Читать книгу: «Jake kämpft um sein Glück», страница 3

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*

Beatrice war von ihrem Mann unsanft in die Kutsche gestoßen worden. Sie landete hart in der Ecke der Sitzbank.

»Was hast du dir dabei gedacht, dich so in den Mittelpunkt zu stellen?«, herrschte er sie wütend an.

»Aber du hast doch gesagt, ich solle etwas vortragen!«, flüsterte Bea.

Ihr Mann holte aus und schlug ihr mit voller Kraft ins Gesicht. Von der Wucht des Schlages flog Bea quer durch die Kutsche auf die gegenüberliegende Bank.

Vor Zorn geifernd schrie er sie an: »Du hast dich aufgeführt wie eine Nutte! Ich habe genau gesehen, wie ihr euch angeschaut habt. Hast du überhaupt keine Scham, elendes Weib?«

Die ganze Fahrt über schleuderte er ihr Beleidigungen entgegen. Beatrice konnte kaum etwas verstehen. Ihr Kopf drohte vor Schmerzen zu platzen. Auf dem Ohr, das den Schlag abbekommen hatte, vernahm sie nur noch ein Rauschen. Die ganze Gesichtshälfte war wie taub.

Endlich kamen sie zu Hause an. Sir Michael stieg aus, zerrte sie aus der Kutsche und hinter sich her. Sie hatte keine Möglichkeit, auf die Füße zu kommen. Vor Schmerz bekam sie keine Luft. Er schleifte sie an einer Hand haltend über die Treppe hinauf zur Tür. Bea stieß mit dem Kopf mehrmals gegen eine Stufe, während ihr Mann sie ununterbrochen anbrüllte. Anscheinend hatte der Butler die Tür geöffnet. Denn ihr Gatte zog sie weiter in die Eingangshalle. Beatrice fühlte etwas Warmes an ihrem Kopf. Sie blutete.

»Holen Sie die Zofe dieser schamlosen Hure!«, brüllte Sir Michael nun den Butler an. Seine Frau ließ er einfach auf den Boden fallen. »Sie soll sofort diese Missgeburt hier wegschaffen! Und machen Sie gefälligst hier sauber! Diese Schmiererei auf dem Fußboden ist ja ekelerregend!« Mit donnernden Schritten ging er zur Bibliothek, verschwand darin und schlug die Tür hinter sich zu.

Der Butler ließ Sophia holen. Auf dem Boden kauernd, leise vor sich hin wimmernd, fand sie ihre Herrin. Vor Schreck erstarrte die Zofe einen Moment, fasste sich jedoch sogleich wieder. Schnell ließ sie Lady Beatrice von Samson nach oben tragen. Vorsichtig legte er sie auf dem Bett ab. Keiner sagte ein Wort.

In Sophia stieg unbändiger Hass auf. Oh, wenn sie ein Mann wäre, würde sie ihn umbringen! Sie versorgte Beatrice, so gut sie konnte. Einen Arzt durfte sie nicht rufen, das würde Sir Michael nie erlauben. Wenn Beatrice doch nur zu sich kommen würde!

Die ganze Nacht wachte Sophia bei ihrer Herrin am Bett. Diese war sehr unruhig und machte Anstalten, sich die Verbände vom Kopf zu ziehen. Immer wieder versuchte die Zofe, sie mit Worten und sanftem Streicheln zu beruhigen. Doch dauerten die Ruhephasen nie lange.

Gegen morgen erst wurde Bea etwas ruhiger. Sophia schlief neben dem Bett sitzend ein. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen. Sophia schrak von ihrem Stuhl auf.

»Was ist hier los? Wieso ist meine Frau noch nicht angezogen?«, donnerte Sir Michael der Zofe entgegen.

»Sie ist noch nicht wieder wach geworden«, entgegnete Sophia ihm, nur mit Mühe die Wut unterdrückend.

»Ach stimmt, sie ist ja die Treppe runtergefallen, oder? Hat sie wieder nicht aufgepasst. Das passt zu ihr!«, erwiderte er höhnisch. Mitleidig blickte er auf seine Frau herab: »Gerade jetzt! Immer macht dieses Weib Schwierigkeiten. Ich muss verreisen. Ich habe heute Morgen eine Nachricht bekommen. Wir müssen so schnell wie möglich nach Paris. Schauen Sie zu, dass Sie sie wach bekommen.« Er drehte sich um und verließ das Zimmer.

Sophia war fassungslos. Sie wach bekommen? Dieses Scheusal! Er war wahrhaftig die Grausamkeit in Person. In diesem Moment regte sich Bea.

»Sophia?«, flüsterte sie. »Hilf mir bitte!«

Was konnte sie nur tun, um ihrer Herrin beizustehen? Kurzentschlossen nahm sie das Fläschchen mit Laudanum aus ihrer Schürzentasche. In ein Wasserglas ließ sie eine großzügige Menge des Mittels hineintropfen. Vorsichtig hob sie Lady Beatrices Kopf an. Sie setzte sich so, dass sie ihren Oberkörper abstützen und ihr das Glas an die Lippen halten konnte.

»Jetzt schön den Mund aufmachen, Lady Beatrice. Das wird Ihnen guttun!«, flüsterte Sophia.

Beatrice trank in kleinen Schlucken und fiel langsam in einen tiefen Schlaf. Minuten später betrat Sir Michael wieder das Zimmer.

»Was ist, ist sie immer noch nicht wach?«, herrschte er Sophia an.

»Nein Sir Michael, sie liegt in einem todesähnlichen Schlaf. Sie atmet kaum noch.« Vorsichtig schaute sie ihn an.

»Mit dieser Frau habe ich ja wirklich den Hauptgewinn gezogen«, sagte Sir Michael sarkastisch. »Ständig nur jammern und todlangweilig dazu. Nicht mal zum Kinderkriegen taugt sie.« Verärgert schaute er auf die schlafende Beatrice herab und schüttelte den Kopf. »Und, was soll ich jetzt machen? Vielleicht auch noch den Arzt holen oder was?« Anscheinend unschlüssig und wütend ging er im Zimmer hin und her.

Sophia traute sich kaum zu atmen. Würde er allein wegfahren? In diesem Moment hörte sie schon eine Kutsche vorfahren. Die Zofe merkte ihm an, wie er innerlich mit sich kämpfte. Wie würde er sich entscheiden? Sie betete im Stillen zu allen Heiligen, die ihr in diesem Moment einfallen wollten.

»Gut, ich werde wohl allein fahren müssen. Schauen Sie zu, dass Sie sie wieder in Form bringen, bis ich wieder da bin.« Er drehte sich zur Tür, blieb aber noch einmal kurz stehen. »Keiner wird das Anwesen verlassen! Keinen Schritt! Ist das klar? Ich habe überall meine Beobachter! Sollte mir zu Ohren kommen, dass sie Besuch empfangen oder das Gut verlassen hat, gnade Ihnen Gott.« Die Tür knallte hinter ihm ins Schloss, seine harten Schritte hallten auf den Treppenstufen wider. Die Haustür ging auf und wieder zu, die Kutsche fuhr ab.

Sophia stand immer noch an derselben Stelle. Sie traute der Sache noch nicht. Sie horchte. War er wirklich weg? Vorsichtig ging sie zur Tür und öffnete sie leise. Alles war ruhig, niemand war zu sehen. Langsam bewegte sie sich zur Treppe.

»Suchen Sie etwa mich?« Sophia erstarrte vor Schreck. Sie hatte das Gefühl, ihr Herz hörte auf zu schlagen. Zögernd drehte sie sich um und blickte in die lachenden Augen von George.

»Oh George, Sie gemeiner, unverschämter Kerl! Wollen Sie, dass ich eine Herzattacke bekomme?«

Jetzt bemerkte George, dass Sophia tatsächlich zutiefst erschüttert war. »Oh, verzeihen Sie mir. Ich wollte Sie nur ein wenig necken.« Er schaute sie um Verzeihung heischend an. George war zur selben Zeit wie Sophia angestellt worden und arbeitete als Sekretär bei Sir Michael.

»Hören Sie bloß auf mit diesem Hundeblick.« Sie schaute ihn streng an. »Und tun Sie das nie wieder! Verstanden?«

»Verstanden, nie wieder!« Er legte zum Schwur eine Hand aufs Herz. Allerdings lauerte in seinen Augen eindeutig ein Lächeln. Langsam ging er um Sophia herum, sie nicht aus den Augen lassend. »Und jetzt begebe ich mich in mein Arbeitszimmer und träume von Ihnen.« Und ganz leise setzte er noch hinzu: »Sie süße Zuckerkugel!«

Sophia drehte sich empört zu ihm um: »Was haben Sie gesagt?«

Die Treppe hinuntereilend rief er: »Nichts, gar nichts!« Lachend verschwand er hinter der nächsten Tür.

Sophia versuchte, entrüstet zu schauen – und doch musste sie lächeln. Sie schüttelte über sich selbst den Kopf. So ein frecher Kerl! Sie musste ihm mal ordentlich die Leviten lesen.

*

Beatrice versuchte sich zu bewegen. In ihrem Kopf schien ein Hammer zu arbeiten. Ganz vorsichtig öffnete sie die Augen, schaute zum Fenster und sah die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne. Langsam und behutsam drehte sie ihren Kopf, um sich im Zimmer umzusehen. Auf dem Stuhl neben ihrem Bett saß Sophia und schnarchte leise vor sich hin. Das Häubchen hing schräg auf ihrem Kopf, das Kleid war ganz zerknittert. Bea wunderte sich, denn Sophia legte immer viel Wert auf ordentliche Kleidung.

Überhaupt fiel ihr auf, dass in ihrem Zimmer eine ziemliche Unordnung herrschte. Plötzlich erschrak sie. Was, wenn ihr Mann dies sah? Sie versuchte, Sophia anzusprechen. Doch kein Ton wollte aus ihrem ausgetrockneten Mund herauskommen. Mit den Händen klopfte sie schwach auf die Decke, um sich dadurch bemerkbar zu machen. Endlich regte sich Sophia und hob langsam und verschlafen den Kopf. Sie streckte sich und sah zu Beatrice. Mit einem Ruck war sie wach.

»Lady Beatrice! Wie geht es Ihnen?«

Bea zeigte auf ihren Mund, um ihr verständlich zu machen, dass sie Durst hatte.

»Oh Gott, natürlich!« Schnell holte Sophia ein Glas mit Wasser, in das sie ein paar Pfefferminzblätter gegeben hatte. Vorsichtig Lady Beatrices Kopf anhebend, gab sie ihr schluckweise zu trinken.

Dankbar lehnte sich Bea nach dieser lindernden Erfrischung zurück. »Wo ist mein Mann?«, krächzte sie.

»Er ist weggefahren, er musste nach Paris. Sie müssen also keine Angst haben.« Sophia tätschelte liebevoll die Hand ihrer Herrin. »Gestern bekamen wir Nachricht von Sir Michael, dass er nun in Dover angekommen sei und das nächste Schiff nach Calais nehmen würde. Ich muss ihm jeden Tag von Ihrem Zustand berichten. Gestern schrieb ich ihm, dass Sie immer noch nicht bei Bewusstsein seien.« Sie zwinkerte mit den Augen. »Wenn wir Glück haben, wird ihn das vielleicht veranlassen, nicht so schnell zurückzukommen.«

»Wie lange liege ich hier denn schon?«

»Ganze vier Tage!« Sophia sah Bea etwas schuldbewusst an.

»War ich so krank?«, fragte Beatrice erstaunt.

»Nun, nein ...« Sophia lächelte verschwörerisch und gab zögernd zu: »Ich habe Ihnen, um Sie vor ihm zu schützen, Laudanum gegeben. Es war wohl ein bisschen viel! Verzeihen Sie mir?«

»Mit Freuden! Du bist so schlau!« Liebevoll sah sie ihre Zofe an. »Was würde ich nur ohne dich machen?« Etwas leiser fragte Bea: »Ich habe großen Hunger, meinst du, du könntest mir etwas zu essen bringen?«

»Ach je, ach je, natürlich! Die Köchin hält schon seit Tagen eine Hühnerbrühe für Sie bereit. Ich hole sie sofort.«

Und weg war sie. Beatrice fielen indessen die Augen wieder zu. Als sie das nächste Mal wach wurde, nahm sie sogleich den köstlichen Duft einer würzigen Hühnerbrühe wahr. Allein der Duft gab ihr die Kraft, vorsichtig den Kopf zu heben. Sie bildete sich ein, dass noch nie eine Suppe so köstlich geduftet hatte. Sophia saß wieder auf dem Stuhl neben dem Bett, doch diesmal war sie wach und sah gespannt auf ihre Herrin.

»Ich bin wieder eingeschlafen?«

»Das ist gut so, Lady Beatrice. Ich habe in der Zwischenzeit die Brühe geholt. Sie ist noch schön warm und wird Ihnen guttun.«

Mit Sophias Hilfe trank sie zwei Tassen von der Brühe und aß sogar ein paar winzige Fleischstückchen. Von dieser Anstrengung völlig erschöpft, sank Bea sofort wieder in einen tiefen Schlaf.

Sophia räumte leise das Zimmer auf. Danach beauftragte sie einen Diener, warmes Wasser in den Ankleideraum zu bringen und wartete darauf, dass Beatrice wieder aufwachte. Lange brauchte sie nicht darauf zu warten. Beatrice öffnete bald die Augen und schaute sich verwundert um. »Es ist ja schon richtig hell. Wie lange habe ich geschlafen?«

»Drei Stunden! Wie geht es Ihnen?«

»Besser als beim ersten Aufwachen. Aber in meinen Kopf ist immer noch ein lautes Rauschen. Außerdem schmerzt mein linkes Ohr so sehr. Ich weiß gar nicht, warum?«

»Erinnern Sie sich nicht mehr an den Abend nach der Einladung bei Ihrem Nachbarn?«

Beatrice runzelte die Stirn, was sie sofort bereute. Das ganze Gesicht schmerzte dadurch. »Oh ja, der Ballsaal war wunderschön und ich weiß noch, dass ich gesungen habe. Danach sind wir nach Hause gefahren.« Sie stockte plötzlich. »Oh, jetzt weiß ich es wieder. Er hat mich geschlagen! Und dann… Oh mein Gott! Er hat mich aus der Kutsche gezerrt und mich die Treppe hinaufgeschleift.« Vorsichtig fasste sie sich an ihre linke Wange und erschrak. »Sie ist ganz geschwollen! Sophia, gib mir bitte einen Spiegel!«

Ihre Zofe sah sie skeptisch an: »Sind Sie sicher, dass Sie sich so sehen wollen?«

»Ganz sicher!«, sagte Beatrice mit fester Stimme. Sophia reichte ihr den kleinen Handspiegel. Bea sah hinein und schaute sich lange an.

»Das also bin ich?« Resignation breitete sich in ihrem Gesicht aus. Sie ließ den Spiegel fallen. »Bevor ich diesen schrecklichen Menschen traf, war ich eine junge, fröhliche Frau, die von einem Prinzen träumte, einer schönen Hochzeit und Kindern.« Sie sah zu ihrer Zofe. »Schau mich an, was aus mir geworden ist! Nie wieder werde ich in einen Spiegel blicken. Erst wieder, wenn ich wieder die Frau bin, die ich einmal war.«

»Aber Mylady, so etwas dürfen Sie nicht sagen. Das hört sich an, als ob Sie sich die Schuld geben!« Vor Verzweiflung liefen Sophia die Tränen übers Gesicht. »Er ist der Schuft und das Scheusal! Nicht Sie! Sie müssen mir jetzt sofort versprechen, nie wieder so etwas Dummes zu sagen! Wir müssen stark bleiben und wir werden ihn eines Tages besiegen. Das schwöre ich Ihnen!« Nach dieser kurzen, aber bewegenden Ansprache völlig außer Atem, stand Sophia vor ihrer Herrin und schaute sie ernst an. Beatrice hob den Blick, streckte die Arme nach Sophia aus, um sie an sich zu ziehen. Ganz gerührt und von ihrem eigenen Ausbruch irritiert, nahm sie ihre Herrin vorsichtig in die Arme. Beide Frauen hielten sich kurz aneinander fest.

Bea flüsterte: »Verzeih mir meine Verzweiflung. Du hast recht, wir werden kämpfen! Doch zuerst würde ich mich gerne waschen. Ich glaube, ich habe es bitter nötig. Hilfst du mir?«

Sophia zuckte zusammen: »Wo habe ich nur meinen Kopf? Das warme Wasser ist schon da. Es ist erst vor ein paar Minuten nach oben gebracht worden.« Und schon verschwand sie im Ankleidezimmer, um die Schüssel und Tücher zu holen. Langsam und vorsichtig half sie Beatrice, sich an den Bettrand zu setzen. Sie zog ihr das Nachthemd aus und wusch ihr vorsichtig Gesicht und Rücken. Und schließlich den ganzen Körper.

»Oh Sophia, tut das gut. Ich danke dir.«

»Ist schon recht, Mylady. Jetzt noch die frischen Sachen anziehen und sie können sich ausruhen.« Sie half Beatrice in ein neues Nachthemd und zog ihr einen dicken Morgenmantel über. »So, nun legen Sie sich kurz aufs Sofa und Jane und ich werden schnell das Bett frisch beziehen.«

Jane wurde aus dem Ankleidezimmer geholt, in dem sie soeben für Ordnung sorgte. In kurzer Zeit war alles frisch hergerichtet und Beatrice konnte sich wieder, durch weiche Kissen gestützt, in ihrem Bett bequem hinlegen.

»Haben Sie bereits wieder ein wenig Appetit?«

Allein durch diese Frage lief Beatrice das Wasser im Munde zusammen. »Oh ja, bitte, ich bin am Verhungern!«

Sophia grinste: »Na, wenn das nicht ein gutes Zeichen ist!«

Nach dem Essen lehnte sich Beatrice gedankenverloren gegen ihre frisch aufgeschüttelten Kissen. Wie sollte das Leben weitergehen?, fragte sie sich. Es war wohl am besten, erst einmal wieder zu Kräften zu kommen, und dann mit Sophia einen Plan zu erarbeiten. Vielleicht war Flucht doch eine Möglichkeit?

*

Mit jedem neuen Tag und Sophias liebevoller Pflege ging es Beatrice besser. Endlich konnte sie wieder nach unten gehen und es sich an ihrem Lieblingsplatz in der Bibliothek gemütlich machen. Warm zugedeckt und verwöhnt von allen Mitgliedern des Hauses.

Sir Michael schickte ihr fast täglich Nachrichten. Immer wieder fragte er, ob seine Frau schon wieder ganz zu sich gekommen sei und gab dem Personal Anweisungen, was es zu tun und zu lassen hätte. Man glaubte zu merken, wie zuwider es ihm sein musste, nicht alles im Blick zu haben, was in seinem Hause vorging. Sophia antwortete ihm, dass es Beatrice noch sehr schlecht gehe und sie fast nie wach sei. Es machte ihr überhaupt nichts aus, ihn nach Strich und Faden zu belügen. Hauptsache, er sah keinen Grund, hier allzu bald aufzutauchen. So gut wie jetzt ging es ihnen noch nie. Es hatte sich eine so friedliche Stimmung im ganzen Haus ausgebreitet. Heute saßen die beiden Frauen wieder wie schon so oft in der Bibliothek und lasen sich gegenseitig aus ihren Lieblingsbüchern vor. Sie genossen diese Zweisamkeit und spürten die tiefe Zuneigung, die sie verband.

Beatrices Zustand verbesserte sich von Tag zu Tag. Sie freute sich darauf, endlich wieder einen langen Spaziergang machen zu können. Die Bewegung fehlte ihr so sehr nach der langen Zeit der Rekonvaleszenz. Die weitesten Ausflüge bisher führten sie gerade mal bis zum Kräutergarten. Sie hatte das Gefühl, dort bereits mit jeder Pflanze persönlich bekannt zu sein. Daher entschied sie, heute auf den Hügel zu gehen, ihren Hügel! Niemand würde sie zurückhalten können, auch nicht Sophia, die sie für so einen weiten Weg immer noch als zu schwach befand.

Es war einer der seltenen schönen Herbsttage. Die Sonne sendete ihre letzten warmen Strahlen auf die Erde. Langsam und in Gedanken versunken ging Bea den Weg hinauf zu ihrem Lieblingsplatz. Als sie endlich oben angekommen war, noch leicht außer Atem, erschrak sie. Es saß jemand auf ihrem Platz und dieser Jemand war niemand anderer als Lord Jake Auston. Noch hatte er sie anscheinend nicht bemerkt. Was für ein schöner Mann er war mit seinen zu einer wilden Brutusfrisur gekämmten Haaren! Er hatte seine Jacke ausgezogen und saß nun dort auf einem Stein und schaute ins Tal.

Offenbar war ihm ihre Anwesenheit doch nicht entgangen, denn er sagte: »Wollen Sie nicht näherkommen? Ich glaube, das hier ist Ihr Platz!« Langsam drehte er seinen Kopf zu ihr und lächelte sie freundlich an. Bea blieb vor Schreck kurz die Luft weg. »Vor mir brauchen Sie keine Angst zu haben.« Mit einer Handbewegung lud er sie ein, sich neben ihn zu setzen.

Beatrice streckte ihr Kinn vor und entgegnete: »Ich habe keine Angst! Ich hatte nur nicht erwartet, hier jemanden vorzufinden. Lassen Sie sich bitte nicht stören, ich gehe wieder.«

Mit drei schnellen Schritten war er bei ihr. Beatrice fuhr so sehr zusammen, dass sie fast rücklings gefallen wäre. Doch schnell hielt Auston sie an den Armen fest. Diese Berührung traf Beatrice wie ein Blitz. Er trug keine Handschuhe, sodass sie die Wärme seiner Hände auf ihrer Haut spüren konnte. Verunsichert schaute sie ihn an. Anscheinend ging es ihm genauso, da er Beatrice schnell wieder losließ und zu dem Stein zurückging, um seine Jacke zu holen.

»Ich möchte Ihnen auf keinen Fall diesen wunderschönen Platz wegnehmen. Verzeihen Sie mir.« Auston machte Anstalten zu gehen, doch Bea hielt ihn zurück. »Ehm …, nein, bleiben Sie doch! Verzeihen Sie mir, ich war wirklich nur überrascht. Ich denke, es ist Platz für zwei vorhanden.«

Er schaute sie lächelnd an und bemerkte nun die leichte Verfärbung ihrer linken Gesichtshälfte. Schnell wandte er den Blick ab. Das konnte nur ihr Ehemann gewesen sein. Endlose Wut stieg in ihm hoch. Dieser Bastard! Er versuchte sich nichts anmerken zu lassen und lud Beatrice freundlich ein, neben ihm Platz zu nehmen. »Ich lege mein Jackett hierher, dann können Sie darauf Platz nehmen.«

»Vielen Dank.« Etwas zögerlich setzte sich Beatrice. Auston tat es ihr nach. Er war ihr so nahe, dass sie seine Körperwärme spüren konnte. Sie wunderte sich, dass es sie weder ängstigte noch abstieß, so dicht neben einem Mann zu sitzen.

Plötzlich kam Beatrice ein Gedanke: »Wieso glauben Sie, dass dies mein Platz ist?« Irritiert schaute sie ihn an. »Mir war nicht bewusst, dass noch jemand diesen Pfad hier herauf kennt.«

»Oh, bis heute kannte ich ihn auch nicht«, sagte er mit einem Augenzwinkern. Ihre Verblüffung schien ihm Spaß zu machen.

»Sie machen sich über mich lustig!« Jetzt wurde Bea langsam wütend.

»Nein, nein, nichts liegt mir ferner«, sagte er lachend. »Ich habe ein Fernglas!«

»Ein Fernglas? Wie meinen Sie das? Haben Sie mich damit etwa beobachtet?« Bea bekam einen roten Kopf. »Haben Sie nichts anderes zu tun, als harmlose Menschen mit einem Fernglas zu beobachten? Und wieso habe ich Sie nicht gesehen?«

»Aha! Wer hat nun wen beobachtet?«

»Das war etwas ganz anderes. Ich habe Ihr Haus angeschaut, ich wusste ja gar nicht, dass Sie da sind.«

»Also bedeutet das doch, wenn Sie gewusst hätten, dass ich da bin, hätten Sie mich beobachtet?«

Bea schaute ihn entrüstet an. Doch dann sah sie den verschmitzten Ausdruck in seinen Augen und musste einfach loslachen. »Sie sind so durchtrieben, Lord Auston. Vor Ihnen muss man sich in acht nehmen.«

»Ich befürchte, meine Erziehung wurde sträflich vernachlässigt.« Er ließ den Blick sinken und schüttelte den Kopf, als ob er am Boden zerstört wäre.

Bea schaute ihn streng an: »Mit diesem Benehmen können Sie mich nicht mehr täuschen! Ich habe Sie durchschaut! Sie sind ein ganz durchtriebener Mensch. Wie mein Mann!«

Jetzt schaute Jake sie fast verärgert an. Sie bemerkte sofort, dass es diesmal ernst war. »Tun Sie mir bitte den Gefallen und vergleichen Sie mich nie mehr mit Ihrem Mann. So wie ich Ihren Mann kennengelernt und was ich über ihn vernommen habe, ist er der letzte Mensch, mit dem ich verglichen werden möchte.«

Beatrice sah Auston erschrocken an und sagte leise: »Ehm, bitte verzeihen Sie. Ich wollte Sie nicht verletzten. Sie haben in keiner Weise Ähnlichkeit mit meinem Mann! So habe ich das nicht gemeint.« Sie beobachtete ihn aus dem Augenwinkel und wunderte sich über seine vehemente Reaktion.

Zu ihrem großen Erstaunen sagte er: »Ihnen verzeihe ich immer!«, und sah ihr dabei direkt in die Augen. Beatrice fand, er hatte die schönsten Augen, die sie je gesehen hatte. Dieses Braun war so dunkel, dass es manchmal fast schwarz wirkte. Die langen Wimpern verstärkten diesen Eindruck noch. So in ihren Gedanken versunken wurde sie erst wieder durch sein leises Lachen in die Wirklichkeit zurückgerufen. Sie erschrak, da ihr bewusst wurde, dass sie ihn die ganze Zeit angestarrt hatte. Schnell schaute sie weg, ihre Wangen färbten sich dunkelrot. Sie murmelte: »Verzeihung, ich bin noch nicht ganz ich selbst.«

»Wie meinen Sie das? Waren Sie krank?«

Beatrice überlegte kurz: »Ehm … Ja, ich war krank. Dies ist mein erster Spaziergang seit Langem. Und … Ich muss jetzt wirklich gehen, sonst machen sich alle Sorgen.«

»Wer macht sich denn die Sorgen? Ihr Mann?« Jake zog zweifelnd eine Augenbraue nach oben.

»Reden Sie nicht so mit mir. Können Sie sich nicht vorstellen, dass sich jemand um mich Sorgen macht?« Bea schaute ihn entrüstet an.

»Jetzt muss ich mich wohl entschuldigen?«

»Ja, das müssen Sie! Das war sehr unschön von Ihnen.« Bea schniefte laut und wenig damenhaft.

»Ich bin so ein Tölpel! Aber eines kann ich Ihnen sagen. Wenn Sie meine Frau wären, würde ich mir Sorgen machen.«

»Ich bin aber nicht Ihre Frau und deshalb dürfen Sie sich keine Sorgen machen. Wenn wir Freunde wären, ja dann vielleicht.« Jake bedachte Beatrice mit einem Lächeln: »Können wir Freunde werden?«

Sie sah ihn forschend an: »Geht das denn? Wir kennen uns ja kaum.«

»Wir können uns ja kennenlernen. Nur glaube ich, dass Ihr Mann dies nicht gut finden würde.«

»Oh, er ist zurzeit nicht da«, sagte Bea freudig. Doch sogleich wurde ihr bewusst, dass ihre Freude darüber möglicherweise einen befremdlichen Eindruck auf Lord Auston machen könnte und fügte rasch hinzu: »Nun, verstehen Sie mich nicht falsch. Ich freue mich natürlich nicht, dass mein Mann weg ist. Ehm …, sondern dass er sich freut, nicht hier zu sein. Nein, also… Es ist doch schön für ihn, wenn er…«

Jake lächelte: »Oh, ich verstehe Sie sehr gut. Es ist schön für ihn, mal unterwegs zu sein.«

Bea nickte erleichtert: »Ja genau! Das ist es.«

»Lady Michael, ich glaube, Sie sollten jetzt wirklich wieder zurückgehen. So langsam wird es kühl hier oben. Nicht, dass Sie wieder krank werden.«

Bea stand schnell auf. »Sie haben recht, ich muss jetzt wirklich nach Hause. Sophia macht sich sicherlich schon Gedanken um mich.«

»Wer ist Sophia? Ihre Gesellschafterin?«

Bea musste lachen. »Sie ist meine Zofe und gleichzeitig meine beste Freundin. Das kommt Ihnen sicher seltsam vor. Doch so ist es.«

»Es kommt mir nicht seltsam vor. Es ist schön, dass Sie eine Freundin haben.« Er zog seine Jacke wieder an und half Beatrice über die Steine hinweg zurück auf den Weg. Langsam gingen sie auf dem schmalen Pfad hintereinander den Hügel hinunter. Als die Sträucher sich teilten und sie auf der Wiese ankamen, trennten sich ihre Wege. Beide spürten ein leichtes Bedauern.

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