Читать книгу: «Seewölfe Paket 14», страница 18

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6.

Das schreckliche Massaker, das sich unter der sengenden Sonne des frühen Nachmittags in der Bucht von Kanais abspielte, war bald zu Ende. Die Seewölfe standen immer noch wie erstarrt, und einige von ihnen hatten es nicht verhindern können, daß ihnen das Grauen eine Gänsehaut über den Rücken jagte.

Will Thorne, der in seinem langen Leben schon viel Schreckliches gesehen hatte, brach als erster das allgemeine Schweigen.

„Siehst du, Donegal“, sagte er in seiner ruhigen und bedächtigen Art, „es geht auch ohne Koch. Die Haie haben jedenfalls keinen gebraucht.“

Der alte O’Flynn kniff die Augen zusammen. „Was willst du damit sagen, Mister Thorne? Hast du vielleicht keine Lust mehr, für uns zu kochen, he?“

„So war es nicht gemeint.“ Will Thorne lächelte. „Gerade da es euch so gut schmeckt, bereitet mir die Arbeit in der Kombüse besonders viel Spaß.“

„Das will ich auch hoffen“, knurrte Old O’Flynn besänftigt. „Überall an Bord duftet es nämlich jetzt noch so herrlich nach Knoblauch. Willst du nicht mal die Burschen da draußen damit füttern? Bis jetzt weiß noch niemand, wie sie auf Knoblauch reagieren. Vielleicht würden sie sogar daran eingehen, wer weiß. Es soll sogar Leute geben, die schon böse Geister und selbst den Teufel mit Knoblauch vertrieben haben.“

„Das glaube ich nicht, Mister O’Flynn“, erklärte Sam Roskill. „Wenn das Zeug so wirksam wäre, dann hättest du bestimmt schon die Hacken gezeigt.“

Die Starre, die über den Männern gelegen hatte, war nun jedenfalls gebrochen. Rasch kehrten sie in die Wirklichkeit zurück, denn vor ihnen lag ein Problem, von dem sie noch nicht wußten, wie sie es lösen sollten. Es mußte unbedingt Kriegsrat an Bord der Sambuke gehalten werden, denn die Haie dachten noch nicht daran, die Bucht wieder zu verlassen.

„Und was wird jetzt aus unseren schönen Klunkerchen?“ fragte Bob Grey. „Hat irgend jemand Lust zum Tauchen?“

Doch danach stand im Moment niemand der Sinn. Auch Ben Brighton hatte ein skeptisches Gesicht.

„Vielleicht sollten wir überlegen, ob wir unter diesen Umständen weiter tauchen wollen“, sagte er. „Ich bin jedenfalls nicht dafür, daß jemand sein Leben wegen dem ganzen Plunder da unten riskiert.“

„Plunder ist gut“, brummte Smoky, „das sind Schätze, richtige Schätze von unermeßlichem Wert.“

„Und wenn schon“, erwiderte Ben Brighton. „Ich möchte auf keinen Fall wegen des Zeugs einen Mann verlieren. Es wäre unverantwortlich, wegen eines Schatzes Menschenleben aufs Spiel zu setzen.“

„Du hast schon recht, Ben“, pflichtete ihm Al Conroy bei. „Wir brauchen ja auch nichts zu überstürzen. Du hast ja selber gesagt, daß niemand mit der Neunschwänzigen hinter uns steht und uns antreibt. Wir könnten doch zunächst einmal abwarten, was die Haie weiter so treiben. Es kann ja durchaus sein, daß sie recht bald wieder verschwinden, wenn sie erst einmal kapiert haben, daß es hier nichts mehr für sie zu holen gibt.“

Ben Brighton nickte. „Natürlich werden wir erst einmal abwarten. Es bleibt uns auch gar nichts anderes übrig, wenn wir unseren guten alten Stockanker nicht hier zurücklassen wollen. Vielleicht darf ich bei dieser Gelegenheit einmal daran erinnern, daß er immer noch da unten festsitzt.“

„Das soll uns im Moment nicht stören“, fuhr Al Conroy fort. „Ich habe nämlich noch eine ganz andere Idee, wie wir doch noch an die Schätze heran können.“

„Da bin ich aber gespannt“, brummelte Old O’Flynn, „ja, da bin ich gespannt wie ein Flitzebogen. Willst du vielleicht den Haien die Schwanzflossen zusammenbinden, damit sie nur noch im Reigen schwimmen, wie?“

„Diese Idee ist von dir, Donegal“, erwiderte Al Conroy. „Du kannst die Sache ja mal ausprobieren. Eigentlich kann dir nicht viel passieren. An deinem Holzbein würden sich die Biester die Zähne ausbeißen und am Rest könnten sie sich höchstens noch den Magen verderben.“

Wumm! Das saß! Old Donegal tat, als habe er diese Worte nicht gehört. Der stämmige Waffen- und Stückmeister konnte deshalb ungehindert fortfahren, seine Idee darzulegen.

„Man könnte“, so erklärte er, „auch außerhalb der Bucht Köder auslegen, um die Haie von hier fernzuhalten. Jedenfalls sollten wir es einmal probieren. Ich habe nämlich überhaupt keine Lust, all die schönen Sachen in dem Wrack zurückzulassen.“

Dieser Vorschlag ließ die Männer aufhorchen. Selbst der alte O’Flynn spitzte längst wieder die Ohren. Schließlich hatten sie alle noch nicht vergessen, welche Schätze sie in den gesprengten Bergkavernen jenseits des „Todes“-Kanals hatten zurücklassen müssen, nachdem ihr Schiff, die „Isabella“, langsam unter den Sandmassen verschwunden war. Zwar hatte jeder von ihnen in den damals von Will Thorne genähten breiten Ledergürteln ein Vermögen an Geld und Perlen mitnehmen können, aber dennoch hatten sie mehr als Dreiviertel ihrer Schätze aufgeben müssen.

Dabei ging es den Seewölfen gar nicht darum, sich persönlich zu bereichern, aber sie hatten ja ein Ziel vor Augen. In England, wohin sie sich durchschlagen wollten, sollte eine neue „Isabella“ gebaut werden. Das war jedenfalls ihr Traum. Und, wer weiß, vielleicht würden sie noch alles das, was da unten in der gesunkenen Galeone lag, bitter nötig gebrauchen.

„Dein Vorschlag ist interessant, Al“, sagte Ben Brighton. „Wir sollten überlegen, wie wir ihn am besten in die Tat umsetzen können. Wir haben bisher noch nie aufgegeben, wenn sich uns Schwierigkeiten in den Weg stellten, deshalb wollen wir auch hier nichts unversucht lassen. Wie hast du dir das Ganze vorgestellt?“

„Ganz einfach“, antwortete Al Conroy. Dann entwickelte er vor seiner erstaunten Zuhörerschaft einen Plan, der ebenso simpel wie raffiniert war.

Im Nu waren die Seewölfe wieder in ihrem Element. Die Schätze, die sie schon fast verloren geglaubt hatten, rückten plötzlich wieder in greifbare Nähe. Und das war ihnen nur recht, denn schließlich hatten sie durch die „Isabella“ sehr viel verloren. Jetzt aber bot sich ihnen die Möglichkeit, etwas dafür zurückzugewinnen – nicht im wilden Enterkampf, sondern ganz einfach durch Tauchen.

Und den Haien würde man schon ein Schnippchen schlagen. Zumindest wollte man es versuchen.

Das tiefe Blau des Himmels spiegelte sich im Wasser der Bucht. Eigentlich wäre das Bild ganz friedlich gewesen, wenn nicht Dutzende von dunklen Schatten kreuz und quer unter der Oberfläche entlanggeglitten wären. Noch immer schienen die Haie den kleinen Segler zu belagern wie eine beuteträchtige Festung.

Die Seewölfe waren jedenfalls sehr darauf gespannt, ob der Plan Al Conroys funktionieren würde. Sie hofften es inbrünstig, denn sie konnten sich einfach nicht damit abfinden, daß sonst all die glitzernden und funkelnden Schätze dort unten in der „San Marco“ zurückbleiben sollten. Irgendwie mußten die Haie doch dazu zu bewegen sein, aus der stillen und einsamen Bucht zu verschwinden. Am liebsten hätten sie jedem der gefräßigen Räuber eine Flaschenbombe in den Rachen geworfen, aber erstens hatten sie nicht so viele zur Verfügung, und zweitens würden ihnen die Biester sicherlich nicht den Gefallen tun, die brisanten Dinger treu und brav zu schlucken, so wie es ihr Artgenosse rein zufällig getan hatte.

Al Conroys Vorschlag sollte deshalb sofort getestet werden. Sollte die Sache nicht klappen, dann lag es in den Händen sämtlicher Götter Ägyptens, wie lange sie darauf warten mußten, bis die Haie das Feld räumten.

Die Zweimast-Sambuke, die sie in Alexandria dem alten Händler Abdul abgekauft hatten, zählte zu ihrer Ausrüstung eine winzige Nußschale von Beiboot. Auf Befehl Ben Brightons wurde dieser kleine „Badezuber“ nun ausgesetzt und von Al Conroy und Smoky bemannt.

Die beiden Männer, denen in der Nachmittagshitze der Schweiß von den Gesichtern rann, nahmen Musketen, dünne Leinen und einige Fischhaken mit an Bord des Bootes. Dann pullten sie aus der Bucht hinaus auf die offene See.

Zunächst sah das Ganze nach einer beschaulichen Angelpartie aus, denn es gelang ihnen relativ rasch, einige prächtige Fische aus dem Wasser zu holen. Doch die Dreiecksflossen, die ihnen lautlos gefolgt waren, zerstörten jäh die Idylle. Die Bestien schienen überall zu sein, denn auch außerhalb der Bucht umkreisten sie lauernd das winzige Beiboot.

Smoky hatte gerade eine prächtige Geißbrasse am Angelhaken, da geschah es.

Beutewitternd und mit einer nahezu eleganten Drehung schoß einer der Haie blitzschnell auf den zappelnden Fisch zu. Der respekteinflößende Rachen öffnete sich, und noch bevor Smoky reagieren konnte, klappte das Haifischmaul wieder zu.

Die zappelnde Brasse war verschwunden, der Fischhaken und ein Stück der Leine ebenfalls.

Die beiden Seewölfe warfen sich einen erstaunten Blick zu.

„Ob der Fischhaken dem Burschen wohl bekommt?“ fragte Al Conroy.

„Wenn er einen empfindlichen Magen hat, wird ihn das Eisen schon ein bißchen kitzeln“, erwiderte Smoky. Doch es sollte ihnen nicht vergönnt sein, die Auswirkungen des dreisten „Mundraubs“ zu beobachten, denn die anderen Haie, die nun ebenfalls Beute witterten, begannen verrückt zu spielen. Sie zogen ihre Kreise um das Boot immer dichter, und einige konnten es sogar nicht unterlassen, das hölzerne Fahrzeug anzugreifen.

„Wollt ihr wohl verschwinden, ihr Riesenheringe!“ fluchte Smoky, während zwei der kräftigen Fischleiber die kleine Nußschale rammten und zum Schaukeln brachten. Einige Schwanzflossen peitschten das Wasser und ließen es hoch aufspritzen.

„Verdammt!“ schrie Al Conroy. „Wenn die sich alle gegen uns einig werden, knabbern sie uns bald den Speck von den Hinterteilen.“

„Da kannst du recht haben“, sagte Smoky mit grimmigem Gesicht. „Am besten, wir lenken sie ab, denn genau das wolltest du mit deinem Plan ja erreichen. Wir haben doch schon eine Menge Fische an Bord, dann laß uns endlich anfangen, die lieblichen Tierchen da draußen zu füttern. Sie haben bestimmt einen schrecklichen Kohldampf.“

Das schien die einzig vernünftige Lösung zu sein, und die Männer warfen schleunigst ihren gesamten Fang über Bord. Die Haie hatten ihre Beschäftigung, das Beiboot wurde ab sofort in Ruhe gelassen.

„Na, siehst du?“ Al Conroy grinste. „Die Sache funktioniert doch. Die possierlichen Tiere haben nur Hunger, und wenn man ihnen was zum Fressen gibt sind sie schon zufrieden.“

Smoky warf ihm einen bissigen Blick zu. „Fragt sich nur, wann die vornehme Gesellschaft sich schön wohlig rund und satt fühlt. Bei der Menge von Haien können wir noch angeln, bis uns der Achtersteven an den Duchten klebt.“

„Trotzdem habe ich mich nicht getäuscht“, sagte Al Conroy. „Die Biester sind tatsächlich abzulenken. Schau mal rüber zur Bucht, siehst du dort noch eine Dreiecksflosse, he? Alles ist so friedlich wie an Weihnachten, denn die ganze Horde ist uns gefolgt. Und das haben wir ja beabsichtigt.“

Smoky schnitt ein mißmutiges Gesicht. „Zum Teufel mit deinen Absichten. Ich hab mich schon wesentlich wohler gefühlt als in dieser blutrünstigen Gesellschaft.“

„Man kann nicht alles gleichzeitig haben, mein lieber Smoky“, sagte Al Conroy gutgelaunt. „Ich kann ja verstehen, daß dir eine muntere Schar von Meerjungfrauen wesentlich lieber wäre, aber denk doch mal an all die schönen Klunkerchen im Bauch der ‚San Marco‘! Ist das vielleicht nichts? Wenn wir uns als fleißige Angler erweisen, sind die Haie an der Bucht nicht mehr interessiert, und es kann munter weiter getaucht werden.“

„Dein Plan mag ja funktionieren“, meinte Smoky, „trotzdem finde ich ihn ziemlich beschissen, jawohl! Oder meinst du vielleicht, die Taucherei bereitet Spaß, wenn man ständig darauf hoffen muß, daß die Haie schön regelmäßig mit Leckerbissen versorgt werden?“

Al Conroy winkte ab. „Nun mach dir doch nicht gleich in die Hosen. Du wirst schon sehen, daß alles in Ordnung geht. Bis jetzt war das Ganze ja nur ein Versuch, und er scheint bestens zu klappen. Natürlich kann man die Sache noch ausbauen.“

„Und wie, wenn man fragen darf?“

„Nun“, erwiderte Al Conroy, „man müßte jenseits des Kaps, zur Seeseite hin, so eine Art Futterstelle für Haie einrichten. Wenn sich die ganze Gesellschaft dort zu ihren Mahlzeiten versammelt, bleibt die Bucht frei, und wir können tauchen. Schließlich kann es ja nicht wochenlang dauern, bis wir die Schätze des venezianischen Schiffes an Bord haben.“

„Diese Idee ist gar nicht so schlecht“, sagte Smoky, „und die Sache mag sogar klappen. Aber wenn wir daheim, in England, in der Kneipe des dicken Plymson erzählen, daß wir als mitleidige Christenmenschen eine Futterstelle für hungrige Haie eingerichtet haben, dann landen wir allesamt im Irrenhaus.“

Al Conroy zuckte mit den Schultern.

„Du mußt es ja nicht herumposaunen, du armer Irrer“, meinte er und legte sich gleichzeitig kräftig in die Riemen.

Die beiden Seewölfe pullten das Beiboot mit rhythmischen Schlägen zur Sambuke zurück. Da ihre Aufmerksamkeit in erster Linie den Haien galt, bemerkten weder sie noch die Männer an Bord die stechenden Blicke aus zwei finsteren Augenpaaren, denen schon seit längerer Zeit keine Bewegung entgangen war.

7.

Die Sonne brannte erbarmungslos auf die beiden Araber nieder, die drüben an der Küste des Ras el Kanais seit mehr als einer Stunde im heißen Sand lagen und das Treiben der Giaurs, der verhaßten Christenhunde, verfolgten. Beide waren in schmutziggraue Djelabas gekleidet und trugen lange Krummsäbel in den Gürteln. Ihre Augen blickten voller Haß zu der ankernden Sambuke hinüber.

„Möge Allah bewirken, daß die Giaurs von den Haien zerfleischt werden!“ stieß Omar, ein kleiner, untersetzter Mann mit tiefbrauner Haut, hervor.

Sein Begleiter, ein großer, hagerer Bursche, nickte zustimmend.

„Wir dürfen uns nicht länger hier aufhalten, Omar“, sagte er. „Muley Salah wird sich bestimmt sehr für das interessieren, was hier vor sich geht. Vielleicht wird sogar eine Belohnung für uns abfallen.“

„Dann laß uns keine Zeit mehr verlieren, Hamed“, antwortete der kleine, untersetzte Mann, „und möge Allah geben, daß du mit deinen Vermutungen recht behältst. Es liegen schlechte Zeiten hinter uns, und wir könnten ganz gut einige Piaster im Beutel vertragen.“

Vorsichtig krochen die beiden Araber durch den Sand zurück und glitten dann einen Abhang hinunter, bis zu jener Stelle, an der sie ihre Kamele an spärlichem Gestrüpp festgebunden hatten. Sie schienen es plötzlich sehr eilig zu haben, denn schon wenige Augenblicke später trieben sie ihre Reittiere mit anfeuernden Rufen ostwärts.

Die beiden Araber kannten sich in der trostlosen Gegend bestens aus, dennoch erreichten sie erst in der Nacht den kleinen Hafen von El Amaid an der Axaber-Bucht, dem Stützpunkt eines wilden Haufens von Schnapphähnen zu Lande und zu Wasser.

Ihr Ziel lag am Ortsrand, wo mehrere kastenförmige Lehmbauten eng aneinandergeschmiegt im Mondlicht lagen. Dort hauste Muley Salah, wenn er El Amaid anlief.

Das Geiergesicht des hageren Mannes verzog sich mißmutig, nachdem Omar und Hamed ihn aus dem Schlaf gerissen hatten. Die beiden Männer erweckten einen abgehetzten Eindruck, auf ihren braunen Gesichtern glänzte der Schweiß.

„Allah sei mit dir, Muley“, sagte der hagere Hamed mit einer Verbeugung.

„Und er schenke dir Reichtum und ein langes Leben“, fügte der kleine, untersetzte Omar hinzu.

„Was Wollt ihr beide um diese Zeit bei mir?“ fragte Muley Salah mit ärgerlicher Stimme. „Wißt ihr nicht, daß ich mich nur ungern in meiner Mittagsruhe stören lasse?“

„Wir wissen es sehr wohl, Muley“, antwortete Omar, „aber der Grund, der uns zu dir geführt hat, ist sehr wichtig. Wir glauben bestimmt“, setzte er dreist hinzu, „daß du uns ein Gastmahl und einen Trunk nicht vorenthalten wirst, wenn wir dir berichtet haben.“

Muley Salah wurde hellhörig. Wenn die beiden Halunken so redeten, steckte meist etwas dahinter.

„Nun gut“, sagte er, „ihr wißt ja, daß ich nie abgeneigt bin, mit guten Freunden zusammen zu arbeiten.“ Er klatschte kräftig in die Hände und befahl einer Frau, die sofort erschien und den verschleierten Kopf zur Türöffnung hereinstreckte, den beiden Gästen süßen Pfefferminztee und eine Mahlzeit zu servieren.

Omar und Hamed nahmen das mit größter Genugtuung zur Kenntnis.

„In der Bucht von Kanais haben Christenhunde geankert“, begann nun Omar unvermittelt.

„Woher wißt ihr das?“ fragte Muley Salah scharf.

„Wir waren dort“, berichtete der kleine, untersetzte Bursche. „Nicht weit von Land entfernt liegt eine Sambuke vor Anker. Aber sie gehört nicht etwa einem ägyptischen Händler, sondern einer Handvoll Giaurs. Weiß der Scheitan, was diese Hunde dazu veranlaßt hat, auf einer Sambuke die Küstengewässer zu befahren.“

„Ungläubige Hunde?“ fragte Muley Salah. „Wie viele sind es?“

„Wir haben acht Männer gezählt“, antwortete Hamed. „Wir dürften leicht mit ihnen fertig werden.“

„Du mußt es ja wissen“, sagte Muley Salah spöttisch. „Doch wir können ja mal nachsehen, was es damit auf sich hat. Vielleicht sind die Christenhunde auch schon weitergesegelt, bis wir die Bucht erreichen.“

„Das glaube ich nicht“, betonte Omar. „Sie sind ständig beim Tauchen, und da sehr viele Haie in der Bucht erschienen sind, mußten sie vorerst damit aufhören …“

„Sie tauchen?“ Muley Salah war zusammengezuckt, als Omar das Tauchen erwähnte. Jetzt wirkte sein Geiergesicht verkniffen.

„Ja, sie tauchen abwechselnd“, bestätigte Omar eifrig. „Und wir haben beobachtet, daß sie in irgendwelchen Beuteln oder Säcken etwas vom Meeresgrund heraufholen.“

Muley Salah wurde plötzlich quicklebendig. Erregt rieb er sich die knochigen Hände, auf seinem hageren Gesicht bildeten sich winzige Schweißperlen.

„Verflucht!“ sagte er mit heiserer Stimme. „Wir werden sie wie räudige Schakale vernichten. Sie haben dort nichts zu suchen.“

„Recht so, Muley“, begeisterte sich Omar. „Du kannst, wie immer, mit unserer vollen Unterstützung rechnen. Die Giaurs werden noch eine Weile zu tun haben. Ich sagte ja schon, daß sie die Tauchgänge unterbrechen mußten, weil sehr viele Haie erschienen sind. Wir hatten nicht den Eindruck, daß sie bereits alles vom Meeresboden heraufgeholt hatten, und wir haben beobachtet, daß sie versucht haben, die Haie abzulenken und von ihrem Schiff wegzulocken.“

Den Kampf der Seewölfe mit einigen der Haie verschwiegen die beiden Gauner wohlweislich, denn sonst hätten sie ja auch über die merkwürden Waffen berichten müssen, die die Giaurs offensichtlich an Bord hatten. Außerdem war ihnen sowieso rätselhaft, was die ungläubigen Hunde mit dem einen Hai gemacht hatten. Es hatte ausgesehen, als hätten sie ihm etwas in den Rachen geworfen. Und gleich darauf hatte es das Tier zerrissen. Wußte der Scheitan, was die Kerle getan hatten …

Hinter der Stirn Muley Salahs arbeitete es fieberhaft.

„Wenn die Giaurs weitertauchen wollen, werden sie morgen gewiß nicht den Anker lichten“, sagte er. „Da haben sie mit Sicherheit noch genug zu tun. Wer weiß, ob es ihnen überhaupt gelingen wird, sich die Haie vom Leib zu halten. Für uns wird es am besten sein, wenn wir sie weiter beobachten und dann zuschlagen.“

„Ich sehe, Allah hat dir Weisheit geschenkt“, sagte Omar. „Du wirst es nicht bereuen, Muley, und wie ich dich kenne, wirst du dich auch uns beiden gegenüber großzügig erweisen. Schließlich haben wir dir diese gute Nachricht überbracht.“

„Natürlich werdet ihr euren Anteil erhalten“, versprach Muley Salah. „Aber zuerst muß die Arbeit getan werden. Ihr beide werdet die Giaurs und ihr Schiff inzwischen im Auge behalten, während ich die übrigen Männer zusammenhole und rechtzeitig zu euch stoßen werde. Die Giaurs werden eine große Überraschung erleben.“

Omar und Hamed nickten und griffen gierig nach dem Kunafa, den süßen, mit Sirup, Mandeln und Nüssen überbackenen Fadennudeln, die die verschleierte Frau hereingebracht hatte. Dazu schlürften sie den heißen Pfefferminztee.

Als sie sich lange genug die Bäuche vollgeschlagen hatten, zog Muley Salah einfach die Schüssel aus ihrer Reichweite. Und das erinnerte die beiden Gauner daran, daß es an der Zeit war, die Kamele zu besteigen und zu verschwinden.

Daß dort in der Bucht von Kanais das Wrack einer Galeone lag, wußten die beiden Araber nicht. Aber Muley Salah wußte es, und ihm wurde heiß und kalt, wenn er daran dachte …

Auf der Sambuke der Seewölfe war Al Conroy an diesem Tag der unumstrittene Star. Schließlich war es seine Idee gewesen, die Haie mittels Köder von dem Segler wegzulokken. Und es schien sogar zu funktionieren, wie der erste Versuch bewiesen hatte.

Old O’Flynn war der einzige, der noch skeptisch war. In den Blicken, die er Al Conroy von Zeit zu Zeit zuwarf, lag die stumme Frage verborgen, ob denn der stämmige Waffen- und Stückmeister noch alle Mucks im Schapp habe.

„Mir geht’s einfach nicht in den Schädel“, brummte er. „Eine Futterstelle für Haie – so was hab ich noch nie erlebt. Selbst auf der guten alten ‚Empreß of Sea‘, auf der man dem Teufel immer kühn ins Gesicht gespuckt hat, ist man diesen Biestern aus dem Weg gegangen. Niemand wäre auf den Gedanken verfallen, die Haie auch noch freiwillig zu füttern. Eine Futterstelle! Daß ich nicht lache! Das erinnert mich an ein Kloster, in dem mittags die Bettler einen Teller warme Suppe erhalten. Und das kann ich ja noch verstehen, aber bei Haien …“

„Nun beruhige dich schon, Donegal“, sagte Ben Brighton. „Wir wollen den Burschen ja schließlich keine warme Suppe kochen, denn wir sind ja keine Klosterbrüder, nicht wahr? Das Ganze ist doch nur ein Trick, der uns hilft, die Truhen aus der ‚San Marco‘ zu bergen.“

„Trick hin, Trick her“, nörgelte der Alte mit düsterem Gesicht. „Wenn mir so ein Biest den Achtersteven weggebissen hat, welchen Trick wendest du dann an, um den edlen Körperteil wieder dran zu kriegen, he? Ich sage euch, wir sollten das Schicksal nicht herausfordern. Wer die gefräßigen Kerle füttert, fällt ihnen schließlich selbst zum Opfer.“

Al Conroy, der von seiner Idee besessen war, hatte inzwischen weitere Angelleinen mit Haken verfertigt.

„So“, sagte er unternehmungslustig. „Jetzt geben wir den lieben Tierchen ein Fest. Du wirst sehen, Donegal, wir kriegen die noch handzahm. Die lassen sich dann den Bauch von dir kraulen.“

Der alte O’Flynn warf ihm einen strafenden Blick zu, und noch währender unschlüssig war, ob er auf die Sticheleien Al Conroys antworten sollte oder nicht, mischte sich Ben Brighton wieder ein.

„Schluck’s runter, Donegal“, sagte er. „Du wirst sehen, daß wir sehr vorsichtig an die Sache herangehen werden. Letzten Endes haben wir doch alle den gleichen Bammel vor den Haien. Wir werden kein unnötiges Risiko eingehen. Wenn wir die Biester heute und morgen noch einige Male füttern, dann gewöhnen sie sich wahrscheinlich schnell an ihre Futterstelle und halten sich dort auf. Tauchen werden wir erst dann, wenn wir absolut sicher sind, daß kein Hai mehr in der Nähe ist.“

Wenig später pullten Al Conroy, Pete Ballie, Sam Roskill und Bob Grey das kleine Beiboot zum Land hinüber. Außer ihren Leinen und Fischhaken hatten sie Musketen und Messer mitgenommen.

Die vier Männer kletterten mit ihrer Ausrüstung auf das felsige Kap, das im Bogen weit ins Meer ragte. Auf der Seeseite verteilten sie sich so, daß einer genügend Abstand zum anderen hatte, und dann begannen sie zu angeln.

„Wenn Hasard, Ed Carberry und all die anderen uns jetzt sehen könnten“, sagte Bob Grey, „würden ihnen die Augen aus dem Kopf fallen. Wir stehen hier auf afrikanischem Boden und angeln im Mittelmeer, so wie mancher kleine Fischer an der Themse.“

An seiner Leine ruckte es, und Sekunden später zog er eine Meerbarbe aus dem Wasser. Auch die anderen Männer hatten recht bald Erfolg, und so gesellte sich ein Fisch zum anderen.

Die Seewölfe warfen die gefangenen Fische in eine mitgebrachte Bütte. Als die ersten zehn beisammen waren, betäubten sie die Tiere und schnitten sie teilweise mit dem Messer an, denn Al Conroy hatte beobachtet, daß die Haie zuerst jene Köder annahmen, die bluteten.

Dann folgte ein spannender Augenblick.

Die vier Männer kippten die Fische an einer geeigneten Stelle ins Wasser. Erwartungsvoll waren ihre Blikke hinüber in die Bucht gerichtet. Und sie brauchten nicht lange zu warten, da schossen die ersten Dreiecksflossen pfeilschnell heran.

Gleich darauf gurgelte, schäumte und spritzte das Wasser an der Futterstelle. Die Mahlzeit hatte begonnen. Weitere Scharen von Haien zogen aus der Bucht herüber, so als habe sich das Ereignis blitzschnell herumgesprochen.

Die Seewölfe stellten zufrieden fest, daß die Sache so lief, wie sie sich vorgestellt hatten. Während sie zur Sambuke zurückpullten, beobachteten sie eingehend das Wasser der Bucht. Es schien sich tatsächlich kein einziger Hai mehr dort aufzuhalten.

Auch die Männer, die an Bord des Seglers geblieben waren, bestätigten diese erfreuliche Beobachtung.

Die Seewölfe wiederholten ihre Fütterungen noch mehrmals an diesem Tag, um die Haie an ihre Futterstelle zu gewöhnen. Sie erwiesen sich als unermüdliche Angler, bis die Sonne hinter der Kimm versank und sich die Dunkelheit wie ein schwarzes Tuch über das öde Land und die weite Wasserfläche senkte.

Als die vier Männer nach der letzten Fütterung mit dem Beiboot an der Sambuke anlegten, hatten sie selbst ein zünftiges Magenknurren.

„Donegal hat recht“, meinte Sam Roskill. „Bei uns sitzt wahrscheinlich doch eine Muck zu locker im Schapp. Wir schuften, damit sich die Biester die Bäuche vollhauen können, und wir selber schieben Kohldampf.“

„So gehört es sich auch für einen selbstlosen Christenmenschen“, ulkte Pete Ballie. „Hauptsache, die lieben Tierchen sind rund und satt. Wir edlen Menschen aber üben uns im Verzicht.“

„Ich denke ja gar nicht dran“, erklärte Sam Roskill. Er deutete auf die Bütte mit Fischen, die er den Haien vorenthalten hatte.

„Unser guter Will Thorne wird sie uns zum abendlichen Backen und Braten in die Pfanne hauen“, sagte er mit lüsternem Blick. „Schließlich haben wir ja genug davon. Und, bei allen Mumien Ägyptens, mir läuft schon jetzt das Wasser im Mund zusammen, wenn ich an den lieblichen Bratenduft denke, der bald über unser schönes Schiff hinwegziehen wird.“

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