Читать книгу: «Seewölfe Paket 14», страница 28

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3.

„Aufhören!“ befahl Muley Salah. „Aufhören! Plündert das Schiff, bohrt es an und versenkt es.“

Das brauchte er seinen Kerlen nicht zweimal zu sagen. Die ersten waren schon unter Deck verschwunden, als die anderen oben noch kämpften. Sie schleppten alles herbei, was sich irgendwie noch verwerten ließ.

„Salih“, sagte Muley Salah zu dem Türken, der grinsend an Deck stand. „Such die Überlebenden und Verwundeten zusammen. Binde die verfluchten Giaurs zusammen und bring sie mir. Und bring mir diesen verdammten blonden Christenhund mit dem Mut eines Löwen. Ich will ihn hier und sofort an Deck enthaupten.“

„Sofort, Muley. Ich fürchte nur, es wird nicht viele Überlebende geben, und der Blonde ist über Bord gefallen. Mechmed hat ihn erschlagen.“

„Sieh trotzdem nach!“

„Ja, Herr.“

Inzwischen hatten einige der Piraten bereits die Segel der Karavelle mit Säbeln und Messern aufgeschlitzt, so hingen jetzt nur noch lange streifige Lappen von den Rahen. Die „Arethusa“ hatte keinen Vortrieb mehr und schob sich nur noch ganz behäbig durch das blaue Wasser, außerdem noch gebremst von den drei Feluken, die wie Ketten an ihr hingen.

Während in den unteren Räumen einige Kerle dabei waren, Löcher in die Planken zu schlagen, damit die Karavelle schneller absoff, erschien der Türke Salih wieder.

„Es gibt keine Überlebenden, Muley Salah“, sagte er. „Keinen einzigen. Die Christenhunde sind alle zum Scheitan gefahren. Die wenigen Verwundeten sind jetzt ebenfalls tot.“

Salah stieß einen ellenlangen Fluch aus.

„Verdammt!“ schrie er zornig. „Ich hätte ein paar von ihnen gar zu gern Uluch Ali gebracht. Hast du auch im Wasser nachgesehen? Etliche sind doch über Bord gegangen.“

„Im Wasser treiben nur noch Tote.“

Es war nicht mehr zu ändern, überlegte Muley Salah. Daran hätten sie eben früher denken müssen. Jetzt war es zu spät, denn seine Leute hatten wie die Teufel unter der Mannschaft gewütet.

„Das Schiff sinkt gleich“, sagte Salih zu seinem Herrn.

„Gut, dann zurück auf die Feluken. Beeilt euch!“

Das Gurgeln und Rauschen in den unteren Räumen war jetzt deutlich zu hören. Ein Wasserschwall nach dem anderen brach herein und ergoß sich mit lautem Brausen in die Räume. Die Karavelle legte sich schon leicht zur Seite, in ihrem Rumpf knackte es bedrohlich.

Ausgeplündert war sie ebenfalls. Die Kerle hatten kaum etwas an Bord gelassen. Noch jetzt rannten einige von ihnen hin und her, warfen das erbeutete Zeug auf die Feluken und kehrten noch ein letztes Mal zurück.

Mehr als vierzig Piraten hatten geplündert, und da es nicht sehr viel zu holen gab, war auch bald alles erledigt.

Die erste Feluke legte ab, dann die zweite.

Muley Salah hatte wieder seinen Platz auf dem Achterdeck eingenommen und blickte zurück, wo die englische Karavelle jetzt langsam achteraus blieb und tiefer ins Wasser sackte.

Um seine Mundwinkel lag ein Grinsen, aber in seinen kohlschwarzen Augen brannte auch gleichzeitig Ärger darüber, daß sie nicht wenigstens zwei oder drei Überlebende hatten, die er Uluch Ali sozusagen als Geschenk präsentieren konnte.

Dann legte auch die letzte Feluke ab, und die beiden anderen suchten noch einmal die See ab.

Aber im Wasser trieben nur Tote, wie es den Anschein hatte.

Die „Arethusa“ ging unter, zögernd erst, dann sackte sie immer schneller über den Achtersteven ab. Ein explosionsartiger Knall ertönte. Ein Teil des Decks riß auf, und Planken schossen in die Höhe.

Die drei Feluken gingen wieder auf Nordwestkurs und segelten weiter. Sie wollten die Sambuke suchen, die Kerle, die ihnen einen Teil des Schatzes geraubt hatten. Nicht des Schatzes wegen, davon hatte Uluch Ali genug. Aber die schmähliche Niederlage mußte ausgebügelt werden, denn Uluch Ali wollte Köpfe rollen sehen.

Der einzige Überlebende und somit der letzte Mann der „Arethusa“ durchlebte das alles wie einen bösen Traum. Er konnte noch jetzt nicht glauben, daß alles ein Ende hatte. Seine Kameraden waren tot, erstochen, erschossen oder erschlagen, und er trieb hier allein im Wasser.

Aber immer wieder tauchte in seinem schmerzenden Schädel das geierähnliche harte und grausame Gesicht des Kerls auf, der das Messer nach Archibald Cribbs geschleudert hatte. Daß der Kapitän ebenfalls tot war, daran gab es nicht den geringsten Zweifel.

Roger schwamm ganz ruhig und in schwachen Zügen, um nicht aufzufallen. Die Schiffe entfernten sich nur ganz langsam, und er sah, daß die Kerle jetzt alles von Bord schleppten und auf die drei Feluken verluden, alles was einigermaßen von Wert war.

Etwas später suchten sie die See ab, und eins der kleinen Beiboote kam auch in seine unmittelbare Nähe. Kein Zweifel, dieser Halunke mit dem Geiergesicht wollte ein paar Überlebende. Weshalb, war Roger nicht klar. Vielleicht wollte er sie auch noch bis in ihren Tod demütigen. Er ließ sich treiben, mit dem Gesicht leicht zur Seite, damit er Luft holen konnte. Er sah, daß sie ihn beobachteten, und gab sich auch weiterhin den Anschein, wie eine Leiche im Wasser zu treiben. Nach einer Weile kehrte das kleine Boot wieder zurück. Sie hatten nichts gemerkt, wie er erleichtert feststellte.

Er ließ sich weitertreiben. Sein Körper war zerschunden und zerschlagen, aber Roger war ein harter Knochen, der eine Menge vertrug und erst dann aufgab, wenn auch der letzte Lebensfunke aus ihm gewichen war.

Voller Erbitterung beobachtete er weiter. Nach einer Weile gingen die Kerle von Bord. Offensichtlich hatten sie die Karavelle angebohrt oder Löcher in die Bordwand geschlagen, denn sie sackte allmählich tiefer.

Damit zerschlug sich auch seine letzte Hoffnung, doch noch an Bord zu gelangen, um zu überleben.

Dann, nach einer Ewigkeit, wie ihm schien, legten die drei Feluken ab. Noch einmal suchten sie das Gebiet rund um die „Arethusa“ ab, und als sie nichts mehr fanden, gingen sie wieder auf ihren alten Kurs.

Seine Chancen standen schlecht. Weit und breit gab es nichts, woran er sich klammern konnte. Bis zum Land schwimmen, war reiner Wahnsinn, er würde es nie erreichen, obwohl er ein guter Schwimmer war. Da half auch seine Zähigkeit nichts. Nein, er würde es nicht schaffen.

Dann vernahm er den Knall, der sich deutlich über das Wasser fortpflanzte, und sah, wie sich die gute alte „Arethusa“ auf den Achtersteven stellte und abkippte wie ein lahmgeschossener Vogel.

Der eine Mast brach, das Deck wölbte sich unter der Anspannung und dem Druck und platzte an einzelnen Stellen auseinander. Dann verschwand sie gurgelnd und zischend in ihrem tiefen Grab.

Roger wartete noch ab, bis die drei Feluken so weit weg waren, daß man ihn auch durch das Spektiv nicht mehr erkennen konnte. Dann erst schwamm er langsam und ruhig auf die Untergangsstelle zu, an der das Meer jetzt die Trümmer, die starken Auftrieb hatten, wieder nach oben spie.

Es waren ganz beachtliche Trümmer, die da in der See trieben, und sein Herz tat vor Freude einen kleinen Sprung, als er das Floß entdeckte.

Dieses Floß, und das war seine Rettung, hatte er jetzt in höchster Not dem notorischen Geiz des frommen Archibald Cribbs zu verdanken. Denn Archie hatte nicht nur am Essen gespart, sondern knappste überall dort etwas ab, wo es ihm wichtig erschien. Sein kleinkrämerischer Geist sollte Roger jetzt das Leben retten.

Das Floß war vor langer Zeit gebaut worden und diente eigentlich nur dazu, die schlecht erreichbaren Stellen der „Arethusa“ zu teeren, flicken, auszubessern oder anzustreichen. Jeder andere Kapitän hätte das Floß nach dem Gebrauch wieder auseinandernehmen lassen, nicht aber Archibald Cribbs, denn wenn es nun schon einmal gebaut war, dann hatte es ja auch Geld gekostet, und was Geld kostete, das warf man nicht einfach weg, denn eine Verwendung für das Floß fand sich immer, das war seine Devise. Daher wurde das Floß an Deck festgezurrt, und da war es unbenutzt bis zum heutigen Tag auch geblieben.

Jetzt hatte das aufplatzende Deck die Zurrings zerfetzt und das Floß zurück in die See geschleudert.

Dem Himmel und Archibald sei Dank, dachte Roger. Aber dann schüttelte es ihn doch, denn ganz in der Nähe der Unglücksstelle sah er einige von seinen ehemaligen Kameraden im Wasser treiben, das Gesicht nach unten, die Arme lose im Wasser hängend.

Er zog sich auf das Floß, verschnaufte dort eine Weile und begann dann mit den Händen zu paddeln. Zuerst suchte er nach Überlebenden, doch er fand keine.

Der Bootsmann war tot, der Moses ebenfalls, James hatte es erwischt, alle anderen auch, und von einigen fand er nicht einmal eine Spur.

Dann entdeckte er Cribbs, und ein kühler Schauer lief ihm über den Rücken. Der Kapitän trieb in der See, halb zur Seite gedreht, und in seinem Rücken steckte immer noch der scharfgeschliffene Krummdolch, den der Geiergesichtige geworfen hatte. Archibald Cribbs hatte die Augen geschlossen. Seine im Tod verkrampften Hände hielten die Bibel immer noch so fest, wie er das an Bord getan hatte.

Roger löste die erstarrten Finger und nahm die nasse Bibel an sich. Vielleicht würde sie ihm in einsamen Stunden Trost spenden. Dann zog er seinem toten Kapitän das Messer aus dem Rücken und rammte es in die Bohlen des Floßes.

Nach einem letzten Blick auf Archibald Cribbs, der sie mit seiner Friedfertigkeit fast alle ins Grab gebracht hatte, suchte Roger weiter. Die Trümmer schwammen weit auseinandergezogen verstreut im Meer. Da eine Rah, dort ein Stück Segel, hier ein Fäßchen und da ein paar Planken und sogar eine leere Flasche. Das alles war durch den Auftrieb nach oben katapultiert worden, und Roger war dankbar für jedes Stück, das er fand. Nach einer Weile des Herumpaddelns entdeckte er einen Riemen des Beibootes, das ebenfalls mit auf Tiefe gegangen war. Wahrscheinlich war es so fest vertäut, daß es sich nicht losreißen konnte.

Den Riemen nahm er wie ein kostbares Geschenk an sich. Dann suchte er weiter. Zwischen den Trümmern fand er ein Faß, halbvoll, und darin gluckerte es noch ganz beträchtlich.

Trinkwasser, dachte er erleichtert, das war jetzt wichtiger als alles andere, denn auf dem Meer ohne Wasser hielt es selbst der härteste Kerl nicht lange durch.

Jetzt glaubte er, überleben zu können. Nach menschlichem Ermessen standen seine Chancen einigermaßen gut, und Roger hätte selbst dann nicht aufgegeben, wenn er nichts gefunden hätte. Seine Sippe bestand aus rauhen Kerlen, die das Überleben von klein auf gelernt hatten und sich immer wieder behaupten und durchsetzten mußten, wollten sie nicht verhungern.

Er fischte eine Spiere aus den Trümmern heraus, dann zog er einen zerfetzten Teil des Großsegels aus dem Wasser und packte alles sorgfältig auf das Floß. Das Segeltuch beschwerte er mit der Spiere, damit es nicht gleich wieder über Bord ging. Er suchte weiter, diesmal konzentrierte er sein Augenmerk auf Tauwerk, damit er eine kleine Behelfsbesegelung für das Floß zusammenkriegte. Er fand auch Tauwerk an weiteren Segelfetzen und an Spieren. Sorgfältig schnitt er es ab und suchte weiter.

Zu seinem Leidwesen fand er jedoch nichts zu essen. Nicht einmal eins der kleinen Fäßchen mit dem harten Schiffszwieback ließ sich entdecken, jenem Zeug, das Archibald immer als so gesund und kraftspendend gepriesen hatte, vornehmlich, weil es nicht viel kostete.

Aber alles kann man nicht haben, dachte Roger. Er hatte sein Leben, er war der letzte Mann des Schiffes, und er hatte ein Floß und für einige Tage Trinkwasser.

Wem Gott soweit half, der konnte sich dann auch selbst weiterhelfen, der Anfang war jedenfalls getan, und es war, den Umständen nach, ein guter und günstiger Anfang.

Seine Suche dauerte mehrere Stunden, aber es fand sich nur noch nutzloses Trümmerholz, mit dem er nichts anfangen konnte. Dann kniete er sich still auf sein Floß, starrte in das Wasser und betete mit zuckenden Lippen für seine toten Kameraden.

Mehr konnte er nicht für sie tun. Die Zeit, in der sie schlitzohrig den frommen Sprüchen ihres Kapitäns gelauscht und sich darüber amüsiert hatten, gehörte schon jetzt der Vergangenheit an.

Aber der Kampf, die Prügel, die Suche, und der Schmerz, das alles zusammen forderte nun seinen Tribut. Roger spürte, wie sein Körper steif und hart wurde und die Lebensgeister ihn zwar nicht verließen, aber doch gedachten, sich pfleglich auszuruhen. Er war erschöpft, ermattet und entkräftet. Ein paar erholsame Stunden Schlaf würden ihn wieder zu dem Kerl werden lassen, der er immer war. Ein harter Brocken, ein zäher und unbeugsamer Kämpfer – und ein Abenteurer, ein Mann, der nicht aufgab, der immer noch irgendwo einen Funken Hoffnung sah, auch wenn er sich das nur einbildete.

Er ordnete das Zeug auf dem Floß, band mit dem aufgefischten Tauwerk alles sorgfältig fest und überprüfte noch einmal, ob auch nichts davon über Bord gehen konnte.

Dann sorgte er für sich selbst. Falls er einschlief, und dessen war er sich ganz sicher, wollte er nicht ebenfalls von dem Floß rutschen. Außerdem konnte es aufbrisen, und das Floß zu schlingern beginnen.

Er band sich selbst am Floß fest. Dann legte er sich einen kleinen nassen Lappen Leinentuch auf das Gesicht, damit die Sonne ihm keine Brandblasen bescherte, und packte sich der Länge nach hin.

Nur ein paar Lidschläge lang dachte er noch über das Schicksal seiner Kameraden und über sein eigenes nach. Dann fiel er in einen tiefen Schlaf der Erschöpfung.

Auf dem Floß lag ein einsamer Mann, reglos, wie tot, der letzte Überlebende eines gesunkenen Schiffes.

4.

In der Residenz des alten Piraten Uluch Ali in Bengasi war an jenem neunten Juni ebenfalls der Teufel los. Der Palast erzitterte bis ins letzte Zwiebeltürmchen unter Uluchs übler Laune.

Uluch Ali verlegte seine Wut ins Freie, in den großen Hof unter der schattenspendenden Markise, wo er seine Auftritte immer gern öffentlich abhielt. Dort gab es einen Springbrunnen, junge kleine Dattelpalmen, Blumen, und harzig riechende Sträucher.

Dort gab es aber auch ein Holzgerüst und eine sandige Fläche. Auf der pflegte der Henker nach Alis Gebrüll zu erscheinen, um das zu vollenden, was die Folterknechte übriggelassen hatten.

Die Diener und Eunuchen, die einen Großteil des Palastes bevölkerten, standen mit grauen Gesichtern und zitternden Pluderhosen an der Mauer und hatten die Blicke fest und beschämt auf den Boden gesenkt. So sahen sie nur Uluch Alis tobenden Schatten, der sich jetzt seine ganze Wut aus der Seele brüllte.

Punkt eins, zwei und drei erleuchten, nannte Uluch diese Prozedur, und die Erleuchteten sparten sich dann anschließend meist den Heimweg, weil sie den Weg ohne Kopf nicht mehr fanden.

Punkt eins, der noch nicht ausgeleuchtet war, hatte einen sehr üblen Hintergrund. Die Flucht des alten Donegal Daniel O’Flynn war entdeckt worden. Punkt zwei waren die Wächter, Posten und Wärter, die kläglich versagt hatten, und von denen einer von dem alten O’Flynn umgehauen worden war. Punkt drei der Erleuchtung waren die verdammten Christenhunde, die die Schatztruhen aus der „San Marco“ geklaut hatten.

Uluch Ali rannte hin und her. Er war ein großer Kerl mit einer kräftigen fleischigen Nase und hart und grausam blickenden dunklen Augen. Ein schwarzer Bart, von der Oberlippe bis zum Kinn, verdeckte die unzähligen Narben aus unzähligen Schlachten, und dieser Bart ließ ihn noch düsterer und übler erscheinen. Aber ganz vermochte er die Narben nicht zu verdecken. Man sah sie wie lange blutige Furchen auch unter den Haaren.

Zwei der Diener, die Uluch Alis berüchtigte Goldstücke geschluckt hatten und daher nicht reden konnten, wurden herrisch herbeigewinkt.

Die Befehle, die sie erhielten, bestätigten sie entweder durch Nicken mit den kahlgeschorenen Köpfen oder durch eine Art Grunzen, das tief aus ihrer stimmbänderlosen Kehle kam.

„Hängt ihn an den Füßen auf!“ befahl Uluch Ali und zeigte auf den Schwarzen, den der flüchtige alte O’Flynn zuerst zusammengeschlagen und dann gefesselt und geknebelt hatte. Auch seinen Kaftan hatte der merkwürdige Alte mitgehen lassen.

Aus O’Flynn hatte Uluch alles herausholen wollen, was er über die Giaurs zu wissen wünschte, aber der verrückte Alte hatte nur dummes Zeug gefaselt – zum Beispiel, daß er in einem goldenen Sarg über das Meer geschwommen sei. Die paar Peitschenhiebe hatten ihm nicht geschadet. Uluch wollte ihn erst heute kräftig durch den Wolf drehen lassen, aber da war der Alte mit dem Holzbein bereits verschwunden. An seiner Stelle fand sich nur noch der gefesselte und geknebelte Wächter. Der diente Uluch Ali jetzt als Punkt zwei der Erleuchtung.

Uluch ließ sich eine bullige Nilpferdpeitsche geben und schlug prüfend damit durch die Luft. Bei dem lauten Knall zuckten die anderen Diener so zusammen, als hätte der Hieb sie bereits getroffen.

„Hängt ihn auf!“ befahl Uluch. „Mit den Füßen nach oben!“

Ein Nicken aus bösen Gesichtern war die Antwort. Fanatische Augen sahen Ali an, und schnelle Bewegungen rissen den Wächter hoch. Ein Strick wurde dem Mann um die Füße geschlungen. Harte Fäuste stießen ihn um, warfen den Strick über das Holzgerüst und zogen den Wächter blitzschnell hoch. Dann wurde der Strick am Holzbalken festgezurrt, und der Wächter pendelte, mit dem Kopf nach unten, leicht hin und her.

„Du läßt dich von einem alten holzbeinigen Kerl zusammenschlagen!“ schrie Uluch Ali. „Von einem Kerl, der schon mit dem gesunden Bein längst im Grab steht! Du bist ein räudiger Hund, ein winselnder Schakal, der sein Leben nicht verdient!“

Der erste Hieb sauste durch die Luft. Über den großen schattenspendenden Hof klang ein irrer Schrei.

„Heul dich nur aus!“ brüllte Ali. „Schrei nur, damit es die anderen auch alle hören und wissen, wie man mit solchen blatternarbigen Versagern umspringt. Da! Und da! Das wird deinen Geist erleuchten.“

Zwei weitere Hiebe trafen den kreischenden Mann, dessen Körper von einer Seite zur anderen pendelte.

Uluch Ali gab dem Mann weiterhin Zunder – solange, bis er schwieg und ohnmächtig wurde.

Dann kümmerte er sich um die beiden anderen, die ebenfalls Schuld am Verschwinden des Alten trugen. Er raffte sich diesmal zu seinem Lieblingsspiel auf, das darin bestand, die beiden Kerle quer durch den großen Hof zu jagen, und sie dabei mit der Nilpferdpeitsche zu traktieren.

Daran konnte der alte Pirat auch immer sehen, wie schnell er noch war, denn er erlaubte seinen Dienern, so schnell zu rennen, wie sie nur konnten.

Weil die ihren Uluch Ali kannten, rannten sie auch wie junge Füllen über den Hof, hinter sich den brüllenden und tobenden, peitscheschwingenden alten Schlagetot, der eine ganz erstaunliche Kondition hatte. Noch keiner war ihm entwischt, und auch diese beiden entwischten ihm nicht, denn Uluch tobte mit fürchterlicher Wut hinter ihnen her, und sobald er sich näherte, da holte er auch schon zum Schlag aus.

Einer der beiden lag schließlich am Boden, zermürbt und halbtot von den Hieben, den anderen scheuchte Uluch noch ein wenig weiter, bis er auch ihn erwischte.

Dann kehrte er zurück und ließ die Peitsche in den Sand fallen.

„Die beiden räudigen Hunde werden in den Kerker geworfen“, befahl er. „Der andere kann nach Hause gehen. Nur sein Kopf bleibt hier. Hast du das verstanden!“ schrie er den Henker an. „Oder willst du auch nach Hause gehen? Dann los, fangt an!“

Der Henker wollte nicht nach Hause gehen, schon gar nicht als kopfloser Krüppel, denn die liefen meist nicht lange herum, und so fakkelte er ebenfalls nicht lange und verrichtete seine grausige Arbeit.

Uluch Ali sah nur kurz hin. Für ihn war damit der Fall erledigt, für den Wächter ebenfalls.

Jetzt wurde Punkt drei noch einmal erleuchtet, aber das tat vorerst keinem weh, und Uluch beschäftigte sich mit dem rätselhaften Verschwinden der Christenhunde. Er wußte, daß über sie die Spur zu diesem verhaßten Seewolf und Korsar Killigrew führte, und diese Scharte, diese unwürdige und schmähliche Niederlage, die galt es noch auszuwetzen, sonst hatte er für den Rest seines Lebens keine ruhige Minute mehr.

Bei solchen Überlegungen rannte Uluch auch nicht wie ein Verrückter hin und her. Er blieb kühl und gelassen und überlegte ganz klar. Dann sah er immer wieder in dankbare und freundliche Gesichter, denn unter seiner Dienerschaft herrschte eitel Freude, wenn Uluch sachlich blieb.

Sie schenkten ihm Boucha ein, ein Gebräu aus vergorenen Datteln, ein scharfer Schnaps, der sonst mit Wasser oder Tamarindensaft, für Ali aber nicht verdünnt wurde, denn er liebte den fruchtigen scharfen Geschmack des Boucha.

„Dieser merkwürdige alte Kerl, der soviel Unsinn faselte“, begann er, „der kann nicht einfach spurlos aus Bengasi verschwunden sein. Schon durch sein Holzbein fällt er auf, denn er humpelt stark. Es besteht allerdings die Möglichkeit, daß er die Stadt auf einem Schiff verlassen hat. Ihr werdet euch jetzt auf die Hufe schwingen und die ganze Stadt absuchen, einschließlich der gesamten Hafengegend. Und bringt mir diesen Alten lebend, oder es geht euch so wie dem da.“

Uluch zeigte mit dem Daumen in Richtung Holzpfosten und bemerkte, daß die Männer schmale Lippen und flackernde Augen kriegten.

„Ihr werdet alles in Bewegung setzen, die Späher und Kaufleute, die kleinen Bengel und alten Weiber. Ich will wissen, wo der Hund steckt. Los jetzt, in einer Stunde will ich es wissen.“

Die Diener flitzten davon, wohl wissend, was sie erwartete, wenn sie ebenfalls versagten. Entweder gab es dann Uluch Alis gefürchtete glühende Goldstücke, oder man hatte keine Gelegenheit mehr, selbst diese fürchterlichen Dinger zu schlucken, weil nämlich das Kauwerkzeug irgendwo getrennt vom übrigen Rumpf herumlag.

Oder sie konnten nach Hause gehen, wie Uluch es nannte. Das war auch einer seiner üblen Sprüche. Nach Hause gehen, aber der Kopf bleibt hier!

Als im riesigen Innenhof wieder Ruhe herrschte, lehnte sich Uluch Ali zurück in den Schatten, trank in kleinen Schlucken den scharfen Boucha und rief sich die Geschehnisse von damals noch einmal in die Erinnerung zurück, als er mit dem Seewolf und seiner Crew aneinandergeraten war. Aber es waren keine sehr schönen Erlebnisse, und die Erinnerung daran war ein Körper, der nur noch aus Narben und gelegentlich auch heute noch auftretenden Schmerzen bestand. Schon deshalb mußte er die Kerle fassen, und wenn es der letzte Schlag in seinem langen Piratenleben war.

Die Stunde war erst etwas mehr als zur Hälfte abgelaufen, da ging Ali die erste Nachricht zu, und zugleich auch die wertvollste.

„Am gestrigen Tage vormittags, o Beylerbey“, teilte ihm einer seiner Diener mit, „wurde eine Sambuke im Hafen gesehen. Sie lag an der nördlichen Pier.“

„Was nutzt mir eine Sambuke!“ rief Uluch Ali unbeherrscht. „Mit einer Sambuke kann ich nichts – rede weiter!“ sagte er plötzlich besänftigend. „Erzähle alles, was du erfahren hast.“

„Giaurs befanden sich an Bord dieser Sambuke, o Beylerbey. Doch dann warf sie ganz überraschend die Leinen los und glitt vom Hafen auf das Meer hinaus.“

Ali blieb ganz ruhig. In seinen dunklen Augen glomm ein Licht, wie die Glut von Holzkohle. Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen.

Giaurs befanden sich an Bord der Sambuke. Ein großer Irrtum war endlich aufgeklärt.

„Mit welchem Kurs fuhr sie aufs Meer?“ fragte er leise.

„Es wurde beobachtet, daß sie nordwärts segelnd den Hafen verließ, Herr. Und sie behielt diesen Kurs für lange Zeit bei.“

Ali hatte plötzlich ein großes Goldstück in der Hand. Er warf es dem Mann zu, der es geschickt auffing, und sagte dann: „Laß mich jetzt allein, ich muß nachdenken.“

Der Bote verschwand mit einer tiefen Verbeugung. Uluch Ali trank einen großen Schluck Boucha, kostete ihn erst lange auf der Zunge und schluckte den scharfen Dattelschnaps dann herunter. Während er sich zurücklehnte, hing er seinen Gedanken und Überlegungen nach.

Die Sambuke – das war es! Das war der ausschlaggebende Punkt. Eine Sambuke mit verfluchten Christenhunden an Bord hatte Muley Salah gesehen. Und die Kerle dieser Sambuke hatten nach Muleys Aussage die Schätze aus der gesunkenen „San Marco“ geborgen. Geklaut hatten sie sie, nicht geborgen, verbesserte er sich, denn die Schätze gehörten ihm und keinem anderen. Muley hatte diese Christenhunde angegriffen, aber er hatte sich dabei nur einen blutigen Schädel geholt.

Ja, jetzt wurden ihm langsam die Zusammenhänge klar. Es konnte nur diese Sambuke sein, denn normalerweise wurden Schiffe dieser Art nicht von den verdammten Giaurs gesegelt.

Immer aufgeregter spann er den Faden weiter.

Wenn es aber diese Sambuke war, und daran zweifelte er jetzt keinen Augenblick mehr, die gestern noch an der Pier im Hafen von Bengasi gelegen hatte, dann konnte Muley Salah lange nach ihr suchen. Er war in den frühen Morgenstunden ausgelaufen, um die Christenhunde zu jagen, aber dabei waren sie von völlig falschen Voraussetzungen ausgegangen. Muley würde also einem Phantom nachjagen, nicht aber den verdammten Christenhunden.

Nach Muleys Aussagen waren es acht Kerle, aber acht von einer Sorte, die den Scheitan in den Schwanz kniffen und über sein Geschrei lachten. Sie hatten Muleys Angriff abgewehrt, und das wollte schon etwas heißen, denn Muleys Piraten waren keine Schlappschwänze.

Nun, Abwechslung tut gut, dachte Uluch Ali, dann mußte er persönlich mal wieder auf die Jagd gehen und die Initiative an sich reißen, sonst kriegten sie die christliche Bande nie.

Damit stand sein Entschluß auch schon fest.

Acht Mann an Bord der Sambuke, acht Kerle, die hart wie Eisen waren. Die waren natürlich nicht mit acht normalen Männern zu vergleichen, und daher konnte man ihnen selbst mit einem Dutzend nur schwerlich gegenübertreten.

Also würde er zwanzig nehmen, zwanzig Kerle von der Sorte, die ohne weiteres ihr Leben für ihn gaben, zwanzig Kerle, die sich außerdem noch zu bewähren hatten. Zwanzig der übelsten Schnapphähne und Piraten also, die sich auftreiben ließen.

Was Uluch Ali sich vornahm, das setzte er sogleich in die Tat um. Da gab es kein Zaudern und kein Zögern, da wurde gehandelt.

Seine Diener erhielten die entsprechenden Befehle. Zwanzig seiner wüstesten Kerle wurden von anderen Schiffen, die im Hafen lagen, abgezogen und auf seine zweimastige Feluke gebracht, sein Flaggschiff.

Sie waren noch nicht richtig an Bord, als schon die Leinen gelöst, die Segel gesetzt wurden und die Feluke Fahrt aufnahm. Während sie aus dem Hafen segelten, rechnete Uluch Ali fieberhaft.

Wenn die Kerle am Vortag noch vor Mitternacht losgesegelt waren, dann hatten sie einen etwa elfstündigen Vorsprung.

Klar, daß sie nach Norden gelaufen waren, denn sie würden sich logischerweise ja so schnell wie nur möglich von der nordafrikanischen Küste verzupfen und aufs offene Meer verholen.

Er konnte sie einholen, ja, er mußte sie einholen, und so trieb er die Kerle wieder mal auf seine Art zu einem schnelleren Gang an.

Der Kurs lag an, er stand für Uluch Ali von vornherein fest. Es ging genau nach Norden, denn hier, wo die verdammten Giaurs schon zweimal angegriffen worden waren, ließen sie sich ganz sicher nicht mehr sehen.

Aber diesmal beging Uluch Ali einen Denkfehler. Die logischen Zusammenhänge mit der Sambuke stimmten, da hatte alles seine Richtigkeit. Er hatte nur nicht mit Ben Brighton gerechnet, denn der war mit seiner Sambuke keineswegs nach Norden gesegelt, wo ihm die christlichen Küsten mehr Schutz boten.

Ben Brighton und seine Gruppe segelten westwärts, und so lief der alte Piratenknochen genau in die falsche Richtung.

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