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• Arten, die sich nur ungeschlechtlich vermehren (klonal oder durch Parthenogenese), werden durch die Definition des biologischen Artkonzeptes nicht erfasst. Zu diesen gehören alle Prokaryoten (Mikroorganismen), einige Pilze und Pflanzen, verschiedene Insekten und Echsen.

• Viele Pflanzen- und Tierarten kreuzen sich auch in der Natur (z.B. Steinkorallen, Orchideen). Nach dem biologischen Artkonzept sind einige Orchideenarten keine getrennten Arten.

• Individuen, die sich nie in einer Population fortpflanzen können (z.B. Arbeiterinnen bei Bienen oder Ameisen) werden vom biologischen Artkonzept nicht erfasst, obwohl sie zum Genpool beitragen.

Trotz dieser Einschränkungen findet das biologische Artkonzept als «vorstellbares Modell» häufig Verwendung in der Ökologie und Naturschutzbiologie.

In neuerer Zeit werden immer mehr molekularbiologische Methoden zur Unterscheidung einzelner Arten eingesetzt (Exkurs: DNA-Taxonomie und DNA-Barcoding). DNA-Taxonomie ermöglicht die Entdeckung und Beschreibung neuer Arten, ist aber kein Ersatz für die klassische Taxonomie. DNA-Barcoding funktioniert nicht ohne die Taxonomie- und Systematik-Fachleute der einzelnen Organismengruppen. Entscheidende Fortschritte in der Biodiversitätserfassung wird es nur durch den komplementären Einsatz von klassischen und molekularen Methoden geben.

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DNA-Taxonomie und DNA-Barcoding

Zur Unterscheidung einzelner Arten werden zunehmend molekularbiologische Methoden (vor allem Sequenzierung geeigneter DNA-Abschnitte) angewendet (Tautz et al. 2003). Bisher wurden DNA-Sequenzen meistens als Zusatzkriterien zur sicheren Artbestimmung angewendet. Seit geraumer Zeit gibt es aber Bemühungen, alle bekannten Arten auch molekularbiologisch zu charakterisieren. Dabei wird nicht das ganze Genom sequenziert, sondern nur Abschnitte (oft die Cytochrom-Oxidase Untereinheit I).

DNA-Barcoding ermöglicht die Identifizierung von bereits bekannten Arten mittels eines arttypischen DNA-Fragmentes durch den Abgleich mit einer bestehenden Datenbank (www.barcodinglife.com). Das funktioniert ähnlich wie das Barcoding (Streifencode) auf Verkaufswaren im Supermarkt, nur dass hier nicht schwarze Streifen, sondern DNA-Basenabfolgen zur Identifizierung dienen (Streit 2007). Sequenziergeräte dürften in Zukunft kleiner und preiswerter werden, was charakteristische Zuordnungen von DNA-Proben zu konkreten Taxa vermutlich sogar im Freiland ermöglichen wird. Bis zur Etablierung einer weltweit auch nur annähernd vollständigen Barcoding-Datenbank ist der Arbeitsaufwand allerding sehr groß.

Wie entstehen neue Arten?

Der entscheidende Schritt einer potenziell neuen Art erfolgt mit der vollständigen Trennung des Genpools einer Population von anderen Populationen. Dies ist der Fall, wenn sich die Individuen der betrachteten Population nicht mehr mit den Individuen der anderen Populationen kreuzen. Ist der Genpool einer Teilpopulation einmal isoliert, folgt er einer eigenen, unabhängigen Entwicklung, die durch natürliche Selektion, genetische Drift und Mutation beeinflusst wird. Verschiedene Prozesse können zur Artbildung führen:

• Allopatrische oder geografische Artbildung,

• sympatrische Artbildung (Polyploidie und Artbildung durch Konkurrenz).

Allopatrische (geografische) Artbildung kann eintreten, wenn das Verbreitungsgebiet einer Art durch äußere Prozesse in zwei oder mehr Teile aufgespalten wird. Eine Population wird durch die Neubesiedlung einer

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Insel, durch Austrocknung von Gewässern, durch Vergletscherung, Vulkanausbruch oder durch Landhebung vom Hauptverbreitungsgebiet der Art abgetrennt. Zunächst wird sich der Genpool von der isolierten Population kaum vom Genpool der Art im Hauptverbreitungsgebiet unterscheiden. Falls es aber Unterschiede in den klimatischen Bedingungen und anderen selektiven Faktoren zwischen dem abgetrennten Gebiet und dem Hauptgebiet gibt, werden sich die Genfrequenzen durch natürliche Selektion, genetische Drift und Mutation verändern. Das abgetrennte Gebiet ist beispielsweise wärmer und beherbergt eine andere Prädatorart. Dann wird die natürliche Selektion diejenigen Individuen bevorzugen, die am besten an ein wärmeres Klima angepasst sind und den neuen Prädatoren ausweichen können. Aufgrund der unterschiedlichen Selektionsdrucke auf die beiden Populationen werden sie sich nun langsam genetisch auseinanderentwickeln. Es können Veränderungen im Verhalten, in der Physiologie und der Morphologie zwischen den beiden Populationen entstehen, die keine erfolgreiche Fortpflanzung mehr zulassen und somit zur reproduktiven Isolation führen.

Es gibt zahlreiche Beispiele von allopatrischer Artbildung. In den bewaldeten Bergketten der Insel Oahu (Hawaii) konnten 41 endemische Baumschneckenarten der Gattung Achatinella nachgewiesen werden (Hadfield 1986). Getrennt durch Bergrücken beherbergte jedes Tal ihre eigene Art von diesen Baumschnecken, die sich von auf Blättern wachsenden Pilzen ernährten. Durch Zerstörung des Lebensraumes, dem Aussetzen von nicht-einheimischen Schneckenprädatoren und übermäßige Sammeltätigkeiten sind in den letzten Jahrzehnten aber über 30 Arten ausgestorben (Kapitel 8).

In den Alpen isolierte die wiederholte Vergletscherung während der Eiszeiten zahlreiche Pflanzen- und Tierarten auf wenigen eisfreien «Inseln». In Perioden zwischen den Eiszeiten konnten sich manche Restpopulationen nur beschränkt wieder ausbreiten. Viele Populationen entwickelten sich während der Isolation zu neuen Arten. Allein in den österreichischen Alpen kommen 103 endemische Pflanzenarten und -unterarten vor, die auf diese Weise entstanden sein dürften (Essl et al. 2009; siehe Exkurs «Endemische Arten», Seite 32).

Sympatrische Artbildung erfolgt ohne geografische Trennung. Im Pflanzenreich ist sympatrische Artbildung durch Chromosomenverdoppelung oder -vervielfachung (Polyploidie) häufig. Durch Unregelmäßigkeiten in der Chromosomenpaarung oder -verteilung während der Reduktionsteilung (Meiose) können die Nachkommen doppelte Chromosomensätze haben. Eine Kreuzung von Individuen mit einer |20◄ ►21| unterschiedlichen Anzahl von Chromosomensätzen führt in der Regel zu sterilen Hybriden, die keine normale Meiose mehr durchführen können. Ein polyploider Organismus hat somit über die Verdoppelung des Chromosomensatzes einen reproduktiven Isolationsmechanismus gegenüber den ursprünglichen Individuen aufgebaut. Im Vergleich zur allopatrischen Artbildung ist Polyploidie ein sehr schneller Artbildungsprozess.

Bei Autopolyploidie stammen die Gameten von der gleichen Elternart. Autopolyploidie ist beispielsweise beim Mittleren Wegerich (Plantago media; Populationen mit Chromosomenzahl 12 und 24) gut untersucht. Bei Allopolyploidie stammen die Gameten von verschiedenen Elternarten, die häufig nahe verwandt sind. Allopolyploidie spielt bei der Entstehung von vielen Kulturpflanzen eine wichtige Rolle. Bei Tieren ist Polyploidie seltener, kommt aber bei Arten vor, die sich durch Parthenogenese fortpflanzen, beispielsweise beim Salinenkrebs (Artemia salina).

Sympatrische Artbildung kann auch als Ergebnis einer disruptiven Selektion auftreten, die zwei oder mehr Phänotypen innerhalb einer Population begünstigt. Wenn unterschiedliche Eigenschaften ähnlich gut geeignet sind, um Nahrungsquellen zu erschließen (beispielsweise zwei verschiedene Schnabelformen) oder andere Bedürfnisse zu erfüllen, kann natürliche Selektion auch unterschiedliche Phänotypen innerhalb einer Population begünstigen. Eine Voraussetzung ist allerdings, dass sich Organismen nur mit dem gleichen Phänotyp paaren (assortative mating). Diese Form der Artbildung konnte bisher allerdings nur in wenigen Studien nachgewiesen werden, eine davon bezieht sich auf Landschnecken mit rechts- und linksgewundenen Gehäusen.

Die Entstehung neuer Arten ist normalerweise ein langsamer Prozess, der Hunderte bis Tausende von Generationen erfordert (Ausnahme: Polyploidie). Die Evolution neuer Gattungen und Familien verläuft sogar noch langsamer. Generell ist die Artbildungsrate auf Inseln größer als auf dem Festland. Dies ist unter anderem auf die Isolation der Inseln, den Gründereffekt (siehe oben) und das Fehlen gewisser Selektionsfaktoren zurückzuführen (fehlende Prädatoren, reduzierte Konkurrenz). Ein klassisches Beipiel für Artbildung auf Inseln sind die Darwin-Finken auf den Galapagos-Inseln.

Eine neuentdeckte Form von Lebewesen gilt als wissenschaftliche Art, wenn sie nach den geltenden Nomenklaturregeln beschrieben wurde.

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Abb. 1: Adaptive Radiation bei den Darwin-Finken auf den Galapagos-Inseln. Die unterschiedlichen Schnabelformen sind Anpassungen an verschiedene Nahrungsweisen. Alle Arten gehen auf eine einzige Stammart zurück (aus Darwin 1845, mit Bewilligung von van Wyhe J. (ed.) The Complete Work of Charles Darwin Online, www.darwin-online.org.uk).

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Binäre (binomiale) Nomenklatur und Artbeschreibung

Carl von Linné (lateinisch Linnaeus; 1707 – 1778), ein schwedischer Arzt und Naturwissenschaftler, entwickelte das System der binären Nomenklatur der Pflanzen und Tiere. Der zweiteilige Name setzt sich zusammen aus dem Namen der Gattung, der stets als Nomen mit einem Großbuchstaben beginnt, und einem kleingeschriebenen Epitheton (häufig ein Adjektiv), welches in Kombination mit der Gattung die Art charakterisiert. Jede solche Kombination von zwei Namen darf nur einmal – also nur für eine Art – vergeben werden. Diese Namen entstammen gewöhnlich der lateinischen oder griechischen Sprache. Nichtlateinische Namen werden lateinisiert. So setzt sich beispielsweise der wissenschaftliche Name der Amsel aus den lateinischen Bezeichnungen turdus (Gattung Echte Drosseln) und merula zusammen und lautet vollständig Turdus merula Linnaeus, 1758. Die zur gleichen Gattung gehörende Singdrossel heisst Turdus philomelos Brehm, 1831. In der wissenschaftlichen Literatur wird der zweiteilige Artname in kursiver Schrift dargestellt, oft gefolgt vom Autorzitat, d.h. dem Namen (oder Namenskürzel) der Person, welche die erste gültige wissenschaftliche Beschreibung der Art verfasst hat. Darauf folgt noch das Jahr der Veröffentlichung dieser Beschreibung. In der Systematik werden die Gattungen in die nächsthöhere Stufe der Familie zusammengefasst und verschiedene Familien wiederum in die nächsthöhere Stufe der Ordnung. Eine Klasse umfasst verschiedene Ordnungen.

Zur Beschreibung und Benennung von Arten wurden spezielle, weltweit geltende Nomenklaturcodes entwickelt, die sich zwischen Pflanzen (www.ibot.sav.sk/icbn) und Tieren (www.iczn.org) geringfügig unterscheiden. Durch diese Regeln sollten wiederholte Beschreibungen der gleichen Art sowie der Gebrauch desselben Namens für mehr als eine Art vermieden werden. Ein wichtiger Bestandteil einer Artbeschreibung ist das Festlegen eines Referenzexemplars oder -musters (Holotyp oder Holotypus). Das Typus-Exemplar muss in einem Museum aufbewahrt werden, damit es zu Vergleichszwecken zugänglich ist.

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Adaptive Radiation bedeutet die Auffächerung einer wenig spezialisierten Art in viele stärker spezialisierte Arten. Dies erlaubt beispielsweise die Nutzung eines breiteren Spektrums von Nahrungsressourcen. Bekannte Beispiele für die Radiation von Tiergruppen sind wiederum die Darwin-Finken mit ihren unterschiedlichen Schnabelformen (Abb. 1, S. 22) sowie die Kleidervögel auf Hawaii, die Buntbarsche in den großen Seen von Afrika und die marinen Kegelschnecken (Conidae). Diese Schnecken sind hochspezialisierte, nachtaktive Prädatoren, die zum Nahrungserwerb eine Art Harpune benutzen, welche sich aus einem Zahn der Radula (Raspelzunge) entwickelt hat. Durch den nadelspitzen, hohlen Zahn injiziert sie ein Gift ins Beutetier. Es gibt rund 600 rezente Arten von Kegelschnecken. Viele fressen Borstenwürmer; andere sind aber auf Mollusken spezialisiert, wiederum andere jagen ausschließlich Fische oder erbeuten Krabben, denen sie im Sand vergraben auflauern. Alle töten ihre Beute aber mit Gift.

Weiterführende Literatur

Darwin C. (1859) (Übersetzung 1981) Über die Entstehung der Arten. Reclam, Stuttgart.

Steinke D. & Brede N. (2006) DNA-Barcoding: Taxonomie des 21. Jahrhunderts. Biologie unserer Zeit 36: 40 – 46.

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Biodiversität verändert sich

Zusammenfassung

Im Laufe der Erdgeschichte entwickelten sich aus einzelligen mehrzellige Organismen und später komplexe Lebewesen. Zahlreiche ursprünglich aus dem Meer stammende Organismengruppen besiedelten das Festland. Generell nahm die gesamte Artenvielfalt auf der Erde mit der Zeit zu, wurde aber durch mehrere Massenaussterbeereignisse zwischenzeitlich wieder reduziert. Momentan erleben wir das größte Massenaussterben, welches je in der Erdgeschichte stattgefunden hat. Im Gegensatz zu den früheren Aussterbeereignissen ist dieses Mal eine einzige Art der Verursacher, nämlich der Mensch. In diesem Kapitel wird auch gezeigt, wie schwierig eine präzise Ermittlung der Zahl der tatsächlich auf der Erde existierenden Arten ist. Zurzeit sind rund 1,8 Millionen Arten bekannt. Viele Gruppen sind bisher aber äußerst lückenhaft erfasst worden. Die Gesamtzahl der Mikroorganismen, Pilze, Pflanzen und Tiere auf der Erde wird auf 10 – 20 Millionen Arten geschätzt.

Artenvielfalt im Laufe der Erdgeschichte

Der zeitliche Ablauf der Evolution kann anhand von Fossilien rekonstruiert werden. Entsprechend der vertikalen Aufeinanderfolge fossilführender Gesteinsschichten lassen sich Gesellschaften vorzeitlicher Lebewesen in eine zeitliche Reihenfolge bringen und mithilfe radiometrischer Methoden kann das Alter der Gesteine bestimmt werden. Das Vorkommen und Alter gewisser Fossilien geben zudem Hinweise, wann im Verlauf der Stammesgeschichte bestimmte Innovationen und Aufsplitterungsereignisse auftraten. Bestimmte gemeinsame Merkmale in Gruppen von Lebewesen legen nahe, dass sie ursprünglich von einer Art (oder einem Genpool) abstammen. Mit verschiedenen Ansätzen (vergleichende Anatomie, Morphologie, molekulare Techniken) können Verwandtschaftsverhältnisse sowohl zwischen Arten als auch zwischen taxonomischen Gruppen untersucht werden. Mithilfe molekularer |25◄ ►26| Schätzungen (molecular clock) lassen sich die Zeitpunkte gewisser Ereignisse auch berechnen.

Das Alter der Erde wird auf 4,5 Milliarden Jahre geschätzt. Die frühesten Fossilien von lebenden Organismen – einfache Bakterien – stammen aus ca. 3,5 Milliarden altem Gestein. In den nächsten 3 Milliarden Jahren entfaltete sich das Leben vorwiegend im Wasser. Die ersten Eukaryoten entstanden vermutlich vor 2 Milliarden Jahren. Aus Einzellern entwickelten sich Zellkolonien und schließlich mehrzellige Organismen.

Die Landbesiedelung, d.h. die Anpassungen von aquatischen Lebewesen an eine terrestrische Lebensweise, fand wiederholt und unabhängig voneinander in verschiedenen Gruppen wie Einzellern, Pilzen, Pflanzen, Schnecken und Wirbeltieren statt (Little 1990). Durch fossile Belege relativ gut dokumentiert ist die Landbesiedelung der Pflanzen vor ca. 460 – 480 Millionen Jahren (im Devon; Tabelle 2). Die Urfarne traten vor etwa 400 Millionen Jahren auf, erreichten schnell eine große Vielfalt, starben aber später wieder aus. Andere Farnarten übernahmen ihre Nischen. Die Gymnospermen (Nacktsamer) wurden erstmals in Gesteinen des Devons gefunden und wiesen während des Mesozoikums eine größere Vielfalt auf als heute. Die Gymnospermen erlebten in den letzten 100 Millionen Jahren einen Rückgang, als die Angiospermen (Bedecktsamer) eine große Artenvielfalt entwickelten. Heute gibt es etwa 800 Gymnospermen-Arten, aber rund 240 000 Angiospermen-Arten. Durch fossile Belege gut abgesichert ist die Landbesiedelung der Wirbeltiere (Tetrapoden) während des Devons, d.h. der evolutionäre Übergang von Fischen zu den Vorformen der heutigen Amphibien (Tabelle 2, S. 28 – 29).

Bei der Betrachtung der Evolution verschiedener Organismengruppen muss auch berücksichtigt werden, dass die Landmasse (die späteren Kontinente) im Verlauf der Erdgeschichte sich in der Lage auf der Erdkugel, in der Größe (durch Schwankungen im Meeresspiegel) sowie im Ausmaß der Isolation einzelner Teile verändert hat (Abb. 2). Im Zeitraum, als die Landbesiedelung von zahlreichen Gruppen stattfand, gab es eine einzige Landmasse (Pangaea). Später, als die Dinosaurier verbreitet waren, trennte sich Pangaea durch plattentektonische Kräfte in Laurasien und Gondwana auf. Die nachfolgende Isolation der Kontinente trug wesentlich zur Entwicklung einzelner Gruppen bei. Ein gutes Beispiel dafür ist der Inselkontinent Australien. Nach der Auflösung Gondwanas in die einzelnen Erdteile driftete die australische Platte lange Zeit weitgehend isoliert in östlicher Richtung. Ein Kontinente übergreifender Artenaustausch konnte nicht mehr stattfinden. In der Isolation Australiens|26◄ ►27| konnten so Organismengruppen überdauern, die sonst fast überall ausgestorben sind, wie etwa die Kloakentiere (Protheria). Auch die Beuteltiere (Metatheria) konnten hier überleben und entwickelten sich zu einer artenreichen Gruppe, während es mit Ausnahme weniger Arten in Amerika auf der Erde sonst keine Vertreter dieser einstmals weit verbreiteten Gruppe mehr gibt.


Abb. 2: Anordnung der Landmasse in der Trias, frühen und späten Kreidezeit sowie in der Neuzeit (nach Cloud 1978).

Fossilien belegen die Zu- und Abnahmen in der Diversität einzelner Gruppen. Neue Arten haben sich entwickelt, viele sind auch wieder ausgestorben. In Organismengruppen, über die aufgrund von Fossilfunden ausreichende Erkenntnisse vorliegen, ist die Artenzahl seit ihrem ersten Auftreten meistens angestiegen. Die heute lebenden Pflanzen- und Tierarten machen – je nach Schätzung – weniger als 1 % bis maximal 4 % der Arten aus, die jemals auf der Erde gelebt haben. Das Aussterben einer Art ist demnach ein fast ebenso häufiges Ereignis in der Erdgeschichte wie das Erscheinen einer neuen. Es gab aber auch Phasen der Abnahme der Diversität. Aufgrund der Fossilienfunde konnten in der Vergangenheit mindestens sechs Aussterbeereignisse, die sich innerhalb bestimmter Erdepochen auf relativ kurze Zeitabschnitte konzentrierten, dokumentiert werden (Abb. 3). Ein solches Massenaussterben ereignete sich beispielsweise am Ende des Perms vor rund 250 Millionen Jahren. Damals verschwanden in den marinen Flachwasserbereichen rund 90 % aller Wirbellosen. Ein weiteres Massenaussterben gab es am Ende der Kreidezeit vor rund 65 Millionen Jahren, als die Dinosaurier verschwanden. Heute befinden wir uns mitten in einem weiteren Massenaussterben. Es wird geschätzt, dass im 21. Jahrhundert zwischen 10 000 und 25 000 Arten jährlich auf der Erde aussterben; dies entspricht ein bis drei Arten pro Stunde. Das Artensterben verläuft gegenwärtig mindestens tausend Mal schneller als jemals zuvor in der Erdgeschichte. Zudem wird im Unterschied zu den früheren Ereignissen das jetzige Massenaussterben durch eine einzelne Art verursacht, nämlich durch den Menschen. Die Ursachen für das zurzeit stattfindende Massenaussterben werden detailliert in Kapitel 8 behandelt.

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Tabelle 2: Entwicklung der Artenvielfalt im Verlauf der Erdgeschichte

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Abb. 3: Die Zahl der Familien mariner Tiere hat im Lauf der Erdgeschichte zugenommen, wurde aber mehrmals durch Perioden massenhaften Artensterbens reduziert (beziffert mit 1 bis 6). Die aktuelle Reduktion (gestrichelt) ist nicht mit Fossilien belegt (ergänzt nach Erwin 1998).

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Nach jedem Massenaussterben waren freie ökologische Nischen vorhanden, die die Entwicklung und Entfaltung (Radiation) anderer Organismengruppen ermöglichten oder sogar beschleunigten. So konnten die landlebenden Säugetiere nach dem Aussterben der Dinosaurier die frei werdenden Nischen besetzen und eine sehr große Artenvielfalt entwickeln.

Veränderung der Biodiversität in neuester Zeit

Die globale Klimaerwärmung wird die regionale Biodiversität in kurzer Zeit verändern (Kapitel 8). Der Klimawandel verändert sowohl die Verbreitung von Arten als auch die Entwicklungsgeschwindigkeit der Individuen, die aus diesem Grund jahreszeitlich früher erscheinen und zum Teil mehr Generationen pro Jahr bilden (z.B. Schmetterlinge). Viele Arten zeigen eine Tendenz zur Ausbreitung in höhere Lagen. Im Alpenraum wird der Lebensraum für Arten der nivalen Hochgebirgsstufe kleiner, während sich derjenige der aus dem Tiefland und unteren Höhenlagen eingewanderten Arten nach oben ausdehnt. Insgesamt wird mit zunehmenden Temperaturen, welche ein besseres Überleben im Winter sowie eine stärkere Vermehrung und erhöhte Einwanderung im Sommer ermöglichen, die Anzahl neuer Arten in den Alpen zunehmen. Diese Arten dürften aber in ihrem Herkunftsgebiet meist noch häufig sein. In den Alpen und in anderen Gebirgen werden jedoch gefährdete Arten verloren gehen. Dies sind kälteadaptierte Endemiten (siehe Exkurs: Endemische Arten), die ihre ökologische Nische verlieren, oder konkurrenzschwache Arten, die von einwandernden Arten verdrängt werden. Diese Verluste – auch wenn sie vergleichsweise eher wenige Arten betreffen – sind qualitativ gravierender für die weltweite Biodiversität als die lokalen quantitativen Gewinne durch die zahlreichen Einwanderer.

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Endemische Arten

Eine Art, die nur in einem einzigen Gebiet vorkommt, bezeichnet man als in diesem Gebiet endemisch (= Endemit). Manche Arten sind nur in einem sehr kleinen Gebiet anzutreffen, z.B. auf einer Insel, in einem Vulkankrater, auf einem Berggipfel oder in einem See, während andere Arten in einem sehr großen Gebiet endemisch sind (z.B. in Australien oder Südamerika).

Beispiele für Endemiten mit geschätzter Arealgröße:


Österreichische Miere (Minuartia austrica), eine Pflanze in den Ostalpen:mehrere 100 km2
Komodo-Waran (Varanus komodoensis), Riesenechse auf vier kleinen Inseln im Indonesischen Archipel:mehrere 10 km2
Schweizer Goldschrecke (Podismopsis keisti), eine Heuschreckenart auf Kalkfelsrasen im Churfirsten-Gebirge, Schweiz:wenige km2
Canariella jandiaensis, eine Schneckenart in Felshängen des Jandia-Gebirges auf Fuerteventura, Spanien:weniger als 1 km2

(Quellen: Alonso et al. 2006; Sauberer et al. 2008)

Da Endemiten einmalig und unersetzbar sind, haben Staaten mit endemischen Arten eine besonders hohe Verantwortung für deren Erhaltung und Schutz.

Die in den letzten Jahrhunderten gestiegene Mobilität und der globalisierte Handel führen immer häufiger zum Auftreten von nicht-einheimischen Arten. Ein großer Teil dieser nicht-einheimischen Arten stirbt am neuen Standort bald wieder aus. Häufig ist es auch so, dass wenige Individuen für längere Zeit an einem Ort überdauern, aber kein erkennbares Populationswachstum zeigen. Einige nicht-einheimische Arten vermehren sich am neuen Standort stark und vergrößern ihr Areal auf Kosten der einheimischen Arten (Kapitel 8). Diese sogenannten invasiven Arten wirken sich nachteilig auf die ursprüngliche Biodiversität aus, verursachen wirtschaftliche Schäden und/oder schädigen den Menschen gesundheitlich. In der Regel erhöhen eingeführte Arten nicht die lokale Biodiversität, sondern reduzieren die Vielfalt.

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Wie viele Arten gibt es?

Unsere Kenntnisse über die einzelnen Artengruppen sind sehr unterschiedlich. Große, auffällige Organismen und solche von wirtschaftlicher oder medizinischer Bedeutung (Schädlinge, Krankheitserreger) sind relativ gut erforscht. Riesige Wissenslücken gibt es hingegen bei kleinen, eher unscheinbaren Organismen und solchen, die Lebensräume bewohnen, welche für Menschen schwer zugänglich sind (Boden, Tiefsee, Kronendach des tropischen Regenswaldes). Momentan sind etwa 1,8 Millionen Arten bekannt (Tabelle 3, S. 35). Bei den Pflanzen dürfte ein großer Teil der Arten entdeckt und beschrieben sein. Bei den Mikroorganismen (Prokaryoten), Pilzen und verschiedenen Gruppen von wirbellosen Tieren (Würmern, Milben, Insekten) ist hingegen nur ein Bruchteil der zu erwartenden Arten wissenschaftlich beschrieben. So wird beispielsweise angenommen, dass bisher nur etwa 1 % der Mikroorganismenarten bekannt ist. Die tatsächliche Zahl aller auf der Erde existierenden Arten kann deshalb nur geschätzt oder hochgerechnet werden. Mit unterschiedlichen Ansätzen wurden Schätzwerte von 5 Millionen bis über 100 Millionen Arten ermittelt (Streit 2007, Nentwig et al. 2009). Zur weiten Streuung dieser Schätzwerte tragen einerseits die große Unsicherheit in der Zahl der Mikroorganismen bei und andererseits die vielen Insektenarten, die in den Baumkronen tropischer Regenwälder leben, aber noch weitgehend unbekannt sind. Werden die neueren Schätzungen betrachtet, können wir davon ausgehen, dass auf der Erde die Gesamtzahl der Mikroorganismen, Pilze, Pflanzen und Tiere in der Größenordnung von 10 bis 20 Millionen Arten liegen dürfte.

Die 1,8 Millionen bekannten Arten bedeuten, dass bisher jede fünfte bis zehnte Art entdeckt und beschrieben wurde. Derzeit werden jährlich etwa 15 000 neue Arten wissenschaftlich erfasst. Bei derselben Arbeitsgeschwindigkeit würde es 120 Jahre dauern, bis weitere 1,8 Millionen beschrieben sind. Unter Berücksichtigung der momentan hohen Aussterberate ist es daher kaum vorstellbar, dass die vielen Millionen noch zu entdeckenden Arten mit den derzeitigen Möglichkeiten je wissenschaftlich beschrieben werden. Die großen Kenntnislücken sind teilweise auch auf das Fehlen von Fachleuten für die Systematik und Taxonomie bestimmter Organismengruppen zurückzuführen (siehe Kapitel 9).

In Anbetracht der großen Kenntnislücke über den weltweiten Artenreichtum ist es kaum erstaunlich, dass die meisten Staaten nur über grob geschätzte Werte für die Größe ihrer heimischen Artenvielfalt verfügen. Die Gründe hierfür liegen vor allem in einer nur lückenhaften Erfassung und wissenschaftlichen Beschreibung vieler Tiergruppen (vor allem bei den Wirbellosen). In den folgenden Vergleichen sind die Mikroorganismen nicht berücksichtigt. In Deutschland einschließlich seiner marinen Küstengebiete wurden bisher Vertreter von 48 000 Tierarten und 28000 Pilz- und Pflanzenarten nachgewiesen (Völkl et al. 2004, www.bfn.de). Für Österreich ergab eine vorläufige Schätzung etwa 46 000 Tierarten und 21000 Arten von Pilzen und Pflanzen (Sauberer et al. 2008). In der Schweiz sind bisher rund 30 000 Tierarten und 19 000 Pflanzen- und Pilzarten bekannt (Baur et al. 2004). Laut einer Schätzung dürfte die Schweiz aber 43000 Tierarten und 27 000 Arten von Pilzen und Pflanzen beherbergen (Duelli 2004). Trotz der deutlich kleineren Flächen und des Fehlens mariner Lebensräume weisen Österrreich und die Schweiz eine ähnlich hohe Artenvielfalt wie Deutschland auf. Große Teile der beiden Binnenländer bestehen aus Gebirge mit ausgeprägten Höhengradienten und einer großen Zahl an verschiedenartigen Lebensräumen sowie einem Mosaik von kleinräumigen, extensiv bewirtschafteten Flächen. Zudem gehört in beiden Ländern der Norden dem mitteleuropäischen Klimatyp an, während der Süden bereits unter submediterranem Einfluss steht. Diese Faktoren können die Artenvielfalt wesentlich beeinflussen (Kapitel 4).

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Tabelle 3: Weltweit wurden bisher rund 1,8 Millionen Arten von Organismen beschrieben (nach Westheide & Rieger (2007), Bresinsky et al. (2008) und Nentwig et al. (2009)).

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Weiterführende Literatur

Streit B. (2007) Was ist Biodiversität? Erforschung, Schutz und Wert biologischer Vielfalt. C.H. Beck Verlag, München.

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