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Читать книгу: «Giuseppe Verdi. Leben, Werke, Interpreten», страница 13

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Und das Duett mit dem Bariton, das mit: Fatal mia donna, un murmure beginnt – das klingt wie eine Übertreibung –, wurde mehr als hundertfünfzig Mal geprobt: um zu erreichen, wie der Maestro sagte, daß es mehr gesprochen als gesungen würde. Und hören Sie sich jetzt das an: Am Abend der Generalprobe zwang Verdi bei vollbesetztem Zuschauerraum auch die Sänger, die Kostüme anzuziehen, und wenn er sich auf eine Sache versteifte, wehe, wenn man ihm widersprach. Wir waren also angezogen und fertig, das Orchester war bereit, der Chor auf der Bühne, als Verdi mich und Varesi, nachdem er uns ein Zeichen gegeben hatte, hinter die Kulissen rief: er sagte, daß wir ihm einen Gefallen tun müßten und mit ihm in den Saal des Foyers gehen müßten, um für dieses verfluchte Duett noch eine Klavierprobe abzuhalten.

„Maestro“, sagte ich entsetzt zu ihm, „wir haben doch schon die schottischen Kostüme an: wie soll das gehen?“

„Ihr werdet euch einen Mantel überziehen.“

Und der Bariton Varesi, der verärgert über das ungewöhnliche Ansinnen war, wagte die Stimme zu erheben und sagte:

„Aber wir haben es schon hundertfünfzig Mal geprobt, Herrgott noch einmal!“

„In einer halben Stunde wirst Du anders reden: da werden es hunderteinundfünfzig Mal sein.“

Man mußte dem Tyrannen gezwungenermaßen gehorchen. Ich erinnere mich noch an die bösen Blicke, die Varesi ihm auf dem Weg ins Foyer zuwarf; er hielt die Hand am Knauf seines Schwerts und schien zu überlegen, ob er Verdi ermorden sollte, so wie er später König Duncan ermorden würde. Doch letztlich gab auch er resigniert nach; und das hunderteinundfünfzigste Mal fand statt, während das ungeduldige Publikum im Parkett lärmte.

Und Ihr wißt, daß es eine Untertreibung wäre, wenn man sagen wollte, daß dieses Duett nur Enthusiasmus und Fanatismus erzeugt hat: es war etwas Unglaubliches, Neues, nie Dagewesenes. Überall, wo ich in Macbeth gesungen habe, und an allen Abenden der Stagione im Teatro della Pergola, mußte das Duett drei Mal, sogar vier Mal wiederholt werden: an einem Abend mußten wir es sogar fünf Mal wiederholen!

Ich werde nie vergessen, wie am Abend der Uraufführung vor der Nachtwandelszene, die eine der letzten Szenen der Oper ist, Verdi um mich herumschlich, unruhig, ohne etwas zu sagen: Man konnte deutlich erkennen, daß der Erfolg, der zu diesem Zeitpunkt bereits groß war, für ihn erst nach dieser Szene endgültig sein würde. Ich bekreuzigte mich (das ist eine Gewohnheit, die auch heute noch auf der Bühne vor schwierigen Momenten üblich ist) und trat auf. Die Zeitungen von damals werden Ihnen sagen, ob ich den dramatischen und musikalischen Gedanken des großen Verdi in der Nachtwandelszene richtig interpretiert habe. Ich weiß nur das: Nachdem sich der tosende Applaus gelegt hatte und ich ganz bewegt, zitternd und aufgelöst in die Garderobe zurückgegangen war, sah ich, wie die Tür aufgerissen wurde (ich war schon halb entkleidet) und Verdi eintrat; er fuchtelte mit den Händen und bewegte die Lippen, als ob er eine große Rede halten wollte, aber er brachte kein einziges Wort heraus. Ich lachte und weinte, und konnte ebenfalls nichts sagen: Aber als ich dem Maestro ins Gesicht schaute, bemerkte ich, daß auch er gerötete Augen hatte. Wir drückten einander fest die Hände, dann stürzte er wortlos hinaus. Diese bewegende Szene der Rührung entschädigte mich für die Anstrengung so vieler Monate fleißiger Arbeit und beständiger Ängste.

Die Premiere ist ein voller Erfolg. Verdi wird fünfundzwanzig Mal hervorgerufen und von einer begeisterten Menge in seine Unterkunft eskortiert. Muzio berichtet an die in Busseto gebliebene Familie Barezzi (nur Antonio Barezzi war zur Premiere angereist) von achtunddreißig Hervorrufen Verdis[334]. Er spricht von einer „Sensation“ und von „fanatischer“ Begeisterung des Publikums für diese „großartige und wunderbare“ Oper. Andere, wie zum Beispiel der Kritiker Abramo Basevi[335], schließen sich dieser Einschätzung nicht an: „Wohlwollende Aufnahme; jedoch mehr in Hinsicht auf den Komponisten als auf seine Musik, die nur zur Hälfte gefiel.“[336] Ein Besucher der Premiere läßt einen an die Florentiner Zeitung „Il Ricoglitore“ gerichteten giftigen Leserbrief los: „Die Oper Verdis, die gestern abend im [Teatro della] Pergola aufgeführt wurde, ist eine echte Schweinerei, machen Sie uns in Ihrem Artikel also nicht weis, daß es ein wahrer Triumph für den Maestro war, weil er 25 Mal hervorgerufen wurde. Die, die ihn hervorriefen, waren Anhänger, Personen, die dafür bezahlt wurden.“[337]

I

n den Jahren, die auf die Uraufführung des Macbeth folgen, hält sich Verdi immer auf dem laufenden darüber, was mit seiner Oper geschieht. Als er 1848 wegen La battaglia di Legnano mit seinem Librettisten Salvadore Cammarano in Kontakt steht, teilt er ihm auch zahlreiche Ratschläge zu einer Aufführung des Macbeth am Teatro San Carlo in Neapel mit, die er ihn bittet, an die Theaterdirektion weiterzuleiten.

Ich weiß, daß Ihr im Begriff seid, Macbet einzustudieren, und da das eine Oper ist, die mich mehr als die anderen interessiert, gestattet mir, daß ich Euch ein paar Worte darüber sage. Man hat der Tadolini die Partie der Lady Macbeth anvertraut, und ich bin überrascht, daß sie zugestimmt hat, diese Partie zu übernehmen. Ihr wißt, wie sehr ich die Tadolini schätze; sie selbst weiß das auch; aber im Interesse aller halte ich es für angebracht, Euch einige Überlegungen mitzuteilen.

Die Tadolini hat zu große Qualitäten für diese Partie! Ihr werdet das für absurd halten, aber das ist es nicht. Die Tadolini hat eine schöne, gute Erscheinung, und ich möchte die Lady Macbet häßlich und böse haben. Die Tadolini singt vollendet, und ich möchte, daß die Lady nicht singt. Die Tadolini hat eine klare, reine, kräftige Stimme, und ich möchte für die Lady eine rauhe, erstickte, hohle Stimme haben. Die Stimme der Tadolini hat etwas Engelhaftes, ich aber möchte, daß die Stimme der Lady etwas Teuflisches hat.

Unterbreitet diese Gedankengänge der Impresa, dem Maestro Mercadante, der diesen meinen Ideen mehr als jeder andere beipflichten wird, und der Tadolini selbst; dann macht, was Euch nach Eurem Verstand am besten erscheint.

Denkt daran, daß die Oper zwei Hauptnummern hat: das Duett zwischen der Lady und ihrem Mann und die Nachtwandelszene: Wenn diese Stücke nicht gelingen, ist die Oper dahin: und diese Stücke dürfen auf keinen Fall gesungen werden:

man muß sie mit einer recht hohlen

und verschleierten Stimme

darstellen und deklamieren: ohne das

kann es keine Wirkung geben.

Das Orchester mit Dämpfern.

Die Bühne äußerst dunkel. - Im dritten Akt muß man die Erscheinungen der Könige (ich habe das in London gesehen) hinter einem Ausschnitt im Bühnenbild machen, mit einem nicht zu dichten, aschenfarbigen Schleier davor. Die Könige sollen keine Puppen sein, sondern acht Männer von Fleisch und Blut: die Stelle, über die sie gehen müssen, soll wie ein kleiner Hügel sein, und man muß sie deutlich hinauf- und hinabsteigen sehen. Die Bühne muß vollkommen dunkel sein, besonders wenn der Kessel verschwindet, und hell nur dort, wo die Könige vorüberschreiten. Das Orchester unterhalb der Bühne muß (für das große Teatro San Carlo) verstärkt werden, achtet aber gut darauf, daß es da weder Trompeten noch Posaunen gibt. Der Klang muß wie aus der Ferne und gedämpft erscheinen, er muß daher aus Baßklarinetten, Fagotten, Kontrafagotten und sonst nichts bestehen.[338]

Letzterer Hinweis zeigt, wie sehr es Usus war, daß sich die Theater entgegen der von der Partitur vorgegebenen Instrumentierung gerne Eigenmächtigkeiten bei der Besetzung der Bühnenmusik herausnahmen.

Verdis Bemerkungen über die Tadolini sind selbstverständlich nicht wörtlich zu nehmen, schon gar nicht aus heutiger Sicht. Zum richtigen Verständnis dieser wohlbekannten Hinweise, die Interpretation der Rolle der Lady Macbeth durch die Sopranistin Eugenia Tadolini betreffend, sind zwei Hintergrundinformationen vonnöten.

Erstens: Der Kern von Verdis – oft mißbräuchlich zitiertem und absichtsvoll falsch verstandenem – Wunsch ist, daß zur Interpretation der Rolle der Lady weniger rein gesangliche, sondern vor allem musikdramatische Mittel notwendig sind. Eugenia Tadolini war eine gefeierte Donizetti-Spezialistin. Zwei Opern hat Donizetti eigens für sie komponiert: Linda di Chamounix (Wien 1842) und Maria di Rohan (Wien 1843). Sie sang die italienische Erstaufführung des Poliuto (Neapel 1848) und hatte Donizetti-Opern wie Don Pasquale, Maria Padilla, Lucrezia Borgia, Anna Bolena, L’elisir d’amore, Lucia di Lammermoor oder Il furioso all’isola di San Domingo – nach heutigen Kategorien also vorwiegend Koloraturpartien – im Repertoire. Verdi hegte, nicht zu Unrecht, die Befürchtung, daß die Tadolini die Lady mit dem Instrumentarium der Donizetti-Virtuosin gestalten und dadurch seinen Intentionen nicht entsprechen würde. Mit seiner Forderung verlangte er das Abrücken vom reinen Virtuositätsgesang und eine Annäherung an einen mehr naturalistischen, dramatischen Ausdrucksgesang, wobei „naturalistisch“ im Sinne der ausgehenden ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und nicht im Sinne von „realistisch“ oder „veristisch“ der ausgehenden zweiten Hälfte des 19. oder des beginnenden 20. Jahrhunderts zu verstehen ist.

Zweitens: Die Tadolini befand sich zu dieser Zeit in schlechter stimmlicher Verfassung und stand trotz ihres Alters von erst vierzig Jahren schon vor dem Ende ihrer Karriere. Donizetti befand zu ihrem damaligen Singen: „Sie hatte eine Stimme wie eine alte Zikade, machte Fehler, unterbrach sich und war schrecklich.“ Die Sängerin, die neben den erwähnten Donizetti-Rollen auch virtuose Bellini-Partien wie La sonnambula und I puritani sang, hatte ihre Stimme – wie viele ihrer zeitgenössischen Kolleginnen, die nur kurze Karrieren hatten – vor der Zeit durch Überforderung verschlissen.

Dies sind die Gründe, weshalb Verdi sie nicht in der Produktion haben wollte. Obwohl Verdis Ablehnung der Tadolini hinterbracht wurde, sang sie die Lady dennoch. In späterer Zeit benutzten für die Rolle ungeeignete oder ausgesungene Sängerinnen Verdis Forderung nach hohlem, rauhem Gesang als Rechtfertigung für ihre schlechten Leistungen.

Die Revision des Macbeth

D

ie Fassung des Macbeth von 1847 ist nicht die Oper, die man bei heutigen Aufführungen hört. In diese Fassung bringt sie der Komponist erst achtzehn Jahre später. Als Napoléon Roqueplan, der Direktor der Opéra, 1852 bei Verdi wegen einer neuen Oper für Paris anfragt, macht Verdi es zur Bedingung, daß auch sein Macbeth in französischer Übersetzung aufgeführt werden soll.[339] Falls es absolut unumgänglich sein sollte, würde er sogar ein Ballett einfügen. Doch das Projekt kommt nicht zustande. Seine Realisierung wird bis 1865 dauern.

Es ist Direktor Carvalho[340] vom Théâtre Lyrique, der Verdi 1864 den Vorschlag macht, Macbeth aufzuführen. Das Theater verfügt über weniger Mittel als die Opéra, hat aber dieselben Ansprüche wie das größere Haus: Carvalho wünscht ein Ballett und einen Schlußchor. Verdi fordert die Partitur bei Ricordi an, nur um festzustellen, daß umfangreichere Änderungen an der Oper erforderlich sind, als er vorweg angenommen hat. Doch deren Durchführung ist für die Wintersaison nicht mehr möglich. Piave wird für die Textänderungen herangezogen (nicht ohne wieder harte Worte und Vorhaltungen einstecken zu müssen), der ganze Winter wird für die umfangreiche Revision aufgewendet, die neben kleineren Retuschen, Strichen und Umstellungen die Neukomposition etlicher Stücke erfordert. Nach Abschluß der Arbeiten stellt sich das Problem der Übersetzung ins Französische. Zuerst wird Edmond Duprez, der Bruder des berühmten Tenors Gilbert-Louis Duprez, des sogenannten Erfinders des do di petto, des mit Bruststimme gesungenen hohen C, damit beauftragt. Doch unvermittelt und scheinbar grundlos entzieht Carvalho ihm wieder den Auftrag und überträgt ihn Charles-Louis-Étienne Nuitter[341] und Alexandre Beaumont. Der Tenor-Bruder des abgeschafften Übersetzers, der Verdi seit seiner aktiven Sängerzeit kennt, beklagt in einem wortreichen Schreiben[342] an Verdi diese „Infamie“, die man seinem Bruder angetan habe. Verdi repliziert höflich und versichert beide Brüder seiner Wertschätzung, nicht ohne anzumerken:

Ich kenne die Welt im allgemeinen und das Theater im besonderen: Grund genug, daß ich mich weder über die kleinen noch über die großen Perfidien wundere, die man dort begeht.[343]

Plötzlich wird Macbeth aus Paris als Oper in fünf Akten angekündigt, was Verdi fuchsteufelswild werden läßt, weil er vermutet, daß durch das willkürliche Auseinanderreißen des 4. Aktes eine fünfaktige Grand-Opéra nach französischem Geschmack vorgetäuscht werden soll.[344] Obwohl Verdi dieses Ansinnen zurückweist, spielt Carvalho den Macbeth fünfaktig. Ebenso trägt Escudiers Klavierauszug des Macbeth in französischer Sprache den Untertitel „Grand Opéra en cinq actes“.


Abb. 28 – Auf dem Frontispiz des Escudier-Klavierauszuges scheinen nur die Namen von Shakespeare und der beiden Übersetzer auf. Piaves Name als Autor des Librettos fehlt.

Es werden Jean-Vital Ismaël (Macbeth), Agnès Rey-Balla (Lady), Jules Monjauze (Macduff) und Jules-Émile Petit (Banquo) singen, der Dirigent ist Adolphe Deloffre.

Wenn Verdi für die Revision dem Werk ein großes Ballett im 3. Akt hinzufügt (Shakespeares Hekate-Szenen), wie es vom damaligen Publikum erwartet wird, so ist das ein Kompromiß für Paris. Das Ballett mit all seiner musikalischen Originalität hat vor allem in Hinblick auf die visuelle Komponente dieser Kunstform Gültigkeit. Aus eigenem Antrieb oder für ein anderes, nicht französisches Opernhaus hätte Verdi keinesfalls ein Ballett nachkomponiert. Man kann dieses Ballett auch heute noch aufführen, was oft geschieht, man kann es selbst in einer konzertanten Aufführung der Revision des Macbeth aus musikphilologischen Gründen spielen.

Die in der Revision gestrichene Sterbeszene des Macbeth „Mal per me che m’affidai“ aus der Fassung von 1847 ist unbestrittenermaßen ein äußerst effektvolles Stück, das aber nur im Umfeld der Erstfassung seine Daseinsberechtigung hat. Es aus dieser herauszuschälen und in die Revision mit ihrem von Verdi komplett umgearbeiteten Schluß samt Fuge mit Chor einzubauen, wobei die passenden musikalischen Anschlüsse erst geschrieben werden müssen, wie es in der Vergangenheit mancher Dirigent gemacht hat, ist nicht nur ein Akt musikalischer und dramaturgischer Abstrusität, sondern ein nicht rechtfertigbarer Verstoß gegen den Autorenwillen sowie der zum Scheitern verurteilte Versuch solcher Interpreten, klüger als der Komponist sein zu wollen.

Anfang Februar 1865 ist die Arbeit abgeschlossen und Verdi setzt seinen französischen Verleger Léon Escudier[345] davon in Kenntnis.

Heute habe ich Ricordi den letzten Akt des zur Gänze fertiggestellten Macbeth übersandt. Darin ist der gesamte Chor, der den 4. Akt eröffnet, neu. Die Arie des Tenors ist überarbeitet und [neu] instrumentiert. Dann sind alle Szenen nach der Romanze des Baritons bis zum Ende [der Oper] neu, d.h. die [musikalische] Beschreibung der Schlacht und die Schlußhymne. Ihr werdet lachen, wenn Ihr hört, daß ich für die Schlacht eine Fuge geschrieben habe!!! Ich, der ich alles, was nach Schule stinkt, verabscheue! Ich sage Euch aber, daß in diesem Fall diese Musikform gut paßt. Die einander nachlaufenden Subjekte und Kontrasubjekte und der Zusammenprall der Dissonanzen können eine Schlacht recht gut ausdrücken. Ach, wenn es [in Paris] nur unsere [italienischen] Trompeten gäbe, die so volltönend, so schmetternd klingen!! Eure trompettes à pistons sind weder Fisch noch Fleisch. Im übrigen wird das Orchester Freude damit haben.[346]

Wertvolle Anweisungen gibt Verdi fünf Tage später.

Ne cherchons pas midi à quatre heures![347] Suchen wir keine Wirkungen durch ein mit Bruststimme gesungenes hohes C oder eine neue Stimme oder eine Nebenrolle zu erzielen, sondern suchen wir nach einer soliden und dauerhaften Wirkung dessen, was in diesem Macbeth wirklich gut ist. Nehmt dies als Richtschnur: in dieser Oper gibt es drei Rollen, und es können nur drei sein: Lady Macbeth – Macbeth – der Hexenchor. – Die Hexen beherrschen das Drama; alles kommt von ihnen; sie sind grob und geschwätzig im ersten Akt, erhaben und prophetisch im dritten. Sie sind eine eigene Figur, und zwar eine von allergrößter Bedeutung. Aus der Partie des Macduff werdet Ihr, so viel Ihr auch tun mögt, niemals eine von großem Interesse machen. Im Gegenteil, je mehr man ihn hervorhebt, umso mehr wird sich seine Bedeutungslosigkeit offenbaren. Er wird erst am Schluß der Oper ein Held. Er hat jedoch genug Musik, um sich zu bewähren, wenn er eine schöne Stimme hat; man muß ihm keine einzige Note mehr geben. Ihn einen Teil des Trinkspruches im zweiten Akt sagen zu lassen[348], wäre ein Irrtum und ein dramatischer Widerspruch. Macduff ist in dieser Szene nichts weiter als ein Höfling wie alle anderen. Die wichtige Persönlichkeit, der diese Szene beherrschende Dämon, ist Lady Macbeth; und obwohl Macbeth sich als Schauspieler im höchsten Maße auszeichnen muß, beherrscht Lady Macbeth, ich wiederhole es, alles, kontrolliert alles, wirft Macbeth vor, nicht einmal ein Mann zu sein, und sagt zu den Höflingen, daß sie den Delirien ihres Mannes keine Aufmerksamkeit schenken sollen – „schnell geht der Anfall vorüber“; und um sie dessen noch besser zu versichern, wiederholt sie ihren Trinkspruch. Das ist schön und aus ihrem Mund höchst bedeutungsvoll; aus Macduffs Mund bedeutet es gar nichts und ist ein Widerspruch. Stimmt das oder nicht? Gebt zu, daß ich recht habe.

In ein paar Tagen bekommt ihr den vierten Akt. Morgen oder übermorgen schreibe ich Euch alle meine Intentionen für diesen Akt. Wenn Herr Carvalho im letzten Chor [des Schlußaktes] hundert Choristen [auf die Bühne] bringen will, umso besser; ich würde es vorziehen, wenn er den Hexenchor ganz allgemein verstärkte, besonders bei den Altstimmen, die immer schwach sind. Ich wiederhole Euch, daß der Hexenchor von allergrößter Wichtigkeit ist: er ist eine [eigene] Figur. Man darf nicht vergessen, daß sie sowohl in der musikalischen Ausführung als bei der Darstellung am Anfang brutal und grob sein müssen, bis zu dem Moment im dritten Akt, in dem sie Macbeth gegenüberstehen. Von diesem Augenblick an sind sie erhaben und prophetisch. Ihr habt mir einmal geschrieben, Ihr wolltet während des Hexenchors im ersten Akt tanzen lassen. Tut es nicht; es ist ein Fehler. Es beraubt das Ballett im dritten Akt seiner Wirkung; und außerdem ist dieser Chor so, wie er ist, gut. Ne cherchons pas midi à quatre heures. Manchmal, wenn man Wirkungen verstärken will, zerstört man am Ende eine mit der anderen.[349]

Noch knapp vor der Uraufführung der Revision am Théâtre Lyrique in Paris erteilt Verdi essentielle Anweisungen.

Jetzt zur Nachtwandelszene, die immer noch das Kernstück der Oper ist. Wer die Ristori[350] gesehen hat, weiß, daß man nur ganz wenige Gesten machen darf; sie beschränkt sich sogar auf eine einzige Geste, nämlich, den Blutfleck wegzuwischen, den sie auf ihrer Hand glaubt. Die Bewegungen müssen langsam sein, und man darf die Schritte nicht sehen; die Füße müssen über den Boden gleiten, so als ob es eine Statue oder ein Schatten wäre, der geht. Die Augen starr, die Erscheinung totengleich; sie befindet sich in Agonie und stirbt gleich danach. Die Ristori gab ein Röcheln von sich: ein Todesröcheln. In der Oper darf und kann man das nicht machen; ebenso, wie man im letzten Akt der Traviata nicht husten darf; und wie man bei scherzo od è follia im Maskenball nicht lachen darf. Dafür gibt es die Klage des Englischhorns, die das Röcheln bestens ersetzt und poetischer ist. Man muß [die Szene] mit größter Einfachheit und mit hohler Stimme singen (es handelt sich um eine Sterbende), ohne daß die Stimme jedoch jemals wie bei einem Bauchredner klingt. Es gibt einige Stellen, an denen die Stimme voll ertönen kann, aber das darf nur für ganz kurze Augenblicke sein, die in der Partitur angegeben sind. Für den Effekt und den Schrecken, die das Stück erzeugen soll, braucht man „eine totengleiche Erscheinung, wenige Gesten, langsame Bewegungen, eine hohle Stimme“ Ausdruck etc. etc.[351]

Der Uraufführung der revidierten Fassung am 19. April 1865 im Pariser Théâtre Lyrique ist ein geteilter Erfolg beschieden. Carvalho und Escudier berichten in Telegrammen von „immensem Erfolg, bewundernswerter Aufführung, herrlicher Inszenierung, allgemeiner Begeisterung“. Doch die Realität sieht anders aus: Die hochgestochenen Erwartungen des Pariser Publikums und der Kritiker werden nicht erfüllt, vieles erscheint den Franzosen zu trivial. Verdi selbst ist mit dem Resultat seiner Arbeit zufrieden (wie bei fast allen Revisionen seiner Opern sind die Änderungen stets Verbesserungen der musikalischen und dramaturgischen Qualität des Stücks) und von der Aufnahme enttäuscht. Erbost reagiert er auf Zeitungskritiken[352], in denen seine Kenntnis Shakespeares in Zweifel gezogen wird.

Oh, darin haben sie ganz unrecht. Es mag sein, daß ich den Macbet nicht richtig wiedergegeben habe, aber daß ich Shachespeare nicht kenne, nicht verstehe und nicht empfinde, nein; bei Gott, nein. Er ist einer meiner Lieblingsdichter, den ich seit meiner frühesten Jugend in der Hand gehabt habe und den ich ständig lese und immer wieder aufs neue lese.[353]

Die Erstfassung der Oper von 1847 hatte eine Sonderstellung unter den Risorgimento-Opern eingenommen. Mit der gelungenen Umsetzung der Absicht, „mehr dem Dichter als dem Komponisten [zu] dienen“ und dabei die Psychologie der handelnden Personen herauszuarbeiten, stellt diese Oper in Verdis Œuvre einen Wendepunkt auf seinem Weg vom romantischen melodramma herkömmlichen Stils zum realistischen (jedoch nicht veristischen) Musikdrama italienischer Prägung dar.

Die Revision 1865 mußte bis zu ihrer Erstaufführung am 28. Jänner 1874 an der Mailänder Scala auf einen Erfolg warten. Hier war das Protagonistenpaar Francesco Pandolfini (Macbeth) und Antonietta Fricci (Lady), das Ballett wurde komplett aufgeführt. Danach findet es sich bis zur Verdi-Renaissance der 1920er Jahre kaum mehr auf den Spielplänen, nimmt ab dann aber rasch und dauerhaft den ihm zustehenden Platz im Repertoire ein.

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1138 стр. 147 иллюстраций
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9783844240665
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