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Читать книгу: «Reden wir über Geld», страница 2

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Als Baumgartner unsere altehrwürdige Villa erblickt hatte, gab es für ihn keinen Zweifel, dass er die 20.000 Schilling auch irgendwann bekommen würde. So bin ich – nach einem abenteuerlichen finanziellen Seiltanz – ein Rennen nach dem anderen gefahren. Porsche, Formel V, Formel 3, Formel 2.

Der Oma beichtete ich später, dass ich kein Grundstück gekauft hatte mit ihrem Geld. Sie war kurz sehr böse, verkraftete es dann aber schnell. Meine erste Investition – halt nicht in ein Grundstück – war ja auch kein schlechtes Geschäft gewesen.

Baumgartner aber pilgerte irgendwann zu meinem Vater in die Firma und verlangte seine 20.000 Schilling. Der alte Herr machte einen Tango. Er zahlte schließlich unter der Bedingung, dass ich mit dem Rennfahren sofort aufhöre. In Wirklichkeit hatte ich schon zwei Siege in der Tasche. Ich war kein Seicherl mehr.

Wenn mich meine Kindheit etwas gelehrt hat, dann das: Du musst deinen eigenen Weg gehen, auch gegen Widerstände. Das Geld folgt dann schon. Es folgt aber naturgemäß denen, die vorausgehen, nicht den Herumirrenden, die nicht wissen, was sie wollen. Nur so hatte ich den Sprung in den Rennsport geschafft, wo ich bald sehr viel Geld verdienen sollte. Durch diese Erfahrung war ich Jahrzehnte später als Airline-Gründer auch gerüstet für den Kampf gegen die mächtige AUA.

Es war der Sommer 1968, ich fühlte mich endlich unabhängig und zog aus der Pötzleinsdorfer Villa aus, um in einer winzigen Salzburger Wohnung zu hausen. Ich hatte mich für den steinigen Weg entschieden.

ZEIT IST GELD
»Auf dem schnellsten Weg zum Ziel kommen: Ich musste erst lernen, dass das nicht immer funktioniert.«


Fad ist ein Lieblingswort von mir. Es ist sehr wienerisch und drückt auch lautmalerisch aus, dass sich einfach nichts bewegt, dass nichts weitergeht, dass es eben langweilig ist. Ein Zustand, den ich ganz und gar nicht schätze …

In Gesellschaft zum Beispiel wird mir oft fad. Deshalb reduziere ich meine öffentlichen Auftritte mittlerweile auf ein Minimum. Wenn der Job es verlangt, dann mache ich es zu 100 Prozent. Aber wenn ich es mir aussuchen kann, bin ich sehr strikt. Ich schaue mir die Einladungen, die täglich kommen, genau an und entscheide, was ich machen will und was nicht.

Diese sogenannten Seitenblicke-Events meide ich. Mich stört einfach der Smalltalk. Sowas kann ich mir nur ein paar Sekunden lang anhören. Dann sage ich, weil ich ja ein wohlerzogener Mensch bin: Entschuldigung, ich muss kurz raus. Dann komme ich nie mehr wieder. Für Smalltalk – das Wort sagt ja schon, dass da nichts Großartiges geredet wird – ist mir meine Zeit zu schade.

Wenn Birgit und ich mit Bekannten im Restaurant sitzen, kommt auch sehr schnell der Punkt, an dem ich erkenne: Da kommt nichts mehr! Ich habe mir alles angehört, ich habe alles verstanden, was rundum diskutiert wurde, und weiß einfach: Jetzt ist es genug. Trotzdem bleibe ich höflich und frage bei Birgit nach: Kann ich schon die Rechnung bestellen?

Ich mag es auch im Alltag nicht, wenn herumgeredet wird. Das ist nicht nur fad, das kostet auch viel Zeit. Wenn ich mich nicht auskenne, sage ich: Komm auf den Punkt, worum geht’s eigentlich? Das irritiert viele Leute, die sich erst einmal warmreden wollen. Aber so wurde ich im Rennsport geprägt.

Dort hatte ich drei Mechaniker, einen Ingenieur und meinen rechten Gasfuß. Je mehr Gas ich gab, desto mehr Geld kam in die Kasse. In der Formel 1 machen extrem ehrgeizige Menschen einen Job, der einzig und allein auf Erfolg ausgerichtet ist. Dann kam ich in die Privatwirtschaft und musste plötzlich Leute motivieren.

Ich dachte immer, dass sich Probleme lösen, indem man auf dem schnellsten Weg versucht, zum Ziel zu kommen: Ich musste erst lernen, dass das nicht immer funktioniert. Dass es nicht nur rechts und links, nicht nur schwarz und weiß gibt. Heute schenke ich den Grauzonen dazwischen wesentlich mehr Aufmerksamkeit.

Eines war aber für mich immer klar: Dass ich das, was ich von meinen Mitarbeitern verlange, selber auch vorleben muss. Leading by Example.

Pünktlichkeit zum Beispiel. Als Airline-Chef lautete meine Bitte an die gesamte Crew, immer pünktlich da zu sein, den Flieger in Ruhe fertig zu machen, ohne Hektik. Ich wollte nicht nur pünktlich, sondern schon früher wegkommen. Denn wenn der erste Flieger um 15 Minuten früher abhebt, dann gibt mir das einen Polster für den ganzen Tag.

Ich selbst suchte mir immer einen mittleren Flug aus, also zum Beispiel 7 Uhr morgens Wien-Zürich – nicht den früheren und auch nicht den späteren Flug. Nach dem Crew-Briefing fuhr ich allein hinaus zum Flugzeug und beobachtete bei dieser Gelegenheit auch gleich die sechs anderen Flieger davor und danach. Wann waren sie technisch abgefertigt? Wann kam die Crew? Wann war das Catering da? So verschaffte ich mir gleich einen Gesamtüberblick der Lage. Wenn es Probleme gab, verteilte ich sie anschließend, um sie lösen zu lassen.

Pünktlichkeit lebe ich auch privat. Obwohl mein Terminkalender oft sehr eng ist, komme ich prinzipiell nie zu spät, sondern immer eine Viertelstunde zu früh. Das klingt jetzt aus dem Mund eines Mercedes-Fahrers vielleicht komisch und möglicherweise auch ein bisschen altmodisch, aber ich denke mir: Ich könnte ja auch einen Patschen haben! Deshalb fahre ich lieber etwas früher weg und habe noch etwas Zeit für mich selber. Ich werde nie verstehen, wieso achtzig Prozent aller Menschen völlig hektisch und aufgelöst bei Terminen erscheinen und sich fünfmal entschuldigen, dass sie zu spät dran sind. Manche stellen sich sogar die Uhr zurück, das ist überhaupt absurd. Warum? Um pünktlich zu sein. Warum können sie nicht gleich pünktlich sein? Ist ja nicht so schwer.

Auf Unpünktlichkeit reagiere ich konsequent. Ich warte fünfzehn Minuten, die akademische Viertelstunde, dann bin ich weg. Weil das meine Zeit ist und weil Unpünktlichkeit extrem unprofessionell ist. Unpünktliche Menschen machen dir ja mit ihrer Disziplinlosigkeit einen ganzen Rattenschwanz von Problemen, weil sich dann alle Termine nach hinten verschieben. Ich mag Leute, die zu früh kommen. Dann kriegen sie, wenn ich mit dem vorigen Termin schon früher fertig geworden bin, vielleicht sogar ein bisschen mehr von meiner Zeit.

Ein spezieller Fall sind Journalisten. Meine Assistentin, Sanja Jovanovic macht alle meine Termine und koordiniert Interviewanfragen, die nicht direkt zu mir aufs Handy gelangt sind. Wenn ich zu ihr hinkomme, nehme ich einen Sessel, setze mich neben sie und sage: »Was gibt’s?«

Dann liest sie mir vor, was Menschen alles von mir wollen, und ich sage: Ja, nein, ja, nein. Das muss alles ganz schnell gehen. Ruck-zuck, so funktioniert das bei uns. Sanja kennt meine Prioritäten ganz genau, und sie spricht meine Sprache. Da gibt es kein ärgerliches Gequatsche mit einerseits und andererseits und möglicherweise und vielleicht doch nicht. Wir kommen gleich auf den Punkt. Sanja kennt mich auch schon so gut, dass sie mich bei gewissen Dingen gar nicht mehr fragt. Sie will sich meine Antwort ersparen: »Bitte, Sanja, schmeiß es gleich weg!«

Wenn sie mich informiert, dass die Zeitung soundso wieder angefragt und dass sie bereits abgesagt hat, dann denke ich mir manchmal, die armen Hunde haben es schon 40 Mal probiert, vielleicht sollten wir sie einmal drannehmen. Das ist eine Frage von Effizienz, denn die melden sich ja immer wieder, weil sie hartnäckig sind, oder sie melden sich gar nicht mehr, weil sie sich so ärgern. Beides ist schlecht, also mache ich manchmal auch solche Termine.

Wenn Medien anfragen, von denen ich noch nie in meinem Leben etwas gehört habe, dann recherchiert Sanja, was das für Medien sind, wie lange es sie schon gibt, wie viel Auflage sie haben, welche Blattlinie und so weiter.

Nur eines machen wir prinzipiell nicht: Interviews für Nullnummern! Der Name sagt ja schon alles. Da wirst du zur Nullnummer gemacht. Klar ist ein Lauda gut fürs Renommée der Testausgabe von Magazinen, die dann sowieso nie auf den Markt kommen, aber dafür vergeude ich wirklich nicht meine Zeit.

Stichwort Zeitvergeudung: 1975 bemühte sich der österreichische Schriftsteller Peter Handke zum Nürburgring, um mich für ein Spiegel-Essay zu porträtieren. Ich war damals 25 und lebte natürlich in meiner Rennfahrerwelt. Ich habe mich wirklich bemüht, seine künstlerisch-intellektuellen Ansätze für das Gespräch zu verstehen, aber in Wahrheit war mir die ganze Zeit schleierhaft, was er überhaupt von mir wollte. Ich bin ihm nicht böse, aber er schrieb unter dem Titel »Das Öl des Weltmeisters«– ich weiß bis heute nicht, wie diese Schlagzeile gemeint war – Sätze wie diese: Lauda, über anderes befragt als über Technisches (in allen Bedeutungen dieses Wortes) definiert dieses andere immer nur mit dem Wort, das dafür verwendet wird: Das heißt, außerhalb der technischen Sprache redet er in Tautologien: »Meine Mutter? Meine Mutter ist halt eine Mutter. Die Eltern? Die Eltern sind, wie sie sind«. So, als wäre ich ein Dodel (obwohl ich ehrlich zugebe, dass ich keine Ahnung habe, was Tautologien sind). »Der Rennbahnreporter«, so Handke in seinem salbungsvollen Text weiter, »hat Lauda wie jemanden beschrieben, den es schon lang nicht mehr gibt und dessen lebensechte Nachbildung ein trottelhafter Fremdenführer vor unseren Augen noch einmal ausmottet.« Das Formel 1-Publikum bezeichnete Handke als »tragische, wesenlose, nicht einmal gerichtsbekannte Bierbäuche ohne Lebensgeschichte.« Das einzig Lustige in dem Essay war, dass er eine Gedankentechnik beschrieb, die ich mir beim Rennfahren zugelegt hatte. Ein Grand Prix war 300 Kilometer, was der Strecke Wien-Salzburg entsprach. Um das Zeitgefühl nicht zu verlieren, sagte ich mir, während ich so im Kreis fuhr: »Jetzt bin ich schon in St. Pölten.«

Ein positives Porträt über mich und die Formel 1 war das wohl nicht. Ich glaube, dass er meine Welt nicht verstanden hat, und ich seine nicht. Wir sprachen einfach nicht dieselbe Sprache. Ist passiert und nicht weiter tragisch. Ich kann damit leben. Ich habe mich nur geärgert, dass ich mit ihm überhaupt meine Zeit verplempert habe.

Einer amerikanischen Journalistin hingegen habe ich einmal einen kleinen Streich gespielt, der sehr zeitintensiv war. Sie arbeitete für eine von diesen US-Morningshows, die wollten mich an der Unfallstelle am Nürburgring interviewen. Mir war klar, dass sie mit einem großen, emotionalen Lauda-Moment spekulierten und dachten: Der wird jetzt sicher weinen, wenn er in der Kurve bei Kilometer 10,7 steht, in der er fast verbrannt wäre. Deshalb habe ich mir vom Frühstücksbuffet meines Hotels ein braunes Laugenkipferl mitgenommen und vorher ins Gras gelegt.

Die Journalistin – groß, blond, alles dran – fragte mit bedeutungsvoller Miene: »How is it to be here …«

Ich unterbrach sie – »Just a moment!« – und ging ein paar Schritte ins Gras.

»What are you doing?«

Ich sagte: »Oh, look! Here’s my ear!«

Die war fertig, sie hat komplett die Fassung verloren. Sie mussten alles noch einmal drehen. In diesem Moment spürte ich eine kindische Schadenfreude. Ich hatte ihnen die Show vermasselt. Der Retake war mir die Zeit wert …

Normalerweise finde ich Vergnügen aber eher daran, Zeit einzusparen und Wege abzukürzen. Als wir zum Beispiel am Flughafen Wien-Schwechat mein Büro für meine zweite Fluglinie Flyniki bauten, fand in unserer provisorischen Zentrale bei der »General Aviation« eine Besprechung statt. Gleich zwölf Herrschaften, allesamt Experten des Baufaches, traten an, um mich in allen Details über die Baufortschritte zu unterrichten.

Ich wurde schnell unruhig, denn ich brauchte als Nicht-Experte schon einige Konzentration und Fantasie, um den Ausführungen halbwegs folgen zu können. Schließlich hatte ich genug. »Wie wäre es denn, wenn wir uns das alles an Ort und Stelle ansehen?«, fragte ich in die Runde.

Die zwölf Herrschaften nickten geflissentlich. Schließlich war ich ihr Auftraggeber, ich war derjenige, der die Rechnung zahlte. Wie in einer skurrilen Filmszene zückten sie alle ihre Terminkalender, um mit gerunzelter Stirn nach Zeitfenstern zu suchen.

Es war klar, dass ein gemeinsamer Termin, wenn überhaupt, frühestens nach Weihnachten zustande käme (wir hatten gerade Anfang August), aber sie hatten mich ohnedies falsch verstanden. Ich hob eine Hand. »Nein, nein«, sagte ich. »So war das nicht gemeint. Was halten Sie davon, wenn wir einfach gleich da hinaus fahren, wir alle miteinander? Jetzt, auf der Stelle? Dann wäre die Sache rasch vom Tisch.«

Während ich das sagte, stand ich schon auf. Die Zwölf sahen mich verdutzt an, doch es dauerte noch ein paar Schrecksekunden, bis sich ein jüngerer Mann meldete. »Ich habe einen Schlüssel dabei«, sagte er. »Also warum eigentlich nicht?«

Wir stiegen in unsere Autos und fanden uns kurze Zeit später in meinem künftigen Büro ein, das zu diesem Zeitpunkt noch aus Beton und ein paar halbfertigen roten Ziegelwänden bestand. Als die Zwölf hier ihre Ausführungen fortsetzten, konnte ich ihnen viel leichter folgen, mit viel weniger Aufwand an Konzentration und Fantasie. Zum Beispiel bemerkte ich, dass die Arbeiter gerade eine Wand an der falschen Stelle errichteten. Da, wo sie gerade aus dem Boden wuchs, wäre sie schlicht und einfach eine Fehlkonstruktion gewesen.

Wir konnten den Fehler an Ort und Stelle beheben. Wir sagten es einfach den Maurern, und die Sache war erledigt.

Gegen einen Terminkalender, wie ihn die zwölf Herren bei sich trugen, habe ich mich lange gewehrt, ich hatte meine Sachen ohnehin immer im Kopf. Aber seit ein paar Jahren trage ich alle Termine am iPhone ein. Sanja baut selbstständig Termine ein, sie sieht meine, ich sehe ihre, das funktioniert perfekt. Am Abend werfe ich einen Blick ins Handy und schaue mir an, wie der nächste Tag aussieht. Dann habe ich alle Zeitfenster im Kopf, ich weiß von jedem Termin, wie lange er genau dauert, wann der nächste beginnt, wann dazwischen Zeit bleibt, zu telefonieren oder Mails zu checken.

Diese Zeitbesessenheit muss ich mir im Rennsport angeeignet haben, wo Geschwindigkeit der Maßstab deines Erfolges ist.

Es war im Frühling 1975, da tat Jenzey, mein Salzburger Cousin, eines Tages ganz geheimnisvoll und fuhr mit mir zum Flughafen. Dort zeigte er mir eine einmotorige Cessna 150. »Die habe ich gemietet«, erklärte er ganz stolz, »und jetzt fliegen wir los!« Jenzey hatte gerade den Pilotenschein gemacht und wollte mit mir, dem Ferrari-Piloten, einen Sightseeingflug über das Inntal absolvieren. Wir drehten ein paar Runden am Himmel über der Stadt und dann weiter Richtung Innsbruck. Der Blick über beide Seiten der Alpen ließ mich plötzlich eine Direttissima zwischen Salzburg und Ferrari erahnen. Die Vorstellung ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Mit einer Zweimotorigen, so sagte ich mir, könnte ich die sechs Stunden Autofahrt nach Bologna ganz leicht auf eine Stunde reduzieren.

Ich hatte nie einen Traum vom Fliegen, und schon gar nicht betrachtete ich Fliegen als ein erstrebenswertes Hobby. Ich wollte schneller sein. Ich wollte Zeit sparen.

Weil ich damals schon halbwegs Geld verdiente, schaffte ich eine Cessna Golden Eagle an, hatte meinen eigenen Piloten und lernte beim Mitfliegen die Praxis. Ich wurde Flugschüler und meine bevorzugte Strecke war Salzburg-Bologna. Das machte gleich doppelt Sinn.

So kam ich zur Fliegerei, machte einen Schein nach dem anderen und gründete vier Jahre später als erster Formel 1-Fahrer und Berufspilot eine Fluglinie.

MEIN ERSTER KREDIT
»Der Konflikt mit meinem Großvater hat mich ein Leben lang geprägt. Ohne die Steine, die er mir in den Weg gelegt hat, wäre ich vielleicht nie zu dem Kämpfer geworden, der ich heute bin.«


Zeltweg, 15. August 1971. Großer Preis von Österreich. Brütende Hitze am Österreich-Ring, ich schwitze in einem March-Ford, letzte Startreihe. Eine Kindheitserinnerung taucht auf. Ich bin auf Besuch bei Onkel Heinz, wir schauen gemeinsam ein Formel 1-Rennen im Fernsehen an. »Einmal im Leben möchte ich hinten in der letzten Startreihe stehen und auch mitfahren«, soll ich damals gesagt haben. Genau das passierte an diesem Sonntag, vor 120.000 fiebernden Fans auf den Tribünen. Ich konnte mich endlich mit den besten Fahrern der Welt messen. Dass der March ein elend schlechtes Rennauto war, mit dem ich schon im Training nichts als Probleme gehabt hatte, ist eine andere Geschichte.

Den Platz in dieser Gurke hatte ich mir teuer erkauft. March hatte damals den schwedischen Superstar Ronnie Peterson als Nummer eins, benötigte daher keine wirklich gute Nummer zwei, sondern nahm auch einen wie mich – gegen die Summe von 500.000 Schilling. Ich schaffte es, bei der Ersten Österreichischen Spar-Casse einen Werbevertrag in dieser Höhe zu bekommen – der Name Lauda spielte sicher eine nicht unwesentliche Rolle dabei, zumal mein Großvater Hans Lauda dort im Aufsichtsrat saß. Für einen kombinierten Formel 2- und Formel 1-Vertrag wollte March-Rennchef Max Mosley aber 2,5 Millionen Schilling. Ich wusste: Das war mein Einstieg in die Königsklasse. Und sagte sinngemäß: »No problem, Mister Mosley.«

Ich ging zur Ersten und schilderte mein Problem. Man sagte mir die Aufstockung meines Sponsorvertrags auf 2,5 Millionen Schilling zu.

Ich flog nach London, um den Vertrag für das Kauf-Cockpit bei March zu unterschreiben. Nach meiner Rückkehr nach Wien passierte das Unfassbare: Erste-Chef Friedrich Adamek rief mich an und sagte: »Herr Lauda, alles ist geplatzt! Wir mussten mit Ihrem Ansuchen in den Aufsichtsrat. Dort ist Ihr Herr Großvater gesessen und hat die Auszahlung verhindert.«

Ich konnte es nicht glauben. Ich stand da mit einem unterschriebenen Vertrag und hatte das Geld nicht. Da bin ich zu meinem Großvater gefahren. »Warum mischst du dich da ein?«, wollte ich von ihm wissen. Hans Lauda sagte nur: »Kommt nicht infrage, dass du Autorennen fährst. Fertig.« Der millionenschwere Despot hatte tätsächlich mein Formel 1-Projekt abgeschmettert. Das war meine erste echte Krise.

Der Konflikt mit meinem Großvater hat mich in der Folge ein Leben lang geprägt: Hätte er damals nicht meinen Kredit verhindert, wäre ich vielleicht nie der Kämpfer geworden, zu dem ich in der Situation wurde und der ich noch heute bin. Ich ermahnte mich, logisch nachzudenken: Krise hin oder her, dachte ich. Es muss noch einen anderen Weg geben, zu meinem Ziel zu kommen.

Dieser Weg führte mich zu Raiffeisen. Dort traf ich einen Mann, der einen feinen Sinn für das Mögliche und Unmögliche hatte und mir deshalb bis heute in angenehmer Erinnerung geblieben ist. Werbeleiter Karlheinz Oertel.

»Ich brauch’ 2,5 Millionen Schilling«, sagte ich.

Darauf er: »Wo wollen S’ denn das Schloss hinbauen?«

»Nix Schloss. Formel 1«, erwiderte ich.

Ich dürfte Oertel mit meiner fixen Vorstellung von einer Rennfahrer-Karriere beeindruckt haben, denn er verschaffte mir den Kredit. Blieb nur noch eine Frage zu klären: »Was machen wir, wenn Sie verunglücken?« Mir gefiel die direkte Art von Oertel. Ich schloss umgehend eine Ablebensversicherung über 2,5 Millionen Schilling bei der »Wiener Allianz« ab. So viel hätte die Bank kassiert, wenn es mich im March aufgestellt hätte. Die Zinsen für den Kredit hat Raiffeisen mir erlassen. Dafür trug ich brav das gelb-schwarze Giebelkreuz auf dem Helm und an beiden Oberarmen meines Rennanzugs. Oertel wollte mit mir als Formel-1-Newcomer das Image der »Bauernbank« aufpolieren …

Ich trug die 2,5 Millionen also zu March; meine erste Formel 1-Saison schien gesichert. Aber 1972 wurde ein Alptraumjahr. March ließ mich in der Formel 1 nur testen. Rennen durfte ich ausschließlich in der Formel 2 fahren. Dazu kam, dass mein Auto, der March 721 X, eine gigantische Fehlkonstruktion war – in meiner Bilanz gab es einen Ausfall nach dem anderen. Obwohl ich buchstäblich um mein Leben fuhr, waren meine sportlichen Ergebnisse miserabel. Da ging March auch noch in Konkurs und ich stand über Nacht ohne Auto und Vertrag fürs nächste Jahr da.

Ich hatte Schulden von zwei Millionen Schilling – 500.000 Schilling hatte ich aus meinem Verdienst bei Tourenwagen-Rennen abgestottert. Das war in den Siebziger Jahren sehr viel Geld. Wie sollte ich diese gigantische Summe je zurückzahlen, wenn meine Pläne nicht aufgingen? Ich rechnete aus, wie lange die Abzahlung mit einem normalen Job dauern würde und kam auf vierzig oder fünfzig Jahre. Ein ziemlich unerfreuliches Szenario. Denn eines war mir schon immer klar: Hast du erst einmal den Kredit, so ist das Problem ja nicht gelöst. Denn du musst ihn auch zurückzahlen.

Ich hatte mit meinem Draufgängertum einen absoluten Tiefpunkt erreicht. Es war klar, dass 1973 bargeldlos funktionieren musste. Nicht einmal der klasse Herr Oertel hätte meinen Kredit noch einmal aufgestockt.

Da fiel mir ein, dass Louis Stanley, Chef von British-Racing-Motors, mich beim amerikanischen Grand Prix in Watkins Glen um meine Adresse gefragt hatte. Der Adelige galt damals als Peter Ustinov der Formel 1, trug immer zweireihige Anzüge mit goldenen Knöpfen, dazu Stecktuch und Krawatte. Ich schrieb einen Brief auf handgeschöpftem Büttenpapier, mit vielen englischen Floskeln, in dem ich Sir Louis meine Adresse bekanntgab. Die Luftpost ging von Wien in die Dachsuite des altehrwürdigen Londoner Dorchester-Hotels am Hyde Park Corner, express natürlich. Absender: Nikolaus Lauda.

Der Brief verfehlte seine Wirkung nicht: Stanley lud mich zu sich nach London ein, ich erinnere mich noch, dass in seiner Dachsuite riesige Zebra- und Leopardenfelle an den Wänden hingen. Nach ein paar Begrüßungsfloskeln kam Sir Louis schnell auf den Punkt: Haben Sie eigentlich einen Sponsor, Herr Lauda?

Ich hatte nur Schulden, mehr nicht. Und Oertel von Raiffeisen im Hintergrund. Also spielte ich Stanley, um noch in den BRM-Stall reinzurutschen, vor, mein Sponsor würde auch 1973 zahlen – obwohl ich wusste, dass bei Raiffeisen nichts mehr ging.

Stanley meinte, er werde demnächst nach Wien kommen und einen Vertragsentwurf mitbringen. »Bringen Sie Ihren Sponsor zur Vertragsunterzeichnung mit, Herr Lauda«, sagte er beim Abschied.

Als der Termin feststand, bestellte ich den Herrn Oertel ins Flughafenrestaurant Schwechat. »Ich will Sie gleich mit einem echten englischen Lord und Rennstallbesitzer bekanntmachen«, sagte ich so unbefangen ich konnte. Oertel war sich nicht sicher, was das alles sollte, spielte aber mit. Als Stanley kam, musste er glauben, dass Oertel mein Sponsor sei. Ich hatte wieder einmal gepokert.

Wir einigten uns auf ein Eintrittsgeld von zwei Millionen Schilling in drei Raten, zahlbar mit den Start- und Preisgeldern. Prinzip: Heute fahren, morgen zahlen.

Ich setzte mich ins BRM-Cockpit und war auf Anhieb schnell. Sehr schnell. Ich wurde Fünfter am Curcuit Zolder und in Monaco sogar Schnellster im Training und Dritter im Rennen, bis ich mit Getriebeschaden ausfiel.

Es war der 3. Juni 1973, als ich in Monte Carlo an dritter Position startete. Vor mir nur Jackie Stewart und Emerson Fittipaldi. 25 Runden lang hielt ich Jackie in seinem Ferrari auf Distanz. Dann platzte das Getriebe und ich fiel aus – mein Traum vom ersten Platz war dahin. An dem Abend machte Stanley mich zum bezahlten Fahrer gegen eine Unterschrift für weitere zwei Jahre. Ich hatte keine Wahl und unterschrieb. Eine Million Schilling für die laufende Saison! Damit wäre mein Schuldenberg schon um die Hälfte geschrumpft.

Ich hatte damals mit meinem Cousin Jenzey, der mir sein Büro in Salzburg als Stützpunkt zur Verfügung gestellt hatte, einen »Running Gag« laufen. Ich sagte: »Stört mich nur, wenn Ferrari anruft!« Als ich vom Grand Prix aus Monaco zurückkehrte, sagte mein Cousin: »Ferrari hat angerufen!« Es war kein Witz.

Im italienischen Fiorano war ein Mann auf mich aufmerksam geworden, dessen rote Renner 1964 ihren letzten Titel gewonnen hatten. Enzo Anselmo Ferrari. Il Commendatore. Er hatte an jenem 3. Juni 1973 den Grand Prix vor dem Fernsehschirm verfolgt – Ferrari ging niemals zu Rennen. Aber er verfolgte sie im TV, las alle Berichte und ließ sich von seinen Angestellten bis ins kleinste Detail über den Rennverlauf informieren. »Wie heißt der Kerl, der sich so unverschämt schnell von Jacky Ickx absetzte, bevor sein Getriebe brach?«, fragte er seinen Teamchef Luca di Montezemolo. »Um den sollten wir uns kümmern.«

Eines Tages saß ich ihm in seinem abgedunkelten Büro gegenüber und verhandelte. Meine erste Jahresgage bei Ferrari betrug immerhin 500.000 Schilling. Ich wollte dem Commendatore auch noch einen privaten Ferrari abluchsen, aber er gab mir nur einen Fiat.

Durch den alten Herrn, der damals gerade sein Team neu organisierte, sollte ich bald ein Vielfaches von dem verdienen, was ich Raiffeisen schuldete.

Meinen Kredit hatte ich übrigens in meinem zweiten Ferrari-Jahr bereits abbezahlt. Es blieb mein erster und einziger Kredit. Danach habe ich – außer für den Kauf von Flugzeugen – nie mehr Geld aufgenommen, bis heute nicht.

Warum? Erstens bestand keine Notwendigkeit und zweitens bedeuten Kredite immer Abhängigkeit. Wenn ich über einen Teil meines Einkommens nicht mehr frei verfügen kann, dann bin ich auch nicht mehr frei in meinen Entscheidungen.

Im Fall meines ersten und einzigen Kredites war es so: Um in die Formel 1 zu kommen, brauchte ich das Geld sofort. 2,5 Millionen Schilling im Rennsport zu verdienen wäre am Anfang unmöglich gewesen. Ganz oben stand mein übergeordnetes Ziel, aus eigener Kraft, auch gegen den Willen und die Machtspiele meines Großvaters, Rennfahrer zu werden. Der Kredit ebnete mir den Weg dorthin. Dafür ging ich ein Risiko ein, das irrsinnig hoch, aber notwendig war.

Auf der anderen Seite bestand die realistische Chance, mit diesem Startkapital auch richtig Geld zu machen. Meine Einschätzung des Risikos war dabei trotzdem neutral-pessimistisch. Neutral, weil ich mich von der Schuldenfalle nicht verrückt machen ließ, pessimistisch, weil mir sehr wohl bewusst war, dass es mich auch Jahrzehnte lang beschäftigen oder schiefgehen hätte können.

Ich weiß natürlich, dass die meisten Leute irgendwann im Laufe ihres Lebens einen Kredit brauchen, um Investitionen zu finanzieren. Von Konsumkrediten rede ich nicht, denn wer Geld aufnimmt, um einen Fernseher zu kaufen oder auf die Bahamas zu fliegen, dem ist sowieso nicht zu helfen. Das geht sich nie im Leben aus.

Genauso wie Fremdwährungskredite. Das Risiko des Wechselkurses ist viel zu hoch, vollkommen unberechenbar. Die niedrigen Zinsen verleiten dazu. Dieses Risiko kann ich nur ausschalten, wenn ich Einkommen in der Fremdwährung habe. Sonst lässt jeder logisch denkende Mensch die Finger davon.

Was ich heute ganz okay finde sind Leasing-Verträge für Autos, vor allem wenn man die Kosten steuerlich absetzen kann. Die Monatsraten sind festgelegt, und es gibt am Schluss keine bösen Überraschungen. Man kann besser kalkulieren und das Auto am Ende zurückgeben und ein neues nehmen, ohne sich je mit Reparaturen auseinandersetzen zu müssen.

Wann sind Kredite sinnvoll?

Ganz einfach: Wenn die Zinsen niedrig sind, wenn ein cleveres Geschäftsmodell dahintersteht, wenn der Kredit dich beweglicher macht, statt dich einzuschränken, und wenn es Sicherheiten für den Worst Case gibt.

Bei mir trafen, ehrlich gesagt, nur zwei Punkte zu. Die Zinsen wurden mir erlassen und der Kredit hat mir ermöglicht, Rennen zu fahren. Er hat mich also im wahrsten Sinn des Wortes beweglicher gemacht. Ich hatte aber weder ein Geschäftsmodell noch Sicherheiten für den Worst Case …

P.S.: Mein Großvater, der mich beinahe zwei Millionen Schilling und mein Ticket in die Weltklasse gekostet hätte, ist 1974 gestorben. Ein Jahr, bevor ich in der Formel 1, im Alter von 25 Jahren, sehr gutes Geld verdiente.

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