Читать книгу: «Die Gewissensentscheidung», страница 11

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"Habe ich nicht vor."

"Gut, " lächelte er, dann froren seine Gesichtszüge ein, als er mit eisiger Stimme fortfuhr, "ich habe heute Morgen übrigens einen Bericht aus Freising bekommen. Elvira Torres wurde bei ihrem ersten Freigang zu ihrer Tochter bei einem Verkehrsunfall getötet. Ein LKW hat sie erfasst und über hundert Meter mitgeschleift. Die Leiche soll ziemlich mitgenommen aussehen. Ich wünsche dir noch einen schönen Tag."

Wahrscheinlich konnte man mir das Entsetzen ansehen, das ich empfand, doch Frank war schon gegangen. Wie vor den Kopf geschlagen taumelte ich zum nächsten Stuhl und ließ mich hineinfallen. "Trommer, du Schwein!", war der erste Gedanke, der sich in mein Gehirn einbrannte! Der zweite lautete: "Auf was hast du dich da eingelassen?!" Dann kam ein dritter Gedanke, ein Gedanke, den ich niemals für möglich gehalten hätte: "Ich bringe dich um!" Das Erschreckende an diesem Gedanken war, ich meinte ihn ernst! TODERNST!

***

Zwei Tage später

"Stein", meldete ich mich übel gelaunt am Telefon. Die Nachricht von Torres' Tod hatte uns völlig aufgewühlt. Besonders Vera nahm es sich schwer zu Herzen. Beate tröstete sie, so gut es ging. Zwar sagte ich mir, dass - wenn wir nicht eingegriffen hätten - Beate jetzt tot wäre und die Wahrscheinlichkeit, dass Trommer Torres auch in diesem Fall hätte umbringen lassen, sehr hoch war, doch es half wenig – wir fühlten uns mehr als schuldig.

Da ich bis zur Fertigstellung des Passes zur Untätigkeit verdammt war, vergrub ich mich in der Arbeit, bis mich das Telefon herausriss.

"Hallo Mister, es interessiert mich einfach. Heute Mittag im Schiller", erklang Meyers Stimme und direkt danach hatte er auch schon wieder aufgelegt.

Mit einem mulmigen Gefühl verließ ich kurz vor Mittag die JVA und schaute mich mehrmals um. "Du wirst paranoid", sagte ich mir, doch wie sagt man so schön, Vorsicht ist besser als Nachsicht, und siehe da, Arschgesicht und sein Kumpel waren tatsächlich in meiner Nähe. Die beiden Pflaumen benutzten denselben Wagen wie neulich und hatten augenscheinlich noch nicht genug! Anscheinend war meine Lektion von neulich nicht ganz angekommen und insgeheim hoffte ich, dass mir die beiden Gelegenheit gaben, dies zu verdeutlichen.

Dieses Mal war ich zuerst im Schiller, Meyer kam pünktlich und setzte sich zu mir. Ich musste nicht, wie beim letzten Mal, in die Ecke rutschen und Meyer sah um einiges besser aus als bei unserem vorherigen Zusammentreffen.

"Was hast du mit Trommer gemacht?", fragte er ohne Umschweife.

"Wie kommst du denn darauf?"

"Seit ein paar Tagen bearbeite ich wieder den Fischer-Fall. Diesmal will ich gleich wissen, wohin die Reise geht. Was hat Trommer vor?"

"Wir wollen die Strass zur Rechenschaft ziehen."

"Wir? NEIN! Das willst DU. Aber Trommer will etwas anderes. Was?"

"Ich vermute, dass er sie medienwirksam abschießen wird. Er wartet nur auf den richtigen Moment."

"Jetzt sagst du mir, was du weißt, oder ich lasse eine Riesen-Bombe aus Scheiße hochgehen. Und die wird gewaltig stinken."

"Auf einmal bist du wieder der Alte! Wieso hat das solange gedauert? Wusstest du, dass deine Kollegen mich überwachen?"

"Die beiden Witzfiguren? Ja, die habe ich gesehen. Du hast die beiden ganz schön fertig gemacht. Dein Freund hatte eine gebrochene Nase und einen Jochbeinbruch."

"Hat er verdient und falls er mir nochmal dumm kommt, gibt’s einen Nachschlag."

"Zurück zu dir. Pack aus!"

"Es ist so, wie die Fischer sagte: Die Strass hatte ihren Mann angestiftet, die kleine Ella umzubringen. Sie hat ihm das Blaue vom Himmel versprochen, denn er hatte er weniger Geld für sie, weil er Unterhalt zahlen musste. Also musste die Kleine weg. Da Beate arbeitete, musste er ihr keinen Unterhalt zahlen, nur der Unterhalt für Ella kostete ihn eine schöne monatliche Summe. Also brüteten sie detailliert den Plan aus, den die Strass dann der Polizei erzählte. Beate kam genau eine Minute zu früh, oder zu spät, je nachdem wie man es sieht. Zu früh, was den Plan der Strass angeht, zu spät, um Ella zu retten. Beate konnte Ella nicht mehr retten und rastete aus. Den Rest kennst du. Das heißt nicht ganz. Beate hat zuerst alles versucht, um Ella wiederzubeleben und die Strass hat sie dabei verhöhnt, dann erst hat Beate zum Messer gegriffen."

"Weiter."

"Das war´s."

"Nein, das war nur die Hälfte! Woher weißt du das alles?"

"Hör zu, Meyer. Du bist mein Freund und ich will dich nicht anlügen. Ich schwöre dir, dass es genauso gelaufen ist. Reicht das? Falls ja, hast du Gelegenheit, das Wunder einer wahren Auferstehung zu erleben."

"Ach, du Scheiße…", Meyer sah mich völlig sprachlos an, nur langsam dämmerte es ihm, dass er nicht am Tod einer unschuldigen Frau schuld war. Plötzlich stahl sich ein Ausdruck von Erleichterung in sein Gesicht! "Du… Du! Also gut, du Wahnsinniger. Ich werde mir noch einmal die DNA-Beweise vornehmen. Ich glaube, an der Leiche der kleinen Ella wurden welche von der Strass gefunden. Mal sehen, wie sie das erklärt."

"DNA von Strass an Ella? Das wusste ich ja gar nicht."

"Nein, das weiß noch keiner."

"Denkst du, du bekommst genug für eine Anklage zusammen?"

"Kein Problem, und dieses Mal muss ich nichts fingieren."

"Wie lange wird das dauern?"

"Ich schätze, Trommer wird in zwei Wochen die Bombe platzen lassen. Wie ich unseren geschätzten Oberstaatsanwalt kenne, wird er das Gericht schnell überzeugen und der Prozess wird ein buchstäblicher kurzer Prozess werden. In ungefähr drei Wochen wird Strass in einer deiner Zellen sitzen."

Ich hatte also drei bis dreieinhalb Wochen bis zum Showdown. Nicht gerade viel, aber besser als nichts.

"Danke, dass du mich informiert hast."

"Pass bloß dich auf", warnte mich Meyer eindringlich, "die Witzfiguren folgen dir nicht umsonst."

"Ach, mit denen komme ich schon klar."

***

Die Verlegung

Ich versuchte, mich so sanft wie möglich aus Veras Arm zu lösen, ohne sie aufzuwecken. Tatsächlich gelang es mir und Vera drehte sich im Schlaf zu Beate um und schmiegte sich fest an diese. Eigentlich müsste mir das einen Stich in mein Herz geben, doch ich freute mich für die beiden, zumal sie mich bereitwillig in ihr neues Leben aufgenommen hatten.

In Veras Gesicht lag ein tiefer innerer Frieden und auch Beate schien im Schlaf ihre neue Liebe für immer festzuhalten. Der Stich ins Herz kam erst jetzt bei dem Gedanken, dass ich vielleicht nicht die anbahnende Katastrophe verhindern konnte, dass mein Plan vielleicht scheiterte und dass Beate tatsächlich sterben musste. Nein, so durfte ich nicht denken, ich musste den Kopf frei bekommen und diese Gedanken verbannen! Das ging am besten mit einer guten Tasse starken Kaffee, also braute ich mir eine.

Während Vera und Beate fest schliefen, lag ich noch wach, da sich mein Gedankenkarussell drehte. Einmal hatte ich in einem Buch den Satz gelesen: "Wer nur reagiert, verliert." Trommer hatte die Initiative an sich genommen und ich reagierte bloß, das musste sich ändern, also beschloss ich, aktiver zu werden. Mit der Tasse in der Hand begab ich mich ins Büro. Um halb sechs war ich allein auf dem Gang, sah man von Decker und seinen Leuten ab, die sich auf den Schichtwechsel vorbereiteten.

Erneut dachte ich an Vera. Vera durfte auf keinen Fall etwas von unserem Plan mitgekommen. Wir hatten nur den einen Versuch und ich konnte keinesfalls riskieren, dass ihre Hormone uns in Gefahr brachten. Wenn der Showdown begann, musste Vera… Tja, das wusste ich noch nicht.

Ich musste diesen Punkt mit Beate bereden und das unter vier Augen. Sie musste mir dabei helfen, Vera im richtigen Augenblick loszuwerden.

"Sie haben Post", verkündete der Rechner. Ich öffnete mein Postfach und sah, dass es neue Aufgaben von Jessika gab.

"Gefangene 33 in Trakt 3."

Ich öffnete die Personalakte der angegebenen Frau und schaute sie mir an. Luise Pleitz, 56 Jahre, saß wegen Heiratsschwindel.

Heiratsschwindel? Ich wollte Jessika schon zurückschreiben, ob es ein Scherz sei, dann erst verstand ich, was Jessika beabsichtigte.

Also begab ich mich in Zelle 33, Trakt 3. Dort saß Luise Pleitz an ihrem Tisch, hatte ihr Frühstück vor sich und hörte sich mein Problem an. Anders als bei Dunkowski konnte ich Luise Pleitz für ihr Entgegenkommen einiges an Hafterleichterung verschaffen, etwas, auf das Luise sofort ansprang.

"Was Ihre Frau braucht, ist eine Legende. Sie kann nicht einfach auf einem Passamt aufschlagen und sagen: "Hallo, hier bin ich, leider habe ich alle meine Papiere verloren." Auch nicht, wenn sie hier eine Wohnung sucht. Sie hat Nachbarn, die Fragen stellen werden, irgendwann kommen neue Bekannte, die wissen wollen, was sie vorher getan hat und wo sie war. Sie muss eine schlüssige Geschichte haben und darf sich auch Jahre später nicht verraten. Am besten bleibt sie so nahe an der Wahrheit wie möglich."

"Sie hat ihren Mann mit einem Messer filetiert und ihr Kind verloren."

"Oh…, " seufzte Luise, "das kann man dann wohl nicht nehmen."

"Nein", antwortete ich und umriss ihr meine Idee, ohne auf Einzelheiten einzugehen.

"Sehr gut", lobte sie mich, "das wäre Plan B. Etwas, das völlig anders ist als die Realität. Haben Sie sich schon mal mit dem Gedanken befasst, in meiner Branche tätig zu werden? Sie hätten Zukunft."

"Ich fessle die Frauen lieber anders an mich."

"Ist es die Frau aus den Nachrichten?", fragte sie mich plötzlich.

Da ich keine Antwort gab, lächelte sie still und verriet mir augenzwinkernd: "Ich habe nie geglaubt, dass sie ihr eigenes Kind umgebracht haben soll. Wenn dieser Mistkerl Hand an mein Kind gelegt hätte… also, wenn ich ihr helfen kann, dann gerne. In ein paar Tagen haben Sie eine hieb- und stichfeste Legende."

"Super", dachte ich, "jetzt hatte Beates Fanclub schon eine Vorsitzende." Eigentlich sollte ich aufpassen, dass der Deckel auf der Sache blieb, dies hier trug sicher nicht dazu bei. Eine Stunde später musste ich mir von Jessika bittere Vorwürfe anhören, dass ich eine weitere Mitwisserin geschaffen hatte.

"Als ich sagte, dass du dir die Person ansehen sollst, habe ich nicht daran gedacht, dass du sie einweihst. Ich dachte, du kommst von allein auf den Punkt."

"Tut mir leid, aber in so etwas bin ich Amateur."

"Ein blutiger noch dazu. Hast du vergessen, was mit Torres geschah?!"

"Nein! Mist, was tun wir mit Luise jetzt?"

"Das, was du ihr versprochen hast. Ich sorge für eine Verlegung. Nachdem sie die Legende fertig hat, kommt sie in eine andere Anstalt in der Hoffnung, dass Trommer keinen Verdacht schöpft! Aber ab jetzt keine Mitwisser mehr. Falls nötig, sprich erst mit mir."

"Ich verspreche es."

"Was macht ihr neuer Pass?"

"Jarvis sagte, er braucht eine Woche, also noch drei Tage."

"Jarvis können wir nicht verlegen, er darf mit niemandem reden."

"Sobald er den Pass hat, bekommt er seine Bezahlung. Anschließend wird er ganz sicher mit keinem reden, Jarvis wird seine neuen Freiheiten bestimmt nicht aufs Spiel setzen."

"Du willst ihn wirklich seine Freundin sehen lassen?"

"Warum nicht. Ich denke nicht, dass er Probleme macht, und Decker weiß nur, dass Besucher- und Einkaufsperre aufgehoben ist. Ich habe Jarvis und seiner Freundin die Verheirateten-Zelle gebucht", grinste ich, "Außerdem ist morgen Einkauf. Ich habe ihm ein Sonderkonto eingerichtet und ihm ein Limit von 1000 Euro gegeben. Das sollte reichen."

"Hauptsache, er hält anschließend den Mund."

"Das wird er garantiert."

"Gut, denn auch meine Macht ist begrenzt, ach ja, bevor ich es vergesse, zwei Dinge noch. Vera muss mit Beate heute auf die Krankenstation. Frauenangelegenheiten, also frag erst gar nicht. Schemmlein ist nicht da und Vera hat das Kommando, es wird also keine Probleme geben. Das Zweite, die Malinowski wird heute verlegt. Decker ist schon instruiert und er hat ein Sonderkommando bereitgestellt, das dafür sorgen soll, dass Malinowski keinen Ärger macht."

Mist, mir gefiel es überhaupt nicht, dass Beate hier im Gefängnis herumlief, aber auch Vera kannte das Risiko und wenn sie beschloss, es einzugehen, war es sicher wichtig.

Die Malinowski bereitete mir da mehr Kopfschmerzen. Diese Frau war einfach nur böse. Ein Hannibal Lecter im Körper einer 130 Kilo schweren und 1,95 Meter großen Frau. Malinowski hatte aus purer Mordlust mehr als 10 Menschen umgebracht und 5 weitere schwer verletzt. Mehrere Gutachter hatten ihre volle Schuldfähigkeit bescheinigt und bestätigt, dass es ihr nur ums Töten ging. Während ihrer Zeit in der Untersuchungshaft hatte sie mehrfach die Beamten angegriffen und einige davon schwer verletzt. Heute sollte sie von der U-Haft in den geschlossenen Vollzug verlegt werden und Decker hatte schon eine Mannschaft eingeteilt, die ausschließlich für die Malinowski zuständig war. Teamchef war Hannes, ein 1,90 Meter Hüne, der trotz seiner Arbeit hier immer einen lustigen Spruch auf den Lippen hatte. Hannes war der Typ, auf den man sich verlassen konnte, wenn es rund ging. Um zwei Uhr sollte Malinowski hier ankommen, bis dahin waren es noch sechs Stunden.

"Ok. Hoffen wir, dass alles gut geht."

***

Pünktlich trafen Decker, Hannes und vier weitere Beamte ein, um die Verlegung durchzuführen. Würde es nach mir gehen, hätte ich die Malinowski in eine kleine Metallbox mit Rollen gesperrt und selbst gefahren, so aber wurde sie in Hand und Fußschellen gefesselt, in den Lastenaufzug gesteckt und in "meinen" Flur gebracht. Ich erwartete die Gruppe am Aufzug und als die Tür aufging, sperrte ich den Mechanismus, um zu verhindern, dass der Aufzug sich im falschen Moment schloss. Meier trat als erster heraus, dann die Malinowski flankiert von zwei Beamten, danach kamen Decker und die restlichen zwei Wachleute. Wir mussten zwar bis zum Ende des Flures, aber da konnte eigentlich nicht mehr viel geschehen.

Die Prozession setzte sich in Bewegung, ich hielt mich vorne neben Hannes auf und die Malinowski trabte scheinbar friedlich hinter uns her.

Wir hatten etwa ein Drittel des Flures passiert, da kamen uns Vera und Beate entgegen.

"Verfluchter Mist! Ausgerechnet jetzt!", dachte ich. Andererseits war es die perfekte Zeit. Niemand, auch Decker nicht, würde auf Vera und ihre Begleitung achten. Vera hatte Beate so unkenntlich gemacht, wie sie nur konnte. Die Haare waren unter einem Kapuzenshirt verborgen, das Gesicht halb verdeckt und der Blick nach unten gerichtet. Um es so normal wie möglich aussehen zu lassen, hatte sie Beate am Arm gefasst und führte sie wie jede andere Gefangene.

Um sich nicht an uns vorbeidrücken zu müssen, hielt Vera Beate an einem Verbindungsgang an, um uns passieren zu lassen. Vera lächelte freundlich, als Hannes und ich an ihnen vorbeigingen, während Beate zu Boden schaute, um ihr Gesicht nicht zu zeigen.

"Hallo", sagte einer der Beamten, die die Malinowski führten, zu Vera und nickte ihr zu. Das war genau die Sekunde Unaufmerksamkeit, auf die Malinowski gewartet hatte! Sie rammte den Beamten dermaßen fest in die Seite, dass dieser buchstäblich zur Seite flog. Krachend gaben seine Knochen nach, als er gegen das Geländer des Ganges geschleudert wurde. Der zweite Beamte war allein kein Gegner für dieses Kraftpaket. Sie warf ihn förmlich gegen Decker, der in dem engen Flur zwischen den sichernden Beamten und Malinowski stand und dadurch zu Boden fiel. Vera stand der Malinowski am nächsten und sie packte Vera an ihrer Kehle.

Sofort sprang ich die Malinowski an, doch mir erging es nicht anders als Decker. Sie schubste mich gegen Hannes, doch bevor einer von uns wieder auf die Beine kam, sprang Beate die Malinowski an. Die Kapuze war von Beates Kopf gerutscht und ihre feuerroten Haare wirbelten durch die Luft. "Hände weg von ihr!", kreischte sie und ließ ihre Stirn gegen die der Malinowski krachen und stach ihr dann einen Finger direkt ins Auge.

Die Malinowski schrie auf und ließ Vera los, um sich Beate zu schnappen, doch Hannes, Decker und ich waren wieder auf den Beinen und ergriffen die wütende Frau. Beate, die sich losreißen konnte, kümmerte sich um Vera, die auf dem Boden lag und sich die Kehle hielt. Hannes versuchte, die Malinowski zu Boden zu zwingen, doch die wehrte sich mit Erfolg. Selbst zu dritt hatten wir erhebliche Mühe, die Oberhand zu gewinnen. Als einer der sichernden Beamten dazukam, schaffte es die Malinowski, einen Arm frei zu bekommen und griff nach dessen Reizgasgerät.

Das reichte! Ich drehte mich zu Hannes, der mir am nächsten stand, zog ihm den Teleskopschlagstock aus dem Holster und schlug der Malinowski auf beide Knie. Brüllend, wie ein angeschlagener Ochse, ging sie zu Boden und schrie wie verrückt. Ich schob den Schlagstock zusammen und steckte ihn Hannes zurück in den Holster, dann sprang ich schnell zu Vera, die noch immer am Boden saß.

"Bring sie weg!", raunte ich Beate zu und gab ihr meinen Generalschlüssel.

Spätestens jetzt würde Frank durchdrehen, denn ich gab einer Gefangenen den Generalschlüssel des Gefängnisses! Beate zog sich schnell wieder die Kapuze über und half Vera beim Aufstehen. Sie versuchten es, genauso zu machen wie vorhin, doch diesmal sah es eher so aus, als ob die Gefangene führte. Davon hatten die anderen glücklicherweise nichts mitbekommen. Hannes hatte die Malinowski im Würgegriff und hielt sie am Boden, während Decker sich um den bewusstlosen Beamten kümmerte. Malinowski wütete noch immer, doch mit zerschlagenen Knien hatte sie keine Chance mehr.

Ich griff nach meinem Handy und rief Decker zu: "Ich rufe Schemmlein!" Der nickte nur, um zu zeigen, dass er verstanden hatte.

"Was ist?", meldete sich Schemmlein am anderen Ende. "Ich habe frei! Halt dich an deine Freundin."

"Wir haben einen Notfall. Es gibt mehrere Verletzte, Vera ist ebenfalls verletzt!"

"Fünf Minuten!" Das Gespräch war beendet.

"Schemmlein kommt!", sagte ich zu den anderen.

"Was machen wir mit der Furie?", wollte Hannes wissen.

"Warte, ich habe eine Idee." Ich lief zur nächsten Abstellkammer und holte eine metallene Rollliege, die recht stabil sind. Diese rollte ich zu Hannes und zu viert schafften wir es die Malinowski darauf zu legen und mit Hand und Fußschellen daran zu fesseln.

Jetzt war die Lage unter Kontrolle und Schemmlein kam um die Ecke gerannt. Er schaute sich erst den bewusstlosen Beamten an, dann die Malinowski.

"Was ist mit Vera?"

"Sie konnte zur Krankenstation gehen."

"Gut, hast du noch so ein Teil?", fragte er und klopfte auf die Liege.

"Klar."

Erneut lief ich zur Abstellkammer und holte eine weitere Liege, auf die wir den bewusstlosen Beamten legten. Beide wurden zur Krankenstation gebracht, wo Vera schon alles für die Notfälle bereit gemacht hatte.

"Vera, wie geht’s dir?", fragte Schemmlein.

"Geht schon wieder", krächzte sie heiser.

"Komm her und lass mich nachsehen!"

Schnell schaute sich Schemmlein sich ihren Hals an und meinte: "Ganz schön gequetscht, geht es?"

"Keine Sorge, ich schaffe das."

Nach und nach trafen die benachrichtigten Helfer ein und kümmerten sich um die Verletzten. Wir gingen aus dem Weg und verließen die Krankenstation.

"Mann, das war vielleicht was", sagte Hannes. "Ähm, Bad-Man, was ist mit dem Bericht über die verbotenen Schläge auf die Knie?", fragte er.

"Lass ihn den Bericht schreiben", sagte Decker zu Hannes. "Er musste ja auch unbedingt zuschlagen."

Hannes grinste. "Wer war bloß diese Gefangene? Habt ihr gesehen, wie sie die Malinowski angesprungen hat, um Vera zu helfen? Das war verdammt mutig."

"Ja!", brummte Decker und trat einen Schritt näher. "Eigentlich sollten wir doch jeden hier drinnen kennen, oder?!"

Bevor ich dazu etwas sagen konnte, kam Schemmlein heraus und gab Entwarnung. Der Beamte hatte zwar ein paar Knochenbrüche, sonst aber keine schwereren Verletzungen. Decker bedankte sich aufrichtig bei Schemmlein und ließ mich stehen.

Erleichtert machte ich mich auf den Weg zu Beate, die schon aufgelöst in Veras Wohnung wartete und sofort auf mich zustürmte.

"Wie geht’s Vera?"

"Alles ok. Sie ist nicht ernstlich verletzt."

"Ein Glück, ich dachte…"

Beate fing an zu reden und erzählte die Dinge aus ihrer Sicht und während sie erzählte, schweiften meine Gedanken ab. Ich musste mir eingestehen, dass mir Beate wichtiger geworden war, als ich zugeben wollte. Ich hatte wirklich Angst um BEIDE Frauen gehabt. Beate hatte sich wie eine Löwin vor Vera geworfen, ohne sich Gedanken um die eigene Sicherheit zu machen. In diesem Moment wurde mir wieder bewusst, dass Beate ihren Mann mit dem Messer in Scheiben geschnitten hatte. Wahrscheinlich hatten weder er noch Petra Strass und schon gar nicht Beate selbst geahnt, was für eine Bestie in ihr schlummerte und nur darauf wartete, entfesselt zu werden. Beate würde das, was sie liebte, immer verteidigen und das mit allen Mitteln. Vera konnte sich glücklich schätzen, so eine Liebe gefunden zu haben, denn nicht viele hätten es gewagt, die Malinowski anzuspringen. Das alles brachte meine Gedanken zurück auf das Wichtigste. Wenn mein Plan nicht funktionierte, würde Beate sehr wahrscheinlich sterben und Vera daran zerbrechen.

"Und ich?", fragte ich mich selbst. "Ich selbst würde nicht zerbrechen, oder?" Ich beschloss, es erst gar nicht darauf anzulegen, unser Plan musste klappen! Es würde keinen Plan B geben und es wurde Zeit, die nächste Phase des Plans umzusetzen.

***

Legendenbildung

Von Luise Pleitz bekam ich gegen Nachmittag Beates Legende. Noch in ihrer Zelle las ich mir ihren neuen Lebenslauf durch, er stimmte perfekt. Nicht nur, dass er schlüssig war, nein, er war auch so einfach gehalten, dass er glaubhaft und zudem leicht zu merken war. Die Orte, an denen Beate gelebt haben soll, gab es wirklich und alle waren Großstädte, die jeder schon einmal gesehen hatte oder zumindest aus dem Fernsehen kannte. Zwar bestand die Wahrscheinlichkeit, dass sich Dritte tatsächlich zur selben Zeit am selben Ort aufgehalten hatten, doch in einer Stadt wie London oder New York machte das keinen Unterschied. Luise Pleitz hatte sich mit ihrer Arbeit selbst übertroffen. Damit sollte Beate klarkommen. Als ich mich bedankte und ihre Zelle verlassen wollte, hielt sie mich einen Moment zurück.

"Sagen Sie der Frau, dass ich ihr alles Gute wünsche."

"Ich richte es ihr aus, versprochen."

Schon am nächsten Tag wurde Luise Pleitz in eine Freigänger-Einrichtung am anderen Ende der Republik verlegt und nicht nur Jessika war sehr erleichtert, als der Bus mit Luise als Mitwisserin das Gefängnis verlassen hatte. Mit den Unterlagen von Pleitz suchte ich im Anschluss Dunkowski auf. Jarvis hatte den Pass beinahe fertig, alles, was er noch brauchte, waren die Orte, an denen Beate bzw. die Frau, auf die der Pass ausgestellt war, sich aufgehalten hatte.

"Brauchst du noch etwas?"

"Nein, das reicht. Und danke für den Einkauf. Es tat richtig gut, sich mal wieder was Gutes leisten zu können. Die Frau muss dir einiges bedeuten."

Ich schwieg kurz. "Ja, sie bedeutet mir sehr viel."

"Kein Problem. In zwei Tagen hat sie ihren Pass. Was ist mit meiner Bezahlung?"

"Die wartet auf dich am Samstag. Ich habe für euch die Ehe-Zelle gebucht."

"Dann werde ich mir richtig Mühe geben und keine Sorge, ich werde mich wie ein Gentleman benehmen."

"Das will ich hoffen."

"Du wirst es nicht glauben, aber mir ist klar, dass ich diesen Knast nie mehr verlassen werde. Ich habe vor, mich zu ändern und der Pass soll der erste Schritt sein. Vielleicht bekomme ich ja einen Bonus… später."

"Du hilfst, ein großes Unrecht aus der Welt zu schaffen und bekommst ganz sicher einen Bonus dafür… später."

"Ich hoffe, du hast Recht, Bad-Man. War schön, mit dir Geschäfte zu machen."

Ich nickte ihm zu und verließ seine Zelle. Im Büro setze ich Jessika von Beates neuem Lebenslauf in Kenntnis. Da ich es versprochen hatte, informierte ich sie vorab über meine Absicht, Randy zu kontaktieren und erklärte ihr auch, was ich von Randy wollte.

Randy war unser Computer-Fachmann und ein Experte für alles Technische. Ok, er war ein Nerd, der die Welt am liebsten von seinem Monitor aus betrachtete, aber er war der Einzige, der mir meiner Meinung nach beim großen Finale helfen konnte. Bei der Sache mit dem öffentlichen Strafregister hatte er auf meine Bitte hin die Server so manipuliert, dass sich bei den Kommentaren die Begeisterung in Grenzen hielt und die Kritik lauter erschien, als sie tatsächlich war. Ihm war ein solcher Pranger genauso zuwider wie Frank und mir und so half er uns bereitwillig, dafür zu sorgen, dass es nun kein Register gab. Damit hatte Randy bewiesen, dass er durchaus im Stande war "ein Ding zu drehen".

Jessika gab mir ihr Einverständnis und ich musste mir überlegen, wie ich Randy dazu bringen konnte, mir zu helfen. Der heutige Abend war dazu ideal, denn heute Abend hatte Mike zu unserem Herrenabend eingeladen, bei dem auch der Whisky aus meiner verlorenen Wette ausgeschenkt wurde. Es war einer der Abende, an dem Probleme aus der Welt geschaffen wurden, bevor sie überhaupt zum Problem werden konnten. Es war allerdings auch der Abend, an dem ich gegen Trommer in die Offensive gehen würde!

***

Randy

Mike, Frank, Randy und ich machten uns über die zwei Flaschen Scotch Single Malt her, die mich ein kleines Vermögen gekostet hatten. Obwohl ich ein großer Liebhaber dieses wunderbaren Gesöffs war, musste ich mich zurückhalten, um nicht eine unbedachte Äußerung fallen zu lassen, denn Frank, der Falke, würde sie nicht einfach überhören.

Ein paar Stunden später saßen wir in einem vollgequalmten Zimmer, rauchten teure Zigarren und leerten die Whiskeyflaschen.

"Ich habe gehört, dass es mit der Malinowski Ärger gegeben hatte."

Typisch Frank, wahrscheinlich wusste er schon von dem Vorfall, bevor wir die Krankenstation erreicht hatten. "Eine geheimnisvolle rothaarige Gefangene soll Vera Müller gerettet haben. Decker erzählte, dass die Gefangene schneller war als du." Wobei er mich grinsend ansah. Natürlich gab es dazu jede Menge bissige Kommentare, auf die ich gar nicht einging. Ich fragte stattdessen nach dem verletzten Beamten.

"Er wird noch eine geraume Zeit dienstunfähig sein, aber es sah wohl schlimmer aus, als es ist."

"Ich hätte die Malinowski mit einer kleinen Box in ihre Zelle fahren sollen, dann wäre das nicht passiert."

"Das wäre Verschwendung von Justizmitteln. Solche Personal-Boxen sind teuer."

"Haha."

"Morgen wird es offiziell, Sarah Schlosser wird zum nächsten Ersten eingestellt."

"Danke, dass du meiner Empfehlung gefolgt bist."

Kurz verfinsterte sich seine Miene, als er mich von der Seite anschaute. "Hast du sie schon getroffen?", fragte er.

"Nein, sie kommt erst in ein paar Tagen hier an und meldet sich bei mir, sobald sie in der Stadt ist."

"Wie ist sie denn, auch so ein geiles Teil wie Tanja?", fragte Randy.

"Bis jetzt kenne ich nur das Bild aus der Bewerbung. Aber das sieht nicht schlecht aus."

So zog sich der Abend weiter hin. Wir plauderten, qualmten Zigarren und genossen den Whisky, bis schließlich Trommer zur Sprache kam.

"Trommer wird in ein paar Tagen bekannt geben, dass er sich als Generalstaatsanwalt beworben hat", erzählte Mike, "ich schätze, er hat gute Chancen."

"Wow, das nennt man Karriere", meinte Randy.

Ich spürte Franks Blick auf mir, als Randy weitersprach: "Ich wette, der marschiert direkt zu einem Ministerposten weiter."

"Gut möglich", sagte ich nur. "Ich finde es nur unglaublich, dass er dafür diese braune Kackpartei benutzt."

Dann wurde auch Mike auf Franks Blick aufmerksam.

"Habe ich was verpasst?", fragte er und stellte sein Whiskyglas ab. "Was ist los? Ich kenne euch zwei, da ist doch was im Busch!"

"Wusstet ihr, dass an der Leiche der kleinen Ella DNA-Spuren von der Strass gefunden wurde?", fragte ich in die Runde.

Plötzlich wurde es sehr still und selbst Randy bemerkte, dass es hier um etwas Großes ging.

"Im Ernst? Petra Strass war am Mord der Kleinen beteiligt?", fragte Mike ungläubig. "Wieso weiß das noch niemand?"

"Bevor die Leiche der Kleinen beerdigt wurde, hat ein gewissenhafter Ermittler noch einmal die ganze Leiche nach DNA untersucht. Er konnte die gefundene DNA nicht zuordnen und hat sie mit der großen Datenbank abgeglichen, aber es gab keinen Treffer. Doch anscheinend wurde die Strass vor zwei Wochen wegen einer Alkoholfahrt registriert und ihr wurde eine Blutprobe entnommen. Jedenfalls hat der Computer plötzlich ihren Namen ausgespuckt."

"Das ist der Hammer", staunte Mike. "Trommer schläft mit einer Verdächtigen, wenn das rauskommt…" Mike und Randy fingen sofort eine lebhafte Diskussion über die Folgen an, während Frank sich zu mir beugte.

"Hast du eine Ahnung, was das bedeutet?", fragte mich Frank leise.

"Ja, ich weiß genau, was das bedeutet."

"Trommer wird Amok laufen! Gnade dir, wenn du mit dieser Wendung etwas zu tun hast."

"Nein, das glaube ich nicht, dass ich das Ziel seiner Rache sein werde. Er weiß es nämlich schon."

"Er weiß es und schläft mit der Alten immer noch?" Mike schaute mich ungläubig an.

"Was ist mit der Fischer? Was sagt sie dazu?"

"Beate Fischer wurde vor ein paar Wochen erstochen", antwortete ich, während Frank mich durchdringend ansah, nein, er durchbohrte mich fast mit seinem Blick.

"Du spielst mit dem Feuer, pass auf, dass du dich nicht verbrennst!", flüsterte er leise und fügte hinzu: "Du bist mein Freund, aber wenn das schief geht, kann dir niemand mehr helfen."

Das war deutlich und Frank beließ es damit. Nach einer weiteren Flasche Whisky aus Mikes Beständen beendeten wir den Abend gegen zwei Uhr nachts. Als wir uns von Mike verabschiedeten, bestiegen wir übrigen drei ein Taxi, das zuerst Frank absetzte. Etwa 500 Meter vor Randys Wohnung, ließ ich den Taxifahrer anhalten und bezahlte ihn. Randy, der wusste, dass es bei mir ab und zu eine Überraschung gab, sagte nichts und stieg mit mir aus.

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