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3.8 Exklusivitätsvereinbarung

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Wird ein Unternehmen außerhalb eines Bieterverfahrens verkauft oder soll kurz vor Abschluss eines Bieterverfahrens mit einem Bieter für einen kurzen Zeitraum exklusiv verhandelt werden, werden die Parteien im Einzelfall nicht bloß faktisch exklusiv verhandeln, sondern u.U. eine zeitlich befristete Exklusivitätsvereinbarung abschließen.

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Die Gewährung einer zeitlich befristeten Exklusivität ist sozusagen die Gegenleistung für die Bereitschaft des Kaufinteressenten, erhebliche Zeit und erheblichen Aufwand in den Abschluss eines Unternehmenskaufvertrags zu investieren.

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Für den Verkäufer ist die Vereinbarung von Exklusivität zumindest in einem frühen Transaktionsstadium regelmäßig nachteilig: Er kann nicht den Markt testen (was sich kaufpreismindernd auswirken kann) und versperrt sich die Möglichkeit, auf einen besonderes zügigen Transaktionsprozess hinzuwirken.

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Kern einer typischen Exklusivitätsvereinbarung ist die Verpflichtung, bereits begonnene Verhandlungen mit anderen Interessenten zu beenden bzw., bei Bieterverfahren, zu unterbrechen, keine Verhandlungen mit neuen Interessenten aufzunehmen und die Verhandlungen mit dem exklusiven Verhandlungspartner während der Exklusivitätsperiode konstruktiv (nach Treu und Glauben) zu führen. In der Praxis findet man aber auch schon insoweit Schattierungen. So mag sich der Verkäufer (wenn er den Wettbewerb aufrechterhalten will) lediglich dazu verpflichten, während des Exklusivitätszeitraums keinen Kaufvertrag oder funktionsgleichen Vertrag mit einem Dritten abzuschließen.477

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Die Dauer der Exklusivität hängt von den Einzelfallumständen ab. Regelmäßig ist es aus Verkäufersicht empfehlenswert, nur kurze Fristen einzuräumen und sie ggf. zu verlängern. Zudem finden sich oft Bestimmungen, nach denen der Exklusivitätszeitraum vorzeitig endet, wenn der Kaufinteressent nicht mehr zu seinem Angebot steht.478 Da es für den Käufer im Falle einer Verletzung der Exklusivitätsverpflichtung regelmäßig sehr schwierig sein wird, seinen Schaden zu beweisen,479 ist es aus Sicht des Kaufinteressenten ratsam, pauschalierten Schadensersatz oder eine Vertragsstrafe zu vereinbaren. Sie kann, wenn die Exklusivitätsvereinbarung ausnahmsweise nicht verhandelt worden ist und als AGB zu qualifizieren sein sollte, der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegen. Vertragsstrafen können unter den Voraussetzungen des § 343 BGB gerichtlich herabgesetzt werden. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Vertragsstrafe von einem Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes versprochen worden ist (§ 348 HGB). Grenzen aus den Kapitalerhaltungsvorschriften oder, bei Aktiengesellschaften, aus § 71a AktG (gelegentlich wird, wohl in Anlehnung an den City Code on Takeovers and Mergers, eine Grenze von 1 % des Transaktionswertes genannt480) bestehen nur, wenn die Zielgesellschaft eine Aktiengesellschaft ist und selbst den pauschalierten Schadensersatz oder die Vertragsstrafe verspricht – bei „Private M&A“-Transaktionen ein definitionsgemäß nicht relevanter Fall.

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Begründet eine Exklusivitätsverpflichtung einen rechtlichen oder unangemessenen wirtschaftlichen Zwang zum Abschluss des Hauptvertrags, besteht das Risiko, dass für die an sich formlos zu vereinbarende Exklusivitätsvereinbarung bereits die Formvorschriften des Hauptvertrags einzuhalten sind. Das gilt allerdings nur für solche Formvorschriften, die Warn- und Hinweisfunktion haben. § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG, die für die Veräußerung von GmbH-Geschäftsanteilen notarielle Beurkundung vorsehen, haben keine Warn- und Hinweisfunktion, sondern sollen die Fungibilität von GmbH-Geschäftsanteilen einschränken. Richtigerweise lösen unangemessen hohe Schadenspauschalierungen oder Vertragsstrafen daher bei typischen Share Deals keine Beurkundungspflicht aus.481

477 Gärtner/Wiedeck, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 5 Rn. 34. 478 Jäckle/Strehle/Clauss, in: Meyer-Sparenberg/Jäckle, Beck’sches M&A-Handbuch, § 51 Rn. 14. 479 Gärtner/Wiedeck, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 5 Rn. 34. 480 Gärtner/Wiedeck, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 5 Rn. 49; Jäckle/Strehle/Clauss, in: Meyer-Sparenberg/Jäckle, Beck’sches M&A-Handbuch, § 51 Rn. 19 m.w.N. 481 So auch Hilgard, BB 2008, 286, 289; Gärtner/Wiedeck, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 5 Rn. 34; etwas anderes kann bei einem Asset Deal gelten, wenn im Zusammenhang damit auch Grundstücke verkauft werden, da § 311b BGB Warn- und Hinweisfunktion hat; etwas anderes kann auch bei geplanten Verschmelzungen oder Spaltungen gelten, weil auch die §§ 13, 125 UmwG Warn- und Hinweisfunktion haben.

3.9 Sonstige Vorfeldvereinbarungen

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Erfolgt der Verkauf außerhalb eines Bieterverfahrens in bilateralen Verhandlungen (One-on-One), schließen die Parteien oft frühzeitig eine Absichtserklärung (Letter of Intent) oder beidseitige Absichtsvereinbarungen (Memorandum of Understanding, Non-Binding Term Sheet, Heads of Agreement) ab, in denen sie den zu diesem Zeitpunkt erreichten Verhandlungsstand zusammenfassen, oft darüber hinaus den weiteren Transaktionsprozess einschließlich Milestones vereinbaren und ggf. Exklusivität482 und regelmäßig Vertraulichkeit (wenn sie nicht bereits in einem vorher abgeschlossenen NDA vereinbart wurde483) vereinbaren.

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Solche Letters of Intent (LoI), Memoranda of Understanding (MoU), Heads of Agreement oder Non-Binding Term Sheets haben rechtlich regelmäßig insoweit einen hybriden Charakter, als sie regelmäßig rechtlich unverbindliche Absichtserklärungen und zugleich rechtlich bindende Klauseln enthalten.484

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Der fehlende rechtliche Bindungswille im Hinblick auf die Absichtserklärungen sollte durch Klauselformulierungen wie

(„... beabsichtigen nach derzeitigem Stand,...“)

selbst, eine ausdrückliche Regelung des nicht bindenden Charakters der Absichtsvereinbarungen oder Teilen davon

(„This letter only constitutes a statement of the mutual intentions of the Parties with respect to the Transaction. A binding commitment will only result from the execution of Definitive Agreements“485)

sowie umgekehrt einer Regelung, die die ausnahmsweise bindenden Klauseln aufzählt

(„Notwithstanding clause [] above, the provisions of clauses 5 to 11 of this Letter of Intent shall be binding upon the Parties“486),

klar geregelt werden. Im nicht bindenden Teil sollte bevorzugt „will“ statt „shall“ verwendet werden.487 Fehlen solche Klauseln, ist durch Auslegung zu ermitteln, welche Klauseln bindend oder nicht bindend sind.

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Die Überschrift als Letter of Intent oder Memorandum of Understanding indiziert den grundsätzlich rechtlich unverbindlichen Charakter.488

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Werden solche Absichtsvereinbarungen in Bezug auf den beabsichtigten Verkauf von GmbH-Geschäftsanteilen abgeschlossen, ergibt sich ihr unverbindlicher Charakter auch aus § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG, wenn sie nicht beurkundet worden sind. Derartige Absichtserklärungen oder -vereinbarungen können in der Regel bei einem Share Deal (und zwar regelmäßig selbst dann, wenn darin enthaltene verbindliche Verpflichtungen durch pauschalierten Schadensersatz oder Vertragsstrafen abgesichert werden, die einen rechtlichen oder unangemessenen wirtschaftlichen Zwang zum Abschluss des Hauptvertrags begründen489) formlos vereinbart werden.

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Trotz ihrer (teilweisen) rechtlichen Unverbindlichkeit können solche Vorfeldvereinbarungen eine hohe psychologische Bindungswirkung haben und Basis für Gremienentscheidungen oder Gespräche mit finanzierenden Banken sein. Sie erfordern auch deshalb große Sorgfalt.490 Spätestens hier empfiehlt sich die Einbindung erfahrener M&A-Juristen.

482 Dazu oben Rn. 259ff. 483 Dazu oben Rn. 100ff. 484 Vgl. zu den unterschiedlichen Erscheinungsformen eines Letters of Intent als Absichtserklärung oder Vertrag Schlitt, in: Semler/Volhard, Arbeitshandbuch für Unternehmensübernahmen, § 6 Rn. 28ff. 485 Vgl. Timmerbeil/Pfeiffer, Unternehmenskauf – Nebenvereinbarungen, S. 46. 486 Vgl. Timmerbeil/Pfeiffer, Unternehmenskauf – Nebenvereinbarungen, S. 46. 487 Dazu oben Rn. 61. 488 Meyer-Sparenberg, in: Meyer-Sparenberg/Jäckle, Beck’sches M&A-Handbuch, § 40 Rn. 6. 489 Dazu oben Rn. 255 490 von Engelhardt/Maltzahn, in: Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 662.

4. Das gesetzliche Haftungsregime beim Unternehmenskauf

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In der modernen M&A-Praxis ist es üblich geworden, das gesetzliche Haftungsregime weitestmöglich auszuschließen und stattdessen ein detailliertes autonomes vertragliches Regime zu etablieren. Dennoch lohnt ein Blick auf das gesetzliche Haftungsregime aus zwei Gründen:

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Kommt es nicht zum Abschluss des Unternehmenskaufvertrags, konnten die Parteien naturgemäß nicht ihr eigenes Haftungsregime etablieren und eventuelle Ansprüche (z.B. des über den unterbliebenen Vertragsschluss enttäuschten Partners) richten sich nach dem Gesetz.

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Selbst wenn es zum Abschluss des Unternehmenskaufvertrags kommt, bleibt es beim gesetzlichen Haftungsregime, sobald der Anspruchsgegner vorsätzlich oder arglistig gehandelt hat. Denn nach §§ 276 Abs. 3, 444 BGB sind dann vertragliche Haftungsbegrenzungen unwirksam und die gesetzliche Haftung lebt auf. Vertraglich vereinbarte Freigrenzen oder Freibeträge, Haftungshöchstgrenzen, Vereinbarungen zu Verjährungs- oder Ausschlussfristen etc. kann der Käufer damit „überwinden“. Deshalb kann die Suche des Käufers nach Anknüpfungspunkten für eine solche Haftung, also für eine „Aushöhlung“ des verhandelten Haftungsregimes des Verkäufers durchaus „interessant“ sein.491 Das ist zwar insbesondere deshalb misslich, weil dadurch bei auf allen Seiten professionell und nach modernem Standard durchgeführten Verkaufsprozessen die drohende Haftung des Verkäufers aus den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen auch zu einem Instrument zur nachträglichen Korrektur langwierig und detailliert verhandelter, wirtschaftlich aber für den Käufer nachteilig gewordener Verträge missbraucht werden kann.492 Solange die höchstrichterliche Rechtsprechung allerdings an ihren ebenso strengen wie vagen Grundsätzen festhält, handelt es sich dabei um einen Orientierungspunkt, mit dem sich insbesondere jeder Verkäufer vor und während des Verkaufsprozesses sorgfältig auseinandersetzen sollte.

491 Bank, in: Drygala/Wächter, Verschuldenshaftung, Aufklärungspflichten, Wissens- und Verhaltenszurechnung bei M&A-Transaktionen, S. 93, 94; Bergjahn/Burgic, in: Drygala/Wächter, Verschuldenshaftung, Aufklärungspflichten, Wissens- und Verhaltenszurechnung bei M&A-Transaktionen, S. 19, 30; King, Die Bilanzgarantie beim Unternehmenskauf, Rn. 81. 492 So zu Recht Bergjahn/Burgic, in: Drygala/Wächter, Verschuldenshaftung, Aufklärungspflichten, Wissens- und Verhaltenszurechnung bei M&A-Transaktionen, S. 19, 30.

4.1 Vorvertragliche Haftung nach dem Gesetz
4.1.1 Haftung bei Scheitern von Vertragsverhandlungen

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Die vorvertragliche Haftung nach Gesetzesrecht kann zum einen dann eine Rolle spielen, wenn es nicht zum Abschluss eines Unternehmenskaufvertrags kommt. Denn dann stellen sich die Parteien möglicherweise die Frage, ob der Verhandlungspartner die – oft erheblichen – Kosten und Aufwendungen, die sich nun als vergeblich erweisen, zu tragen hat, weil er während der Verhandlungen seine Pflichten verletzt hat.

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Mögliche Ansprüche des Käufers sind aber nicht auf den Ersatz frustrierter Aufwendungen beschränkt: Hat beispielsweise der Käufer im Vertrauen auf den Abschluss des verhandelten Unternehmenskaufvertrags auf den Kauf eines vergleichbaren Unternehmens verzichtet, kann er darüber hinaus auch seinen entgangenen Gewinn ersetzt verlangen, wenn er darlegen und beweisen kann, dass er aufgrund seines Vertrauens in den Abschluss des verhandelten Unternehmenskaufvertrags einen anderen Unternehmenskaufvertrag nicht hat abschließen wollen bzw. können493 und ihm dadurch ein Gewinn entgangen ist.494 Einen Anspruch auf Abschluss des verhandelten Unternehmenskaufvertrags hat der Verhandlungspartner grundsätzlich nicht.495 Allerdings kann er unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise auch sein Erfüllungsinteresse ersetzt verlangen (dazu sogleich).

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Nach den §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB begründet bereits die Aufnahme von Vertragsverhandlungen oder eines sie vorbereitenden „geschäftlichen Kontakts“ erhöhte Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten, deren Verletzung die Verhandlungspartner in derselben Weise verantwortlich macht wie die Verletzung einer sich aus einem bestehenden Vertragsverhältnis ergebenden Pflicht.496 Bei einer Verletzung dieser Pflichten ist der Geschädigte so zu stellen, wie er ohne das schädigende Verhalten des anderen Teils gestanden hätte.497 Dabei hat der Geschädigte grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens498 (negatives Interesse499). Ausnahmsweise kann ihm ein Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses zustehen, wenn er darlegen und beweisen kann, dass der angestrebte Vertragsschluss ohne die Pflichtverletzung zu den bis dahin verhandelten Konditionen zustande gekommen wäre.500

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Die Verjährung möglicher Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB tritt nach drei Jahren ein. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von der Person des Schuldners und den anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können.

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Fallgruppen für Pflichtverletzungen rund um den Abbruch von Verhandlungen sind:

 – Abbruch von Vertragsverhandlungen trotz qualifizierten Vertrauenstatbestands und ohne triftigen Grund: Zwar bleibt es den Parteien grundsätzlich unbenommen, von Vertragsverhandlungen Abstand zu nehmen. Denn die Abschlussfreiheit ist ein zentraler Bestandteil der Privatautonomie. Dies gilt auch bei langen Vertragsverhandlungen501 und komplexen Verhandlungsgegenständen.502 Durfte der andere Vertragsverhandlungspartner aber berechtigterweise darauf vertrauen, dass der Vertrag unter vorausgesetzten Umständen zustande kommt, verletzt eine die Verhandlungen abbrechende Partei ihre vorvertraglichen Pflichten, wenn sie ohne triftigen Grund abbricht.503 Einen damit erforderlichen qualifizierten Vertrauenstatbestand nehmen die Gerichte insbesondere an, wenn der eine Verhandlungspartner den Vertragsschluss als sicher hingestellt und den Verhandlungspartner zu Vorleistungen veranlasst hat,504 beide Verhandlungspartner bereits mit der Durchführung des Vertrags begonnen haben505 oder ein Vorvertrag zum Unternehmenskaufvertrag nur wegen nicht hinreichender Bestimmtheit unwirksam war.506 Solange umgekehrt noch mit einem Scheitern der Verhandlungen zu rechnen ist, besteht ein qualifizierter Vertrauenstatbestand grundsätzlich nicht.507 Dies ist insbesondere auch dann der Fall, wenn der verhandelte Vertrag formbedürftig ist und die entsprechenden Formvorschriften noch nicht erfüllt werden.508 Deshalb ist bei beurkundungspflichtigen Rechtsgeschäften wie etwa dem Kauf und Verkauf von GmbH-Geschäftsanteilen die Schwelle für einen auf dem Abbruch von Vertragsverhandlungen basierenden Schadensersatzanspruch besonders hoch.509 Das kann aus dem Zweck der Formvorschriften (Übereilungsschutz) folgen, ergibt sich zudem aus der Vorschrift des § 154 Abs. 2 BGB. Zu dem qualifizierten Vertrauenstatbestand hinzukommen muss das Nichtvorliegen eines triftigen Grunds. Für das Vorliegen eines triftigen Grunds lässt es die Rechtsprechung genügen, dass der Verhandlungsabbruch nicht auf sachfremden Erwägungen beruht.510 Beispiele für triftige Gründe sind etwa die Uneinigkeit über einzelne Klauseln des Unternehmenskaufvertrags, erst recht die noch ausstehende Einigung über den Kaufpreis. Selbst das Nachschieben im Vergleich zum Vorentwurf nachteiliger Vertragsbedingungen soll nach obergerichtlicher Rechtsprechung keinen triftigen Grund darstellen.511

 – Anfängliche Täuschung über die Abschlussbereitschaft: Trotz Vorliegens eines triftigen Grundes haftet der Verhandlungspartner nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB, wenn er Verhandlungen zum Abschluss eines Unternehmenskaufvertrags nur scheinbar ernsthaft führt, tatsächlich aber zu keinem Zeitpunkt abschlussbereit war.512 Die praktische Bedeutung dürfte allerdings – so ist zu hoffen – eher gering sein.

 – Vorspiegeln der nachträglich entfallenden Abschlussbereitschaft: Relevanter dürfte die Fallgruppe sein, dass eine Verhandlungsseite ihre ursprünglich vorhandene Absicht zum Abschluss eines Unternehmenskaufvertrags aufgibt, ohne ihren Verhandlungspartner darüber rechtzeitig zu informieren. Eine solche Haftung setzt zunächst eine sog. besondere Verhandlungslage voraus, die vorliegt, wenn eine Seite den Vertragsabschluss als sicher darstellt.513 Gibt dann die eine Seite ihre Abschlussbereitschaft auf, muss sie den Verhandlungspartner informieren, um ihn vor nutzlosen Vermögensdispositionen zu schützen.514 Dies hat rechtzeitig zu geschehen, nur ausnahmsweise dann, wenn die eine Seite weiß, dass der Verhandlungspartner einstweilen keine weiteren Vermögensdispositionen treffen wird, hat sie so lange eine Überlegungsfrist.515

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Nicht selten werden heutzutage Unternehmen im Rahmen eines Auktionsverfahrens verkauft.516 Eine dadurch per se gesteigerte Aufklärungspflicht des Verkäufers wird zwar im Schrifttum diskutiert,517 ist aber abzulehnen.

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Besondere Haftungsrisiken bestehen für den Verkäufer allerdings bei falschen oder unvollständigen Informationen zum Auktionsverfahren. Nicht nur die ausdrückliche unzutreffende Information eines Interessenten über angeblich weitere Bieter,518 sondern auch die konkludente Fehlinformation darüber können Schadensersatzansprüche nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB auslösen oder dem erfolgreichen, aber zuvor entsprechend getäuschten Bieter die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ermöglichen (wenn der Bieter nachweisen kann, dass er den Unternehmenskaufvertrag ohne die Täuschung über weitere Bieter nicht oder nicht mit diesem Inhalt angeschlossen hätte519). Eine konkludente Fehlinformation über andere Bieter kann z.B. darin liegen, dass der Verkäufer eine Zahl von Verhandlungsteams benennt, die die Zahl der vorhandenen Bieter übersteigt.520 Fehlinformationen durch einen beauftragten Berater (einschließlich einer beauftragten Investmentbank) muss sich der Verkäufer zurechnen lassen.521 „Schleppt“ der Verkäufer einen chancenlosen Bieter „mit“, obwohl er mit ihm nicht mehr abschließen will, kann er ebenfalls aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB haften (Täuschung über die Bereitschaft zum Vertragsabschluss).522 Der Schaden des „mitgezogenen“ Bieters dürfte insbesondere in seinen Aufwendungen im weiteren Verlauf des Auktionsverfahrens liegen. Der Ausschluss eines Bieters oder die ungleiche Zur-Verfügung-Stellung von Informationen dürfte dann keine Haftung nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB begründen, wenn sich der Verkäufer dies – wie üblich – im Process Letter523 vorbehalten hat.524 Der Verkäufer ist zwar (auch außerhalb eines Bieterverfahrens) verpflichtet, einem Bieter (wie jedem Kaufinteressenten) wesentliche unternehmensbezogene Informationen offenzulegen,525 eine darüber hinausgehende Pflicht des Verkäufers, die Bieter informationell gleich zu behandeln, besteht aber nicht. Der Verkäufer ist daher nicht verpflichtet, allen Bietern Antworten zu gezielten Fragen einzelner Bieter etwa im vorvertraglichen Auskunftsprozesses (Q&A-Process)526 zur Verfügung zu stellen.527

4.1.2 Haftung wegen fehlerhafter Aufklärung oder wegen Falschangaben
(a) Überblick

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Ansprüche aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB (Verschulden bei Vertragsverhandlungen) können zum anderen, bei Vorsatz oder Arglist des Verkäufers (denn dann gelten die unternehmenskaufvertraglichen Haftungsbeschränkungen wie etwa Freigrenzen oder Freibeträge, Haftungshöchstgrenzen, Verjährungsregelungen oder Regelungen zu Ausschlussfristen wegen der zwingenden Vorgaben der §§ 276 Abs. 3, 444 BGB nicht), auch dann Bedeutung erlangen, wenn es zum Abschluss eines Unternehmenskaufvertrags gekommen ist.

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Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Verkäufer vorsätzlich entweder Aufklärungspflichten verletzt oder Falschangaben gemacht hat.

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Nicht selten werden Schiedsverfahren und Prozesse vor staatlichen Gerichten (auch) auf die vorsätzliche Verletzung von Aufklärungspflichten oder Falschangaben gestützt.528 Das Thema hat daher auch in der Praxis nicht zu unterschätzende Bedeutung.

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Der Käufer kann, wenn ein Verschulden bei Vertragsverhandlungen vorsätzlich ist, nach der sehr käuferfreundlichen ständigen BGH-Rechtsprechung (die in der Literatur auch als „Minderungsrechtsprechung“ bezeichnet wird529) entweder Rückgängigmachung des Vertrags verlangen oder am Vertrag festhalten und den Minderwert des Unternehmens als sog. Restvertrauensschaden geltend machen.530 Zwischen beiden Rechtsfolgen hat der Käufer die freie Wahl.531 Der Käufer kann mithin an dem Vertrag festhalten und Ersatz des Schadens verlangen, der darin besteht, dass er das Unternehmen „zu teuer gekauft“ hat.532 Dieser Schadensersatzanspruch hat im Übrigen nichts mit dem in Fällen der c.i.c. grundsätzlich geschuldeten „negativen Interesse“ gemein. Vielmehr läuft die Minderungsrechtsprechung auf eine – im Gesetz keine ausdrückliche Grundlage findende533 – Vertragsanpassung hinaus, durch die der Käufer so zu stellen ist, wie er bei pflichtgemäßer Aufklärung oder richtiger Angabe stünde. Das entspricht eher dem „positiven Interesse“.534 Mit seiner „Minderungsrechtsprechung“ trägt der BGH dem Interesse des getäuschten Käufers Rechnung, der oftmals die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers erst zu einem Zeitpunkt erkennt, zu dem er das erworbene Unternehmen so weit integriert hat, dass eine Rückabwicklung, die ohnehin bei einem Unternehmenskauf einen unternehmensrechtlichen GAU darstellt, nur noch unter äußerst erschwerten Bedingungen möglich ist.535 Zudem schneidet damit der BGH dem Verkäufer den Einwand ab, zu dem nach Erkennen der Täuschung durch den Käufer vom Käufer angebotenen niedrigeren Kaufpreis nicht abzuschließen bereit gewesen zu sein.536 Wegen des Vorsatzes bzw. der Arglist gilt der im Allgemeinen bestehende Vorrang der Mängelhaftung nicht.537 Ob es sich um eine unterlassene Aufklärung solcher anderen wertbildenden Merkmale handelt, die nicht zum Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung gemacht werden können, ist, anders als grundsätzlich bei fahrlässigem Verschulden bei Vertragsverhandlungen,538 irrelevant. Wegen des Vorsatzes bzw. der Arglist greifen insbesondere auch die verhandelten Haftungsbeschränkungen des Kaufvertrags nicht. Die Schadenshöhe ergibt sich regelmäßig aus der Differenz zwischen dem gezahlten Kaufpreis und einem angemessenen Kaufpreis, den der Käufer bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu zahlen bereit gewesen wäre.539 Dieser Differenzbetrag ist unter Berücksichtigung aller für den Unternehmenserwerb maßgeblichen Umstände nach § 287 ZPO zu schätzen.540 Seine Höhe hängt im Einzelfall insbesondere von der Bedeutung der nicht offengelegten Information ab.541

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Vorsatz ist das Wissen und Wollen der Verwirklichung eines objektiven Tatbestands.542 Das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit, also aktuelles Unrechtsbewusstsein, ist nach herrschender Meinung (sog. Vorsatztheorie)543 im Zivilrecht (anders als im Strafrecht, in dem die sog. Schuldtheorie gilt544) ebenfalls Voraussetzung für den Vorsatz. Bedingter Vorsatz genügt.

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Er ist schon dann anzunehmen, wenn der als möglich erkannte pflichtwidrige Erfolg billigend in Kauf genommen wird.545 Vertraut der Schädiger andererseits darauf, der Schaden werde nicht eintreten („es wird schon gut gehen“), handelt er nur bewusst fahrlässig.546 Behauptungen „ins Blaue hinein“, d.h. ohne hinreichende Erkenntnisgrundlage (die etwa erlangt werden könnte durch Rückfrage bei dem, der es wissen könnte, die Durchsicht von Unterlagen etc.), sind vorsätzlich.547 Denn derjenige, der verschweigt, dass ihm die zur sachgemäßen Beurteilung des Erklärungsgegenstands erforderliche Kenntnis fehlt, rechnet regelmäßig mit der Möglichkeit, dass seine Angaben nicht der Wahrheit entsprechen. Gleiches gilt für „Verschweigen auf gut Glück“.548

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Vorsätzliches Verhalten liegt erst recht in einem bewussten „Stehenlassen“ oder gar Fördern eines erkennbaren Irrtums des Käufers.549

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Arglist – als eine Ausprägung des Vorsatzes, die Rechtsprechung zum Verschulden bei Vertragsverhandlungen unterscheidet nicht immer zwischen beiden Begriffen550 – ist das Wissen, dass gemachte Angaben unzutreffend sind, obwohl sie für die Entschließung des Vertragspartners bedeutsam sind.551 Arglist erfordert Vorsatz, aber keine Absicht.552 Nach ständiger Rechtsprechung des BGH handelt ein Verkäufer auch arglistig, wenn er zu Fragen, deren Beantwortung erkennbar maßgebliche Bedeutung für den Kaufentschluss seines Kontrahenten hat, ohne tatsächliche Grundlagen „ins Blaue hinein“ unrichtige Angaben macht.553 Der (bedingte) Vorsatz muss sich dabei auf die zu offenbarenden Umstände und die Tatsachen beziehen, die dazu führen, dass der Käufer den Vertrag in Kenntnis dieser Umstände nicht geschlossen hätte, nicht aber auf die Existenz der Aufklärungspflicht.554

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Abzustellen ist bei alledem nicht nur auf den Verkäufer (bei natürlichen Personen auf diese selbst, bei juristischen Personen auf das Organ der juristischen Person), sondern auch auf Personen, deren Verhalten sich der Verkäufer zurechnen lassen muss. Dies sind seine Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) und seine Wissensvertreter (§ 166 BGB analog).555 Zudem muss er sich das üblicherweise aktenmäßig oder in elektronischen Dateien556 festgehaltene Wissen in seinem Unternehmen zurechnen lassen557 und es kommt zu einer Wissenszusammenrechnung. Mit anderen Worten: Dass „der Verkäufer selbst“ die offenzulegende Informationen kennt, was ja denklogische Grundvoraussetzung einer Aufklärungspflicht ist (man kann nicht über etwas aufklären, das man selbst nicht weiß), ist im Rahmen der Aufklärungspflichten irrelevant, weil Kenntnis nach der Rechtsprechung anzunehmen ist, wenn Wissen dem Verkäufer nach diesen Grundsätzen zuzurechnen ist.558 Darauf wird näher einzugehen sein.

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Kommt es zu Post-M&A-Streitigkeiten und stehen Aufklärungspflichtverletzungen im Raum, spielen Fragen der Beweislast regelmäßig eine große Rolle. Den Käufer, der eine Aufklärungspflichtverletzung behauptet, trifft die Darlegungs- und Beweislast dahingehend, dass eine Aufklärungspflicht bestand, aber die Aufklärung unterblieben ist.559 Nicht darzulegen und zu beweisen hat der Käufer hingegen den subjektiven Tatbestand, also das zumindest bedingt vorsätzliche Verhalten des Verkäufers.560 Insoweit muss sich nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB der Verkäufer entlasten. Auch die Kausalität (zwischen Aufklärungspflichtverletzung und Vertragsschluss) muss der Käufer nicht darlegen und beweisen. Hinsichtlich der Beweislast bei der haftungsausfüllenden Kausalität hilft dem Käufer ebenfalls die Rechtsprechung, weil der Käufer im Regelfall nicht in der Lage sein wird, nachzuweisen, wie sich die Parteien bei ordnungsgemäßer Aufklärung verhalten hätten.561 Wenn er am Vertrag festhält, ist er so zu behandeln, als wäre ihm bei Kenntnis der Sachlage gelungen, den Kaufvertrag zu einem günstigeren Kaufpreis abzuschließen.562 Der Käufer muss also nicht beweisen, dass sich die Parteien bei zutreffender Aufklärung auf einen niedrigeren Kaufpreis oder sonstige günstigere Bedingungen geeinigt hätten. Deshalb kann sich der Verkäufer auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass er den Kaufvertrag zu einem niedrigeren Preis oder sonstigen günstigeren Bedingungen nicht abgeschlossen hätte.563

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