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Читать книгу: «Spielen und Lernen verbinden - mit spielbasierten Lernumgebungen (E-Book)», страница 6

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4.3 Elaboration und hohe Erwartungen: Kinder sind keine Gräser

Eine interessante und hierzulande immer wieder heftig geführte Diskussion ist die Auseinandersetzung um die Frage, ob bei den Kindern «der Knopf schon noch aufgeht» oder ob für das Lernen hohe Erwartungen und die Anleitung zu intensivem Lernen ertragreich ist. Oft wird diese Debatte ziemlich dogmatisch geführt, meist aber ohne empirische Befunde als Grundlage. Behauptungen wie diejenige, wonach Kinder wie Gräser seien, die auch nicht schneller wachsen würden, wenn man daran ziehe (z. B. Largo & Beglinger, 2009), sind auf dem Hintergrund von Befunden der aktuellen Lernforschung nicht mehr haltbar. So liegen der Expertiseforschung, die sich mit dem Erwerb anspruchsvoller Kompetenzen in unterschiedlichen Bereichen befasst, zahlreiche Befunde, vor die auf die hohe Bedeutung der Lernbarkeit und der Orientierung an hoch gesetzten Zielen hinweisen. Dementsprechend ist beispielsweise der Wettbewerb mit bereichsspezifisch kompetenteren Lernenden und damit der stete soziale Vergleich ein entscheidender Lernmotor (Ericsson & Pool, 2016); diese Feststellung gilt auch für Kinder (Sheridan & Williams, 2010). Eine grosse Anzahl an Befunden zeigt zudem, dass gerade das Interaktionsverhalten von Erwachsenen eine bedeutsame Rolle spielt. So zeigen Kinder, deren Mütter sich mit ihnen im Fantasiespiel in einer thematisch passenden vielgestaltigen und komplexen Sprache unterhalten, später eine elaboriertere und weiter entwickelte Sprache sowie ein weiter entwickeltes Spielniveau aufweisen als Kinder, deren Mütter sich mit ihnen in einer einfacheren Sprache unterhalten (Damast et al., 1996; Morrissey & Brown, 2009). Mütter und Väter stellen deshalb schon im zweiten Lebensjahr ein aktives Gerüst im Spiel dar, indem sie «die Dinge zum Laufen bringen» oder «die Dinge am Laufen halten» (Newland et al., 2008). Ebenfalls in diesem frühen Alter führt eine elaboriertere Sprache der Mütter zu grösseren Wortschatzumfängen und zu häufigerem Symbol- und Funktionsspiel bei den Kindern (Sung & Hsu, 2009). Sprachkompetenz und das Verstehen verschiedener Zusammenhänge des Lebens sind deshalb in hohem Masse sozial entstanden. Das Spielniveau der Kinder wird von Erwachsenen unter anderem durch die Ausweitung der kindlichen Aufmerksamkeit durch das Einbringen neuer Aspekte und Inhalte nachhaltig entwickelt. Damit erhöhen diese Erwachsenen auch implizit ihre Erwartungen: Sie trauen dem Kind mehr zu und gehen damit näher an die Grenzen des kindlichen Potenzials, fordern sie mehr heraus und aktivieren den Lernprozess intensiver. Auf diese Weise ermutigen Erwachsene ihre Kinder auch, selbst Spiele und Aktivitäten zu initiieren (Newland et al., 2008). Denn je mehr Aspekte und Inhalte Kindern zugemutet werden, desto mehr werden Kinder darin bestärkt, sich selbst Neues zuzutrauen, das zunächst als nicht leist- und lernbar eingeschätzt wurde. Mit einem responsiv herausfordernden Geschick werden Kinder – gerade auch im Spiel und in spielerischen Settings − näher an ihre Grenzen herangeführt; dies ermöglicht es ihnen, sich als sehr wirksam zu erleben. Dieser starke Einfluss erwachsener Modelle zeigt sich auch bei drei- bis vierjährigen Kindern (Rakoczy et al., 2010; Rakoczy et al., 2009). Zudem zeigen Befunde grösserer Studien, dass eine herausfordernde Haltung von Erwachsenen ein wesentliches Merkmal gelingender Pädagogik ist, sowohl in Kindergärten (Siraj-Blatchford & Sylva, 2004) als auch in der nachfolgenden Schulzeit (Hattie, 2003). Dass zu geringe Erwartungen Kinder systematisch benachteiligen und damit zu nachhaltig schlechteren Leistungen führen, konnten gerade kürzlich Neuenschwander und sein Team zeigen (Neuenschwander et al., 2018; Neuenschwander & Niederbacher, 2019).

Damit zeigen die empirischen Befunde insgesamt: Das Problem der Schule ist viel weniger die Überforderung von Kindern als ihre systematische Unterforderung und die damit verbundene Unterschätzung kindlicher Lernpotenziale. Pädagoginnen und Pädagogen, die warten, bis der «Knopf aufgeht», tragen vor allem in schädlicher Weise dazu bei, dass der Unterschied zwischen den leistungsfähigen und den ohnehin benachteiligten Kindern zu- statt abnimmt; die Schere zwischen oben und unten weitet sich, statt dass sie sich tendenziell schliesst: Deshalb sind Kinder keine Gräser. Die Zone der nächsten Entwicklung, die proximale Lernzone (Vygotsky, 1980), ist oft erheblich grösser als vermutet. Ein Erwachsener muss deshalb oft weitergehen, um zur Grenze dieses Potenzials vorzustossen. Befunde legen zudem nahe, dass zu viele Kinder nicht in der Lage sind, das eigene Potenzial zu aktivieren. Sie sind deshalb auf herausfordernde Interaktionen mit Erwachsenen angewiesen. Solche Forderungen an die Kinder benötigen ein förderliches Klima, das geprägt ist von Wärme, hohen Anforderungen, Feedback-Qualität (Hattie et al., 2014), und viel Anerkennung für nachfolgende Erfolge. Auf diese Weise verstetigt sich das Sich-selbst-Herausfordern zu Verhaltensmuster die Kinder entwickeln eine ertragreiche und autonome, intrinsisch motivierte Selbstregulation. Intrinsische Motivation ist vermutlich nichts anderes als ins eigene Selbst übernommene Erwartungen und Haltungen naher Erwachsener, vor allem der Eltern (Bauer, 2007). Damit aber kommt diesen frühen Erwachsenen-Kind-Interaktionen eine hohe Bedeutung zu und damit auch den Interaktionen zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern; ganz besonders gilt dies im Zyklus 1, d. h. für 4- bis 8-Jährige.

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Spielbegleitung
Franziska Vogt
1 Einleitung

Kinder spielen und lernen im Spiel – warum ist die Spielbegleitung durch Erwachsene, insbesondere durch Lehrpersonen, bedeutsam? Diese Frage steht im Zentrum dieses Beitrages. Die Bedeutsamkeit der Spielbegleitung wird in Bezug auf zwei Aspekte untersucht: Zum einen kann die Spielbegleitung das Lernen der Kinder im Spiel fördern. Zum andern ist die Spielbegleitung auch nötig, um die Teilhabe von Kindern mit unterschiedlichen Vorerfahrungen am Spiel zu fördern und sicherzustellen, dass alle Kinder vom Lernpotenzial des Spiels profitieren.

Im Beitrag wird ausschliesslich das Rollenspiel im Freispiel («pretend play») fokussiert. Beim Rollenspiel nehmen die Kinder selbst eine Rolle ein, z. B. sagen sie: «Ich wäre jetzt …, du wärst …»; das Spiel basiert auf dem «So-tun-als-ob» und realitätsnahe wie auch fantastische Elemente gehören dazu. Das Rollenspiel ist typisch für das Spiel der Kinder im Alter des Zyklus 1.

In Bezug auf das Lernpotenzial wird an Beispielen gezeigt, wie Lehrpersonen das Mitspielen im Sinne von «Cognitive Apprenticeship» (Collins et al., 1989), übersetzt kognitive Lehre, nützen können. Das Potenzial der Spielbegleitung durch Mitspielen wird im Kontext von Forschungsergebnissen zur Bedeutung der Qualität der Spielbegleitung und zur Häufigkeit kognitiver Aktivierung und gemeinsam entwickelnden Denkens im Unterrichtsalltag diskutiert. Weiter werden zum Thema soziale Inklusion Befunde erörtert, die die Heterogenität der Spielerfahrungen der Kinder und die Möglichkeiten der Spielbegleitung aufzeigen. Der Beitrag schliesst mit einem Modell der kognitiv aktivierenden Spielbegleitung und einer Zusammenfassung der wichtigsten Thesen.

2 Bedeutung der Spielbegleitung

Um die Bedeutung der Spielbegleitung auszuloten, wird zunächst diskutiert, ob Kinder auch ohne Spielbegleitung spielen und was für ein komplexes Rollenspiel grundlegend ist. Ausgehend davon wird untersucht, welche Bedeutung die Spielbegleitung hat.

2.1 Spielen ohne Spielbegleitung

Alle Kinder spielen – das kindliche Spiel ist unterschiedlich, aber dass Kinder spielen, ist universell (Drewes, 2005; Hauser, 2013). Das Spiel scheint eine entwicklungspsychologische Bedeutung zu haben (Lillard, 2017). Um das Lernen und die Entwicklung des kindlichen Denkens zu verstehen, weisen die Entwicklungspsychologen Piaget wie auch Wygotski auf die Bedeutung des Spiels hin (Bergen, 2015). Das Spiel kann als zentraler Lernmodus der frühen Kindheit bezeichnet werden (Hauser, 2007), auch wenn Spiel nicht für jede Kompetenz und in jeder Situation die beste Art des Lernens ist (Wood, 2011). Dass praktisch alle Kinder in der frühen Kindheit spielen, zeigt auch, dass prinzipiell keine Spielbegleitung nötig zu sein scheint, damit Kinder spielen. Sie spielen allein oder mit Gleichaltrigen, auch ohne Impulse und Begleitung der Erwachsenen. Spiel braucht jedoch Freiraum und Zeit: Bei Kindern, die beim Spiel beobachtet werden, zeigt sich, dass sich die Kinder viel Zeit nehmen, um die Rahmung des Spiels miteinander zu klären, und dass sie das Spiel über lange Zeit weiterentwickeln können (Bergen, 2015). Kinder spielen also, ob ihr Spiel von Erwachsenen begleitet wird oder nicht.

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