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2. Rechtsschutz bei Ehestörung nach der Rechtsprechung

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Fall 10:

F und M sind miteinander verheiratet. Seit mehreren Monaten unterhält M ein intimes Verhältnis zu einer Freundin X, von dem F erfährt. Auf Vorhaltungen seiner Frau hin fordert M seinerseits von F mehr „Toleranz“ und eröffnet ihr, dass X demnächst im Gästezimmer der ehelichen Wohnung einziehen wird, weil ihr vor Kurzem die Wohnung gekündigt wurde. Die Anwesenheit der X setzt F derart zu, dass sich erhebliche psychische wie physische Krankheitsbilder zeigen. F muss sich deshalb in ärztliche Behandlung begeben (Kosten: 2.500 €). F fragt nach ihren Rechten.

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Die seit langem andauernde Diskussion um die rechtliche Behandlung der so genannten Ehestörung beruht auf einem von der hier vertretenen Ansicht abweichenden Verständnis der „Ehe“ und der Anerkennung einer echten Rechtspflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft. Dabei geht es um zwei Schwerpunkte: erstens um die Frage nach dem Inhalt möglicher Ansprüche des verletzten Ehegatten, zweitens um die Überlegung, wie diese Ansprüche im Verhältnis zum (verletzenden) Partner und zu einem mitwirkenden Dritten (Ehestörer) zu behandeln sind. Ausgangspunkt ist die Verantwortlichkeit des ehestörenden Ehegatten.

a) Ansprüche gegen den Ehepartner

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(1) Unterlassung ehewidrigen Verhaltens

Lehnt man eine aus § 1353 Abs. 1 S. 2 folgende Rechtspflicht zur ehelichen Treue mit der hier befürworteten Ansicht ab (Rn. 128 ff.), so scheidet ein Anspruch auf Unterlassung von „ehewidrigem“ Verhalten und auf Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft von vornherein aus. Es überrascht daher nicht, dass es in der Praxis seit der Einführung des Zerrüttungsprinzips (§ 1565 Abs. 1: „Scheitern der Ehe“) keine veröffentlichten „Herstellungsklagen“ gestützt auf § 1353 mehr gab, die rein personenrechtliche „Pflichten“ zum Gegenstand hatten. Es erscheint auch wenig sinnvoll, in diesen Fällen ein gerichtliches Verfahren bereit zu halten: Sind die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Ehegatten in Bezug auf den Bestand oder Umfang einer persönlichen „Ehepflicht“ so groß geworden, dass einer sich zur Einleitung eines solchen Verfahrens entschließt, wird ein Scheitern der Ehe nicht mehr fern sein, die einen Herstellungsanspruch gemäß § 1353 Abs. 2 ausschließt. Mangels Vollstreckbarkeit eines Titels (§ 120 Abs. 3 FamFG) könnte dadurch lediglich die Feststellung bzw. Klarstellung erreicht werden, ob und inwieweit der andere Ehegatte seinen „ehelichen Pflichten“ zuwidergehandelt hat – wofür dem Richter aber rechtliche Maßstäbe und Richtlinien fehlen. Ist ein Ehegatte nicht freiwillig bereit, den Wünschen des anderen entsprechend eine außereheliche Sexualbeziehung zu unterlassen (so in Fall 10), so wird er sich kaum von einer nicht durchsetzbaren Gerichtsentscheidung eines Besseren belehren lassen.

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Nichtsdestotrotz gibt es die Ansicht, dass aus § 1353 Abs. 1 S. 2 ein gegenseitiger Anspruch der Eheleute auf Unterlassung ehewidrigen Verhaltens folge, insbesondere auf Unterlassung ehebrecherischer Beziehungen.[7] Durchsetzbare Unterlassungs- und/oder Beseitigungsansprüche gegen den Ehegatten kommen (wegen § 120 Abs. 3 FamFG) allerdings nur gemäß § 1004 analog und zwar dann in Betracht, wenn das ehewidrige Verhalten zugleich einen Eingriff in ein absolut geschütztes Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 des Partners bedeutet. Teile der Literatur[8] erkennen der Ehe als solcher den Charakter eines absolut geschützten „sonstigen Rechts“ zu; damit verbindet sich dann die Annahme eines quasi-negatorischen Unterlassungsanspruchs in analoger Anwendung des § 1004 Abs. 1. Der BGH ist dieser Ansicht nicht gefolgt, er hat aber ebenfalls angenommen, dass die Ehe ein Recht auf Fortbestand oder Ungestörtheit der ehelichen Lebensgemeinschaft gewähre.[9] Abgesehen davon, dass schon die dogmatische Einordnung der „Ehe“ als „sonstiges Recht“ nicht überzeugt (vgl. Rn. 11),[10] herrscht jedenfalls weitgehende Einigkeit, dass selbst bei Anerkennung eines absoluten Charakters der Ehe der quasi-negatorische Rechtsschutz an § 120 Abs. 3 FamFG seine Grenze findet: ein Unterlassungstitel müsste nach § 890 ZPO durch Ordnungsgeld/-haft vollstreckt werden, was die Wertungen von § 120 Abs. 3 FamFG unterlaufen würde. Gleiches gilt, wenn man nicht an die Ehe als „sonstiges Recht“ anknüpft, sondern auf eine Gesundheitsbeeinträchtigung oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht des betroffenen Ehegatten abstellt: Auch Ehegatten schulden einander Achtung der durch § 823 Abs. 1 geschützten Integritätssphäre, allerdings scheitert ein Anspruch auf Unterlassung „ehewidrigen“ Verhaltens aus § 1004 analog auch insofern jedenfalls an den Wertungen des § 120 Abs. 3 FamFG.

(2) Der Schutz des „räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe“

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Rechtsschutz in Form eines Unterlassungsanspruchs gewährt der BGH in ständiger Rechtsprechung dagegen aus dem Gesichtspunkt der Verletzung des „räumlich-gegenständlichen Ehebereichs“,[11] den er als absolut geschütztes Recht anerkennt. Dieser Unterlassungsanspruch (§ 1004 Abs. 1 analog) kann nicht nur gerichtlich geltend gemacht, sondern auch zwangsweise (§ 120 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 890 ZPO) durchgesetzt werden.[12]

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Den BGH hat dabei der Gedanke geleitet, dass Ansprüche wegen ehewidrigen Verhaltens ausgeschlossen sein müssen, weil das Eherecht die persönliche, vorwiegend sittliche Beziehung der Ehegatten untereinander (§ 1353 Abs. 1 S. 2) einer besonderen Regelung unterworfen habe (nunmehr § 120 Abs. 3 FamFG). Diese für das persönliche Verhältnis der Ehegatten bestehende Regel hindere den Schutz (auch zwischen den Eheleuten selbst) aber dort nicht, wo es um den von dieser persönlich-sittlichen Sphäre abzugrenzenden, äußeren Bereich gehe, in dem sich die eheliche Lebensgemeinschaft vollzieht.[13] Diesen äußeren-gegenständlichen Ehebereich zu achten, treffe auch den Ehepartner als eine allgemeine Rechtspflicht. Der Schutzbereich des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe umfasst die Ehewohnung, einschließlich des Grundstücks, getrennte Räume innerhalb der Ehewohnung, zum Teil auch getrennte Wohnungen im selben Haus und unter Umständen auch Geschäftsräume, wenn sie dem ehelichen Bereich angegliedert sind (Tatsachenfrage). Die Ehewohnung wird so lange als räumlich-gegenständlicher Bereich der Ehe qualifiziert, als der andere Ehegatte endgültig zum Ausdruck gebracht hat, dass er die eheliche Lebensgemeinschaft nicht wieder aufnehmen will. Die Rechtsprechung erkennt den Ehegatten deshalb einen gegenseitigen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch zu, soweit (über die persönlich-sittliche Sphäre hinaus) das Recht am räumlich-gegenständlichen Ehebereich beeinträchtigt ist. Danach kann in Fall 10 die F von M – gegebenenfalls zwangsweise, § 890 ZPO (§ 120 Abs. 1 FamFG) – verlangen, dass er die Freundin X zum Auszug aus der ehelichen Wohnung bewegt und ihr ein nochmaliges Betreten untersagt.

(3) Schadensersatzansprüche

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Trotz Anerkennung des räumlich-gegenständlichen Ehebereichs als absolutes Recht der Ehegatten, werden vom BGH – mit Ausnahme von Ansprüchen nach § 826 wegen sittenwidriger Schädigung[14] – Schadensersatzansprüche wegen Verletzung dieses Rechts ebenso verneint[15] wie für Vermögensschäden, die einem Ehegatten wegen des ehebrecherischen Verhaltens des anderen entstanden sind.[16] Er begründet dies damit, dass Ehestörungen immer die Mitwirkung eines Ehepartners voraussetzen. Die Ursache der Ehestörung liege in der Regel in innerehelichen Problemen der Ehegatten, und deren Folgen seien abschließend im Familienrecht geregelt, das deliktische bzw. schadensrechtliche Ansprüche verdränge. Solche Ansprüche würden außerdem dem Wesen der Ehe als sittlich-ideeller Lebensgemeinschaft und dem innerehelichen Vorgang eines Ehebruchs nicht gerecht, da sie nicht vom Schutzzweck der deliktischen Haftungstatbestände umfasst seien.[17] Ein Ersatz der durch das ehewidrige Verhalten des M verursachten Arztkosten (Fall 10) scheidet danach unter dem Gesichtspunkt des ehewidrigen Verhaltens oder der Verletzung des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe aus.

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In Betracht kommen Schadensersatzansprüche aber bei Verletzungen anderer absoluter Rechte und Rechtsgüter, wie z.B. der körperlichen Unversehrtheit (Nervenzusammenbruch des betrogenen Ehegatten). In diesem Fall besteht auch zwischen Ehegatten grds. Rechtsschutz nach den allgemeinen Regeln, so dass F die Arztkosten (Fall 10) – soweit eine Beeinträchtigung der Gesundheit nachweisbar durch das Verhalten des M eingetreten ist – erstattet verlangen kann. Daneben besteht nach hier vertretener Ansicht auch eine Haftung nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 wegen Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme (dazu noch Rn. 141 f., 144) auf die Rechtsgüter (Gesundheit, Psyche) und Interessen (Ungestörtheit in der Ehewohnung[18]) des anderen Ehegatten.

b) Ansprüche gegen den Drittstörer

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(1) Unterlassungsansprüche

Im Verhältnis des betroffenen Ehegatten zum Ehestörer beschränkt sich der Rechtsschutz von vornherein auf das Deliktsrecht. Konsequenterweise verneint der BGH auch gegenüber dem Dritten einen Unterlassungsanspruch im Hinblick auf ein absolutes Recht am „ungestörten Fortbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft“[19] sowie im Hinblick auf Gesundheits- und andere durch ehestörendes Verhalten eingetretene Rechtsgutsverletzungen.[20] Würde gegen den Drittstörer zwangsweise vorgegangen, so der BGH,[21] müsste dies auf den anderen Ehepartner jedenfalls mittelbar Druck ausüben, der sich mit den eherechtlichen Vorschriften (§ 1353 Abs. 1 S. 2; § 120 Abs. 3 FamFG) nicht vereinbaren ließe. So verbleibt es gegenüber dem mitwirkenden Drittstörer nach der Rechtsprechung ebenfalls bei einem Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch allein wegen der Beeinträchtigung des absolut geschützten Rechts am räumlich-gegenständlichen Ehebereich (§ 1004 Abs. 1 analog, § 890 ZPO).

(2) Schadensersatzansprüche

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Auch dem Dritten gegenüber werden Schadensersatzansprüche aus § 823, die neben Gesundheitsschäden z.B. hinsichtlich der Kosten für ein Scheidungsverfahren oder ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren relevant werden können, durchgehend abgelehnt.[22] Ein solcher Anspruch müsste, so der BGH, über den Gesamtschuldnerausgleich (§§ 840 Abs. 1, 426 Abs. 1) zu einem dem Eherecht widersprechenden Druck auf den mitbetroffenen Partner führen.[23]

Dritter Teil Eheliche Lebensgemeinschaft › § 6 Eheliche Pflichten und Haftung bei Pflichtverletzungen › II. Pflicht zur Rücksichtnahme

II. Pflicht zur Rücksichtnahme

Dritter Teil Eheliche Lebensgemeinschaft › § 6 Eheliche Pflichten und Haftung bei Pflichtverletzungen › II. Pflicht zur Rücksichtnahme › 1. Rechtliche Grundlage

1. Rechtliche Grundlage

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Als echte Rechtspflicht bleibt für den persönlichen Bereich der Ehegatten nach hier vertretener Ansicht nur die (allgemein-schuldrechtliche) Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2, die bei schuldhafter Verletzung eine Haftung nach § 280 Abs. 1 zur Folge haben kann. Es handelt sich dabei zwar nicht um eine spezifisch eherechtliche Pflicht, weshalb diese Pflicht grundsätzlich mit all ihren Ausprägungen gleichermaßen auch im Rahmen anderer Lebensgemeinschaften bzw. familienrechtlicher Rechtsverhältnisse Geltung erlangt (Rn. 142), aber sie kann und muss mit Blick auf den eherechtlichen Kontext im Einzelfall näher konkretisiert werden.[24] Zu unterscheiden ist zwischen der Rücksichtnahmepflicht in vermögensrechtlichen Belangen[25] und in persönlichen Bereichen.

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Bei anderen Lebensgemeinschaften bzw. familienrechtlichen Rechtsverhältnissen (z.B. nichtehelichen Lebensgemeinschaften) ist die Begründung eines Schuldverhältnisses als Voraussetzung einer Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 etwas schwieriger, weil es keine Primärleistungspflichten i.S.v. § 241 Abs. 1 gibt, die Ausdruck eines Schuldverhältnisses sind. Allerdings ist unstreitig, dass es auch Schuldverhältnisse geben kann, die sich auf die Pflichten i.S.v. § 241 Abs. 2 beschränken: Zwischen zwei Personen existiert immer dann ein Schuldverhältnis mit den Pflichten aus § 241 Abs. 2, wenn das Integritätsinteresse der Beteiligten besonders schutzwürdig und -bedürftig ist. Das ist vor allem in Fällen anzunehmen, in denen im Rahmen einer Sonderverbindung zwischen zwei Personen erhöhte Einwirkungsmöglichkeiten auf die Integritätssphäre des jeweils anderen und eingeschränkte Verteidigungsmöglichkeiten (bzw. eine eingeschränkte Verteidigungsbereitschaft) zum Schutz der eigenen Sphäre bestehen;[26] dem in solchen Fällen gegebenen besonderen Schutzbedürfnis der Beteiligten kann durch die Annahme eines (vom Gesetzgeber vorausgesetzten bzw. an die Tatsache der Existenz einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft anzuknüpfenden) Schuldverhältnisses mit den besonderen Rücksichtnahmepflichten nach § 241 Abs. 2 Rechnung getragen werden.[27] Gerade in familienrechtlichen Verhältnissen, insbesondere in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, kommt der Sinn und Zweck von Rücksichtnahmepflichten besonders zum Tragen, weil sich die Lebensgefährten in vertrauter Atmosphäre treffen, sich gegenseitig Vertrauen entgegenbringen und jeder daher erhöhte Einwirkungsmöglichkeiten auf (und Einblicke in) den Rechts- und Interessenkreis des jeweils anderen hat.

Dritter Teil Eheliche Lebensgemeinschaft › § 6 Eheliche Pflichten und Haftung bei Pflichtverletzungen › II. Pflicht zur Rücksichtnahme › 2. Mitwirkung bei der steuerlichen Veranlagung

2. Mitwirkung bei der steuerlichen Veranlagung

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Praktisch relevant ist vor allem die Pflicht zur Mitwirkung bei der gemeinsamen Steuerveranlagung.[28] Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist ein Ehegatte dem anderen gegenüber verpflichtet, in eine von diesem gewünschte Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer einzuwilligen, wenn dadurch die Steuerschuld des anderen verringert und der auf Zustimmung in Anspruch genommene Ehegatte keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt wird.[29] Diese Verpflichtung ist klagbar und vollstreckbar.[30] Wird die Zustimmung ohne berechtigten Grund verweigert, entsteht eine Schadensersatzpflicht. Davon geht auch die Rechtsprechung aus,[31] obwohl sie im Grundsatz Schadensersatzansprüche bei einer Verletzung der Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft verneint (dazu Rn. 137 f., 140), denn dies soll „nur für Pflichten [gelten], die dem eigentlichen, höchstpersönlichen Bereich der Ehe angehören, nicht dagegen für rein geschäftsmäßiges Handeln, wie es bei der Verweigerung der Zustimmung zur Zusammenveranlagung in Rede steht.“[32]

Dritter Teil Eheliche Lebensgemeinschaft › § 6 Eheliche Pflichten und Haftung bei Pflichtverletzungen › II. Pflicht zur Rücksichtnahme › 3. Gestattung der Mitbenutzung von Ehewohnung und Haushaltsgegenständen

3. Gestattung der Mitbenutzung von Ehewohnung und Haushaltsgegenständen

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Auch die allgemein anerkannte Verpflichtung jedes Ehegatten, dem anderen die Mitbenutzung der ihm gehörenden oder von ihm angemieteten ehelichen Wohnung sowie der ihm gehörenden Haushaltsgegenstände zu gestatten,[33] ist dogmatisch vorzugswürdiger Weise aus § 241 Abs. 2 abzuleiten. Trotz des sachlichen Zusammenhangs mit dem persönlichen Aspekt einer häuslichen Lebensgemeinschaft der Ehegatten hat diese Pflicht überwiegend vermögensrechtlichen Charakter.[34] Dies zeigt sich schon daran, dass sie – insbesondere in Bezug auf den Wohnbedarf – Teil des Familienunterhalts ist (dazu Rn. 177, 180). Haben die Ehegatten die im Alleineigentum eines Ehegatten stehende Wohnung zur gemeinsamen Ehewohnung bestimmt, so entstehen auch für den einziehenden Ehegatten berechtigte (persönliche und finanzielle) Interessen daran, die Ehewohnung selbst nutzen zu dürfen. Auf diese Interessen hat der Eigentümer-Ehegatte gemäß § 241 Abs. 2 Rücksicht zu nehmen, wobei zu beachten ist, dass die Ehe als zugrundeliegendes Schuldverhältnis eine Verantwortungsgemeinschaft (§ 1353 Abs. 1 S. 2 Hs. 2) ist. Der Gesetzgeber kann den Eigentümer-Ehegatten zwar nicht gegen seinen Willen verpflichten, seine Wohnung (weiterhin) mit dem anderen Ehegatten zu teilen und mit ihm zusammen wohnen zu bleiben (Autonomiebereich, vgl. Rn. 33 ff.), aber er kann ihm ein Verhalten untersagen, das auf die schutzwürdigen Interessen des anderen Ehegatten keine Rücksicht nimmt. Will der Eigentümer-Ehegatte nicht länger unter einem Dach mit dem anderen in seiner Wohnung leben, muss er dem anderen zumindest eine von den Umständen[35] abhängige Übergangsfrist gewähren, damit sich dieser auf die neue Situation einstellen und entsprechend disponieren kann. Eine schuldhafte Verletzung dieser Pflicht löst Schadensersatzansprüche gemäß § 280 Abs. 1 aus, z.B. wenn der Eigentümer-Ehegatte den anderen ad hoc „vor die Tür setzt“ und dieser sich vorübergehend ein Hotelzimmer suchen muss. Gegen die Rücksichtnahmepflicht verstößt es außerdem, wenn der Eigentümer-Ehegatte gegen den Willen des anderen Ehegatten einen neuen Lebensgefährten in die Ehewohnung aufnimmt (vgl. Fall 10), solange die eheliche Lebensgemeinschaft noch fortbesteht; zieht der betroffene Ehegatte deshalb aus, kann er für ein übergangsweise genutztes Hotelzimmer Schadensersatz verlangen.

Dritter Teil Eheliche Lebensgemeinschaft › § 6 Eheliche Pflichten und Haftung bei Pflichtverletzungen › II. Pflicht zur Rücksichtnahme › 4. Mitarbeit im Gewerbe des anderen Ehegatten

4. Mitarbeit im Gewerbe des anderen Ehegatten

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Eine Ausprägung der Pflicht zur Rücksichtnahme in Vermögensangelegenheiten ist ferner die in Ausnahmefällen bestehende Pflicht zur Mitarbeit im Gewerbe des anderen Ehegatten. Aus § 1356 folgt – anders als früher – keine generelle Pflicht mehr, im Beruf oder Geschäft des Ehepartners mitzuarbeiten. Aber es können im Laufe der Ehe Situationen entstehen, in denen ein erwerbstätiger Ehegatte auf Hilfe und Beistand durch den anderen in seinem Betrieb angewiesen ist, vor allem, wenn vorübergehend Personalmangel besteht. Aus § 241 Abs. 2 kann dann die Pflicht zur Mithilfe und Mitarbeit im Betrieb oder Geschäft des anderen folgen, sofern und soweit dies dem anderen Ehegatten unter Berücksichtigung der gewählten Rollenverteilung und der übrigen persönlichen und tatsächlichen Umstände zumutbar ist.[36] Dies wird man im Regelfall nur in Notsituationen eines Ehegatten annehmen können.[37] Durch die Mitarbeit leistet der aushelfende Ehegatte nicht nur einen Beitrag zur ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern er erbringt auch einen Teil seiner Unterhaltspflicht gemäß § 1360. Verweigert er eine ihm zumutbare Mitarbeit ohne berechtigten Grund, kann er sich gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 schadensersatzpflichtig machen.

Dritter Teil Eheliche Lebensgemeinschaft › § 6 Eheliche Pflichten und Haftung bei Pflichtverletzungen › II. Pflicht zur Rücksichtnahme › 5. Aufklärungspflicht

5. Aufklärungspflicht

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Im Übrigen, d.h. insbesondere im persönlichen Bereich, wirkt sich die Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 als Pflicht zur Aufklärung über alle Umstände aus, die für den jeweils anderen Ehegatten erkennbar von Bedeutung sind, aber ihm nicht (in gleichem Maße) bekannt sind wie dem aufklärungspflichtigen Ehegatten. Anders als eine Auskunftspflicht, wirkt eine Aufklärungspflicht retrospektiv: Es geht um Informationen, die einem Teil unbekannt sind, an denen er jedoch – bei rechtzeitiger Kenntnis – sein früheres Verhalten ausgerichtet hätte, um eine Selbstschädigung zu vermeiden. Im Ehegattenverhältnis bedeutet dies, dass jeder den anderen z.B. über (ansteckende) Krankheiten oder über eine geänderte Einstellung zur Familienplanung (z.B. heimliches Absetzen von Verhütungsmitteln) informieren muss. Unterbleibt dies, verletzt der aufklärungspflichtige Ehegatte seine Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem anderen und macht sich nach § 280 Abs. 1 schadensersatzpflichtig. Gleiches gilt für „Seitensprung“-Konstellationen: Hier muss die Mutter den „Scheinvater“ ab der Schwangerschaft, spätestens ab der Geburt des Kindes, darüber unterrichten, dass er möglicherweise nicht der biologische Vater ist, damit dieser frei entscheiden kann, ob er eine Klärung der biologischen Vaterschaft herbeiführen und Unterhalt oder sonstige Aufwendungen für das Kind leisten will. Eine – in der Rechtsprechung angenommene – Auskunftspflicht über die Identität des Erzeugers wird den Interessen des Scheinvaters nicht hinreichend gerecht (zum Regress nach § 1607 vgl. Rn. 640 ff.) und greift zudem in die Intimsphäre der Mutter ein, was durch rein finanzielle Interessen des Scheinvaters schon aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht gerechtfertigt werden kann.[38]

Dritter Teil Eheliche Lebensgemeinschaft › § 6 Eheliche Pflichten und Haftung bei Pflichtverletzungen › III. Pflichten kraft Parteivereinbarung?

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