würde Fabiola nicht wieder lebendig machen, aber sie hätte dann vielleicht ihren Seelenfrieden. Und für die Zukunft würde es das Sterben so manchen Kindes wirksam verhindern.

Drei Tage später wedelte Patrick mit einem USB-Stick. „Schmeiß mal deinen Laptop an, ich muss dir etwas Unglaubliches zeigen.“

Eigentlich war sie schon auf dem Sprung. Der selbst gebastelte Sprengsatz lag einsatzbereit in ihrer Handtasche. Volker Beresin würde noch heute sein Leben aushauchen. Aber ein paar Minuten mehr konnte sie ihm ja gönnen.

„Um Gottes Willen, wie lange dauert der Beitrag denn noch?“, stöhnte sie. „Das ist ja schlimmer als bei einem alten französischen Spielfilm, alle fünf Minuten ein Schnitt und ansonsten ne Kameraeinstellung wie beim Standbild. Passieren tut auch nix.“

„Schon mal den Zauberberg gelesen, von Thomas Mann?“, fragte Patrick amüsiert.

„Wozu?“, fragte sie angriffslustig. „Ich habe eine gute Zusammenfassung gelesen, jetzt weiß ich alles Wesentliche, was drin steht: Einer kommt wegen Lunge ins Sanatorium, sein Vetter kommt ihn besuchen, bleibt da und wird auch lungenkrank. Der erste Vetter stirbt, der zweite ist nach sieben Jahren geheilt und nebenbei geht es um Weltpolitik und speziell um die politische Lage in Europa kurz vor dem 1. Weltkrieg. - Und jetzt heb‘ die Pausenfunktion auf, ich habe nicht ewig Zeit.“

„Dann musst du aber auch zuhören!“, insistierte Patrick und ließ den Beitrag weiterlaufen.

„Besonders interessant ist hier die die Rolle von Volker Beresin, der als Journalist auf der Gehaltsliste der PERPETUUM stand...“ hörte man die Stimme der Moderatorin.

„Weiß ich doch.“, zischte sie und stürmte aus dem Haus.

Nichts sollte sie aufhalten. Sie fuhr so schnell es erlaubt war zu der ermittelten Adresse. Bloß nicht wegen überhöhter Geschwindigkeit in eine Polizeikontrolle geraten. Die würden womöglich den Sprengsatz entdecken und ihr Vorhaben vereiteln.

Sie parkte zwei Häuser weiter. Beresin wohnte in einem schicken Neubau, viel Holz, viel Glas. Saß gerade am Küchentisch, vor sich eine Tasse und einen Teller. Zweites Frühstück, vermutete sie. Letztes Frühstück, entschied sie. Vielleicht war die moderne Verglasung bombensicher. Aber das würde ihm nicht helfen. Sie deponierte den Sprengsatz vor der Haustür und legte die altmodische Lunte. Sie klingelte, ging auf Abstand und zündete. Er öffnete die Tür und im gleichen Augenblick ging der Sprengsatz hoch. Perfektes Timing. Da war noch ein Schatten gewesen neben Volker Beresin. War ihm bis zur Hüfte gegangen. Wohl ein Köter.

Zufrieden fuhr sie nach Hause. Das war erst der Anfang gewesen. Jetzt würde sie Patrick den Gefallen tun und sich den Beitrag auf dem Stick zu Ende ansehen.

„... Volker Beresin, der als Journalist auf der Gehaltsliste der PERPETUUM stand, war von seinem Arbeitgeber dort als verdeckter Ermittler eingesetzt worden. Das Bestechungsgeld floss in einen Fond für die Behandlung der im Zusammenhang mit dem AKW erkrankten Personen. Durch seinen mutigen Einsatz konnte er sämtliche Kontakte offenlegen und hat so dafür gesorgt, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden können...“

Sie stoppte den Beitrag. Hielt inne. Das konnte nicht sein. Stundenlang saß sie nur da und überlegte, ob sie sich alles noch einmal ansehen sollte oder ob sie das gar nicht ertragen konnte. Danach funktionierte sie einfach. Wäsche waschen, Arbeitsauftrag beenden, Lasagne in den Ofen schieben.

Gegen halb acht schaltete sie das Lokalfernsehen ein. Mehr aus Gewohnheit, denn um zu sehen, was über ihre Tat berichtet wurde.

„… Atomkraftgegner vermuten, dass Volker Beresin und seine dreijährige Tochter Opfer von Drahtziehern hinter dem PERPETUUM-Konzern wurden. Die Polizei ermittelt in sämtliche Richtungen.“

Detox

Es waren seit jeher die schönen Dinge, die sie liebte. Das Gefühl von fließender Seide auf frisch geduschter und duftend einbalsamierter Haut. Exklusiver Darjeeling aus hauchzarten Porzellantassen. Vollendete Blüten in dezenten, wohlproportionierten Vasen.

Er dagegen war eher ein Naturbursche. Liebte auch die Schönheit des Waldes, Vogelgesang, Sonnenaufgänge, Schwimmen in stillen Seen – aber für das Zarte und Zerbrechliche in geschlossenen Räumen fehlte ihm jedes Gespür. Nicht nur, dass er filigranes Porzellan achtlos zerbrach, empfindliche Stoffe falsch wusch und Bilder an der Wand ignorierte. Es war ihm noch nicht einmal peinlich. Für ihn besaß das alles keinen Wert.

Sie passten nicht zusammen. Sie wusste das und war dennoch an ihm zerbrochen. Sie war ihm immer aus dem Weg gegangen, weil sie von Anfang an ahnte, dass es so käme, wenn sie ihn an sich heran ließe.

Aber er hatte sich ihr wiederholt entgegengestellt, sie herausgefordert, ihre Aufmerksamkeit eingefordert und sie hatte ihn nicht zurückgestoßen. Wie hätte sie das auch tun können, so strahlend und eindrucksvoll wie er war?

Irgendwann war der Punkt erreicht. Der Point of no return. Sie hatte ihn in ihr Herz gelassen und damit die Kettenreaktion ausgelöst, die sie immer vermeiden wollte. Eine sehr kleine Zeit war sie hocherfreut über diese Entwicklung. Voller Zuversicht, Ideen, Tatendrang und Lebensfreude.

Als er ahnte, was er ausgelöst hatte, zog er die Bremse. Das war deutlich zu spüren, doch sie war schon zu weit gegangen, konnte nicht zurück, konnte nicht aufhören mit dem Hoffen und Sehnen – und jedes Mal zerbrach etwas in ihr. Am Ende fühlte sie sich ganz leer, beinahe ausgelöscht. Was blieb, war nur der Schmerz, der in sämtlichen Gliedern steckte.

Sie würde sich auflösen, langsam dahinsterben, etwas Anderes blieb ihr nicht übrig. Sie suchte nach der Wut, aber die Wut hatte sich auch aus dem Staub gemacht. Sie nützte ja auch nichts, brachte nur eine kurze Zeit Erleichterung, ein Hochgefühl des Wiedererstarkens, aber dann, wenn sie sah, dass sie trotzdem verloren hatte, war die Leere danach noch schlimmer, der Schmerz noch lähmender.

Mit letzter Kraft schleppte sie sich zur Arbeit. Sie würde einfach weiter funktionieren, bis sie umfiel oder eines Morgens nicht mehr aufwachte.

Und dann kam Susanne. Susanne die sich mit ihrem anlasslosen Selbstbewusstsein gern als Überlegene ausgab, obwohl sie kaum etwas vorzuweisen hatte. Die ihr immer Steine in den Weg gelegt hatte, ihre Pläne durchkreuzt, intrigant hintertrieben hatte, einfach aus Bosheit, weil sie ihr den Erfolg nicht gönnte. Susanne war seine älteste Freundin. Sie hatte er an sich herangelassen. Sie schätzte er und hielt unbeirrbar an der Verbindung fest. Susanne hatte ihn vergiftet. Nein, nicht mit Elixieren aus einer Phiole, auch nicht mit Magie oder Zaubersprüchen – aber sie hatte ihn geprägt, bearbeitet, nicht aus den Fingern gelassen, war verantwortlich für all die Blockaden, die dafür sorgten, dass er kaum einen Menschen wirklich an sich heran ließ.

Sie musste ihn von diesem Gift befreien, damit er wieder er selbst werden konnte. Susanne grinste breit. Hatte wieder einmal erfolgreich, etwas verhindert, was ihr viel bedeutet hätte. Damit war jetzt Schluss! Endlich kam die Wut zurück. Und mit der Wut die Kraft und die Zuversicht.

Als Susanne mit eingedrückter Hirnschale vor ihr lag, ausgeblutet und erstarrt, war die Wut verraucht. Und sie wusste wieder, dass sie nicht gewinnen konnte. Nein, jetzt hatte sie endgültig verloren.

Lyrischer Happen für den kleinen Hunger zwischendurch

LIEBELEI

Es ging der Halter Karsten Ströter

Gassi mit seinem Straßenköter

Von Weitem sah er Lieses Wonnen

sich schlüpfrig auf der Wiese sonnen.

Er wollte ihren Pöter kosten,

schickte den Köter auf den Posten.

Der Hund hingegen hatte Pläne:

tote Katzen, platte Hähne.

Und der Hund, der alte Schlappen

trug in seinem Schlund ‘nen Happen.

Trat mit der Tatze in den Kot

und machte dann die Katze tot.

Der Köter spürte Lieses Zorn,

den Ströter nahm sie auch aufs Korn.

So starb er selbst an Ströters Tic

und nahm sich eines Töters Strick.

Drum Obacht, wer der Liebe traut,

oft sind ja nur die Triebe laut.

Der Recke war nichts für die Liese,

wieder nur ein Leckeriese.

Ohne Männer lief es doch.

Die Liese grub ein tiefes Loch.

Dann warf sie einen Batzen Kalk

auf den toten Katzenbalg.

Abstinenz

„Warum hast du das gemacht?“, fragte ich Lilly.

Sie zuckte mit den Schultern. Wie blöd war ich eigentlich? Das war doch eine von den nutzlosen Fragen, auf die verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche nie eine Antwort hatten.

„Hat Alex dir etwas getan oder oder dich bedroht?“

„So ähnlich.“

„Kannst du mir das erklären?“

„Alex wusste was.“

„Etwas, das ein Geheimnis bleiben sollte?“

„Genau.“

„Was wäre denn so schlimm daran, wenn Alex dein Geheimnis ausgeplaudert hätte?“

„Kann ich nicht sagen.“

„Ich sag‘s keinem weiter.“

„Aber musst du doch. Sonst schmeißen die dich doch raus.“

„Scheiß der Hund drauf. Ich tu so als wenn ich‘s nicht weiß. Wenn du mal irgendwann behauptest, du hättest es mir erzählt, sage ich einfach, dass du dir das ausgedacht hast.“

„Okay.“

„Also?“

„Es ist wegen mir und Jakob.“

„Ihr seid zusammen?“

„Ja.“

„Und?“

„Jakob leitet doch die Theatergruppe. Und ich spiele nur mit.“

„Stimmt.“

„Und er ist ja achtzehn und ich noch nicht. Ist also verboten.“

„Laut Kirchengesetz.“

„Ja, genau.“

„Aber deswegen ist es ja keine Straftat. Die Kirche kann euch nicht verbieten, zusammen zu sein. Im schlimmsten Fall müsste Jakob als Mitarbeiter aufhören oder du müsstest die Gruppe verlassen.“

„Aber das will ich ja auch nicht.“

„Nein, aber darum hättest du nicht versuchen müssen Alex umzubringen.“

„Ich wollte ihn doch nur ausknocken. Vorübergehend.“

„Das wäre aber fast schief gegangen. Wenn dir einer eins mit der Flasche überzieht, da stehst du nur in Action-Kommödien wieder auf.“

„Was soll ich denn jetzt machen?“

„Dich mit deiner Gerichtshelferin beraten.“

Es machte mich wütend. So eine Verschwendung. Blinder Aktionismus planloser Leitungsebenen. Genau wie damals die Bundesregierung mit den Führungszeugnissen auch für Jugendliche. Führungszeugnisse, in denen aus Datenschutzgründen ohnehin nichts stand – selbst wenn sich etwas zugetragen hätte. Nur um zu zeigen, dass man etwas tat. Nur damit die Verantwortlichen schön ihre Westen weiß hielten. Das Fußvolk mochte dann den Dreck wegräumen. Junge Liebe wurde kriminalisiert. Aber einen wie Hans hielt das alles nicht auf. Die grauen Eminenzen genossen Immunität. Einer wie Hans kam weiterhin ungeschoren davon. Und Siegerin blieb die Ratlosigkeit.

Lockdown

So eine Scheiße. Wieso können wir nicht raus? Na wenigstens sind wir alle zusammen. Aber ich würde so gern mal wieder spazieren gehen, in der Sonne, durchs Gras laufen. Und der Lieferservice bringt immer nur diesen drögen, eintönigen Fraß, nichts Frisches, keine Vitamine, nichts mit Geschmack und Aroma.

Wo ist eigentlich Ronja? Die ist doch sonst immer die Erste morgens, die nach draußen will.

„Birk, hast du deine Schwester gesehen?“

„Wieso? Wir sind doch eh alle hier.“

„Und wo ist Ronja dann?“

„Wahrscheinlich noch im Bett.“

Das ist merkwürdig. Ronja schläft nie lange. Vielleicht ist sie krank. Ich seh‘ mal nach ihr.

Tatsache. Sie liegt noch im Bett. „Ronja, wach auch, die Sonne scheint.“ Na ja, bis zu uns dringt sie nicht ganz vor, aber man muss sein Kind ja irgendwie motivieren.

Oh Gott, sie ist ja ganz kalt! Und ganz starr! Und da ist ja Blut.

„Hilfe! Kommt alle her. Es ist was mit Ronja!“

„Was soll schon mit Ronja sein.“, erwidert Tipi. Typisch. Sie lässt nie ein gutes Haar an ihr.

Birk kommt ins Schlafzimmer. „Was ist denn mit ihr?“, fragt er besorgt. Ich will nicht, dass er seine Schwester so sieht. „Hol deine Mutter.“, herrsche ich ihn an. „Schnell.“

Elisabeth steht in der Tür. Sie zittert. Sie ahnt Schreckliches. Und es ist ja auch schrecklich. Da liegt ihr Kind, ihre einzige Tochter, kalt und starr und blutverschmiert.

Ein Schmerzensschrei entweicht ihrer Brust. „Ich weiß wer das war. „ flüstert sie. „Meine Schwester.“

„Welche?“, frage ich.

„Tipi natürlich. Wer sonst?“

„Wie kommst du darauf?“

„Sie hat Ronja schon immer gehasst. Schon als sie noch ganz klein war. Das niedliche Küken stahl ihr die Show. Tipi, die Schönste, von allen bewundert. Sie hatte Angst, dass Ronja ihr ihren Platz streitig macht. Sie hat sie gemobbt, alle anderen gegen sie aufgehetzt ihr nichts gegönnt. In letzter Zeit hat sie ständig behauptet, Ronja sei eine sexsüchtige Schlampe, die einfach jeden ranlässt, sogar ihren eigenen Vater und ihren Bruder.“

Ich weiß ja, dass Tipi eine Bitch ist. Aber auch eine verdammt schöne. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie unserer kleinen Ronja eine Konkurrentin gesehen hat, nicht in so einem schüchternen Backfisch.

„Ich glaube nicht, dass Tipi damit etwas zu tun hat. Das muss ein Eindringling von außen gewesen sein.“, sage ich.

„Typisch!“, schreit Elisabeth hysterisch. „Alle Männer gehen meiner Schwester auf den Leim. Wer soll denn hier eingedrungen sein? Wir waren doch alle da und es ist alles verriegelt. - Tipi! Komm sofort hierher und sieh dir an, was du angerichtet hast!

Kurz darauf kommt Tipi nach oben.

„WAS soll ich angerichtet haben?“, fragt sie ihre Schwester schnippisch.

„Mein Kind.“ schluchzt Elisabeth. „Ronja ist tot.“

„Das ist ja schrecklich.“, antwortet Tipi kühl. „Aber was habe ich damit zu tun?“

„DU hast sie totgeschlagen.“, schreit Elisabeth.

„So ein Quatsch!“, verteidigt Tipi sich. „Ich habe ihr höchstens heute Nacht ein paar getickt, weil sie so laut geschnarcht hat. Und das in ihrem Alter. Unfassbar. Ich kann nicht schlafen, wenn jemand schnarcht. Ich kriege schon so die Motten, weil wir hier alle aufeinander hängen und nicht raus können.“

„Gib es zu, du hast so lange zugeschlagen, bis du sie getötet hast.“

„Ach was.“, winkte Tipi ab. „Nur bis Ruhe war. Und jetzt reg dich nicht auf. Wird doch jetzt Frühling. Gibt bald wieder neue Küken.“

Lockdown-Challenges

MELLI: Neue Woche, neues Glück. Sportliche und musische Talente wurden unter Beweis gestellt. Ihr wart Held*innen des Stylings und diverser Performances. Erweist euch dieser Gruppe nun endgültig würdig, indem ihr etwas wahrhaft Großes vollbringt, gemäß dem Pfadfinder-Motto: Jeden Tag eine gute Tat. Erweist der Menschheit einen Dienst, der die Welt zumindest ein kleines bisschen besser macht. Und vergesst nicht, Euren Einsatz zu dokumentieren und zu posten. Mit Jesus Christus mutig voran!

ÖZGE: Kannst Du bitte, diese faschistoiden Jungschar-Sprüche unterlassen? ich kotz hier gleich ins Display! :-(

RAFI: Faschistoid? Allenfalls militaristisch.

ÖZGE: Schlimm genug. Auf jeden Fall zackig. Darauf reagiere ich algerisch.

DENNIS: Couscous oder Neinilewen?

ÖZGE: ???

MELLI: Dennis will wissen, ob du anfängst arabisch zu kochen oder arabisch zu morden.

ÖZGE: Ach so. Der Kalauer ist aber allgemein verstanden worden, oder?

MELLI: Ich denke doch.

RAFI: Yep.

DENNIS: Ja, klar. Allergisch, algerisch, da kann man schon mal die Wechstaben verbuchseln.

RAFI: Und was soll jetzt diese Challenge? Versteh ich nicht. Omas über die Straße oder Müll einsammeln?

ÖZGE: Auf jeden Fall keine Omas auf den Müll.

MELLI: Zum Beispiel, ja. Oder Geld spenden. Oder eine hässliche Wand mit einem Graffito verzieren. Oder eine Woche komplett auf Plastik verzichten.

*

RAFI: Hab‘ die Spülmaschine ausgeräumt. Mutter strahlt. Welt besser.

EMILY: Sexist.

RAFI: Wieso?

EMILY: Frag nicht.

*

RONNY: Katze gestreichelt. Ist jetzt total entspannt und findet alles schön.

RAFI: Muschi.

RONNY: Nee, die heißt Klara.

RAFI: Nicht die Katze.

RONNY: Doch. Die Katze heißt Klara.

RAFI: Ja, aber du bist die Muschi.

RONNY: Sexist.

RAFI: Ach leckt mich, Leute.

*

ÖZGE: Kaufe schon seit zwei Tagen nur noch bio, fair und regional. Komme ich jetzt in den Himmel?

MELLI: Bestimmt.

RAFI: Nee, in die Biotonne. Was machst Du eigentlich, Melli?

MELLI: Kommt noch.

EMILY: Bin unter die Förster gegangen. Hab‘ Erlen gepflanzt. Kommen mit langer Trockenheit, aber auch mit viel Nässe klar.

MELLI: Cool. Wo denn?

EMILY: In dem Waldstück oberhalb der Breeden, in dem die ganzen Fichten verreckt sind.

RAFI: Wie viele?

EMILY: Zehn, glaube ich.

*

MELLI: Die Woche ist fast um. Wie sieht‘s aus, Dennis?

DENNIS: Brauch noch ein bisschen. Und selbst?

MELLI: Auch so.

*

DENNIS: Hab‘ der Menschheit einen großen Dienst erwiesen und sie von Gundula Benecke befreit.

RAFI: Cool. Wie das denn?

DENNIS: Unfall.

ÖZGE: Träum weiter. Ich werde nie vergessen, wie sie „Lichter der Großstadt“ kaputtinterpretiert hat und mir ne Fünf reingewürgt, weil ich das Gedicht angeblich nicht verstanden habe.

DENNIS: Nun sind die Lichter der Großstadt für immer erloschen.

MELLI: Wer ist das denn?

ÖZGE: Deutschlehrerin. Dumm, eingebildet, grausam und hässlich.

DENNIS: Und tot.

RONNY: Nee echt jetzt? Ich hatte die in Erdkunde. War auch gruselig.

DENNIS: Jetzt ist Schluss mit Gruseln. Ich finde, ich sollte als Einziger zehn Punkte kriegen.

RONNY: Ich hätte sie ja am Kartenständer aufgehängt.

DENNIS: Zu viele Spuren. Und für den Kartenständer war selbst die Benecke zu schwer.

ÖZGE: Ich hätte sie unter Strom gesetzt.

DENNIS: Auch nicht schlecht. Hätte auch tolle Bilder gegeben.

MELLI: Ich glaube, Dennis muss zum Therapeuten. Der kommt gar nicht mehr raus aus der Nummer.

DENNIS: ;-)

EMILY: Das ist jetzt nicht mehr witzig.

RONNY: Wieso nicht? Ich mach mir gerade in die Hose vor Lachen.

EMILY: Ich bin hier gerade in der Zedernstraße. Überall Polizei und ein Leichenwagen.

RONNY: Echt jetzt? Welche Nummer?

EMILY: Na bei Frau Benecke.

ÖZGE: Ach du Scheiße!

EMILY: Das Geländer vom Balkon hat sich selbstständig gemacht. Da muss jemand runtergekracht sein.

DENNIS: Schick mal Fotos.

EMILY: Geht‘s noch?

DENNIS: Ist nur wegen der Punkte.

EMILY: Wegen welcher Punkte?

DENNIS: Für die Challenge.

MELLI: Dennis, du machst mir Angst.

DENNIS: Warum das denn? Die Menschheit muss nicht von dir befreit werden. Was war denn nun dein Beitrag?

MELLI: Wir können doch jetzt nicht einfach so weitermachen.

RONNY: Nee, mit solchen Spielchen will ich nichts zu tun haben.

Ronny hat die Gruppe verlassen.

ÖZGE: Dennis, du musst dringend zum Arzt. Und ich hab‘ echt keine Zeit für so kranke Scheiße.

Özge hat die Gruppe verlassen.

RAFI: Und ihr regt euch auf über Sexismus.

Rafi hat die Gruppe verlassen.

DENNIS: Spielverderber. Auf diese Freunde sollte man nicht setzen.

Dennis hat die Gruppe verlassen.

EMILY: Nur mal so aus Neugier: Was war denn nun dein Beitrag?

MELLI: Eigentlich Kuchen backen und verteilen. Jedem sein Anfangsbuchstabe.

EMILY: Und uneigentlich?

MELLI: Polizei informieren.

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120 стр. 1 иллюстрация
ISBN:
9783754180716
Издатель:
Правообладатель:
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