Читать книгу: «Heiße Küsse & eine neue Kulisse»
Heiße Küsse & und eine neue Kulisse
von
Kathrin Fuhrmann und Bettina Kiraly
Band 2
Impressum
© dead soft verlag, Mettingen 2020
© the authors
Cover: Irene Repp
http://www.daylinart.webnode.com
Bildrechte:
© Eyes Travelling – shutterstock.com
© FX Quadro – shutterstock.com
1. Auflage
ISBN 978-3-96089-401-8
ISBN 978-3-96089-402-5 (epub)
Inhalt:
Die Beziehung zwischen Patrick Harris und dem Millionär Angus McLean scheint endlich ruhigeren Zeiten entgegenzusehen. Würden Angus' übertriebener Beschützerinstinkt und seine unerwünschten, kostspieligen Geschenke nicht für Turbulenzen sorgen. Dass Patrick mit einem für seine wechselnden Affären mit Männern und Frauen bekannten Schauspieler vor die Kamera darf, ist auch nicht hilfreich, die Eifersucht des Schotten zu mildern.
Als ein von Angus' Familie vertuschtes Geheimnis ans Licht kommt, wird die Liebe von Millionär und Model auf die Probe gestellt. Können die beiden ihre Probleme aus der Welt schaffen? Gelingt es ihnen, die neuen Gegebenheiten mit ihrem gemeinsamen Leben zu vereinbaren?
Kapitel 1
„Hast du das gelesen? Die halten mich für einen Parasiten!“ Wütend ballte Patrick die Hände zu Fäusten. Am liebsten hätte er Konfetti aus der Zeitung gemacht, die so einen Blödsinn druckte. Er wollte sie zerfetzen und die Fitzelchen dann im Kamin des kleinen Hauses auf Garbh anzünden.
Angus zuckte mit den Schultern. „Nimm dir das nicht so zu Herzen.“
„Aber die behaupten, ich würde mich von dir aushalten lassen! Als würde Geld die Hauptrolle in unserer Beziehung spielen!“
„Sie kennen uns nicht. Das, was uns verbindet, können sie nicht beurteilen. Also vergiss es einfach.“
Patrick lachte bitter auf. „Als könntest du das!“
Mit besorgtem Gesichtsausdruck erhob Angus sich und kam auf Patrick zu. Er lächelte schief und legte eine Hand an die Wange seines Freundes. „Ich liebe dich. Nichts anderes zählt.“
„Leider stimmt das nicht. So sehen uns die Leute, mit denen wir beruflich Tag für Tag zu tun haben. Das haben die Menschen bei unserem Anblick im Kopf. Wir müssen etwas tun.“
Der großherzige Schotte, der sein Herz erobert hatte, hob eine Augenbraue. „Wie willst du dieses Geschmiere stoppen? Wie willst du die Presse daran hindern, die Wahrheit zu verdrehen?“
„Keine Ahnung“, gestand Patrick. „Ich habe allerdings nicht vor, diesen Mistkerlen das durchgehen zu lassen. Die kennen uns nicht. Da hast du recht. Vielleicht sollten wir das ändern.“
„Was schwebt dir vor?“ Angus klang alarmiert.
„Wir steuern, was sie über uns berichten. Neil wird mit ein paar Talkshows Kontakt aufnehmen. Ich wollte schon immer mal zu Ellen. Vielleicht sind wir gemeinsam interessant genug. Wir könnten eine Homestory machen. Anfragen gibt es genug. Bestimmt finden wir jemanden, der mit seinem Team hier raus kommt, wenn er dann private Einblicke in unser Leben erhält. Garbh kann sich von seiner schönsten Seite zeigen.“
„Dem stimme ich nicht zu.“ Sein Geliebter schüttelte den Kopf. „Das hier ist mein Rückzugsort. Der einzige Platz, an dem ich Ruhe finde. Ich will nicht, dass neugierige Journalisten alles auf den Kopf stellen.“
Augenrollend schnaubte Patrick. „Das hat dich letztes Jahr weder daran gehindert, ein Kamerateam einzuladen, noch mich einem Produzenten vorzuführen wie eine preisgekrönte Kuh.“
Verärgerung zeigte sich auf Angus’ Gesicht. Er senkte den Arm und ging auf Abstand. „Du bist gemein.“
„Möglich, aber es entspricht der Wahrheit. Wenn es dir in den Kram passt, holst du Fremde hierher. Doch wenn es darum geht, meinen Ruf zu verteidigen, spielst du die Einsiedlerkarte aus.“
„Wäre es dir lieber, ich hätte nicht zugestimmt, das Fotoshooting hier abzuhalten, das dich in mein Leben gebracht hat? Würdest du es ungeschehen machen, wenn es möglich wäre?“
Darüber musste Patrick nicht nachdenken. „Natürlich nicht! Ich liebe dich. Ich bin froh, dich zu haben, auch wenn du manchmal der typische, sture Schotte bist.“
„Sagt der verwöhnte Stadtjunge!“
„Der Tiefschlag war auch nicht nötig. Immerhin stecken wir wegen dir in diesem Schlamassel.“
Angus riss die Augen auf. „Wie bitte?“
Offensichtlich hatte er tatsächlich keine Ahnung. Patrick bekämpfte seine Verärgerung. „Du übertreibst!“
„Womit?“
„Mit allem! Mit deinen Geschenken! Mit deinen Gesten! Mit deiner Kontrollsucht!“
„Erklär mir lieber, was du damit meinst, bevor ich wirklich sauer werde“, forderte der Mann, dessen Millionen den ganzen Ärger erst verursacht hatten.
„Du gibst ständig Geld für mich aus. Du schenkst mir Zeug, organisierst teure Urlaube, willst mir eine Zukunft in der Filmindustrie erkaufen. Kein Wunder, dass die Welt denkt, ich würde mich von dir aushalten lassen.“
„Ich will für dich sorgen. Du sollst die Wahl haben. Wenn du nicht länger halbnackt vor der Kamera posieren willst, möchte ich dir eine Alternative bieten.“
Patrick kniff die Augen zusammen. „Dafür bist nicht du zuständig. Ich kann mich durchaus selbst um meine Zukunft kümmern. Das heißt nicht, dass ich nicht zu schätzen weiß, wie sehr du dich für mich ins Zeug legst. Natürlich ist es bis zu einem gewissen Maß schmeichelhaft, wenn du alles daran setzt, mir Wünsche zu erfüllen, bevor ich sie selbst kenne. Ich verstehe, warum es dir ein Bedürfnis ist, mir Gutes zu tun. Dir bedeutet Geld nichts als eine Möglichkeit, die Menschen in deiner Umgebung zu verwöhnen. Du musst dir keine Gedanken um deine Finanzen machen. Du hast genug Geld auf dem Konto. Selbst wenn du ab dem heutigen Tag niemals wieder arbeiten würdest, könntest du ohne Sorgen den Rest deines Lebens hier auf Garbh verbringen. Das, was du für mich ausgibst, nimmst du aus der Portokasse. Was es nicht weniger bedeutungsvoll macht, wenn du mir etwas schenkst.“
„Ein Glück, dass du das so siehst. Es wäre zu schade, wenn du ein schlechtes Gewissen hättest, wenn ich mir ein paar Tage exklusiven Urlaub mit dir gönnen will. Wie solltest du sonst genießen können, was ich dir ermögliche?“ Angus’ Stimme troff vor Spott.
„Ich sagte doch, dass ich es zu schätzen weiß. Auf den Rest der Welt wirkt es allerdings, als würdest du es tun, um mich zu halten. Gerne verzichte ich auf übertriebenen Luxus, wenn ich nur unbehelligt mit dir glücklich sein darf. Ganz mittellos bin ich nämlich auch nicht.“
„Streiten wir uns ernsthaft, weil wir beide zu viel Geld besitzen?“, fragte sein Geliebter.
Patrick schüttelte den Kopf. „Nein, wir streiten, weil du zu viel Geld für mich ausgibst. Wie wäre es, wenn wir unseren nächsten Urlaub getrennt bezahlten?“
Der Mann, den er liebte, lachte trocken auf. „Denkst du, die Presse findet das heraus? Oder willst du ihnen unsere Kontoauszüge schicken? Glaubst du wirklich, das wird die nächste Schlagzeile?“
„Warum sollte es die Leute nicht interessieren?“
„Weil sie lieber über einen Skandal lesen als über ein glückliches Paar. Sollten sie tatsächlich recherchieren und diese Tatsache für erwähnenswert halten, würden sie die Geschichte verdrehen. Sie würden behaupten, wir hätten Probleme und würden uns auf eine Trennung vorbereiten.“
„Blödsinn.“ Patrick wollte einfach nicht glauben, dass sie keine Chance hatten, der Öffentlichkeit ihre Beziehung zu erklären. „Dann machen wir die Homestory, auch wenn du kein Fan davon bist. Ich gebe ein paar Interviews. Es wäre großartig, wenn du mich begleiten würdest. Dann werden die Leute sehen, dass sie uns falsch einschätzen. Ich werde nicht tatenlos bleiben, wenn die unsere Liebe in den Dreck ziehen.“
Ein Klopfen ertönte an der Tür von Angus’ Arbeitszimmer. Bevor einer von ihnen die Gelegenheit hatte, den Störenfried hereinzubitten, öffnete sich die Tür und Mrs Vance trat ein.
„Soll ich vielleicht jetzt schon den Tee bringen?“, fragte sie.
„Nein!“, antworteten Angus und Patrick gleichzeitig. Wenigstens waren sie in diesem Punkt einer Meinung.
Mrs Vance räusperte sich und sah von einem zum anderen. „Ich habe den Eindruck, als würde eine kleine Pause die Situation etwas entschärfen.“
Patrick warf ihr einen bösen Blick zu. „Nicht jetzt, Mrs Vance.“
„So ein warmer, beruhigender Tee mit ein paar Keksen wirkt manchmal Wunder. Danach sieht man die Welt in einem anderen Licht. Dann merkt man, dass es egal ist, was die Öffentlichkeit denkt, solange man selbst zufrieden ist.“
„Mir ist bewusst, dass Sie nur helfen wollen“, sagte Patrick mit bemüht ruhiger Stimme, obwohl er am liebsten gebrüllt hätte. „Ihre Einmischung macht allerdings alles nur noch schlimmer. Bitte lassen Sie uns allein.“
„Mr McLean …“ Sie suchte Angus’ Blick.
Natürlich wandte sie sich an ihren Boss. Sie würde immer auf seiner Seite sein. Patrick war in ihren Augen nicht mehr als ein nörgelnder Junge. Sie mochte ihn, wenn die Beziehung zwischen Angus und ihm reibungslos verlief. Sobald es allerdings Schwierigkeiten gab, hatte Patrick jedes Mal den Eindruck, sie würde ihm die Schuld daran geben.
Verärgert verschränkte er die Arme vor der Brust. „Na, Mr McLean? Magst du vielleicht deinen Tee? Dann sollst du natürlich bekommen, wonach dir der Sinn steht.“
Angus seufzte hörbar. „Tut mir leid, Mrs Vance. Der Tee muss warten. Lassen Sie uns bitte allein.“
Die alte Dame nickte und zog sich dann zurück.
„Alle Welt hält mich für einen Schmarotzer“, beschwerte sich Patrick. „Sogar Mrs Vance ist auf deiner Seite.“
„Es geht doch nicht darum, für einen von uns Partei zu ergreifen.“ Mit langen Schritten trat Angus hinter ihn, legte ihm die Hände auf die Schultern und dirigierte ihn zum Stuhl vor seinem Schreibtisch. Darauf drückte er ihn nieder und setzte sich ihm gegenüber hin. Dann griff er nach seiner Hand. „Ich liebe dich. Wenn ich könnte, würde ich dir die Welt zu Füßen legen. Scheiß drauf, was die Leute davon halten. Du bist mir wichtig. Ich will sichergehen, dass es dir gut geht. Das kannst du mir nicht verbieten. Ich verspreche, mich ein wenig zurückzuhalten. Können wir uns darauf einigen, dass du mir zugestehst, dich hin und wieder zu verwöhnen?“
Patrick gab sich einen Ruck und nickte. „Wehe, du übertreibst es noch mal.“
Angus’ Mundwinkel hoben sich. „Werde ich nicht.“
„Keine überraschenden Besucher mehr, die meiner Karriere förderlich sein sollen.“
„Aber …“
„Nein, Angus. Ich will nicht, dass du mich vor vollendete Tatsachen stellst. Sprich mit mir darüber, bevor du irgendwelche Strippen ziehst. Gib mir die Möglichkeit, dir meine Meinung zu einer Idee mitzuteilen, bevor du sie in die Tat umsetzt.“
„In Ordnung.“ Angus klang bei diesen beiden Worten so enttäuscht, dass Patrick lachen musste.
„Ich bin froh, dass die Sache mit J.J. Abrams nicht geklappt hat“, stellte er fest. „Wenigstens ist mir dadurch die Peinlichkeit entgangen, von der Presse dafür zerrissen zu werden.“
„Wie kannst du so etwas sagen, nachdem ich mir die ganze Mühe gemacht habe, ihn auf die Insel zu lotsen und ihn zu bitten, dir eine Chance einzuräumen?“
Patrick gab einen erstickten Laut von sich. Warum wollte dieser sture Schotte ihn nicht verstehen? Weshalb gelang es diesem wundervollen Mann nicht, die Kontrolle abzugeben und Patrick seinen eigenen Weg gehen zu lassen? Offensichtlich hatte die lange Einsamkeit ihn vergessen lassen, wie man mit seinen Mitmenschen umging.
„Nein, nicht wieder von vorne“, bat Patrick. „Ich diskutiere nicht mit dir darüber, wieso du damit übertrieben hast. Das musst du schon selbst erkennen.“
„Vitamin B hat noch niemandem geschadet“, setzte Angus noch einmal an. „Alles Talent nutzt nichts, wenn es nicht gesehen wird. Erfolg wird nur von einem kleinen Teil Können ermöglicht. Zusätzlich braucht es noch eine Portion Glück und die Hilfe von jemandem aus der Branche. Warum solltest du es dir unnötig schwer machen?“
„Weil ich glaube, dass ich es auch allein schaffe. Es gibt noch andere Regisseure da draußen, die jetzt wissen, dass ich Interesse daran hätte, in die Filmindustrie zu wechseln. Dank meiner Bekanntheit als Model will vielleicht einer von ihnen herausfinden, ob ich überhaupt Talent als Schauspieler besitze.“
Angus stand auf. „Schön, dass du einen Plan hast. Möglicherweise kannst du schon bald den Stein ins Rollen bringen. Wir müssen Garbh ohnehin für ein paar Tage verlassen. Probleme im Familienunternehmen erfordern meine Anwesenheit auf dem Festland. Du kannst deine Interviews machen, während ich mich um die Geschäfte kümmere. Und ganz nebenbei lernst du meine Familie kennen.“
Diese Vorstellung jagte Patrick einen gehörigen Schrecken ein. Aus den Erzählungen seines Geliebten hatte er einen sehr deutlichen Eindruck von den Leuten erhalten, die Angus Familie nannte. Wollte er sich deren Urteil tatsächlich stellen?
„Ist es dafür nicht etwas früh?“, fragte er mit kratziger Stimme.
„Wir sind seit einem Jahr ein Paar. Wie lange willst du noch warten?“
Er zuckte mit den Schultern. „Fünf, sechs Jahre? Ich weiß, was du meinst. Wenn es allerdings Probleme mit dem Familienunternehmen gibt, sind deine Angehörigen sicherlich nicht erfreut, wenn du mit einem Fremden anreist.“
„Du bist kein Fremder. Du bist mein Freund.“
„Mit dem du gerade noch gestritten hast“, erinnerte Patrick.
Angus zuckte mit den Schultern. „Eine kleine Meinungsverschiedenheit. Nichts, weshalb wir uns trennen würden. Unsere Liebe übersteht so eine kleine Krise doch unbeschadet. Oder täusche ich mich da?“
Es gab vieles, das im Moment ungewiss war. Patrick wusste nicht, wie er seine Karriere fortführen wollte. Er hatte keine Ahnung, wie er mit der Presse umgehen sollte. Dass er Angus in seinem Leben haben wollte, stand allerdings außer Frage.
„Ich liebe dich“, sagte er. „Wenn du in nächster Zeit nicht unnötig mit Geld um dich wirfst, haben wir beide auch keine Reibungspunkte mehr. Aber lass mich in Ruhe überlegen, ob ich schon bereit bin, deine Familie kennenzulernen.“
Er merkte selbst, dass das nicht sonderlich nett klang. Doch Angus grinste nur grimmig. „Sei ruhig nervös. Vorsicht ist angebracht. Das werden bestimmt die anstrengendsten Tage deines Lebens.“
Nicht sonderlich aufmunternd. Die Muskeln in seinem Gesicht spannten sich an.
„Meine Familie ist eigen. Wundere dich nicht über ihr unmögliches Verhalten mir gegenüber. Leider können wir uns nicht ewig vor ihnen verstecken. Besonders wenn wir vorhaben, den Rest unseres Lebens zusammen zu verbringen.“
Patrick gab vor zu überlegen. „Tut mir leid. Ich finde kein Argument, das dagegenspricht, dass wir uns weiterhin von ihnen fernhalten.“ Dann seufzte er. „Nein, du hast schon recht. Wir wissen schließlich, wofür wir kämpfen.“
Sein Geliebter hob eine Augenbraue. „Das mit dem Kampf könnte zutreffender sein, als du dir jetzt vorstellst.“
„Ich werde schon irgendwann lernen, das Geschmiere der Presse nicht zu nah an mich ranzulassen. Die Meinung deiner Familie wird mir allerdings nie egal sein.“
Angus öffnete den Mund, um etwas einzuwerfen, doch Patrick schüttelte den Kopf. „Sie gehören zu deinem Leben. Sie sollen mich von meiner besten Seite kennenlernen. Du musst die Probleme in deiner Firma klären, damit du mir für ein paar Monate nach New York folgen kannst. Ich steuere meine Karriere wieder in die richtige Richtung. Dann kann ich nächstes oder übernächstes Jahr eine längere Auszeit nehmen, um mit dir auf Garbh zu leben. Und in ein paar Jahren, wenn wir von dem ganzen Trubel genug haben, kaufen wir uns das Häuschen am Strand in Spanien …“
„… oder Frankreich“, warf Angus ein.
„… von dem wir beide Träumen. Nur wir beide, Sonne, Strand und das Meer. Und das für den Rest unserer Tage. Hin und wieder Besuche in Museen, in denen du mir von den Künstlern erzählen kannst, die du liebst, oder Reisen zu klassischen Konzerten. Ab und an ein Ausflug nach Amerika, wo ich aus dir einen echten Cowboy mache und dir Westernreiten und Schießen beibringe. Das ist alles, was ich mir für meinen Ruhestand wünsche.“
„Ich kann es kaum erwarten.“ Angus strahlte ihn an und plötzlich verschwanden Patricks Sorgen in den leuchtenden Augen seines Geliebten.
Kapitel 2
Die Limousine bog in das Rondell vor dem betagten Gebäude ab und verlor dabei an Geschwindigkeit. Highcomb ragte vor ihnen auf und warf seinen düsteren Schatten voraus – oder besser: eine Vorahnung, wie sich dieser Besuch gestalten sollte. Angus runzelte die Stirn und verbat sich die düsteren Gedanken. Zwar war jede Heimkehr mit einem schalen Geschmack begleitet, aber dieses Mal war ihm sogar noch unbehaglicher zumute.
Der Wagen blieb stehen, und Patricks Nervosität nahm Überhand. Sein Griff brach Angus’ Finger beinahe. Er atmete tief durch. „Das ist eine bescheuerte Idee.“
Seine Stimme trug seine Befürchtungen, was Angus einen Schauer über den Körper jagte, der zur Abwechslung mal unangenehm war. Dennoch hob er die Mundwinkel, drehte sich mit einem nicht ehrlichen, aber beruhigenden Lächeln zu seinem Liebsten um und erwiderte den Druck seiner Finger sanft.
„Schatz, es bedeutet mir unendlich viel, dass du mich begleitest.“ Und das war keinesfalls gelogen. „Meine sexuelle Orientierung ist allgemein bekannt, wenn auch nicht akzeptiert. Ich will dir keine falschen Hoffnungen machen, wir werden nicht mit offenen Armen begrüßt werden, aber dies hier ist meine Heimat.“
Die Tür wurde geöffnet. Anders als auf Garbh konnte man in Argyllshire häufiger mit Sonne rechnen, aber die Front von Highcomb lag in bedrohlichem Zwielicht. Angus zog Patrick bestimmend mit sich, als er aus der Limousine kletterte und dem Fahrer einen Dank zu murmelte. Da waren sie also. Er sog den Atem ein, ohne dass sich die Enge in seiner Brust lüftete.
„Das Anwesen ist seit zehn Generationen in Familienbesitz, auch wenn die Rotröcke zwischen 1730 und 1746 Teile davon als Stützpunkt ihrer Armee nutzten.“ Angus deutete auf den linken Flügel des Kartells. „Noch immer wird der Trakt als Gästequartier genutzt.“
Patricks Blick flog Angus’ Finger nach, wobei er grummelte: „Für unliebsame Gäste, will mir scheinen.“
Angus’ Herz machte einen Satz und er konnte ein Kichern nicht verhindern. Die Anspannung, in der er den ganzen Morgen verbracht hatte, schwand und es gelang ihm, mit üblicher Fröhlichkeit zu grinsen. „Aye. Als Amerikaner wird meine Mutter dir sicherlich ebenfalls ein lauschiges Plätzchen irgendwo in den Untiefen des Kellers zugedacht haben.“
Patricks himmlischer Mund verzog sich. Verdruss zerknitterte sein sonst so edles Gesicht. „Es wird ein Verlies sein …“
Wieder lachte Angus. Er legte seinem Freund den Arm um die Schulter und drückte ihn an seine Seite. „Keine Sorge, ich bin hier der Herr im Haus.“
Patrick blieb skeptisch, bemühte sich jedoch, es sich nicht ansehen zu lassen. Natürlich durchschaute Angus ihn mühelos. Dass der Geliebte seine Stimmung nicht halb so gut verbergen konnte, wie er offenbar annahm, war einer der Punkte, die Angus so an ihm liebte.
„Komm, stellen wir uns dem Drachen.“ Er schob Patrick vorwärts. Der Schotter zu seinen Füßen wühlte auf, bevor Patrick seine Steifheit verlor und einen Schritt machte. Seine Brust hob sich unter der unnötig dicken Jacke, schließlich hielt der Frühling Einzug und die Temperaturen schossen in die Höhe. Der Eingang lag ebenerdig, und so standen sie nach wenigen Schritten bereits vor verschlossener Tür. Als die Hausdame öffnete, schwang ihr Blick direkt um zu Patrick. Ihre Augen wurden groß.
„Miss McDuff“, grüßte Angus mit einem knappen Nicken. Sie machte den Weg frei.
„Mylaird, wir haben Sie erwartet. Ihre Gemächer stehen bereit und für Ihren Gast …“
„… der sicherlich neben mir einquartiert wurde …“, unterbrach Angus locker, obwohl er es besser wusste.
Miss McDuff stockte, wobei sich Horror in ihr bleiches Gesicht schlich. Sie musste mehrfach schlucken, bevor sie etwas hervorbrachte.
„Gewiss, Mr McLean.“
„Mr Harris’ Wünschen ist Folge zu leisten.“ Angus schlüpfte aus seiner sommerlichen Jacke. „Dass mir keine Klagen kommen.“
Wieder nickte die Mittvierzigerin.
„Was lässt Mrs McLean ausrichten?“ Angus bedeutete Patrick die Treppe zu nehmen und schob ihn, da er zögerte, erneut weiter. Es war zu spät für Zweifel. Die er ihm ohnehin ausgeredet hätte. Angus wollte diesen Schritt. Es war ein weiteres Bekenntnis zu ihnen, eines, das ebenso bedeutsam und schwierig wie Patricks coming out war.
„Mrs McLean wünscht Sie unverzüglich zu sehen.“
„Tatsächlich?“ Angus grinste für sich, schließlich hatte er genau das erwartet. „Richten Sie Mrs McLean aus, dass ich für die geschäftlichen Belange nach dem Lunch zur Verfügung stehe.“
Miss McDuff hastete ihnen nach. „Jawohl, Mylaird. Soll ich Ihnen das Lunch in Ihrem privaten …“
Angus nahm die Hand aus Patricks Rücken, als er stehenblieb und sich umdrehte, um Miss McDuff anzusehen. „Wir werden selbstverständlich am familiären Mittagessen teilnehmen.“
Die Hausdame wisperte einen gälischen Fluch, den Angus natürlich verstand. Er hob die Brauen.
„Gibt es ein Problem, Miss McDuff?“
„Nein, Mylaird!“ Sie nickte hastig. „Ich werde alles Nötige in die Wege leiten. Kann ich Ihnen sonst noch dienlich sein?“
Angus schüttelte den Kopf, schließlich wollte er nicht für den Herzinfarkt der Frau verantwortlich sein, die seine Mutter erst kürzlich hatte einstellen lassen – ohne seine Zustimmung. Dinge mussten sich in Highcomb ändern, und genau deswegen hatte er so auf Patricks Gesellschaft gedrängt. Angus hatte Pläne, die sich um seinen Geliebten rankten wie Efeu um alte Gemäuer …
Angus spürte Patricks Anspannung, als sie vor der zweiflügligen Tür zum Speisezimmer stehen blieben. Die Muskeln an seinen Wangen traten hervor, was deutlich auf die Verfassung hinwies, in der sich der jüngere Mann befand. Sicher übte er so viel Druck auf seine Kauleisten aus, dass sie zu Staub zu zerfallen drohten. Angus wünschte sich, ihn beruhigen zu können, aber er wusste, welcher Sturm auf sie wartete. Er war mindestens so schwer wie jener, der das erste Fotoshooting vor fast einem Jahr ins Wasser hatte fallen lassen.
„Versuch gelassen zu bleiben“, riet Angus leise. Patricks Blick streifte ihn. „Können wir?“
Obwohl das unwiderstehliche Model nickte, griff Angus nicht nach der Türklinke, sondern nach dessen Händen. Er zog ihn zu sich und drückte ihm einen sanften Kuss auf den Mund.
„Ich liebe dich.“
Patricks dunkle Augen verloren etwas an Starre und auch sein Kiefer entspannte sich. Das war alles, was Angus wollte. Mit einem schiefen Grinsen wandte er sich ab und zog sich das Jackett gerade. Er hatte sein Erscheinungsbild sorgsam geprüft und wusste, dass es nichts an ihm auszusetzen gab, auch wenn seine Mutter ihm sicherlich das gegenteilige Gefühl geben würde, sobald er durch die Tür trat. Angus streckte die Schultern und packte den Stier bei den Hörnern, indem er die Flügeltüren mit mehr Kraft aufstieß, als nötig gewesen wäre. Es sicherte ihm den theatralischen Auftritt, auf den er abzielte. Wie erwartet saßen seine Mutter und Großmutter bereits bei Tisch und hatten den durchaus erwarteten Beisitzer: Cornish. Der bullige Cousin verzog bei seinem Anblick die Lippen.
„Angus!“ Seine Mutter klang wie ein gereizter Pitbull. „Habe ich dir denn gar nichts beigebracht?“
Angus nickte ihr und der Großmutter zu, die ihn geflissentlich zu übersehen versuchte. „Mutter, Großmutter …“ Er begegnete sogar den verächtlichen Augen des Cousins. „Cornish. Guten Tag.“ Dann drehte er sich leicht, um Patrick in den Kreis der Aufmerksamkeit zu ziehen. „Bevor wir uns an den Tisch setzen, möchte ich euch meinen Partner vorstellen: Patrick.“ Den Nachnamen sparte er sich absichtlich.
„Meine Mutter Ailis, meine Großmutter Isla und Cornish, mein Cousin.“
Patrick lächelte während der Vorstellung gezwungen und nickte jeder Person zu. „Guten Tag.“ Sein unsicherer Blick driftete zu Angus, der ihm bedeutete, an den Tisch zu treten.
Es blieb still, unangenehm still, wenn man bedachte, dass zumindest ein Hallo angebracht gewesen wäre. Angus überging es einstweilen.
„Du wirst heute Abend noch Tante Kendra kennenlernen. Sie ist Cornish’ Mutter und die Schwester meines Großvaters.“ Angus zog Patrick einen Stuhl hervor, beließ es dann aber dabei. Er wollte den Geliebten nicht brüskieren, indem er ihn wie eine Frau behandelte, so gerne er ihn auch verwöhnte. Galanterie musste seinen Platz und seine Grenzen haben, besonders bei einem, der ganz gerne selbst das Heft in der Hand hielt.
„Mein Cousin lebt ganzjährig in London, wie er gerne behauptet, ist aber stets hier anzutreffen, wenn ich Highcomb besuche. Ebenso wie die Damen wohlgemerkt.“ Angus unterbrach seine Erklärung mit einem betont rätselnden Blick auf die drei Angesprochenen. „Wie steht es um deine Eheschließung, Cornish? Ich habe das Aufgebot eigentlich noch im letzten Jahr erwartet.“
Der Großcousin kaute auf seiner Zunge herum und es war Ailis, die an seiner statt antwortete: „Angus, ich verlange, dass du dich bei Tisch benimmst wie ein erwachsener Mann und nicht wie ein trotziges Kind!“
Angus setzte ein lockeres Grinsen auf. „Entschuldige, Mutter, war ich zu provokativ? Vermutlich hat mich der eklatante Mangel an guten Manieren etwas aus der Bahn geworfen.“
Seine Mutter verengte die Augen.
„Möchte wirklich niemand meinen Gast angemessen begrüßen?“
Neben ihm sog Patrick den Atem ein. Der Blick mit der deutlichen Bitte, es dabei bewenden zu lassen, traf Angus. „Mutter? Wäre ein warmes Willkommen nicht angebracht, immerhin ist Patrick mein Lebenspartner.“
Ein kalter Blick sollte ihn zum Schweigen bringen, aber Angus hatte nicht vor, sich weiterhin wie ein Kind behandeln zu lassen. Und Patrick sollte sich auch nicht unerwünscht vorkommen. „Nicht einmal ein Nicken? Das dulde ich nicht!“
Ailis presste die welken Lippen aufeinander und maß ihn mit einem ärgerlichen Blick. „Angus, ich werde mich nicht auf dein Niveau hinabbegeben.“
Miss McDuff nutzte den Moment, um das Essen aufzutragen, und stoppte, als sie die Anspannung bemerkte. Schließlich starrte Angus seine Mutter immer noch über den Tisch hinweg an.
„Ich verlange, dass jeder hier Patrick anständig behandelt. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?“
„Du vergisst deinen Platz“, zischte Ailis. Ihre starren Lippen machten die Worte undeutlich, aber Angus hatte jahrzehntelange Erfahrung darin, die Mutter zu dechiffrieren.
„Oh nein!“, widersprach er belustigt und verärgert zugleich. „Ich kenne meinen Platz, aber sonst offenbar niemand!“
„Tischen Sie auf, Miss McDuff“, orderte seine Mutter und überging ihn damit. Die Haushälterin beeilte sich sogleich, dem Wunsch nachzukommen und ließ die Suppenkelle fallen, als Angus harsch rief: „Stopp!“
„Angus“, sprach Patrick ihn an. „Wir sind seit dem Morgen unterwegs und mein Magen knurrt.“
Zwar war nichts dergleichen zu hören, aber Angus wollte seinem Freund zuliebe einlenken. Also seufzte er auf. „Ah! Dann hast du Glück. An der Küche hier ist nichts auszusetzen.“