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1. Statthaftigkeit

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Die Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO ist statthaft, wenn der Kläger behauptet, dass ihm materiell-rechtliche Einwendungen gegen den dem Titel zugrunde liegenden Anspruch zustehen.

§ 5 Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) › II. Zulässigkeit › 2. Abgrenzungsprobleme

2. Abgrenzungsprobleme

a) Abgrenzung zur Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO)

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In einigen Fällen kann insbesondere die Abgrenzung zur Erinnerung nach § 766 ZPO problematisch sein. Bei der Erinnerung richten sich die Einwendungen des Schuldners (oder eines Dritten) nur gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung (Rn. 484 ff).

Beispiel 16 (Abgrenzung von Einwendung und Vollstreckungshindernis):

Gläubiger G verkauft Schuldner S ein Reitpferd für 10 000 Euro. S bezahlt nicht. G erwirkt gegen S einen Zug-um-Zug-Titel auf Zahlung der 10 000 Euro gegen Übereignung des Pferds. G beauftragt die Gerichtsvollzieherin mit der Vollstreckung.


a) Die Gerichtsvollzieherin hat das Pferd beim Vollstreckungsakt nicht dabei.
b) S will das Pferd gar nicht mehr haben. Aber er zeigt der Gerichtsvollzieherin eine von S und G unterschriebene Vollstreckungsvereinbarung, nach der G erst in einem Monat mit der Vollstreckung beginnen darf.

Die Gerichtsvollzieherin vollstreckt gleichwohl. Wie kann S sich dagegen wehren?

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In Beispiel 16a ist offensichtlich die Art und Weise der Zwangsvollstreckung betroffen, also die Erinnerung nach § 766 ZPO statthaft. Denn die Gerichtsvollzieherin missachtet die besondere Vollstreckungsvoraussetzung der Zug-um-Zug-Verurteilung nach §§ 756, 765 ZPO. Die Gerichtsvollzieherin darf hier nur vollstrecken, wenn sie die Gegenleistung (Pferd) bei der Vollstreckung anbietet.

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In Beispiel 16b hingegen ist die Frage nicht so eindeutig zu beantworten. Zwischen den Parteien liegt eine sog. Vollstreckungsvereinbarung (dazu auch Rn. 494) vor. Solche Vereinbarungen sind zulässig[10]. Teilweise wird davon ausgegangen, dass der Gerichtsvollzieher eine solche Vereinbarung von sich aus beachten muss und dass daher ein formeller Fehler vorliegt, wenn er es nicht tut. Nach dieser Auffassung ist die Erinnerung iSd. § 766 ZPO statthaft (Rn. 486 ff), wenn die Gerichtsvollzieherin weiter vollstreckt, obwohl ihr die Vereinbarung vorliegt[11].

Es sprechen jedoch bessere Gründe gegen die Einordnung als formeller Fehler. Denkt man an den Grundsatz des formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahrens, wird man die Befugnis des Gerichtsvollziehers, eine solche Vereinbarung zu beachten, eher ablehnen müssen. Denn es geht ja nicht um die bloße Wahrnehmung eines klaren und einfachen Tatbestands, sondern letztlich darum, ein unter Umständen recht kompliziertes Dokument rechtlich richtig einzuordnen. Zudem ist zu beachten, dass die Vereinbarung faktisch dem titulierten Anspruch nachträglich einen anderen Inhalt gibt (etwa durch die Stundung des Anspruchs) und daher der Anspruch selbst und nicht die Art und Weise der Vollstreckung betroffen ist. Daher sind solche Vereinbarungen in der Regel nicht auf einer formellen, sondern auf einer materiellen Ebene einzuordnen. S hat hier eine Einwendung gegen den Anspruch – dieser ist nämlich zurzeit gestundet – somit ist die Klage nach § 767 ZPO statthaft.

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Die Abgrenzung zu § 766 ZPO ist auch dann problematisch, wenn der Schuldner bei der Zug-um-Zug-Vollstreckung nach §§ 756, 765 ZPO die Mangelhaftigkeit der Zug-um-Zug angebotenen Gegenleistung rügt[12]. Im Grundsatz kann diesbezüglich davon ausgegangen werden, dass der Einwand der Mangelhaftigkeit ein materiell-rechtlicher Einwand ist, den das Vollstreckungsorgan ohnehin nicht prüfen kann (Formalisierung des Zwangsvollstreckungsverfahrens) und deshalb auch nur mit der Klage nach § 767 ZPO geltend gemacht werden kann. Eine Ausnahme soll nur dann gelten, wenn die notwendige Beschaffenheit der Gegenleistung „ohne weiteres und eindeutig“ aus dem Titel zu entnehmen ist. In diesem Fall ist das Vollstreckungsorgan zur Prüfung berechtigt und verpflichtet.

b) Abgrenzung zur Klauselgegenklage (§ 768 ZPO)

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Die Klauselgegenklage und die Vollstreckungsabwehrklage können ausnahmsweise einen ähnlichen Gegenstand haben oder sogar nebeneinander eingreifen.

Beispiel 17 (Einwendung und Rechtsnachfolge):

Kläger K hat einen Titel gegen Schuldner S in Höhe von 10 000 Euro erstritten. K tritt die titulierte Forderung an den Gläubiger G ab. G möchte den Titel auf sich umschreiben lassen und beantragt daher die Erteilung einer qualifizierten Klausel nach § 727 ZPO. Er beginnt die Vollstreckung gegen S. Nun macht S geltend, dass er die Forderung gleich nach Erlass des Titels, schon vor der Abtretung, in voller Höhe beglichen habe.

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Wenn der Schuldner sich in Beispiel 17 nur gegen die Erteilung der Klausel wenden will, kann er dies nach § 768 ZPO wirksam tun. Da die Forderung zur Zeit der Abtretung nicht mehr existierte, kam es nämlich nicht zur Rechtsnachfolge, die Voraussetzungen des § 727 ZPO fehlten, § 768 ZPO ist also statthaft.

Aber S kann sich auch mit der Vollstreckungsabwehrklage wehren. Denn er hat eine materiell-rechtliche Einwendung (§ 362 BGB) gegen die Forderung. Will S beide Arten von Einwendungen erheben, kann er die Klagen nach §§ 768, 767 ZPO in objektiver Klagenhäufung miteinander verbinden (§ 260 ZPO).

Hinweis:

Abstrakt beschrieben liegt die Abgrenzung der beiden Klagen darin, dass sich der Schuldner bei der Klauselgegenklage, anders als bei der Vollstreckungsabwehrklage, nicht dagegen wehrt, dass der Anspruch so besteht, wie es im Titel ausgesprochen ist. Er bestreitet vielmehr nur den Eintritt der Bedingung (§ 726 ZPO) oder der Rechtsnachfolge (§§ 727 ff ZPO).

c) Abgrenzung zur Abänderungsklage (§ 323 ZPO)

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Mit der Abänderungsklage wird die Rechtskraft des Titels aufgrund veränderter Umstände durchbrochen. Sie ist statthaft, wenn es um Veränderungen von typischerweise wandelbaren Verhältnissen geht. Diese müssen ein quantitatives Element haben[13]. Eine Überschneidung mit dem Anwendungsbereich der Vollstreckungsabwehrklage besteht nicht.

§ 5 Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) › II. Zulässigkeit › 3. Zuständigkeit

3. Zuständigkeit

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Das Prozessgericht des ersten Rechtszugs ist nach §§ 767 I, 802 ZPO ausschließlich örtlich und sachlich zuständig. Das Prozessgericht ist das Gericht der ersten Instanz des Rechtsstreits, in dem der Titel geschaffen wurde[14]; folglich kann Prozessgericht auch das Familiengericht sein[15].

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Bei anderen Titeln als Urteilen ist wie immer zu prüfen, ob nicht die §§ 795a ff ZPO Sonderregeln enthalten (siehe § 795 ZPO): Richtet sich die Klage gegen den in einem Vollstreckungsbescheid titulierten Anspruch, muss § 796 III ZPO beachtet werden. Danach ist das Gericht zuständig, das für eine Entscheidung im Streitverfahren zuständig gewesen wäre.

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Bei gerichtlichen oder notariellen Urkunden regelt § 797 V ZPO die örtliche Zuständigkeit der Vollstreckungsabwehrklage. Zuständig ist also das Gericht am allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners. Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Wert des zu vollstreckenden Anspruchs (§§ 23, 71 GVG).

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Keine Besonderheiten gelten hingegen für Prozessvergleiche. Der Prozessvergleich ist zwar eine vollstreckbare Urkunde nach § 797 ZPO. Im Gegensatz zu den notariellen Urkunden existiert beim Prozessvergleich jedoch ein Prozessgericht erster Instanz. Deshalb spricht nichts dagegen, für die Klage nach § 767 ZPO auch dieses Gericht anzurufen. Im Ergebnis muss bei Prozessvergleichen § 797 V ZPO daher teleologisch reduziert werden. Die Zuständigkeit richtet sich vielmehr nach § 767 I ZPO.

§ 5 Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) › II. Zulässigkeit › 4. Rechtsschutzbedürfnis

4. Rechtsschutzbedürfnis

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Das Rechtsschutzbedürfnis liegt vor, wenn die Zwangsvollstreckung droht und noch nicht beendet ist. Die Zwangsvollstreckung droht bereits, sobald ein Vollstreckungstitel vorliegt. Beendet ist die Zwangsvollstreckung erst, wenn der Gläubiger vollständig befriedigt wurde.

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Die bloße Freigabe des gepfändeten Gegenstands oder der Verzicht auf die Zwangsvollstreckung lässt das Rechtsschutzbedürfnis grundsätzlich nicht entfallen (anders bei § 771 ZPO, Rn. 542).

Problematisch kann das Rechtsschutzbedürfnis sein, wenn sich der Kläger gegen die Vollstreckung aus einem Prozessvergleich wehrt.

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Beispiel 18 (Rechtsschutzbedürfnis bei Vergleich):

A hat mit B einen gerichtlichen Vergleich abgeschlossen. Nun merkt er, dass B ihn getäuscht hat. Er will den Vergleich anfechten. B streitet die Täuschung ab und will aus dem Vergleich weiter vollstrecken.

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In Beispiel 18 verneint die herrschende Ansicht das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage nach § 767 ZPO[16]. Nach der Rechtsprechung kann der Vollstreckungsschuldner sich nur dann auf § 767 ZPO berufen, wenn er Einwendungen geltend macht, die eine nachträgliche Unwirksamkeit des Vergleichs oder der darin vereinbarten Forderung bedeuten. Der Vollstreckungsschuldner kann also z.B. dann die Vollstreckungsabwehrklage erheben, wenn er die Summe, die im Vergleich bestimmt wurde, danach bezahlt hat. Er kann dies auch tun, wenn ihm die Herausgabe der Leistung, die vereinbart wurde, nicht mehr möglich ist. Beruft er sich hingegen auf die anfängliche Unwirksamkeit oder auf formelle Mängel des Vergleichs (so wie im Beispiel) muss das alte Verfahren fortgesetzt werden[17]. Denn dann ist der Vergleich nicht mehr in der Welt, also ist das Verfahren gar nicht abgeschlossen. Die ursprüngliche Klage lebt gleichsam wieder auf und der Ausgangsrechtsstreit wird fortgesetzt.

Hinweis:

Wenn der Vergleich unwirksam ist und der Gläubiger trotzdem daraus vollstreckt, dann ist die richtige Klage die Titelgegenklage analog § 767 ZPO[18] (dazu Rn. 286).

In der Klausur kann man die Problematik des Rechtsschutzes gegen einen Vergleich insgesamt auch gut bereits bei der Statthaftigkeit abhandeln.

§ 5 Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) › III. Begründetheit

III. Begründetheit

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Für die Begründetheit der Vollstreckungsabwehrklage sind zwei Dinge wesentlich. Der Kläger (Schuldner) muss die behauptete Einwendung gegen den titulierten Anspruch wirklich haben und er darf mit dieser Einwendung nicht nach § 767 II oder III ZPO präkludiert sein. Bei der Präklusion muss man daran denken, dass diese (mit Abstand klausurrelevanteste) Voraussetzung nicht bei der Zulässigkeit eingeordnet werden darf. Der Wortlaut der Norm kann hier leicht irreführen.

§ 5 Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) › III. Begründetheit › 1. Einwendungen

1. Einwendungen

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Grundsätzlich kann der Kläger jede erdenkliche materiell-rechtliche Einwendung (z.B. Stundung, Erfüllung, Aufrechnung, Rücktritt, Abtretung, Unmöglichkeit, Nichtigkeit usw.) geltend machen. Eine Änderung der Rechtsprechung zugunsten des Schuldners gibt ihm allerdings keine Einwendung[19].

Als Einwendung kann auch die Verwirkung der Vollstreckung geltend gemacht werden. An die Voraussetzungen sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen.

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Beispiel 19 (Verwirkung):

Vermieter V hat einen Räumungstitel gegen Mieter M erwirkt. Trotz des Titels bleibt M in der Wohnung und zahlt weiterhin die Miete. V vollstreckt gegen M nicht. Erst nach zwei Jahren beginnt V mit der Vollstreckung. M meint, die Vollstreckung aus dem Titel sei wegen Zeitablaufs und im Hinblick auf § 721 V ZPO nicht mehr möglich. Hätte eine Klage des M Erfolg?

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Zunächst muss in Beispiel 19 beachtet werden, dass ein titulierter Anspruch nach § 197 I Nr. 3 BGB erst in dreißig Jahren verjährt. Das bedeutet, dass auch bei einer möglichen Verwirkung zunächst hohe Anforderungen an das Zeitmoment gestellt werden müssen. Zudem geht der Hinweis des Mieters auf § 721 V ZPO fehl. Die Vorschrift muss nämlich im Zusammenhang mit § 721 I ZPO gelesen werden. Dann ergibt sich, dass § 721 V ZPO den Gläubiger schützt, indem verhindert wird, dass eine zu lange Räumungsschutzfrist angeordnet werden kann. Wenn die Vorschrift aber den Gläubiger schützt, kann sich der Schuldner nach § 767 ZPO nicht darauf berufen. Es könnte noch kurz an § 545 BGB gedacht werden, wonach die Kündigung unter bestimmten Umständen unwirksam werden kann. Hier ist aber zu beachten, dass die Erwirkung eines Räumungsurteils eindeutig einen Widerspruch nach § 545 BGB darstellt und daher die Voraussetzungen der Norm nicht vorliegen. Solange die Parteien auch keinen neuen Mietvertrag (§ 535 BGB) durch schlüssiges Verhalten geschlossen haben, kommt als letzte Einwendung daher nur die Verwirkung in Betracht (§ 242 BGB). Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung[20] und setzt tatbestandlich voraus, dass der Berechtigte das Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat (sog. Zeitmoment) und der Verpflichtete aufgrund des Verhaltens des Berechtigten davon ausgehen durfte, er werde das Recht auch nicht mehr ausüben (sog. Umstandsmoment)[21]. Vorliegend sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Vermieter ein Verhalten an den Tag gelegt hat, aus dem der Mieter schlussfolgern konnte, dass eine Vollstreckung aus dem Titel nicht mehr droht. Die bloße passive Entgegennahme der Mietzinszahlungen dürfte im Hinblick auf die strengen Voraussetzungen der Rechtsprechung nicht ausreichen. Die Klage des M wäre daher unbegründet.

§ 5 Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) › III. Begründetheit › 2. Präklusion

2. Präklusion

a) Normzweck

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Die unter § 767 I ZPO fallenden Einwendungen sind nach § 767 II ZPO nur insoweit „zulässig“, als die Tatsachen, auf denen sie beruhen, nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung entstanden sind.

Diese strengen Präklusionsvorschriften sollen die Rechtskraft des Vollstreckungstitels schützen. Wäre es für den Schuldner möglich, nach Abschluss eines Verfahrens noch alle möglichen Einwendungen gegen die Vollstreckung aus dem Titel vorzubringen, so käme der Gläubiger nie zu seinem Recht. Der Schuldner darf daher nur „neue“ Tatsachen vorbringen. Gemeint sind damit die Tatsachen, die im ersten Verfahren nicht mehr vorgebracht werden konnten. Beim Versäumnisurteil und beim Vollstreckungsbescheid ist das Gesetz besonders streng und stellt für den relevanten Zeitpunkt nicht auf die letzte mündliche Verhandlung, sondern auf das Ende der Einspruchsfrist ab.

Hinweis:

Eine nur vereinzelt vertretene Gegenmeinung meint demgegenüber, dass die Vollstreckungsabwehrklage auf alle Einwendungen gestützt werden könne, die am Schluss der letzten mündlichen Verhandlung über die Vollstreckungsabwehrklage nicht mehr mit Einspruch geltend gemacht werden könnten[22]. Damit wird aber zum einen § 767 II ZPO weitgehend bedeutungslos, zum anderen ist nicht erklärlich, wieso dem Schuldner gerade bei Versäumnisurteilen in erweiterter Art die Vollstreckungsabwehrklage zur Verfügung stehen sollte. Die Mindermeinung hat vor allem den Fall im Auge, dass der Schuldner noch vor Ablauf der Einspruchsfrist bezahlt und der Gläubiger nun trotzdem vollstreckt. Ein solcher Gläubiger würde aber vorsätzlich rechts- und sittenwidrig handeln. Das kommt selten vor und kann mit § 826 BGB abgewehrt werden[23].

220

Die Vorschriften über die Präklusion sind insgesamt nur auf rechtskraftfähige Titel anwendbar. Gemäß § 797 IV ZPO gilt § 767 II ZPO daher z.B. nicht für notarielle Urkunden.

221

Die Norm gilt auch nicht für Prozessvergleiche, da diese der Rechtskraft nicht fähig sind (§ 797 IV ZPO analog)[24]. Für Kostenfestsetzungsbeschlüsse gilt § 767 II ZPO ebenfalls nicht, und zwar deshalb, weil gegen diese die Einwendung nicht auf anderem Weg vorgebracht werden könnte[25].

b) Einfache Einwendungen

222

Bei einfachen Einwendungen, die ohne die Ausübung eines Gestaltungsrechts entstehen, ist der Zeitpunkt der Entstehung eindeutig. Sie sind dann entstanden, wenn sie erstmals geltend gemacht werden können.

223

Beispiel 20a (Einfache, schon im Erkenntnisverfahren bestehende Einwendung):

Schuldner S ist im Mai mit Versäumnisurteil zur Zahlung seiner Wohnungsmiete für die Monate Januar bis März verurteilt worden, da er diese nicht gezahlt hatte. Im Vollstreckungsverfahren beruft er sich erstmalig darauf, dass die Heizung nicht funktioniert habe und er die Miete nach § 536 I BGB daher gar nicht schulde.

In Beispiel 20a ist die Einwendung des S eindeutig nicht neu. Die Miete war gleich mit Ausfall der Heizung gemindert, S hätte das im Ausgangsrechtsstreit geltend machen müssen.

224

Beispiel 20b (Neue Einwendung):

Schuldner S ist in einem langwierigen streitigen Verfahren zur Herausgabe eines Gemäldes verurteilt worden. Zwei Wochen nach Ende des Rechtsstreits wird das Bild gestohlen. S erhebt Vollstreckungsabwehrklage, weil die Leistung objektiv unmöglich sei.

225

In Beispiel 20b beruft sich S auf die Unmöglichkeit der Erfüllung der titulierten Herausgabepflicht (§ 275 I BGB). Diese Einwendung greift durch, da er bei lebensnaher Sachverhaltsauslegung zur Herausgabe des Bildes objektiv nicht im Stande ist. Diese Einwendung ist auch neu, denn sie ist nach der letzten mündlichen Verhandlung eingetreten. Dass S noch Berufung einlegen könnte, ist für § 767 II ZPO unerheblich.

Der BGH hatte zuletzt einen Fall zu entscheiden, in dem die Vollstreckungsabwehrklage auf eine dolo-agit Einrede gestützt wurde, die erst nach dem Ende des ersten Prozesses entstanden war. Der Schuldner, der zunächst zur Leistung verurteilt wurde, hatte nämlich später einen Anspruch auf Rückzahlung erhalten (durch das zwischenzeitlich eingetretene endgültige Scheitern eines geplanten Bauprojekts). Dieses Vorbringen war ohne weiteres zulässig. Spannend war an dem sehr komplizierten Fall, dass der Schuldner auch eine weitere Forderung geltend machte. Nur hatte er in einem früheren Verfahren im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage bereits einmal versucht, die Aufrechnung mit genau dieser Forderung (als Gegenforderung) geltend zu machen. Damit war er damals aus prozessualen Gründen (verspätetes Vorbringen) gescheitert. Der BGH entschied überzeugend, dass in einem solchen Fall zwar grundsätzlich § 322 II ZPO eingreift. Die Abweisung der Vollstreckungsabwehrklage, die auf die Aufrechnung gestützt wird, bedeutet also, dass das Nichtbestehen der Gegenforderung rechtskräftig festgestellt ist. Aber in dem vorliegenden Fall war es dann doch anders: Wegen des verspäteten Vorbringens war ja über die Gegenforderung gar nicht inhaltlich entschieden worden. Der Gläubiger konnte sie also noch geltend machen.[26]

c) Gestaltungsrechte

aa) Relevanter Zeitpunkt

226

Bei den Gestaltungsrechten könnte auf zwei denkbare Zeitpunkte abgestellt werden. Zum einen ließe sich auf die Ausübung des Gestaltungsrechts abstellen, denn erst durch die Ausübung entsteht die Einwendung. Zum anderen aber ließe sich auch auf den Zeitpunkt abstellen, ab dem das Gestaltungsrecht frühestens ausgeübt werden konnte.

227

Beispiel 21 (Relevanter Zeitpunkt bei Gestaltungsrechten):

Schuldner S hat eine Eigentumswohnung gekauft. Da diese in erheblichem Maße mit Mängeln behaftet ist, mindert S und zahlt den Kaufpreis nicht in voller Höhe. Er wird jedoch zur Bezahlung verurteilt, weil ein wirksamer Haftungsausschluss vorliegt und er die Voraussetzungen des § 444 BGB nicht beweisen kann. Einige Wochen später erfährt er von einem Zeugen, dass der Verkäufer G das Sachverständigengutachten über den Zustand der Wohnung, welches er dem S beim Verkauf vorgelegt hatte, eigenhändig verändert hatte, um die Mängel zu vertuschen. Als G vollstreckt, erklärt S den Rücktritt. Kann er sich gegen die Vollstreckung wehren?

228

S könnte in Beispiel 21 Vollstreckungsabwehrklage mit dem Einwand erheben, dass der Kaufvertrag sich durch den Rücktritt nach § 349 BGB in ein Rückgewährschuldverhältnis nach §§ 346 ff BGB umgewandelt hat und damit der Anspruch des Verkäufers auf Zahlung des Kaufpreises erloschen sei.

229

Da S nach den §§ 444, 437 Nr. 2, 323 II Nr. 3 BGB wirklich ein Rücktrittsrecht hatte, steht ihm eine Einwendung zu. Problematisch ist allein, ob S mit diesem Einwand nicht bereits präkludiert ist, da die Möglichkeit des Rücktritts bereits vor Schluss der letzten mündlichen Verhandlung des Erkenntnisverfahrens bestanden hatte. Man könnte es also so sehen, dass „die Einwendung“ schon damals bestand.

Man könnte es aber auch anders sehen: Die nachträgliche Umwandlung des Kaufvertrags in ein Rückgewährschuldverhältnis wurde ja erst durch die Ausübung des Gestaltungsrechts (Rücktrittserklärung) – also nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung – bewirkt. Die eigentliche Einwendung (Erlöschen des Zahlungsanspruchs) ist also erst nach dem entscheidenden Zeitpunkt entstanden.

230

Damit ist eine der wichtigsten und bekanntesten Streitfragen des Zwangsvollstreckungsrechts angesprochen: Für die Präklusion nach § 767 II ZPO ist streitig, ob es bei Gestaltungsrechten (Rücktritt, Widerruf, Aufrechnung usw.) auf die objektive Möglichkeit der Ausübung oder die tatsächliche Ausübung des Rechts ankommt.

231

Die Rechtsprechung und ein großer Teil der Literatur gehen davon aus, dass es für die Präklusion nur darauf ankomme, ob das Gestaltungsrecht objektiv vor Schluss der letzten mündlichen Verhandlung ausgeübt werden konnte. Kenntnis davon und die eigentliche Ausübung seien unerheblich[27]. Begründet wird dies zumeist mit dem Schutz der Rechtskraft und einem Vergleich zwischen § 767 I und II ZPO. Wenn das Gesetz in § 767 I ZPO von „Einwendungen“ und in § 767 II ZPO von „Gründen der Einwendungen“ spreche, so sei bewusst etwas Unterschiedliches gemeint. Demnach sei „Einwendung“ die Erklärung des Gestaltungsrechts selbst, „Grund“ hingegen die objektive Möglichkeit der Ausübung.

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Die (wohl) herrschende Ansicht in der Literatur hingegen geht davon aus, dass es nur darauf ankomme, wann das Gestaltungsrecht ausgeübt worden sei[28]. Denn zum Entstehungstatbestand des Gestaltungsrechts gehöre die jeweilige Erklärung als dessen Ausübung. Es sei auch nicht einzusehen, warum der Beklagte im Prozess gezwungen sein soll, das Gestaltungsrecht zu erklären, obwohl es ihm nach materiellem Recht freistehe, wann er von seinem Recht Gebrauch machen will. Schließlich bestehe nicht die Gefahr einer „Bevorzugung“ des Schuldners. Denn jeder Schuldner werde ein Gestaltungsrecht so früh ausüben, wie er nur könne. Das überzeugt. Kein Schuldner ist bereit, zunächst einen Prozess absichtlich zu verlieren (Kosten!), um dann erst hinterher (quasi querulatorisch) noch ein Gestaltungsrecht auszuüben, was ihn von der Schuld befreit. Betroffen sind von der Streitfrage daher immer nur Schuldner, denen ihr Gestaltungsrecht im Ausgangsrechtsstreit unbekannt war. Diese sind im Regelfall schutzwürdig.

233

Vereinzelt wurde früher darauf abgestellt, wann der Kläger Kenntnis von der Möglichkeit der Ausübung des Gestaltungsrechts erhalten hat. Diese Meinung ist entschieden abzulehnen und wird soweit ersichtlich nicht mehr vertreten. Sie würde dazu führen, dass im Prozess Beweis darüber geführt werden müsste, wann der Schuldner „Kenntnis“ von bestimmten Tatsachen erhalten hat. Das ist teuer, zeitaufwendig und kaum Erfolg versprechend. Zudem ist das taktische oder querulatorische Zurückhalten von Einwendungen, dem diese Ansicht entgegenwirken möchte, praktisch irrelevant.

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9783811473522
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