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KAPITEL VIER

Es passierte schon wieder.

Das Monster namens Peterson hielt April irgendwo vor ihr gefangen.

Riley kämpfte sich durch die Dunkelheit. Jeder Schritt erschien ihr langsam und mühsam, aber sie wusste, dass sie sich beeilen musste.

Mit der Schrotflinte über der Schulter stolperte Riley durch die Dunkelheit einen matschigen Hügel hinunter. Plötzlich sah sie sie. Peterson stand bis zu den Knöcheln im Wasser. Nur wenige Schritte von ihm entfernt war April halb im Wasser, ihre Hände und Füße gefesselt.

Riley griff nach ihrem Gewehr, aber Peterson hob eine Pistole und zielte direkt auf April.

"Denk nicht einmal dran", rief er. "Ein Schritt und es ist vorbei."

Riley wurde von Panik ergriffen. Wenn sie das Gewehr hob, würde Peterson April töten, noch bevor sie feuern konnte.

Sie ließ das Gewehr auf den Boden fallen.

Die Angst auf dem Gesicht ihrer Tochter würde sie ewig verfolgen …

Riley hörte auf zu rennen und lehnte sich keuchend nach vorne.

Es war früh am Morgen und sie hatte sich zum Joggen aufgemacht. Aber diese schreckliche Erinnerung hatte sie innehalten lassen.

Würde sie diesen furchtbaren Moment jemals vergessen?

Würde sie jemals aufhören sich schuldig zu fühlen, weil sie April in tödliche Gefahr gebracht hatte?

Nein, dachte sie. Und so sollte es auch sein. Ich darf es nie vergessen.

Sie atmete die beissende, kalte Luft ein und aus, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Dann ging sie weiter den vertrauten Waldweg entlang. Blasses Morgenlicht fiel durch die Bäume.

Der städtische Park lag ganz in der Nähe und war einfach zu erreichen. Riley kam oft zum Laufen her. Die Bewegung half meist dabei, die Geister und Dämonen vergangener Fälle aus ihrem Kopf zu verbannen. Aber heute hatte sie den gegenteiligen Effekt.

Alles was am Tag zuvor passiert war – der Besuch bei den Penningtons, der Blick in die Garage, und Aprils Wut auf Riley – hatte hässliche Erinnerungen wieder aufgewühlt.

Und alles meinetwegen, dachte Riley, die wieder in ein leichtes Joggen fiel.

Aber dann erinnerte sie sich an das, was als Nächstes an dem Fluss geschehen war.

Petersons Waffe hatte eine Fehlfunktion und Riley hatte ihm ein Messer in die Rippen gerammt, nur um dann zu stolpern und in das kalte Wasser zu fallen. Trotz seiner Wunden hatte Peterson es geschafft, Riley unter Wasser zu halten.

Dann sah sie April, Hände und Füße noch immer gefesselt, die das Gewehr aufhob. Sie hörte es gegen Petersons Kopf krachen.

Aber das Monster drehte sich um und warf sich auf April. Er hielt ihr das Gesicht unter Wasser.

Ihre Tochter würde ertrinken.

Riley fand einen spitzen Stein.

Sie sprang auf Peterson zu und schlug ihm damit gegen den Kopf.

Er fiel und sie warf sich auf ihn.

Sie ließ den Stein immer wieder auf Petersons Gesicht niedersausen.

Der Fluss färbte sich dunkel mit Blut.

Aufgebracht durch die Erinnerung lief Riley schneller.

Sie war stolz auf ihre Tochter. April hatte an diesem fürchterlichen Tag Mut und Einfallsreichtum gezeigt. Sie war auch in anderen gefährlichen Situationen mutig gewesen.

Aber jetzt war April wütend auf Riley.

Und Riley konnte nicht verhindern, dass sie sich fragte, ob sie guten Grund dazu hatte.

*

Riley fühlte sich fehl am Platze bei Lois Penningtons Beerdigung am späten Nachmittag.

Zum einen war sie über die Jahre sehr selten in der Kirche gewesen. Ihr Vater war ein verbitterter Ex-Marine gewesen, der nur an sich selbst und sonst nichts anderes glaubte. Sie hatte den Großteil ihrer Kindheit und Jugend bei ihrer Tante und ihrem Onkel verbracht, die versucht hatten, Riley mit zur Kirche zu nehmen, aber sie war zu rebellisch gewesen.

Soweit es Beerdigungen betraf, hasste Riley sie einfach. Sie hatte zu viel von der brutalen Realität des Todes gesehen und ihr erschienen Beerdigungen falsch und unecht. Sie ließen den Tod immer so sauber und friedlich erscheinen.

Ein vollkommen falscher Eindruck, dachte sie wieder. Das Mädchen war auf brutale Weise gestorben, sei es durch ihre eigene Hand oder jemand anderen.

Aber April hatte darauf bestanden zu gehen und Riley konnte sie nicht alleine lassen. Was ihr ironisch erschien, denn genau in diesem Moment war es eher Riley, die sich alleine fühlte. Sie saß neben dem Gang in einer der hinteren Bänke der gefüllten Kapelle. April war weiter vorne, in der Reihe direkt hinter der Familie, so nahe bei Tiffany wie sie nur konnte. Aber Riley war froh, dass April bei ihrer Freundin war und es machte ihr nichts aus, alleine zu sitzen.

Sonnenstrahlen erhellten die Fenster und der Sarg war über und über mit Blumen und großen Kränzen bedeckt. Der Gottesdienst war würdevoll und der Chor sang gut.

Der Priester predigte über Glauben und Erlösung und versicherte allen, dass Lois nun an einem besseren Ort war. Riley hörte ihm nicht wirklich zu. Sie sah sich nach Anzeichen um, die einen Hinweis darauf gaben, wie Lois Pennington gestorben war.

Gestern war ihr aufgefallen, dass Lois' Eltern leicht voneinander getrennt saßen und sich nicht berührten. Sie war sich nicht sicher gewesen, wie sie die Körpersprache deuten sollte. Aber nun lag Lester Penningtons Arm in einer warmen Geste des Trostes um Eunices Schultern. Die beiden schienen ein normales, trauerndes Elternpaar zu sein.

Wenn etwas in der Pennington Familie nicht stimmte, dann konnte Riley es nicht sehen.

Seltsamerweise hinterließ das ein Gefühl des Unbehagens in ihr.

Sie hielt sich selbst für einen aufmerksamen Beobachter der menschlichen Natur. Falls Lois Selbstmord begangen hatte, dann war ihr Familienleben vermutlich gestört gewesen. Aber sie konnte keine Anzeichen dafür entdecken – nur normale Zeichen der Trauer.

Der Priester schaffte es, seine Predigt zu beenden, ohne auch nur einmal die vermutete Todesursache zu erwähnen.

Dann folgte eine Reihe von kurzen, tränenreichen Beiträgen von Freunden und Verwandten. Sie sprachen von Trauer und glücklicheren Zeiten, manchmal erinnerten sie sich auch an humorvolle Ereignisse, die ein trauriges, leises Lachen in der Trauergemeinde hervorriefen.

Aber nichts über Selbstmord, dachte Riley.

Etwas kam ihr nicht ganz richtig vor.

Sollte nicht jemand, der Lois nahe gestanden hatte, anerkennen, dass es Dunkelheit in ihren letzten Tagen gegeben hatte – ein Kampf gegen Depression, gegen innere Dämonen, unbeantwortete Hilferufe? Sollte nicht jemand darauf hinweisen, dass ihr tragischer Tod eine Lektion für andere sein sollte, sich Hilfe und Unterstützung zu suchen, bevor sie über Selbstmord nachdachten.

Aber niemand sagte etwas dergleichen.

Niemand wollte darüber reden.

Sie schienen alle zu beschämt oder zu betroffen zu sein.

Vielleicht glaubten sie es selber nicht ganz.

Die Wortbeiträge kamen zu einem Ende und es wurde Zeit für die Verabschiedung am Sarg. Riley blieb sitzen. Sie war sich sicher, dass das Beerdigungsinstitut gute Arbeit geleistet hatte. Was auch immer von der armen Lois übrig war, würde nicht so aussehen, wie in dem Moment, in dem sie in der Garage gefunden wurde. Riley wusste aus Erfahrung, wie eine gehängte Leiche aussah.

Schließlich sagte der Priester seine letzten Segenssprüche und der Sarg wurde hinausgetragen. Die Familie ging zusammen hinterher und jedem blieb es überlassen zu gehen.

Als Riley nach draußen trat, sah sie, wie Tiffany und April sich weinend umarmten. Dann sah Tiffany Riley und eilte auf sie zu.

"Gibt es wirklich nichts, was Sie tun können?", fragte das Mädchen mit erstickter Stimme.

Riley war erschüttert, schaffte es aber zu antworten, "Nein, es tut mir leid."

Bevor Tiffany weiter bitten konnte, rief ihr Vater ihren Namen. Tiffanys Familie kletterte in eine schwarze Limousine. Tiffany schloss sich ihnen an und der Wagen fuhr los.

Riley wandte sich an April, die sich weigerte sie anzusehen.

"Ich nehme den Bus nach Hause", sagte April.

April ging davon und Riley versuchte nicht, sie aufzuhalten. Mit einem Klumpen im Magen, machte sie sich auf den Weg zu ihrem Auto.

*

Das Abendessen war bei weitem kein so angenehmes Ereignis, wie noch zwei Tage zuvor. April sprach immer noch nicht mit Riley und auch sonst kaum mit jemandem. Ihre Trauer war ansteckend. Ryan und Gabriela waren ebenfalls niedergedrückt.

Plötzlich meldete sich Jilly.

"Ich habe heute in der Schule eine Freundin gefunden. Sie heißt Jane. Sie ist adoptiert, genau wie ich."

Aprils Miene erhellte sich.

"Hey, das ist super, Jilly", sagte sie.

"Ja. Wir haben viel gemeinsam. Viel worüber wir reden können."

Riley spürte, wie sich auch ihre Laune hob. Es war gut, dass Jilly anfing, Freunde zu finden. Und Riley wusste, dass April sich um Jilly Sorgen gemacht hatte.

Die beiden Mädchen sprachen ein wenig über Jane. Dann wurden alle wieder still und es war so bedrückt wie zuvor.

Riley wusste, dass Jilly versucht hatte, die dunkle Stimmung zu durchbrechen, April aufzumuntern. Aber das junge Mädchen sah nun sehr besorgt aus. Riley nahm an, dass die gerade spürbare Spannung in ihrer neuen Familie für sie alarmierend war. Jilly machte sich womöglich Sorgen, dass sie wieder verlieren könnte, was sie gerade erst gefunden hatte.

Ich hoffe, damit hat sie nicht Recht, dachte Riley.

Nach dem Essen gingen die Mädchen nach oben und Gabriela räumte die Küche auf. Ryan goss sich und Riley jeweils ein Glas Bourbon ein und sie setzen sich ins Wohnzimmer.

Sie schwiegen beide eine Weile.

"Ich gehe nach oben und rede mit April", sagte Ryan dann.

"Warum?", fragte Riley.

"Sie benimmt sich daneben. Und sie ist respektlos dir gegenüber. Wir sollten ihr das nicht durchgehen lassen."

Riley seufzte.

"Sie benimmt sich nicht daneben", sagte sie.

"Wie würdest du es denn nennen?"

Riley dachte einen Moment nach.

"Sie hat einfach so viel Mitgefühl", sagte sie. "Sie macht sich Sorgen um ihre Freundin Tiffany und sie fühlt sich machtlos. Sie hat Angst, dass Lois etwas Schreckliches zugestoßen ist. Wir sollten froh sein, dass sie sich um andere kümmert. Das ist auch ein Zeichen des Erwachsenwerdens."

Wieder verfielen sie ins Schweigen.

"Was denkst du, was wirklich passiert ist?", fragte Ryan schließlich. "Denkst du, Lois hat Selbstmord begangen oder ist sie ermordet worden?"

Riley schüttelte erschöpft den Kopf.

"Ich wünschte, ich wüsste es", sagte sie. "Ich habe gelernt, meinem Bauchgefühl zu vertrauen, meinen Instinkten. Aber meine Instinkte melden sich nicht. Ich habe kein unterschwelliges Gefühl für die eine oder andere Möglichkeit."

Ryan tätschelte ihr die Hand.

"Was auch immer passiert ist, es ist nicht deine Verantwortung", sagte er.

"Du hast Recht", sagte Riley.

Ryan gähnte.

"Ich bin müde", sagte er. "Ich denke, ich gehe früh ins Bett."

"Ich bleibe noch eine Weile sitzen", sagte Riley. "Ich bin noch nicht bereit schlafen zu gehen."

Ryan ging nach oben und Riley goss sich ein weiteres, großes Glas ein. Das Haus war ruhig und Riley fühlte sich alleine und seltsam hilflos – genau so, wie April sich gerade fühlen musste. Aber nach einem weiteren Drink fing sie an sich zu entspannen und leicht dösig zu fühlen. Sie schlüpfte aus ihren Schuhen und streckte sich auf der Couch aus.

Eine Weile später wachte sie auf und sah, dass jemand eine Decke über sie ausgebreitet hatte. Ryan musste noch einmal nach unten gekommen sein, um sicherzugehen, dass es ihr gut ging.

Riley lächelte, sich jetzt deutlich weniger einsam fühlend. Dann schlief sie wieder ein.

*

Riley spürte einen Anflug von Déjà-vu, als April auf die Garage der Penningtons zueilte.

Wie schon am Tag zuvor, rief Riley:

"April, komm da weg!"

Diesmal zog April das Absperrband zur Seite, bevor sie die Tür öffnete.

Dann verschwand April in der Garage.

Riley rannte hinter ihr her und trat hinein.

Das Innere der Garage war deutlich größer und dunkler, als es noch am Tag zuvor gewesen war, wie ein großes, verlassenes Lagerhaus.

Riley konnte April nirgendwo entdecken.

"April, wo bist du?", rief sie.

Aprils Stimme hallte durch die Luft.

"Ich bin hier, Mom."

Riley konnte nicht sagen, wo die Stimme herkam.

Sie drehte sich im Kreis, durchsuchte mit zusammengekniffenen Augen die scheinbar endlose Dunkelheit.

Endlich ging das Deckenlicht an.

Riley erstarrte vor Entsetzen.

Von einem Balken hing ein Mädchen, das nur wenig älter war als April.

Sie war tot, aber ihre Augen waren offen und ihr Blick auf Riley gerichtet.

Und überall um das Mädchen herum, auf Tischen und auf dem Boden, lagen und standen hunderte von Fotos, die das Mädchen zusammen mit ihrer Familie zu verschiedenen Stadien ihres Lebens zeigten.

"April!", schrie Riley.

Es kam keine Antwort.

Riley erwachte mit einem Ruck und setzte sich kerzengerade auf, fast hyperventilierend nach diesem Albtraum.

Sie konnte sich gerade noch davon abhalten mit voller Lautstärke nach ihrer Tochter zu rufen.

"April!"

Aber sie wusste, dass April im Obergeschoss schlief.

Die ganze Familie schlief – von ihr abgesehen.

Warum habe ich das geträumt? fragte sie sich.

Es dauerte nur einen Augenblick, bevor sie die Antwort wusste.

Ihre Instinkte hatten sich endlich gemeldet.

Sie wusste, dass April recht hatte – etwas stimmte nicht an Lois' Tod.

Und es lag an ihr herauszufinden, was.

KAPITEL FÜNF

Riley spürte einen kalten Schauer, als sie am Byars College aus dem Auto stieg. Es lag nicht nur am Wetter, das kalt genug war. Die Schule vermittelte ihr ein seltsam unwillkommenes Gefühl.

Sie schauderte noch einmal, als sie sich umsah.

Studenten wanderten über den Campus, dick gegen die Kälte angezogen, von einem Gebäude zum anderen eilend, ohne miteinander zu sprechen. Keiner von ihnen sah glücklich aus, hier zu sein.

Kein Wunder, dass Studenten sich hier umbringen wollen, dachte Riley.

Die Schule schien einem vergangenen Zeitalter anzugehören. Riley kam sich fast vor, als würde sie in die Vergangenheit treten. Die alten Backsteingebäude waren in tadellosem Zustand. Ebenso wie die weißen Säulen, Relikte einer Zeit, in der Säulen für jede Art von offiziellem Gebäude benötigt zu werden schienen.

Der parkähnliche Campus war beeindruckend groß, bedachte man, dass er mitten in der Hauptstadt des Landes lag. Natürlich war DC während seiner etwa zweihundertjährigen Geschichte beständig gewachsen. Die kleine, exklusive Schule war gewachsen, hatte Abgänger hervorgebracht, die anschließend zu den prestigeträchtigsten Universitäten des Landes gingen, bevor sie Machtpositionen in Politik und Wirtschaft erlangten. Studenten kamen an Schulen wie diese, um wertvolle Verbindungen zu knüpfen, die ein Leben lang hielten.

Natürlich war sie viel zu teuer für Rileys Familie – selbst, dessen war sie sich sicher, mit den Stipendien, die gelegentlich an ausgezeichnete Schüler bestimmter Familien gingen. Nicht, dass sie April hierher schicken wollte. Oder Jilly, was das betraf.

Riley ging zum Verwaltungsgebäude und fand das Büro des Dekans, wo sie von einer streng dreinblickenden Sekretärin begrüßt wurde.

Riley zeigte der Frau ihre Marke.

"Spezialagentin Riley Paige vom FBI. Ich hatte angerufen."

Die Frau nickte.

"Dekan Autrey erwartet Sie", sagte sie.

Die Frau führte Riley in ein großes, düsteres Büro, mit einer dunklen Holzverkleidung.

Ein eleganter, älterer Mann stand von seinem Schreibtisch auf, um sie zu begrüßen. Er war groß, hatte graue Haare, und trug einen teuren Dreiteiler mit einer Fliege.

"Agentin Paige, nehme ich an", sagte er mit einem unterkühlten Lächeln. "Ich bin Dekan Willis Autrey. Bitte setzen Sie sich doch."

Riley ließ sich auf einem der Stühle vor seinem Schreibtisch nieder, Autrey fiel zurück in seinen Bürosessel.

"Ich bin nicht sicher, dass ich den Grund für Ihren Besuch richtig verstanden habe", begann er. "Etwas über das bedauerliche Verscheiden von Lois Pennington, nicht wahr?"

"Ihren Selbstmord, meinen Sie", sagte Riley.

Autrey nickte und legte die Fingerspitzen in einer nachdenklichen Geste vor dem Kinn zusammen.

"Kaum ein FBI Fall, würde ich denken", sagte er. "Ich habe die Eltern des Mädchens angerufen und ihnen die herzliche Anteilnahme der Schule übermittelt. Sie waren natürlich am Boden zerstört. Wirklich eine unschöne Sache. Aber sie schienen keine speziellen Bedenken zu haben."

Riley wusste, dass sie ihre Worte mit Bedacht wählen musste. Sie war nicht im offiziellen Auftrag hier – tatsächlich hätten ihre Vorgesetzten in Quantico diesen Besuch vermutlich nicht genehmigt. Aber vielleicht konnte sie verhindern, dass Autrey das herausfand.

"Ein anderes Familienmitglied hat seine Zweifel geäußert", sagte sie.

Es bestand kein Grund ihm zu sagen, dass es Lois' kleine Schwester gewesen war.

"Wie bedauerlich", sagte er.

Dieses Wort scheint er zu mögen – bedauerlich, dachte Riley.

"Was können Sie mir über Lois Pennington erzählen?", fragte Riley.

Autrey schien nun fast gelangweilt, als wären seine Gedanken gerade woanders.

"Nun, sicherlich nichts, was Ihnen nicht auch die Familie schon erzählt hat", sagte er. "Ich kannte sie nicht persönlich, aber …"

Er wandte sich an seinen Computer und fing an zu tippen.

"Sie scheint eine vollkommen normale Erstsemester-Studentin gewesen zu sein", sagte er mit Blick auf den Bildschirm. "Ausreichend gute Noten. Keine Vermerke. Obwohl ich sehe, dass Sie Beratung aufgrund von Depressionen bekommen hat."

"Aber sie ist nicht der einzige Selbstmord an dieser Schule dieses Jahr", sagte Riley.

Autreys Miene verdunkelte sich leicht. Er sagte nichts.

Bevor sie losgefahren war, hatte Riley sich die beiden Selbstmorde näher angesehen, die Tiffany erwähnt hatte.

"Deanna Webber und Cory Linz haben sich angeblich ebenfalls im letzten Semester umgebracht", sagte Riley. "Cory ist hier auf dem Campus gestorben."

"'Angeblich'?", fragte Autrey. "Ein recht bedauerliches Wort, wie ich finde. Ich habe nichts Gegenteiliges gehört."

Er wandte sich leicht von Riley ab, als wolle er ihre Anwesenheit ignorieren.

"Ms. Paige––" begann er.

"Agentin Paige", korrigierte Riley.

"Agentin Paige – Ich bin sicher, dass jemand wie Sie sich darüber im Klaren ist, dass die Selbstmordrate unter Studenten in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat. Selbstmord ist mittlerweile die dritthäufigste Todesursache unter Menschen dieser Altersgruppe. Es gibt mehr als tausend Selbstmorde pro Jahr in Colleges."

Er hielt inne, als wolle er die Tatsache sinken lassen.

"Und natürlich", fuhr er fort, "erleben einige Schulen gewisse Cluster in einem bestimmten Jahr. Byars ist eine fordernde Schule. Es ist bedauerlich, aber leider unvermeidbar, dass unser Anteil an Selbstmorden leicht höher liegt."

Riley unterdrückte ein Lächeln.

Die Zahlen, die April am Vortag recherchiert hatte, würden jetzt hilfreich sein.

April würde sich freuen, dachte sie.

Sie sagte, "Der nationale Durchschnitt von College Selbstmorden liegt bei etwa sieben Komma fünf auf hunderttausend. Aber alleine in diesem Jahr haben sich drei Studenten von ihren siebenhundert das Leben genommen. Das ist das Siebenundfünfzigfache des nationalen Durchschnitts."

Autrey zog eine Augenbraue hoch.

"Nun, wie Sie wahrscheinlich wissen, gibt es immer––"

"Ausreißer", sagte Riley, die es wieder schaffte, nicht zu lächeln. "Ja, ich weiß alles über Ausreißer. Trotzdem erscheint mir die Selbstmordrate an Ihrer Schule als äußerst – bedauerlich."

Autrey sah schweigend an ihr vorbei.

"Dekan Autrey, ich habe das Gefühl, dass es Ihnen nicht gefällt, eine FBI Agentin hier zu haben", sagte sie.

"Das tut es tatsächlich nicht", sagte er. "Sollte ich mich anders fühlen? Es ist eine Verschwendung Ihrer und meiner Zeit und auch eine Verschwendung von Steuergeldern. Und Ihre Anwesenheit hier könnte den Eindruck erwecken, es wäre etwas im Argen. Ich kann Ihnen versichern, das ist hier am Byars College nicht der Fall."

Er lehnte sich über seinen Schreibtisch zu Riley.

"Agentin Paige, von welcher Abteilung des FBI kommen Sie genau?"

"BAU, Einheit für Verhaltensanalyse."

"Ah. Direkt neben Quantico. Nun, dann sollten Sie vielleicht im Hinterkopf behalten, dass viele unserer Studenten aus Politikerfamilien kommen. Einige ihrer Eltern haben erheblichen Einfluss auf die Regierung – das FBI eingeschlossen. Ich bin sicher, wir wollen beide nicht, dass diese Art von Sache ihnen zugetragen wird."

"Diese Art von Sache?", fragte Riley.

Autrey drehte sich in seinem Stuhl hin und her.

"Solche Leute könnten dazu tendieren, sich bei Ihren Vorgesetzten zu beschweren", sagte er mit einem bedeutungsvollen Blick.

Riley spürte ein leichtes Unbehagen.

Er schien erraten zu haben, dass sie nicht in offiziellem Auftrag hier war.

"Es ist wohl besser keinen Staub aufzuwirbeln, wo kein Problem besteht", fuhr Autrey fort. "Ich sage das natürlich nur zu Ihrem eigenen Wohl. Es wäre mir ein schrecklicher Gedanke, sollten Sie Probleme mit Ihren Vorgesetzten bekommen."

Riley hätte fast laut aufgelacht.

Probleme mit ihren Vorgesetzten war Routine für sie.

Ebenso wie suspendiert oder gefeuert und wieder eingestellt zu werden.

Das machte Riley keine Angst.

"Ich verstehe", sagte sie. "Alles, um nur nicht dem Ruf der Schule zu schaden."

"Ich bin froh, dass wir uns verstehen", sagte Autrey.

Er stand auf, offensichtlich in der Erwartung, dass Riley gehen würde.

Aber Riley war nicht bereit zu gehen – noch nicht.

"Vielen Dank für Ihre Zeit", sagte sie. "Ich bin sofort weg, nachdem Sie mir die Kontaktinformationen für die Familien der vorangegangenen Selbstmorde gegeben haben."

Autrey starrte auf sie herunter. Riley starrte zurück, ohne sich aus ihrem Stuhl zu bewegen.

Autrey warf einen Blick auf seine Uhr. "Ich habe einen anderen Termin. Ich muss jetzt gehen."

Riley lächelte.

"Ich habe es ebenfalls eilig", sagte sie, mit Blick auf ihre eigene Uhr. "Also je schneller Sie mir die Informationen geben, desto schneller können wir beide mit unserem Tag fortfahren. Ich warte."

Autrey runzelte die Stirn, setzte sich dann aber wieder an seinen Computer. Er tippte ein wenig und dann war sein Drucker zu hören. Er reichte ein Blatt mit den Informationen an Riley.

"Ich fürchte, ich werde mich bei Ihren Vorgesetzten beschweren müssen", sagte er.

Riley bewegte sich immer noch nicht. Ihre Neugier nahm zu.

"Dekan Autrey, Sie haben erwähnt, dass 'Byars Anteil an Selbstmorden leicht höher liegt.' Über wie viele Selbstmorde sprechen wir hier genau?"

Autrey antwortete nicht. Sein Gesicht wurde rot vor Wut, aber er hielt seine Stimme ruhig und kontrolliert.

"Ihre Vorgesetzten beim BAU werden von mir hören", sagte er.

"Natürlich", erwiderte Riley mit trockener Höflichkeit. "Vielen Dank für Ihre Zeit."

Riley verließ das Büro und das Verwaltungsgebäude. Diesmal fühlte sich die kalte Luft erfrischend und belebend an.

Autreys Versuche auszuweichen, hatten Riley davon überzeugt, dass sie ein ganzes Bündel von Probleme gefunden hatte.

Und Probleme waren Rileys Job.

399 ₽
Возрастное ограничение:
16+
Дата выхода на Литрес:
10 октября 2019
Объем:
261 стр. 3 иллюстрации
ISBN:
9781640290679
Правообладатель:
Lukeman Literary Management Ltd
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

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