Читать книгу: «Klausurenkurs im Bürgerlichen Recht II», страница 3

Шрифт:

Anmerkungen

[1]

RGZ 117, 121 ff.

[2]

BGHZ 48, 396 ff.

Fall 1 Rittergut › Gliederung

Gliederung

3


I. Anspruch auf Übereignung des Grundstücks aus § 433 I BGB
1. Formbedürftigkeit des Grundstückskaufvertrags
2. Ausnahmen gem. § 242 BGB
a) Bestimmtheit
b) Schutzwürdiges Vertrauen
c) Erforderlichkeit
aa) Erfordernis der Rechtsprechung: Schlechthin untragbares Ergebnis
bb) Fallgruppenbildung in der Literatur
(1) Arglist
(2) Schwere Treuepflichtverletzung
(3) Existenzgefährdung
cc) Formzwecke als allgemeine Begründung für Ausnahmen von der Nichtigkeit
II. Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB
1. Schuldverhältnis
2. Pflichtverletzung
a) Ehrenwort
b) Verzögerte Information nach Vertragsschluss
3. Vertretenmüssen
4. Schaden und Anspruchsinhalt
5. Mitverschulden
III. Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 I BGB
IV. Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB
V. Anspruch auf Schadensersatz aus § 826 BGB

Fall 1 Rittergut › Lösungswege

Lösungswege
I. Anspruch auf Übereignung des Grundstücks aus § 433 I BGB

Die GmbH könnte einen Anspruch gegen L auf Übereignung des Grundstücks gem. § 433 I BGB haben.

1. Formbedürftigkeit des Grundstückskaufvertrags

4

Hierfür bedarf es eines wirksamen Kaufvertrags. Jeder Vertrag kommt durch eine Einigung, d.h. einander entsprechende Willenserklärungen der Parteien zustande. Dies ist hier unproblematisch im Rahmen des Gesprächs im Kaminzimmer geschehen. Die GmbH wurde dabei durch ihren Geschäftsführer GF nach § 35 GmbHG vertreten. Ein Kaufvertrag liegt somit vor.

Vgl. zu den Einzelheiten der Auslegung von Willenserklärungen Fall 5 „Speisekarte“.

Vgl. zur Vertretungsmacht des GmbH-Geschäftsführers Fall 14 „Speisekarte“

Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, bedarf nach § 311b I BGB der notariellen Beurkundung. Diese ist im vorliegenden Fall unterblieben. Grundsätzlich ist ein mit einem Formmangel behafteter Vertrag nach § 125 BGB nichtig.

2. Ausnahmen gem. § 242 BGB

5

Gestützt auf § 242 BGB könnte die Formnichtigkeit jedoch ausnahmsweise ausgeschlossen sein. Die Einhaltung von Formvorschriften ist grundsätzlich sowohl im Interesse der Rechtssicherheit als auch im Interesse der Parteien unerlässlich. Diese Interessen können aber im Einzelfall in Widerstreit geraten, so dass zwischen der Rechtssicherheit – verwirklicht durch das Gebot der Formstrenge (§ 125 BGB) – einerseits und der Einzelfallgerechtigkeit – verwirklicht durch den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) – andererseits abzuwägen ist. Damit die Formvorschriften nicht ausgehöhlt werden, muss die Durchbrechung des Formenzwangs auf wenige Ausnahmen beschränkt bleiben. Sonst würde über den Umweg von Treu und Glauben den Parteien in gewisser Weise die Wahl der Vertragsform überlassen.

Vertiefungshinweis:

§ 242 BGB kommt eine weit über seinen Wortsinn hinausreichende Bedeutung zu. Er beinhaltet einen das gesamte Rechtsleben beherrschenden Grundsatz: Jedermann hat in Ausübung seiner Rechte und Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. Hintergrund ist der Gedanke, dass einem jeden Recht auch sozialethische Schranken immanent sind. Rechtsprechung und Lehre haben diese Generalklausel durch Bildung von vier Funktionskreisen konkretisiert:[1]


Konkretisierungsfunktion: § 242 BGB regelt die Art und Weise der Leistung.
Ergänzungsfunktion: § 242 BGB dient als Grundlage für Nebenpflichten und ergänzt, soweit vertragliche Abreden und gesetzliche Sonderregelungen fehlen, das Pflichtenprogramm der Parteien.
Schrankenfunktion: § 242 BGB fungiert als allen Rechten und Rechtspositionen immanente Schranke. Hierher gehört das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung, das sich in folgende Fallgruppen untergliedern lässt: – Unredlicher Erwerb der eigenen Rechtsstellung (Entwicklung aus der exceptio doli specialis des römischen und gemeinen Rechts) – Verletzung eigener Pflichten (z. B. bei missbräuchlicher Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung) – Fehlen eines schutzwürdigen Eigeninteresses (z. B. wenn eine Leistung gefordert wird, die alsbald zurückzugewähren wäre: dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est) – Geringfügige Interessenverletzung/Unverhältnismäßigkeit – Widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium)
Korrekturfunktion: § 242 BGB dient als Grundlage für die Inhaltskontrolle von Verträgen, z. B. für den zwischenzeitlich in § 313 BGB kodifizierten Wegfall der Geschäftsgrundlage.

a) Bestimmtheit

6

Zunächst muss es sich um ein, abgesehen vom Formmangel, gültiges Rechtsgeschäft mit hinreichend bestimmtem Inhalt handeln.[2] Das ist beim Kauf des Ritterguts zu bejahen, da Kaufpreis und Kaufobjekt klar bezeichnet werden können.

b) Schutzwürdiges Vertrauen

7

Ferner muss die Partei, die am Rechtsgeschäft festhalten will – also die GmbH, vertreten durch GF – auf die Formgültigkeit des Vertrags vertraut haben.[3] Problematisch ist jedoch, dass im vorliegenden Fall beide Parteien den Formmangel kannten. GF hat L sogar explizit auf die Nichtigkeit hingewiesen. Auf der anderen Seite war L zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch erfüllungsbereit und hat GF unter Hinweis auf seine adelige Abstammung die Erfüllung des formungültigen Vertrags ausdrücklich zugesichert und auf der Nichtbeurkundung bestanden.

Ergänzender Hinweis:

Im vorliegenden Fall kommt es entscheidend darauf an, dass beide Parteien den Formmangel kannten. Denkbar sind auch andere Fallkonstellationen, z. B. dass entweder keine Partei den Formmangel kannte oder nur eine Partei um ihn wusste. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf das schutzwürdige Vertrauen, sondern auch auf die restliche Falllösung.[4]

Wie bereits in der Vorbemerkung erwähnt, wurden vergleichbare Konstellationen in der Rechtsprechung unterschiedlich entschieden. Der Sachverhalt der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist in den wesentlichen Punkten identisch mit dem des Reichsgerichts. In der RG-Entscheidung berief sich der Beklagte auf seine adelige Abstammung, in der BGH-Entscheidung verwies das beklagte Unternehmen auf seine Bedeutung und sein Ansehen, mithin seine kaufmännische Ehrbarkeit. In beiden Fällen räumte somit der eine Vertragsteil seinem Wort ein besonderes Gewicht ein und sagte dadurch in besonders nachdrücklicher Weise die Erfüllung des an sich formnichtigen Vertrags zu. Er versicherte damit explizit, sich nicht auf die Unwirksamkeit zu berufen.

Das Reichsgericht lehnte eine Anwendung von § 242 BGB ab, da der Vertragspartner sich nicht in einem Irrtum über die rechtliche Notwendigkeit der Form befand: Wer sich auf einen formungültig geschlossenen Vertrag bewusst einlasse, der müsse auch das Risiko tragen, dass es sich sein Vertragspartner im Nachhinein anders überlege und vom Vertrag Abstand nehmen wolle. Der Irrtum über die rechtliche Notwendigkeit der Form könne nicht durch einen tatsächlichen Irrtum darüber ersetzt werden, ob im gegebenen Fall die Zusage – auch wenn nur formlos erteilt – erfüllt werde.[5] Flume formuliert hierzu plakativ: „Wer sich statt auf das Recht auf ein ‚Edelmannswort‘ verläßt, muss es hinnehmen, wenn der ‚Edelmann‘ sein Wort nicht hält.“[6]

Der BGH stellte dagegen darauf ab, dass es im konkreten Fall dem Angestellten aufgrund der Autorität seines früheren Arbeitgebers „nahezu unmöglich war“, auf der Einhaltung der gesetzlichen Form zu bestehen.[7] Dieses Argument passt vorliegend weniger. Eine derartige Machtstellung stand L gegenüber der GmbH nicht zu. Zwar war die GmbH finanziell angeschlagen und das Golfplatzprojekt hätte ihre Rettung bedeuten können. Aber auch L ist zum Zeitpunkt des Kamingesprächs in finanziellen Nöten. Wahrscheinlich hätte GF mit etwas mehr Fingerspitzengefühl die Einhaltung der Form erreichen können – z. B. mit der Argumentation, dass er leider doch auf eine notarielle Beurkundung bestehen müsse, etwa weil er an dienstliche Vorschriften gebunden sei, von denen er nicht abweichen dürfe und dass dies nichts mit der Person des L zu tun habe.

Es spricht deshalb einiges dafür, bereits das schutzwürdige Vertrauen der GmbH zu verneinen. Ein wirksamer Vertrag ist dann zu verneinen und die GmbH könnte allenfalls Schadensersatzansprüche geltend machen (vgl. hierzu den weiteren Lösungsweg unter II.).

c) Erforderlichkeit

Bejaht man dagegen – auch das ist vertretbar – ein schutzwürdiges Vertrauen auf Seiten der GmbH, so fragt sich, ob ein Rückgriff auf § 242 BGB erforderlich ist.

aa) Erfordernis der Rechtsprechung: Schlechthin untragbares Ergebnis

8

Die Berücksichtigung des Formmangels muss hierfür nicht nur zu einem für eine Partei harten, sondern zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen. Anderenfalls würde die Rechtssicherheit aus bloßen Billigkeitsgesichtspunkten außer Acht gelassen. Ausnahmen von der Formnichtigkeit sind deshalb nur zuzulassen, wenn es nach den Beziehungen der Parteien und den gesamten Umständen mit Treu und Glauben unvereinbar wäre, das Rechtsgeschäft am Formmangel scheitern zu lassen. Das ist nicht der Fall, wenn der bei einem nichtigen Vertrag bestehende Rechtsschutz (z. B. über culpa in contrahendo und Bereicherungsrecht) die berechtigten Interessen der schutzbedürftigen Partei ausreichend sichert.[8]

Hinweis zum Aufbau:

Hier stellt sich für die Studierenden ein Problem, das im Gutachtenaufbau begründet liegt. Anders als die Rechtsprechung kann man in der Klausurlösung nicht bei den Ansprüchen aus culpa in contrahendo beginnen, sondern muss mit den Ansprüchen aus Vertrag anfangen. Falllösungstechnisch bieten sich nun zwei Wege an: Entweder können inzident die Voraussetzungen der culpa in contrahendo geprüft werden. Oder man fährt mit der Prüfung des vertraglichen Anspruchs ohne Inzidentgutachten fort. Für Letzteres bietet sich das folgende Argument an: Ansprüche aus culpa in contrahendo richten sich im Allgemeinen auf das negative Interesse. Liegt im vorliegenden Fall jedoch ein schlechthin untragbares Ergebnis vor, so ist das Rechtsgeschäft als gültig zu behandeln und es besteht ein Erfüllungsanspruch. Ein Schadensersatzanspruch lässt das berechtigte Interesse somit nicht entfallen. Dieser zweite Weg erscheint vorzugswürdig, da das Gutachten dann nicht verschachtelt aufgebaut werden muss (vgl. zum Anspruchsinhalt bei culpa in contrahendo aber auch die weitere Falllösung unter II).

bb) Fallgruppenbildung in der Literatur

9

In der Literatur findet die Formel des BGH vom schlechthin untragbaren Ergebnis keine ungeteilte Zustimmung, sondern wird teilweise als bloße Leerformel betrachtet. Es werden deshalb Fallgruppen gebildet:[9]

(1) Arglist

10

Wenn eine Partei die andere von der Wahrung der Form abgehalten hat, um sich später auf den Formmangel berufen zu können, ist der Vertrag als gültig anzusehen.[10] Die schuldhafte, aber nicht arglistige Verursachung des Formmangels reicht zur Anwendung des § 242 BGB allerdings nicht.

Genau so liegt aber der vorliegende Fall: L hielt GF zwar absichtlich von der Wahrung der Form ab, handelte dabei aber nicht arglistig, da er zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erfüllen und sich nicht auf den Formmangel berufen wollte.

(2) Schwere Treuepflichtverletzung

11

Die Annahme einer schweren Treuepflichtverletzung ist in der Rechtsprechung sehr fallbezogen, nicht widerspruchsfrei und deshalb schwer zu systematisieren.[11] Bejaht wurde sie beispielsweise dann, wenn eine Partei in schwerwiegender Weise gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) verstoßen hat, etwa dadurch, dass sie die Erfüllung der von ihr übernommenen Verpflichtung verweigert, nachdem sie die Vorteile der formunwirksamen Vereinbarung in Anspruch genommen hat.[12]

Im vorliegenden Fall könnte eine Treuepflichtverletzung darin bestehen, dass L den Formmangel unter Hinweis auf seine adelige Abstammung verursacht hat. Statt sich an sein eigenes Versprechen zu halten, beruft er sich später auf die Formnichtigkeit. Damit nimmt er aber nur das Recht wahr, das ihm § 125 BGB einräumt. Sein Motiv hierfür bildet das unerwartete Vermächtnis, das die wirtschaftliche Notwendigkeit für den Verkauf des sich seit mehreren Jahrhunderten im Familienbesitz befindlichen Anwesens entfallen lässt. Damit hatte L ein schwerwiegendes ideelles Interesse, das für ihn den Ausschlag gab, sich schließlich doch auf den Formmangel zu berufen. Auf der anderen Seite könnte es fraglich sein, ob sich L gerade auf dieses ideelle Interesse stützen darf, gab er doch durch sein vorhergehendes Verhalten zu verstehen, dass ihm viel an dem ebenfalls ideellen Wert seiner Ehre gelegen ist. Mit guter Argumentation kann an dieser Stelle beides vertreten werden.

(3) Existenzgefährdung

12

Nach Ansicht eines älteren BGH-Urteils soll ein Vertrag als gültig anzusehen sein, wenn seine Nichterfüllung dazu führen würde, dass die wirtschaftliche Existenz einer Partei gefährdet oder vernichtet würde.[13] Allgemein wird aber vorausgesetzt, dass diese Partei gutgläubig auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts vertraut hat. Dies ist hier gerade nicht der Fall, da GF von der Beurkundungspflicht wusste. Nimmt man diese Einschränkung nicht vor, könnte sich ein anderes Ergebnis vertreten lassen. Laut Sachverhalt braucht die GmbH das Projekt dringend, sonst muss sie Insolvenz anmelden. Weiter erfährt man, dass die GmbH durch das Projekt mindestens einen Reingewinn in Höhe von € 750.000 erzielt hätte, den sie nun nicht realisieren kann. Dadurch eröffnet sich ein gewisser Argumentationsspielraum.

Allerdings ist die Berechtigung dieser Fallgruppe zu hinterfragen. Die finanziellen Auswirkungen einer Rechtshandlung für die andere Seite muss eine Partei ohne besondere Umstände nicht berücksichtigen, anderenfalls könnte man mit diesem Argument jegliches Subsumtionsergebnis revidieren. Eine, wenn auch erhebliche, Einbuße kann deshalb nicht für eine Anwendung von § 242 BGB genügen. Eine Existenzgefährdung müsste voraussetzen, dass das erzielte Ergebnis schlechthin untragbar ist. Wann diese Grenze erreicht ist, ist allerdings schwer zu sagen, was ein weiteres Argument gegen eine solche unspezifische Fallgruppe ist.

Der vorliegende Sachverhalt enthält jedenfalls für eine Existenzgefährdung in diesem Sinne nur wenige Anhaltspunkte.

Es spricht deshalb vieles dafür, dass ein Rückgriff auf § 242 BGB nicht angezeigt und folglich von der Unwirksamkeit des Vertrags auszugehen ist.

cc) Formzwecke als allgemeine Begründung für Ausnahmen von der Nichtigkeit

13

Ein anderer Ansatzpunkt zur Konkretisierung des § 242 BGB ist es, auf den jeweiligen Zweck des Formerfordernisses abzustellen.[14]

Die Pflicht zur notariellen Beurkundung bei Veräußerung oder Erwerb eines Grundstücks verfolgt mehrere Zwecke: Zunächst soll sie die Parteien auf die Bedeutung des Geschäfts aufmerksam machen und vor dem Eingehen einer übereilten Verpflichtung oder unüberlegten Bedingungen schützen (Warnfunktion). Ferner soll sie den Beweis des Zustandekommens und des Inhalts der getroffenen Vereinbarung sicherstellen (Beweisfunktion). Daneben soll die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts gewährleistet (Gültigkeitsgewähr) und eine sachgemäße Beratung der Parteien sichergestellt werden (Beratungsfunktion).[15]

Sieht man den vorrangigen Normzweck des § 311b I BGB im Übereilungsschutz und dem Interesse der Parteien an sachkundiger Beratung und Belehrung, könnte man bei vorsätzlicher Verursachung des Formmangels durch eine Partei an eine Ausnahme vom grundsätzlichen Formerfordernis denken.

L entschloss sich laut Sachverhalt nur schweren Herzens zum Verkauf seines Anwesens, was darauf hindeutet, dass er jedenfalls keinen übereilten Entschluss gefällt hat. In seinem Verhalten im Kaminzimmer könnte deshalb durchaus ein Verzicht auf den Schutz der notariellen Beurkundung gesehen werden, weswegen eine Berufung seinerseits auf den Formmangel ausscheiden könnte. Dieses Ergebnis würde noch dadurch unterstrichen, dass auch für die GmbH sowohl Warn- als auch Beratungsfunktion keine wesentliche Rolle spielten. Da das Projekt auch für die GmbH sehr wichtig ist, hätte GF beim Notar ebenfalls keinen Abstand vom Vertrag genommen. Die Normzwecke würden einer Ausnahme von der Nichtigkeit somit nicht entgegenstehen.

Diese Argumentation birgt allerdings die große Gefahr, durch die Konstruktion eines abstrakten Ausnahmetatbestands die Formvorschrift letztlich doch zur Disposition der Parteien zu stellen. Mit einer Begründung über die Formzwecke sollte deswegen besonders vorsichtig umgegangen werden und auf die zuerst dargestellten Kriterien der Bestimmtheit, des schutzwürdigen Vertrauens und der Erforderlichkeit nicht verzichtet werden.

Im Ergebnis liegt es deshalb näher, einen wirksamen Vertrag und damit einen Erfüllungsanspruch aus § 433 I BGB zu verneinen.

14

Ergänzender Hinweis:

Verwehrt man dagegen – ebenfalls vertretbar – L mit einer der aufgezeigten Argumentationslinien, sich auf die Formnichtigkeit zu berufen, gilt der Kaufvertrag als wirksam geschlossen. Zu überlegen ist dann, ob sich L von diesem Vertrag wieder lösen kann:

Es erscheint kaum vertretbar, dass L den Kaufvertrag durch Irrtumsanfechtung gem. § 119 BGB rückgängig machen kann. Zu dem Zeitpunkt, als er sein Ehrenwort gab, war für ihn ausschlaggebender Beweggrund für den Vertragsschluss seine angeschlagene finanzielle Situation. Diese hat sich durch den unvorhergesehenen Umstand des plötzlichen Vermächtnisses zum Positiven gewandelt, so dass er nicht mehr zum Verkauf seines Grundstücks gezwungen ist. Dabei handelt es sich aber um einen unbeachtlichen Motivirrtum.[16]

In Betracht zu ziehen ist ein Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB. Dazu müsste die gleichbleibend (schlechte) finanzielle Situation des L Teil der Geschäftsgrundlage geworden sein. Unter dem Begriff Geschäftsgrundlage werden objektive und subjektive Geschäftsgrundlage zusammengefasst. Zur subjektiven Geschäftsgrundlage gehören die bei Abschluss des Vertrags zutage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut. Zur objektiven Geschäftsgrundlage gehören diejenigen Umstände und allgemeinen Verhältnisse, deren Vorhandensein oder Fortdauer objektiv erforderlich ist, damit der Vertrag im Sinn der Intentionen beider Vertragsparteien noch als eine sinnvolle Regelung bestehen kann.

Abzugrenzen sind die Umstände, die zur Geschäftsgrundlage geworden sind, von den einseitigen Erwartungen einer Partei, die allein für deren Willensbildung maßgeblich waren. Diese gehören nur dann zur Geschäftsgrundlage, wenn sie in den dem Vertrag zugrunde liegenden gemeinschaftlichen Geschäftswillen beider Parteien aufgenommen wurden. Dazu genügt nicht, dass eine Partei der anderen ihre Erwartungen bei den Vertragsverhandlungen mitteilt. Entscheidend ist vielmehr, ob das Verhalten der anderen Partei als bloße Kenntnisnahme oder als Einverständnis und Aufnahme der Erwartungen in die gemeinsame Grundlage des Geschäftswillens zu verstehen ist.[17]

L hat während des Gesprächs im Kaminzimmer zwar offengelegt, dass er wegen Geldmangels gezwungen sei, sein Anwesen zu verkaufen. Hierauf ist GF in seiner Antwort aber nicht eingegangen, sondern hat L lediglich zu beschwichtigen versucht. Welcher Beweggrund für den Verkauf des Ritterguts ausschlaggebend war, blieb für GF ohne Bedeutung. Damit hat er den Umstand der Geldknappheit des L lediglich zur Kenntnis genommen, ihn aber nicht in die gemeinsame Grundlage des Geschäftswillens übernommen.

Nimmt man einen formwirksamen Kaufvertrag an, muss L sich somit an diesem auch festhalten lassen. Die GmbH kann Erfüllung (Auflassung des Grundstücks und Eintragung im Grundbuch) verlangen. Die Prüfung ist damit beendet. Schadensersatzansprüche sollten gleichwohl hilfsgutachterlich geprüft werden, auch wenn die Aufgabenstellung dies nicht explizit verlangt. Der Sachverhalt ist auf die Erörterung auch des Anspruchsinhalts angelegt.

Vgl. zum Wegfall der Geschäftsgrundlage auch Fall 6 „Erkerzimmer“ und Fall 7 „Erbensucher“.

2 385,54 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
717 стр. 13 иллюстраций
ISBN:
9783811492714
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают