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Den «Praxishunger» stillen

Eine empirische Untersuchung zum Potenzial der Erfüllung psychologischer Bedürfnisse für die erfolgreiche Realisierung von Schulpraktika

Benjamin Dreer

1Einleitung

Immer wieder gibt es in empirischen Untersuchungen Hinweise darauf, dass angehende Lehrpersonen praktische Erfahrungen während des Studiums als hochrelevant für die eigene Professionalisierung bewerten (z. B. Hascher, 2012) und sich mehr, längere und regelmäßigere Praxisphasen bereits ab Beginn des Studiums wünschen (z. B. Bergau, Mischke & Herfter, 2012; Schumacher & Lind, 2000). Dieses als «Praxishunger» bezeichnete Phänomen kann unterschiedlich erklärt werden.

Zunächst ist ein grundsätzliches Interesse der angehenden Lehrpersonen an pädagogischen Tätigkeiten hierfür verantwortlich zu machen. Menschen, die sich für eine Ausbildung zur Lehrerin oder zum Lehrer entscheiden, tun dies zumeist mit dem Ziel, pädagogisch tätig zu sein und sich in den Rollen einer Lehrperson als wirksam zu erleben (Rothland, 2011). Praktische Phasen im Studienverlauf erlauben, wesentliche Tätigkeiten und Rollen des angestrebten Berufs noch vor dem Eintritt in die Berufstätigkeit mit einiger Verbindlichkeit zu übernehmen. Es ist deshalb nachvollziehbar, dass ein deutlicher Wunsch nach Praxis bereits am Beginn des Studiums und selbst vor jeder praktischen Erfahrung besteht.

Eine im Verlauf des Studiums zunehmende Unzufriedenheit mit den «theoretischen» Elementen der Ausbildung (Liebisch, 2010; Schubarth, Speck, Große, Seidel & Gemsa, 2006) verstärkt diesen Wunsch nach Praxis. Makrinus (2013) hat herausgearbeitet, dass «Praxishunger» in diesem Zusammenhang symbolisch für ein nicht deutlich fassbares Unbehagen steht. In einer solchen Betrachtungsweise bilden Praxisphasen gewissermaßen einen Fluchtpunkt. Sie werden als bedeutsamere Quellen der individuellen Professionalisierung wahrgenommen als andere hochschulische Lehrveranstaltungsangebote. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn im Studienverlauf zunächst die fachwissenschaftliche Ausbildung ohne Praxisphasen dominiert.

Ein grundsätzliches Streben nach schulpraktischen Lerngelegenheiten kann aber auch durch praktische Erfahrungen noch verstärkt werden. Studierende suchen in schulpraktischen Kontexten Selbstwirksamkeitserfahrungen und Kompetenzerleben (Korthagen & Evelein, 2016) sowie nach Wegen und Möglichkeiten der Selbstbildbestätigung (Meyer & Kiel, 2014). Erhalten sie ausreichend Gelegenheit, Erlebnisse und Eindrücke zu sammeln und diese in ein positives Selbstbild zu integrieren, so wirkt sich dies förderlich auf ihre Motivation aus, erneut praktische Kontexte aufzusuchen und sich in ihnen zu bewähren. Umgekehrt kann ein Verlangen nach mehr Praxis vor diesem Hintergrund auch als Ausdruck dafür verstanden werden, dass einzelne praktische Lerngelegenheiten als nicht ausreichend unterstützend für die Erfüllung individueller Lern- und Entwicklungsbedürfnisse erlebt werden (Hascher, 2012; Hascher & Kittinger, 2014; Ramm, Kolbert-Ramm, Bargel & Lind, 1998). Ansätze, diesem Problem zu begegnen, werden unter anderem in der Förderung von Möglichkeiten der Selbststeuerung des Lernens (z. B. Endedijk, 2014), in systematischen Betreuungs- und Coaching-Konzepten (z. B. Kreis, 2012) oder im Einsatz von Reflexions- und Dokumentationsmethoden gesehen (z. B. Gläser-Zikuda & Hascher, 2007; Ostendorf & Welte, 2012).

Der vorliegende Beitrag wendet sich dem zuletzt beschriebenen Problemfeld zu, indem schulpraktische Phasen als Lern- und Entwicklungskontexte verstanden werden, in denen es auch darum geht, dass die psychologischen Bedürfnisse angehender Lehrpersonen erfüllt werden (Evelein, Korthagen & Brekelmans, 2008; Korthagen & Evelein, 2016; Korthagen, Kessels, Koster, Lagerwerf & Wubbels, 2001). In der Forschung zu schulpraktischen Phasen wurde diese emotional-motivationale Perspektive bisher weitgehend vernachlässigt (für eine Zusammenfassung siehe Dreer, 2016). Es ist bislang nur wenig darüber bekannt, wie relevant psychologische Bedürfnisse und deren Erfüllung für die individuell wirksame Realisierung schulpraktischer Phasen sind. Auf den folgenden Seiten wird eine Studie vorgestellt, die das Potenzial von Bedürfniserfüllung für die erfolgreiche Umsetzung von Schulpraktika untersucht. Hierzu wird von einer längsschnittlichen Tagebucherhebung berichtet, in deren Rahmen die Bedürfniserfüllung von Studierenden (n = 106) im Verlauf eines zehntägigen Orientierungspraktikums zu fünf Messzeitpunkten erhoben und mit Erfolgsindikatoren für das Praktikum in Beziehung gesetzt wurde.

2Bedürfnisse Studierender im Schulpraktikum

Verschiedene Studien verweisen auf die grundsätzliche Relevanz von psychologischen Bedürfnissen und deren Erfüllung für eine gesunde, zufriedene, engagierte und erfolgreiche Ausübung des Lehrberufs (z. B. Betoret, Lloret & Gómez-Artiga, 2015; Klassen, Perry & Frenzel, 2012; Olcar, 2015). Es gibt außerdem erste Hinweise darauf, dass Bedürfnisse und Bedürfniserfüllung auch im Kontext der Ausbildung von Lehrpersonen von Bedeutung sind (Filak & Sheldon, 2003; Vermeulen, Castelijns, Kools & Koster, 2012). Für das Lernen in Schulpraktika wurden insbesondere allgemeine Bedürfnisse von Lernenden, wie soziale Eingebundenheit, Kompetenzerleben und Autonomie (nach Deci & Ryan, 2000), untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass die Bedürfniserfüllung über den Verlauf eines vierzehnwöchigen Praktikums für die drei Bedürfnisse durchschnittlich moderat ausfällt, zum Teil jedoch erhebliche Schwankungen während der Praxisphase aufwies, die keiner linearen Tendenz folgten (Evelein et al., 2008). Eine weitere Studie verdeutlichte, dass die Erfüllung allgemeiner Lernbedürfnisse von Studierenden in signifikantem Zusammenhang mit schülerförderlichem Verhalten (z. B. Autonomiegewährung, Hilfsbereitschaft) der angehenden Lehrpersonen im Unterricht steht (Korthagen & Evelein, 2016).

Die Grenzen der aufgeführten Untersuchungen sind darin zu sehen, dass eine alleinige Fokussierung auf allgemeine Lernbedürfnisse in Praxisphasen nicht hinreichend zu sein scheint. Die Besonderheit von Schulpraktika liegt darin, dass die intendierten Lernziele darüber erreicht werden sollen, dass Studierende (zumindest vorübergehend) die Rollen und Aufgaben von berufstätigen Lehrkräften übernehmen (Hammerness et al., 2005; McDonald et al., 2014). Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass für die angehenden Lehrpersonen auch die speziellen psychologischen Bedürfnisse von berufstätigen Lehrpersonen, wie zum Beispiel Sicherheitsbedürfnisse (Vasile, Margaritoiu & Eftimie, 2011), das Bedürfnis nach einer gedeihlichen Lehrer/-in-Schüler/-in-Beziehung (Klassen et al., 2012) sowie das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung (McNeil, Hood, Kurtz, Thousand & Nevin, 2006; Palak & Papuda-Dolinska, 2015), relevant sein dürften.

Ausgehend von einer umfassenden Durchsicht der vorhandenen Forschungsliteratur zu schulpraktischen Studien und aufbauend auf etablierten psychologischen Bedürfniskonzeptionen, wurden vier kontextspezifische Bedürfnisse von Studierenden im Schulpraktikum herausgearbeitet, die allgemeine Lernbedürfnisse mit spezifischen berufsbezogenen Bedürfnissen von Lehrpersonen zusammenführen (vgl. Dreer, 2016, 2018). Demnach werden die Bedürfnisse nach (1) Einführung in den Schulalltag, (2) Einbindung in die Lehrer(innen)- und Schüler(innen)schaft, (3) Selbsterprobung und (4) Selbstverwirklichung unterschieden. Eine Übersicht über die vier Dimensionen gibt Tabelle 1.

Tabelle 1: Übersicht über die vier Dimensionen psychologischer Bedürfnisse Studierender im Schulpraktikum nach Dreer (2016)


DimensionBezugskonzeptKurzbeschreibung
Einführung in den SchulalltagSicherheitsbedürfnisse (Maslow, 1943; Vasile et al., 2011)Bedürfnis,einen festen Platz an einer als angemessen eingeschätzten Schule zu erhalten nach räumlicher und organisationsbezogener Orientierung an der Schule
Einbindung in die Lehrer(innen)- und Schüler(innen)schaftSoziale Einbindung (Deci & Ryan, 2000; Klassen et al., 2012)Bedürfnis,in der Schulgemeinschaft akzeptiert zu werden; dazu gehört, als professionelle/-r Kollege/-in wertgeschätzt und respektiert zu werden als relevante Bezugsperson durch die Schüler/-innen wahrgenommen zu werden
SelbsterprobungAutonomie/Kompetenzerleben (Deci & Ryan, 2000; Meyer & Kiel, 2014)Bedürfnis,angemessenen und typischen Herausforderungen des Lehrberufs erfolgreich zu begegnen, dabei über Wahlmöglichkeiten zu verfügen und sich als Initiator/-in der eigenen Handlung zu fühlen
SelbstverwirklichungSelbstverwirklichung (Maslow, 1943; McNeil et al., 2006; Palak & Papuda-Dolinska, 2015)Bedürfnis,das individuelle Potenzial in Bezug auf die Aufgaben des Lehrberufs voll auszuschöpfen die eigene Persönlichkeit (individuelle Stärken, Interessen und Vorlieben) mit wichtigen Aspekten der Lehrtätigkeit bedeutsam und längerfristig in Verbindung zu bringen

3Methode
3.1Fragestellung

Die vorliegende Studie befasst sich mit der übergeordneten Frage, ob sich die auf theoretischer Grundlage unterstellte Bedeutsamkeit der identifizierten Bedürfnisdimensionen auch empirisch nachweisen lässt. Hierfür wurden folgende forschungsleitende Fragen formuliert:

1.Stellen die dargestellten theoretischen Dimensionen auch auf empirischer Basis eigenständige Bereiche dar?

2.Wie entwickelt sich bei angehenden Lehrpersonen die mittlere Bedürfniserfüllung in den vier verschiedenen Dimensionen im Zeitverlauf während ihres Orientierungspraktikums?

3.Steht die Erfüllung von Bedürfnissen im Praktikum in Zusammenhang mit Indikatoren eines erfolgreichen Orientierungspraktikums?

3.2Design

Die dargestellten Fragen wurden in einer explorativen längsschnittlichen Tagebucherhebung adressiert. Die Bedürfniserfüllung von Studierenden (n = 106) wurde im Verlauf eines zehntägigen Orientierungspraktikums zu fünf Messzeitpunkten (Tag 1, 3, 5, 7, 9) erhoben. Das Orientierungspraktikum ist eine der ersten schulpraktischen Phasen, die Studierende an der Universität Erfurt in allen Bachelor-Studiengängen, die zu einem Lehramt führen,[1] verbindlich zu absolvieren haben. Es besteht die Möglichkeit, die Schule, an der das Praktikum absolviert wird, frei zu wählen. Vor- und Nachbereitung erfolgen mit einer Vorlesung sowie Einführungs- und Auswertungsseminaren. Wesentliche Ziele für dieses Praktikum sind, dass die Studierenden den Lehrberuf kennenlernen und von der Schüler(innen)- in die Lehrer(innen)-perspektive wechseln (Dreer & Pannke, 2014). Entlang dieser Ziele wurden in der vorliegenden Untersuchung die Zufriedenheit der Lernenden, Lerngewinn, Perspektivwechsel sowie Lehrpersonen-Selbstwirksamkeit als Erfolgsindikatoren der Praxisphase erfasst.

3.3Stichprobe

Die Studie umfasste 106 Teilnehmende, von denen relevante Daten zu sämtlichen Messzeitpunkten vorlagen. Zum Zeitpunkt der Erhebung befanden sie sich im dritten beziehungsweise fünften Fachsemester eines lehramtsrelevanten Bachelor-Programms und waren im Mittel 20,2 Jahre alt (SD 6.15). In der Stichprobe waren mehr Studierende mit dem Berufsziel Grundschullehramt (nGr = 72) als Studierende mit dem Berufsziel Lehramt an Schulen im Sekundarbereich (nSek = 34) repräsentiert, was grundsätzlich die Verteilung der Lehramtsstudierenden an der Universität Erfurt widerspiegelt.

3.4Erhebungsinstrument

Das Erhebungsinstrument wurde als Paper-Pencil-Tagebuch konzipiert. Neben je einer Eingangs- und Abschlussbefragung, die beide unmittelbar vor und nach dem Praktikum zu bearbeiten waren, enthielt das Tagebuch identische Erhebungsbögen zur Erfassung der Bedürfniserfüllung zu fünf Messzeitpunkten (Tag 1, 3, 5, 7, 9), die jeweils unmittelbar nach dem Unterrichtstag an der Schule zu bearbeiten waren. Sämtliche Items zur Erfassung der Bedürfniserfüllung waren auf einer fünfstufigen Intervallskala (1 = «trifft voll zu» bis 5 = «trifft nicht zu») einzuschätzen. Eingangs- und Abschlussbefragung wurden im Kontext der Vor- und Nachbereitungsseminare durchgeführt, was die Zuverlässigkeit der erhobenen Daten erhöhte. Die Eingangsbefragung zielte auf die Erhebung demografischer Daten und weiterer Informationen, wie zum Beispiel, ob den Studierenden die Praktikumsschule bereits vor dem Praktikum bekannt war. Tabelle 2 gibt eine Übersicht über die eingesetzten Skalen.

Tabelle 2: Übersicht über die eingesetzten Skalen


Anmerkung: Skalierung für alle Items: 1 = «trifft voll zu» bis 5 = «trifft nicht zu».

4Ergebnisse

Im Hinblick auf die erste Forschungsfrage zeigten die Ergebnisse einer konfirmatorischen Faktorenanalyse, dass sich die vermutete vierfaktorielle Struktur in der Bedürfniserfüllung auch empirisch darstellt (CFI = 0.92, RMSEA = 0.05, SRMR = 0.5). Interkorrelationen der Skalen verwiesen des Weiteren auf Zusammenhänge in der Bedürfniserfüllung zwischen den vier Dimensionen in mittlerem bis hohem Maß (rmin = 0.47, rmax = 0.71).

Ferner kann berichtet werden, dass im Durchschnitt eine mittlere bis hohe Bedürfniserfüllung während der Praxisphase erreicht werden konnte (vgl. Tabelle 3). Die mittleren Erfüllungsraten der Dimensionen «Einführung» und «Einbindung» lagen dabei deutlich über denen der Dimensionen «Selbsterprobung» und «Selbstverwirklichung».

Tabelle 3: Mittelwerte und Standardabweichungen der vier Bedürfnisbereiche zu allen Messzeitpunkten


Ebenfalls wurde erkennbar, dass zum ersten Messzeitpunkt Unterschiede im Vergleich der Erfüllungsraten der Bedürfnisdimensionen «Eingebundenheit» und «Selbsterprobung» sowie im Vergleich dieser mit «Einführung» und «Selbstverwirklichung» vorlagen (vgl. Abbildung 1). Zusätzliche Analysen hierzu ergaben, dass sich diese Unterschiede teilweise durch die Bekanntheit der Schule erklären ließen. Studierende, die eine Schule für ihr Praktikum wählten (n = 71, M = 2.20, SD = 0.85), die ihnen bereits vor dem Praktikum bekannt[2] war, zeigten gleich zu Beginn des Praktikums höhere Erfüllungsraten für das Bedürfnis nach Einführung in den Schulalltag. Dies stand in Kontrast zu denjenigen Studierenden, die das Praktikum an einer ihnen unbekannten Schule durchführten (n = 35, M = 2.72, SD = 0.81). Dieser Unterschied (d = 0.62) fiel statistisch signifikant aus (F[4, 288] = 2.91; p < .05).

Um die zweite Forschungsfrage nach den Veränderungen in der Bedürfniserfüllung über die Zeit zu adressieren, wurden ANOVAs mit Messwiederholung berechnet. Diese ergaben signifikante Zuwächse in der Bedürfniserfüllung. Die Dimension «Einführung» erreichte den größten Zuwachs (F(4, 244) = 63.08, p < .001, dt1t5 = 1.23), gefolgt von «Einbindung» (F(4, 241) = 47.74, p < 0.001, dt1t5 = 0.99), «Selbsterprobung» (F(4, 236) = 45.23, p < .001, dt1t5 = 0.90) und «Selbstverwirklichung» (F(4, 204) = 16.25, p < .001, dt1t5 = 0.70). Ein visueller Vergleich der einzelnen Dimensionen (vgl. Abbildung 1) zeigt nahezu parallele Trends in den mittleren Verläufen der Bedürfniserfüllung ab dem zweiten Messzeitpunkt (Tag 4).


Abbildung 1: Mittlere Bedürfniserfüllung in den vier Dimensionen über die Zeit

Zur Beantwortung der dritten Forschungsfrage wurde so vorgegangen, dass in einem ersten Schritt pro Dimension ein additiver Gesamtwert der Bedürfniserfüllung über alle Messzeitpunkte (Score) gebildet wurde. In einem zweiten Schritt wurde von der Bedürfniserfüllung am Ende der Praxisphase die Bedürfniserfüllung zu Beginn der Praxisphase (Gewinn = T9 – T1) abgezogen und so ein individueller Wert für den Zuwachs über die Zeit pro Dimension ermittelt. Abschließend wurden Korrelationen zwischen der Bedürfniserfüllung (jeweils Score und Gewinn) und den Erfolgsindikatoren berechnet (vgl. Tabelle 4).

Tabelle 4: Korrelationen zwischen Bedürfniserfüllung (Score/Gewinn) und Erfolgsindikatoren


Anmerkung: ** p <.01; * p < .05; Score = t1 + t3 + t5 +t7 +t9; Gewinn = t9 – t1.

Aus Tabelle 4 wird ersichtlich, dass statistisch signifikante Zusammenhänge zwischen nahezu allen erhobenen Erfolgsindikatoren und der kumulierten Bedürfniserfüllung (Score) bestehen: Je höher die über den Verlauf der zehntägigen Praxisphase addierte Bedürfniserfüllung ausfällt, desto höher wird auch der Erfolg der schulpraktischen Phase eingeschätzt. Hingegen wurde deutlich, dass der Gewinn in der Bedürfniserfüllung lediglich signifikant mit der Zufriedenheit der Lernenden positiv korreliert ist. Die ergänzende Berechnung von Korrelationen der Bedürfniserfüllung zum ersten Messzeitpunkt (Tag 1) mit den Erfolgsindikatoren zeigt weitere signifikante Zusammenhänge: Diejenigen Studierenden, die bereits zu Beginn des Praktikums eine vergleichsweise höhere Bedürfniserfüllung berichteten, wiesen zum Ende höhere Erfolgsraten insbesondere hinsichtlich der Indikatoren «Lernzufriedenheit» und «Perspektivwechsel» auf.

5Diskussion und Fazit

Die hier vorgestellte Tagebucherhebung liefert einige empirische Belege für den untersuchten theoretischen Erklärungsansatz (Dreer, 2016). Zunächst konnte festgestellt werden, dass im Praktikum im Durchschnitt eine mittlere bis hohe Bedürfniserfüllung für vier empirisch voneinander abgrenzbare Bedürfnisdimensionen vorlag. Ferner stieg die mittlere Bedürfniserfüllung in allen vier Dimensionen im zehntägigen Orientierungspraktikum in bedeutsamem Maß an. Der Vergleich der vier Dimensionen zeigte Unterschiede für das Ausmaß des Anstiegs vom ersten zum letzten Messzeitpunkt. Diese Unterschiede verweisen unter Umständen auf den spezifischen Anspruch der mit der Bedürfniserfüllung verbundenen Entwicklungsaufgaben in jeder Dimension. So erscheint die Annahme nachvollziehbar, dass es zur Erfüllung der Bedürfnisse nach Selbsterprobung und Selbstverwirklichung wesentlich tiefer greifender und aufwendigerer Lern- und Entwicklungsprozesse bedarf als für die Erfüllung der Bedürfnisse nach Einführung und Einbindung (vgl. Dreer, 2018). Zusätzlich stellt ein Orientierungspraktikum ein zeitlich und hinsichtlich der Lerngelegenheiten begrenztes Angebot dar, das Bedürfniserfüllung insbesondere in anspruchsvolleren Dimensionen nicht vollumfänglich erwarten lässt. Vor diesem Hintergrund erscheinen die vorgefundenen Differenzen in den Erfüllungsraten plausibel, wenngleich die Annahmen hierzu in empirischen Untersuchungen im Kontext weiterer Praxisphasen kritisch zu prüfen wären.

Im Vergleich der vier Dimensionen fiel außerdem auf, dass zum ersten Messzeitpunkt Unterschiede in den mittleren Erfüllungsraten einiger Dimensionen vorlagen. So unterschied sich etwa die mittlere Ausprägung des Bedürfnisses nach Selbsterprobung von der mittleren Ausprägung der Bedürfnisse nach Einführung und Selbstverwirklichung, die wiederum ähnlich hoch ausgeprägt waren. Einen möglichen Erklärungsansatz hierfür lieferte die Zusatzanalyse, die zeigen konnte, dass Studierende, die eine ihnen bereits bekannte Schule für ihr Praktikum wählten, einen Vorsprung in der Bedürfniserfüllung in der Dimension «Einführung in den Schulalltag» gegenüber denen aufwiesen, die ihr Praktikum an einer ihnen unbekannten Schule umsetzten. Dies lässt die Vermutung zu, dass weitere individuelle Unterschiede vorliegen könnten, die die Bedürfniserfüllung bereits vor einer Praxisphase systematisch beeinflussen. Hierzu könnten Heterogenitätsdimensionen gehören, zum Beispiel Persönlichkeitsmerkmale (Krapp, 2005).

Insgesamt stehen die vorliegenden Befunde, die eher auf lineare Anstiege in der Bedürfniserfüllung verweisen, in Kontrast zur Untersuchung von Evelein und Kollegen (2008), bei der unsystematische Variationen der Erfüllung allgemeiner Lernbedürfnisse entlang von Unterrichtsversuchen der Studierenden über vierzehn Wochen beobachtet wurden. Hierfür könnten augenscheinliche Unterschiede in den Erhebungszeiträumen und in den Erhebungsinstrumenten und -zeitpunkten verantwortlich sein. Die abweichenden Befunde könnten aber auch mit der Art der theoretischen Konzeptualisierung in Verbindung stehen, was für eine gewisse zusätzliche Erklärungskraft des hier vorliegenden Ansatzes sprechen würde. Im Vergleich zu einer allgemeinen und übergreifenden Konzeptualisierung (z. B. Evelein et al., 2008) könnte die hier verfolgte differenziertere und kontextualisierte Konzeptualisierung der Bedürfnisse zu einer vollständigeren und genaueren Erfassung beigetragen haben. Dies jedenfalls legen Ansätze nahe, die in ähnlicher Weise eine Spezifizierung von psychologischen Bedürfnissen im Hinblick auf den konkreten Arbeitskontext vorschlagen (z. B. Bess, 1977). Voraussetzung für eine Erhärtung dieser Annahme wäre jedoch die Bewährung des hier verfolgten Ansatzes in weiteren empirischen Untersuchungen.

Ein anderer wesentlicher Befund der präsentierten Erhebung ist, dass die Erfüllung der beschriebenen Bedürfnisse in statistisch signifikantem Zusammenhang mit verschiedenen Indikatoren des Praktikumserfolgs steht: Je stärker die Bedürfnisse über die gesamte Dauer des Praktikums erfüllt waren, desto stärker konnten die für die Praktikumsphase intendierten Ziele erreicht werden. Dabei wurde ersichtlich, dass weniger der Zuwachs (Gewinn) während des Praktikums, sondern vielmehr hohe Raten an Bedürfniserfüllung von Anbeginn der Praxisphase an bedeutsam für den Praktikumserfolg waren. Diese Erkenntnis wurde zusätzlich gestützt von ergänzenden Korrelationsanalysen, die deutliche Zusammenhänge von Bedürfniserfüllung am ersten Praktikumstag und Erfolgsindikatoren (eingeschätzt am Ende des Praktikums) aufzeigten. Insgesamt wird damit nahegelegt, dass insbesondere die Bedürfniserfüllung am Start einer Praxisphase hochbedeutsam für deren erfolgreichen Verlauf sein könnte. Die Erfüllung psychologischer Bedürfnisse ist dabei sowohl im Hinblick auf die Förderung hochwertiger Lernmotivation (Hofmann, Martinek & Müller, 2018) als auch in Bezug auf akademische Leistung (Keller-Schneider, 2016) von Bedeutung. Vor diesem Hintergrund erscheinen zum Beispiel eine Bedürfnisorientierung im Kontext praktikumsvorbereitender Aktivitäten sowie systematische Praktikumskonzepte, die eine Verzahnung aufeinanderfolgender Schulpraktika anregen, als erstrebenswerte Maßnahmen hochschulischer Qualitätsentwicklung.

Dass angehende Lehrpersonen einen Drang verspüren, bereits im Studium umfassend praktisch tätig zu werden, ist prinzipiell wünschenswert. Schließlich kann dieser Drang in erster Linie als Ausdruck eines grundsätzlichen pädagogischen Gestaltungswillens verstanden werden, von dem Schulen und Schulentwicklung in den nächsten Generationen profitieren könnten. Eine Herausforderung, die sich daraus für Hochschulen ergeben kann, besteht darin, Studierende dabei zu unterstützen, lern- und entwicklungsförderliche Motive für einen solchen «Praxishunger» zu kultivieren und ihnen mit funktionalen schulpraktischen Phasen passende lernwirksame Angebote zur individuellen Professionalisierung zu unterbreiten. Auf der Grundlage des vorliegenden Beitrags und der darin präsentierten Befunde kann dafür argumentiert werden, dass spezifische psychologische Bedürfnisse von angehenden Lehrpersonen hierfür eine bedeutsame Gestaltungsfacette darstellen, die es künftig in Forschung und Praxis stärker zu berücksichtigen gilt.

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