Читать книгу: «Geliebt und Glücklich», страница 2

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Und als es dann keine Reisen mehr gab, als sie sich im Manor niedergelassen hatten, da waren ihre Eltern glücklich und zufrieden gewesen, wenn sie zusammen im Garten saßen oder im Arbeitszimmer gemeinsam lasen.

Bei Tisch war viel gelacht worden, und ehe Gilda alt genug gewesen war, um zum Abendessen nach unten zu gehen, hatte sie oft oben an der Treppe dem Stimmengemurmel aus dem Eßzimmer gelauscht, daran erinnerte sie sich noch gut.

Später war dann Musik aus dem Wohnzimmer erklungen. Ihre Mutter hatte alte Lieder gespielt, die ihr Vater so gern hörte, und dazu gesungen.

»Sie waren glücklich«, sagte sich Gilda, »und das sollte sich Heloise wünschen, nicht nur materielle Dinge.«

Doch gleichzeitig war ihr klar, ihre Schwester würde nie zuhören, wenn sie versuchen sollte, ihr dies begreiflich zu machen. Und sie bezweifelte, ob sie sie überhaupt verstehen würde.

Heloise hatte sich immer Luxus gewünscht, sich nach all den Dingen gesehnt, die man kaufen konnte.

Ihr fiel ein, wie ihre Schwester an ihrem fünfzehnten Geburtstag - sie selbst war gerade dreizehn Jahre alt - mit dem Fuß aufgestampft hatte, weil sie nicht das geschenkt bekommen hatte, was sie sich wünschte.

»Ich habe Mama um ein neues Kleid gebeten!« rief sie wütend. »Und ich wollte einen mit Pelz besetzten Mantel! Aber alles, was sie mir geschenkt hat, ist dieses Zeug!«

Bei diesen Worten hatte sie eine hübsche Kappe, die mit blauen Bändern besetzt war, das dazu passende Retikül und ein Paar Satinschuhe durchs Zimmer geschleudert.

»Aber die Sachen sind doch so hübsch! Und du hast neue Schuhe gebraucht!«

»Ich wollte aber auch ein neues Kleid und einen neuen Mantel!« hatte Heloise getobt.

»Ich glaube nicht, daß Mama sich diese Dinge im Augenblick leisten kann«, hatte Gilda ihr erklärt.

»Nun, dann hätte sie eben irgendetwas verkaufen müssen, um mir das schenken zu können, was ich haben will«, hatte Heloise geantwortet. »Ich finde, Mama ist selbstsüchtig und gemein, und ich hasse diese dummen, langweiligen Geschenke!«

Gilda war damals entsetzt gewesen, aber es überraschte sie nicht, daß Heloise ihrer Mutter einen Monat später alles, was sie haben wollte, abgeschmeichelt hatte.

Und die Mutter hatte später zu Gilda gesagt: »Wir werden sparen müssen, Gilda, wegen der Sachen, die ich Louise gekauft habe. Aber sie haben sie so glücklich gemacht, und ich kann wirklich in diesem Winter leicht auf einen neuen Mantel verzichten.«

Ja, Heloise war schon immer so gewesen, dachte Gilda, als sie jetzt das Omelett ins Eßzimmer trug.

Obwohl sie nichts weiter zu tun gehabt hatte, als auf das Essen zu warten, hatte Heloise noch nicht einmal das Tischtuch aufgelegt, und während Gilda das jetzt schnell tat, lehnte sich die Schwester bequem im Armstuhl ihres Vaters zurück und betrachtete das Omelett fast verächtlich.

»Nennst du das etwa ein anständiges Essen?« fragte sie. »Ein Glück, daß ich zugeben muß, wie gut es mir tun wird, die nächsten achtundvierzig Stunden zu fasten. Es ist nämlich schwer, sich in London bei den Mahlzeiten zurückzuhalten.«

»Ist das Essen so köstlich?«

Gilda hatte erkannt, daß Heloise bereit war zu schwatzen.

»Immer, wenn man mit dem Prinz von Wales diniert.«

»Heißt das, du hast tatsächlich mit ihm zu Abend gegessen?«

»Ja, hab ich, und ich bin ganz sicher, daß es der Marquis war, der die Einladung arrangiert hat. Der Prinz ist immer neugierig auf jemand Neuen, der noch dazu schön ist, obwohl er sich eigentlich nicht für junge Mädchen interessiert.«

Sie hielt inne, um ihre Worte auf Gilda wirken zu lassen, dann fuhr sie fort: »Als ich meine Einladung erhielt, war ich natürlich über alle Maßen glücklich.«

»Davon bin ich überzeugt.«

»Wir mußten in schrecklicher Eile ein neues Kleid kaufen, denn, wie ich schon zu meiner Patentante sagte, konnte ich unmöglich in den alten Lumpen hingehen, die ich zu der Zeit trug.«

»War das nicht ziemlich unhöflich, nachdem sie dir die Sachen doch geschenkt hatte?«

»Überhaupt nicht! Sie hat mir auch zugestimmt«, plauderte Heloise sorglos. »Und dann hat sie mich zum besten Schneider in der Bond Street geschickt. Es hat eine Unmenge Geld gekostet, aber es war die Sache wert, denn der Prinz hat mir Komplimente gemacht, ebenso jeder andere wichtige Mann, der bei dem Dinner anwesend war.«

»Wurde der Marquis nicht eifersüchtig?«

Eine Falte erschien auf Heloises kleiner, weißer Stirn.

»Ich bin mir nicht sicher - und das ist die Wahrheit, Gilda - was er wirklich für mich empfindet.«

Sie hörte einen Moment auf zu essen.

»Er ist der anstrengendste Mann, den ich in meinem ganzen Leben kennengelernt habe. Man weiß nie, was er denkt oder fühlt.«

»Warum willst du ihn dann heiraten?«

»Stell dich doch nicht so dumm an! Ich habe diese Frage doch schon einmal beantwortet!« brauste Heloise auf.

»Ja, natürlich ... es tut mir leid«, entschuldigte sich Gilda hastig. »Aber das klingt alles so . . . furchterregend.«

»Mir macht er keine Angst«, erklärte Heloise. »Er macht mich bloß sehr wütend, er frustriert mich, aber ich werde seinen Ring an meinen Finger bekommen oder bei dem Versuch sterben.«

»Glaubst du wirklich, du wirst glücklich, wenn du mit einem solchen Mann verheiratet bist? Wenn du dich dann weiterhin über ihn aufregen mußt?«

Heloise zuckte die Schultern.

»Dann wird es sowieso zu spät sein, um etwas dagegen zu tun. Du hast ja keine Ahnung, wo du hier so hinterwäldlerisch haust, aber bei den meisten Paaren in der Beau Monde geht jeder seinen eigenen Weg.«

Gilda sah sie erstaunt an, und Heloise fuhr fort: »Im ersten Jahr werde ich wohl einen Sohn produzieren müssen, der dann den Titel erbt. Aber danach - und dessen bin ich mir sicher - werde ich wohl meine eigenen Freunde haben und der Marquis seine, und keiner von uns wird sich daran stören.«

Einen Moment herrschte Stille.

Dann sagte Gilda: »Meinst du damit, er wird . . . Damenbekanntschaften haben?«

»Natürlich meine ich das. Er müßte ein Mönch oder ein Heiliger sein, um einer einzigen Frau treu zu bleiben, und ich habe die Absicht, meine Bewunderer glücklich zu machen, bis ich wirklich alt bin.«

Gilda überlegte, wie das wohl zu verstehen war, aber sie war zu nervös, um danach zu fragen.

Stattdessen nahm sie nun den leeren Teller fort, nachdem Heloise das Omelett gegessen hatte, und sagte: »Ich fürchte, es ist nichts anderes da als Käse.«

»Ich hasse Käse!« erklärte Heloise trotzig.

»Ich werde versuchen, heute abend etwas Besseres für dich zu bekommen, und ich werde dir einen Pudding kochen. Magst du immer noch so gern Sirup Torte?«

»Großer Gott! Ich hatte ganz vergessen, daß es so etwas gibt!« rief Heloise aus. »Aber jetzt erinnere ich mich, daß wir immer Sirup Torte hatten, am nächsten Tag Pflaumenmus und am dritten Rollpudding. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, wie wir dieses schreckliche Essen ertragen haben!«

»Erzähl mir, was du in London ißt«, forderte Gilda sie auf, um das Thema zu wechseln.

Schon bald erging sich Heloise über die köstlichen Gerichte, die sie in den vornehmen Häusern genossen hatte.

Gleichzeitig machte sie ihrer Schwester klar, daß die Speisen, die in irgendeinem Haus serviert wurden, dem sie vorstand, alles übertreffen sollten, was sie jemals anderswo bekommen hatte.

Sie redeten - oder vielmehr - Heloise redete den ganzen Nachmittag, und erst als sie erklärte, sie würde sich vor dem Abendessen noch ein Weilchen hinlegen, hatte Gilda Gelegenheit, zur nächsten Farm hinüberzueilen, die Mrs. Hewletts Sohn gehörte.

Unterwegs rechnete sie aus, was es kosten würde, eine kleine Lammkeule für Heloises Abendessen zu kaufen.

Sie würde auch Eier besorgen, und wenn sie Glück hatte, hatte Farmer Hewlett vielleicht Wurstpastete gemacht. Die hatte Heloise immer gut geschmeckt, als sie noch daheim gelebt hatte.

Gilda wußte, all diese Dinge würden eine beachtliche Summe verschlingen und sie war froh, daß Heloise nicht lange bleiben wollte, obwohl sie sich dieser Gedanken wegen schämte.

Doch ihr war klar, daß ihre Schwester nicht anbieten würde, für irgendetwas zu bezahlen, solange sie daheim war.

So aufregend es war, sie wiederzusehen und ihren Erzählungen zuzuhören, so kränkte es Gilda doch ein wenig, daß sie sich jetzt erst nach über einem Jahr wieder sehen ließ.

Ganz offensichtlich hatte Heloise ihre Schwester vergessen, als sie in London war, und ebenso ihr schäbiges Heim, denn sie ging vollkommen in ihrem neuen Leben auf.

Sie hat wirklich Glück, und Lady Neyland ist so nett zu ihr gewesen, dachte Gilda.

Sie wünschte nur, Heloise würde in einem anderen Ton von ihrer blinden Patentante sprechen und sich etwas dankbarer zeigen nach allem, was sie von der Lady bekommen hatte, die ja nicht einmal mit ihr verwandt war.

Lady Neyland war eine gute Freundin ihrer Mutter gewesen, bis sie heiratete, und obwohl sie sich in den Jahren nach Mrs. Wyngates Hochzeit nur selten gesehen hatten, war die Verbindung zwischen ihnen doch nie abgerissen.

Da Lady Neyland keine Kinder hatte, hatte sie sich immer für die Familie ihrer Freundin interessiert. Zu Weihnachten waren Geschenke für beide Mädchen gekommen, und Heloise hatte auch zu ihrem Geburtstag immer etwas erhalten.

»Es ist schade, daß meine Paten gestorben sind, als ich noch so jung war, und daß sie vergessen haben, mich in ihrem Testament zu bedenken«, murmelte Gilda und lächelte schwach.

Doch sie empfand es als eine große Sünde, auf Heloise eifersüchtig zu sein.

Es war das Recht ihrer Schwester, das Beste zu bekommen, und Gilda war in den beiden Jahren nach dem Tod ihrer Mutter sehr glücklich gewesen, als sie mit ihrem Vater allein war.

Sie hatte ihm gern zugehört, wenn er von seinem Leben in der Armee erzählte, und sie hatten zusammen interessante Bücher gelesen.

Wenn sie an diese Zeit zurückdachte, wußte sie, daß nicht einmal die Bälle, die Heloise so lebhaft schilderte, die Kameradschaft aufwiegen konnten, die ihr Leben so sehr bereichert hatte, und die sie doch nicht in Worte fassen konnte.

»Ich habe Papa geliebt, und er mich«, sagte sich Gilda.

Das bedeutete viel mehr als die Jagd nach einem Marquis, den sie sich ausgesprochen unsympathisch vorstellte.

2

Heloise hatte beschlossen, den größten Teil des Sonntags im Bett zu verbringen, und Gilda hatte ihr das Frühstück und später auch noch das Mittagessen nach oben gebracht.

Sie hatte das Lamm sehr sorgfältig zubereitet, und nachdem Heloise zwei Portionen gegessen hatte, hatte sie tatsächlich lobend geäußert, es wäre sehr zart gewesen.

Jetzt saß sie im Bett, sah außerordentlich schön aus und war bereit, zu plaudern.

»Ich bin ja so froh, daß du eine gute Nacht verbracht hast«, meinte Gilda. »Du mußt sehr müde gewesen sein, wenn du so lange schlafen konntest.«

Heloise lachte.

»Das lag nicht an der Müdigkeit, sondern an einer besonders hohen Dosis Laudanum.«

Gilda war entsetzt.

»Laudanum!« rief sie aus. »Du weißt doch, wie sehr Mama dagegen war, wenn der Doktor vorgeschlagen hatte, Papa sollte abends wegen seines Rheumas einen Löffel davon einnehmen!«

»Ich könnte ohne es nicht schlafen.«

Gilda sah sie mißbilligend an, und Heloise fuhr fort: »Du kannst leicht kritisieren, aber wenn du bis drei oder vier Uhr früh tanzen und Champagner trinken würdest, könntest auch du unmöglich einschlafen, wenn du dann endlich im Bett liegst.«

Gilda hätte gern einmal diese Erfahrung gemacht und bis in den frühen Morgen hinein getanzt. Aber Heloise mußte unbedingt begreifen, wie schädlich Laudanum für sie war, und sie beschloß, sie aufzuklären.

»Ich bin sicher, du würdest leicht einschlafen können, wenn du etwas warme Milch trinken würdest. Mama hat immer gesagt, daß Milch und Honig . . .«

»Ach, hör auf!« unterbrach Heloise sie scharf. »Ich erzähle dir lieber, welchen Erfolg ich auf dem Ball hatte, den die Herzogin von Bedford gegeben hat. Alle haben gesagt, ich würde sensationell aussehen, und anschließend hat der Marquis angefangen, mir seine Aufmerksamkeit zu schenken.«

Wieder war sie bei ihrem Lieblingsthema, dem Marquis, und Gilda ließ sie reden.

Sie fand es faszinierend zuzuhören, wie Heloise die Bälle beschrieb, an denen sie teilgenommen hatte, die Komplimente, die man ihr gemacht hatte, und die Schilderungen der schönen Kleider, die mehr Geld gekostet hatten, als ihr für ein ganzes Jahr zur Verfügung stand.

Sie war nicht eifersüchtig auf ihre Schwester, nein, das war sie nie gewesen. Heloise hatte immer den ersten Platz im Herzen ihres Vaters eingenommen.

Sie war achtzehn Monate älter als Gilda. Und sie war so schön, daß es ihr Privileg zu sein schien, von allem nur das Beste zu bekommen, ebenso wie Gilda sich mit dem zufrieden geben mußte, was übrig blieb.

»Als der Marquis zu mir sagte«, erzählte Heloise jetzt, »,Ich werde eine Dinner-Gesellschaft für Sie in meinem Haus am Berkeley Square geben‘, da wußte ich, daß er mir eine besondere Gunst erwies.«

»Ist das die Gesellschaft gewesen, zu der du gestern abend nicht gegangen bist?« erkundigte sich Gilda.

Heloise nickte.

»Das macht ihn aber doch bestimmt sehr wütend?«

»Es wird ihn eifersüchtig machen. Bestimmt wird er glauben, ich hätte etwas Amüsanteres vor, als zu seinem Dinner zu gehen, und die bloße Vorstellung wird schon ein Schock für ihn sein.«

Gilda fand es zwar außerordentlich unhöflich von ihrer Schwester, im letzten Augenblick davonzulaufen, noch dazu vor einer Einladung, die ihr zu Ehren gegeben werden sollte, aber sie war klug genug, zu schweigen.

»Das Dumme ist nur«, fuhr Heloise fort, »daß der Marquis so verwöhnt ist. Er hat alles, was er sich nur wünscht, und nach allem, was ich so gehört habe, hat ihm noch keine Frau ihre Gunst oder irgendetwas anderes verweigert, das er von ihr erbeten hat.«

Ihr Tonfall überraschte Gilda, und sie überlegte, was ihre Schwester wohl damit meinte.

Aber ehe sie noch fragen konnte, redete Heloise bereits weiter: »Ich habe mir genau überlegt, daß es nur eines gibt, was den Marquis bewegen wird, mich ernsthaft in Betracht zu ziehen: Ich muß den Eindruck erwecken, daß ich nicht unbedingt mit ihm zusammen sein will, daß ich ihn nicht so bedränge, wie es alle anderen Frauen tun.«

Sie lachte.

»Natürlich tue ich genau das! Ich bin entschlossen, ihn einzufangen, und ich werde schon dafür sorgen, daß er mir nicht entkommt.«

»Und wenn du ihn eingefangen hast?«

»Dann bin ich die Marchioness of Staverton, und meine Sorgen werden vorüber sein.«

Gilda lächelte.

»Hast du denn wirkliche Sorgen? Du siehst bestimmt nicht so aus.«

»Natürlich habe ich welche! Ich sagte dir doch bereits, daß ich unbedingt heiraten muß. Wie du weißt, werde ich im Juli zwanzig, und die meisten Mädchen, die mit mir zusammen debütiert haben, sind bereits verheiratet.«

Eine kleine Falte trat zwischen ihre blauen Augen, als sie fortfuhr: »Aber sie haben wirklich Glück gehabt. Sie hatten Eltern, die die Ehe für sie arrangiert haben, wie das in adligen Kreisen üblich ist.«

»Aber hätte deine Patentante denn nicht. . . eine Heirat für dich . . . arrangieren können?« wollte Gilda wissen.

Insgeheim fand sie, es hörte sich irgendwie kalt an, eine Heirat zu arrangieren.

Aber wenn es so üblich war, dann würde Heloise es natürlich auch wollen.

»Meine Patentante ist so dumm!« stieß Heloise verächtlich hervor. »Sie begreift einfach nicht, was von ihr erwartet wird. Als ich ihr im letzten Jahr vorschlug, sie sollte mit Lord Cornwall Verbindung aufnehmen, dessen ältester Sohn sich kurze Zeit für mich interessierte, da meinte sie nur, das wäre ihr peinlich, da sie die Cornwalls nicht kennen würde!«

»Ich kann sie verstehen.«

»Das wundert mich nicht! Du bist ja genauso dämlich wie sie, und ich wage zu behaupten, daß Mama auch nicht anders gewesen wäre, würde sie noch leben. Wenn es darum geht, in der Gesellschaft aufzusteigen, darf man nicht sentimental sein.«

Gilda schwieg eine Weile.

Dann fragte sie: »Wünscht denn der Marquis wirklich so eine arrangierte Ehe?«

»Ich kann mir denken, daß bereits sämtliche Herzoge und Grafen an ihn herangetreten sind, die alle ihre langweiligen Töchter unter die Haube bringen wollen. Aber ich bin überzeugt, er wird sich seine Frau selbst aussuchen.«

»Dann müssen wir beten, daß er dich aussucht«, meinte Gilda.

»Ich brauche im Augenblick keine Gebete, sondern einen klaren Verstand«, ereiferte sich Heloise, »und davon habe ich genug. Bestimmt wird sich der Marquis inzwischen verzweifelt fragen, was mit mir geschehen ist, mit wem ich zusammen bin.«

»Wirst du ihm erzählen, wo du gewesen bist?«

»Du bist wohl verrückt geworden! Ich werde ihn nur von oben herab ansehen und erklären, daß ich eine sehr schöne Zeit verbracht habe. Wenn ich mit sanfter, leidenschaftlicher Stimme spreche, wird er glauben, jemand hätte mich geliebt und geküßt. Das macht ihn eifersüchtig, und dann kann alles Mögliche passieren.«

Sie lehnte sich wieder in ihre Kissen zurück und starrte mit ihren blauen Augen an die Decke, als malte sie sich aus, was es bedeuten würde, wenn der Marquis ihr seinen Antrag machte.

Einen Augenblick lang sagte Gilda nichts, doch dann meinte sie: »Ich habe natürlich . . . keine Erfahrung in solchen Dingen . . . aber würde der Marquis dich nicht für ziemlich leichtlebig halten, wenn du . . . dich von Männern küssen ließest?«

»Er würde es höchstens seltsam finden, wenn keiner es versuchen würde!« gab Heloise zurück.

»Ich glaube auch, daß die Männer sich das wünschen«, entgegnete Gilda. »Du bist so hübsch. Liebes, ich bin sicher, jeder Mann findet dich unwiderstehlich . . . aber . . . solltest du sie wirklich küssen?«

»Davon verstehst du nichts! Überlaß es nur mir, den Marquis auf meine Art zu angeln. Ich weiß schon, was ich tue.«

»Ja . . . natürlich.«

Als es Zeit für den Tee war, fand Heloise es im Bett viel zu gemütlich, um aufzustehen, und so brachte Gilda den Tee nach oben.

Sie stellte das beste Porzellan ihrer Mutter auf ein Tablett, das sie mit einem hübschen Spitzentuch bedeckt hatte, und hoffte, Heloise würden die Mürbekekse schmecken, die sie noch schnell gebacken hatte, solange der Ofen heiß war.

Nach dem Tee sagte sie leise und schüchtern: »Ich möchte dich . . . etwas fragen, Heloise.«

»Und was?«

»Wenn ich nach London . . . kommen würde . . . wäre es dir da möglich . . . irgendeine . . . Stelle für mich ... zu finden?«

Heloise richtete sich abrupt auf.

»Nach London? Warum solltest du denn nach London kommen?«

»Ich habe . . . über alles nachgedacht«, erklärte Gilda. »Ich kann es mir wirklich nicht leisten . . . hierzubleiben . . . außer, ich verdiene . . . irgendwie Geld . . . aber ich wüßte nichts ... das ich tun könnte.«

»Und was willst du in London machen?«

Heloises Stimme klang aggressiv, und Gilda hatte das Gefühl, sie würde sie feindselig anstarren.

»Ich . . . habe überlegt, ob ich vielleicht. . . Kindern Unterricht geben . . . oder auf Kinder aufpassen könnte.«

»Willst du etwa Gouvernante werden?«

Heloises Ton verriet ihr Entsetzen.

»Nun ja . . . so etwas Ähnliches.«

»Und was glaubst du, wie ich dastehen würde, wenn meine Schwester nichts weiter wäre als ein besserer Diener? Wie kannst du nur etwas so Abscheuliches vorschlagen?«

»Es tut mir . . . leid. Ich wußte nicht, daß dich das so aufregen . . . würde.«

»Aber natürlich regt es mich auf!« fuhr Heloise sie an. »Ich bin eine Dame von Welt, und niemand weiß, daß mein Zuhause ein altes, abbruchreifes Manor ist und mein Vater nur das Geld besaß, das er als Soldat verdient hat.«

Gilda hatte schon oftmals vermutet, daß sich Heloise ihrer Familie schämte. Aber als die Schwester es jetzt so deutlich zum Ausdruck brachte, wirkte das wie ein Schock auf sie, und sie verkrampfte die Hände ineinander, damit das Zittern ihrer Finger verborgen blieb.

»Es tut mir . . . leid, Heloise. Ich wollte dich wirklich nicht. . . aufregen. Ich werde es schon . . . irgendwie . . . schaffen.«

Ihr fiel wieder ein, wie sie am Vorabend noch einmal in ihr Ausgabenbuch geschaut und begriffen hatte, daß es ihr wirklich unmöglich war, weiterhin von der kleinen Summe, die sie aus dem Vermögen ihrer Mutter erhielt, im Manor zu leben.

»Wenn du Kinder unterrichten willst, dann kannst du das auch hier tun!« behauptete Heloise mit harter Stimme.

»Es gibt schon eine Lehrerin im Dorf«, erklärte Gilda ihr. »Wir haben hier nur eine Zwergschule, und ich fürchte, die arme Miss Crew würde verhungern, wenn sie nicht wenigstens ein bißchen eigenes Geld hätte.«

Nach kurzem Schweigen meinte Heloise schließlich: »Ich habe dir ja gesagt, du mußt heiraten! Es muß doch einen Farmer oder gar irgend einen wohlhabenden Händler geben, für den es eine Ehre wäre, dich zur Frau zu nehmen.«

Gilda stand vom Bett auf und ging zum Fenster hinüber.

Aber als sie hinausstarrte, sah sie nicht die Nachmittagssonne und den blühenden Garten, sondern kämpfte gegen die Tränen an, die ihr in die Augen traten.

Jetzt wußte sie genau, wie Heloise zu ihr stand. Ihr war klargeworden, daß die Schwester keinerlei Gefühle für sie empfand, und ebenso wenig ein ehrendes Andenken an die verstorbene Mutter.

Der Vorschlag, sie sollte lieber einen Farmer oder Händler heiraten, als ihr in London zur Last zu fallen, zeigte nur zu deutlich die Verachtung, die Heloise ihr entgegenbrachte.

Ihre Mutter war immer stolz auf ihre vornehme Familie gewesen, und die Familie ihres Vaters hatte Generationen hindurch dem Land als Soldaten oder Matrosen gedient.

Ihr Großvater, ein General, war zum Ritter geschlagen worden, und der Name ihres Urgroßvaters fand sich sogar in den Geschichtsbüchern.

Während Gilda krampfhaft versuchte, die Tränen zurückzuhalten, ertönte Heloises Stimme vom Bett her:»Ich schätze, es läuft darauf hinaus, daß ich dir Geld geben muß, obwohl ich es unmöglich finde, wie du das von mir erwarten kannst.«

Gilda wandte sich vom Fenster ab.

»Laß es gut sein, Heloise. Ich werde . . . schon irgendwie zurechtkommen.«

Aber Heloise hörte gar nicht zu.

Aufgrund ihres wutverzerrten Gesichts war nun von ihrer rosa-weiß-goldenen Schönheit nicht mehr viel zu sehen, und einen Moment lang sah sie genauso aus wie als kleines Mädchen, wenn sie ihre Launen bekam, weil etwas nicht nach ihren Wünschen ging.

»Ich sage dir, was ich tun werde: Ich gebe dir zwanzig Pfund im Jahr, bis du verheiratet bist, und es hat keinen Sinn, um mehr zu betteln.«

»Ich . ... bettle ja gar nicht.«

Gilda versuchte, Stolz zu zeigen, aber ihre Stimme stockte bei den Worten, und zwei Tränen rannen über ihre Wangen.

»Ich gebe es dir«, fuhr Heloise unbeirrt fort, »aber nur unter der Bedingung, daß du weder nach London kommst noch zu irgendeiner Zeit weitere Ansprüche an mich stellst.«

»Das würde ich . . . bestimmt nicht. . . tun.«

»Ich will damit sagen, daß ich dem Marquis, wenn ich ihn heirate, nicht erzählen werde, daß ich eine Schwester habe. Du darfst niemals bei mir auftauchen und niemandem außerhalb dieses Dorfes erzählen, daß wir miteinander verwandt sind.«

»Ich verspreche es«, sagte Gilda, »aber ich werde dein Geld nicht annehmen, Heloise. Nach allem, was du gerade gesagt hast, möchte ich lieber bei fremden Leuten den Fußboden schrubben als auch nur einen Penny von dir annehmen!«

Mit diesen Worten verließ sie den Raum und schloß die Tür hinter sich. Dann lief sie in ihr eigenes Zimmer, warf sich aufs Bett und brach in Tränen aus.

Heloise war ihre einzige Verwandte, und Gilda hatte immer voll Wärme und Liebe an sie gedacht. Aber jetzt wußte sie, daß sie sich in der Schwester geirrt hatte.

Sie hatte sich eingebildet, Heloise zu lieben, hatte gedacht, Heloise würde auch sie lieben, einfach deshalb, weil sie ohne diese Liebe mutterseelenallein war.

Doch nun, nachdem Heloise ihr wahres Gesicht gezeigt hatte, war es Gilda, als hätte sie etwas Kostbares verloren. Es hinterließ eine Leere in ihrem Leben, die nichts heilen konnte.

Sie weinte lange Zeit.

Dann fiel ihr ein, daß Heloise sicher bald ihr Abendessen wünschte, daher mußte sie die Ochsenzunge zubereiten, die Farmer Hewlett ihr verkauft hatte.

»Ich will nicht viel dafür von Ihnen, Miss Gilda«, hatte er sie überredet. »Und ’s is ’n anständiges Stück Fleisch für Sie beide.«

Gilda hatte sich bedankt. Sie hatte Farmer Hewlett gegenüber zwar erwähnt, daß sie Besuch hatte, aber glücklicherweise nicht gesagt, daß es sich dabei um ihre Schwester handelte.

Außerdem hätte es ihn ohnehin nicht interessiert. Gilda war auch sehr in Eile gewesen, sie hatte nur schnell das Lamm und die Eier gekauft und schließlich noch die Zunge, weil er darauf bestand.

Jetzt wusch sie ihr Gesicht mit kaltem Wasser und ging nach unten.

Während sie das Essen kochte, überlegte sie verzweifelt, wie sie die demnächst fällige Pacht für das Manor aufbringen sollte.

»Vielleicht war es dumm von mir, die zwanzig Pfund abzulehnen, die sie mir angeboten hat«, murmelte sie vor sich hin.

Aber dann dachte sie an ihre Vorfahren und hob das Kinn.

Sie war mit demselben Stolz geboren worden, mit dem diese ihre Waffen in den Krieg getragen hatten, zuerst gegen die Normannen, dann gegen die Ritter, die ihre Freiheit bedrohten.

»Ich werde es schaffen . . . bestimmt werde ich es schaffen«, redete sie sich ein.

Sie war ein bißchen verlegen, als sie dann Heloises Tablett nach oben trug, aber ihre Schwester meinte bei ihrem Erscheinen nur vorwurfsvoll: »Ich verstehe nicht, warum du so lange fort warst. Ich mußte die Kerzen selbst anzünden.«

»Das tut mir leid, aber ich habe das Abendessen zubereitet, und ich hoffe, es wird dir schmecken.«

»Ich denke schon«, entgegnete Heloise gleichgültig. »Und ich hoffe, du hast so viel Verstand aufgebracht, die Flasche Claret mitzubringen, von der du gesprochen hast.«

»Oh, entschuldige bitte! Ich habe überhaupt nicht mehr daran gedacht. Aber glaubst du, daß Claret gut für dich ist? Mama hat immer gesagt, zu viel Wein würde die Haut einer Frau ruinieren.«

»Mama hat eine Menge Unsinn geschwatzt! Ich muß in London einfach trinken, obwohl manche Mütter ihren jungen Töchtern das verbieten.«

»Warum trinkst du dann?«

»Erstens einmal, weil ich es will, und zweitens habe ich dann mehr Spaß.«

»Es wird erzählt, der Prinz von Wales würde jede Menge trinken, und auch die Stutzer und Gecken«, bemerkte Gilda.

»Manchmal sind sie schon vor Ablauf des Abends schrecklich betrunken«, gab Heloise zu, »aber nicht die Adligen, die fit sein müssen, wenn sie an Rennen teilnehmen.«

»Ich habe immer geglaubt, die wirklich vornehmen Herren seien auch sportlich«, meinte Gilda.

»Nun, der Marquis ist es jedenfalls«, behauptete Heloise, womit sie wieder einmal bei ihrem Lieblingsthema angelangt war.

»Weil er so groß ist, muß er sehr auf sein Gewicht achten, für die Steeple Chases, die er immer gewinnt. Es heißt, er wäre der beste Fechter in der ganzen Beau Monde.«

»Hast du ihn schon fechten gesehen?«

»Nein, denn Damen werden nur selten in die Sporthallen eingeladen, in denen die Männer trainieren. Zudem interessiert es mich auch nicht.«

»Aber das muß es doch!«

»Das gebe ich ja auch vor, aber ich will dem Marquis gar nicht zusehen. Ich will ihm nur zuhören, wenn er sich mit mir unterhält und mir sagt, wie schön ich bin.«

Sie nahm einen Handspiegel hoch, der neben ihr auf dem Bett gelegen hatte, und betrachtete darin ihr Gesicht.

Da sagte Gilda plötzlich: »Weißt du was, Heloise, im Augenblick. . . siehst du genauso aus wie Mama. Sie hat immer gesagt, wir beide sähen ihr und ihrer Großmutter, die eine wirkliche Schönheit war, sehr ähnlich.«

»Ich glaube kaum, daß jemals jemand außerhalb von Cornwall von ihr gehört hat«, murrte Heloise. »Ich bin eine Konkurrentin von Georgina, Duchess of Devonshire! Die meisten Leute behaupten sogar, daß ich schöner bin als sie!«

»Davon bin ich überzeugt«, pflichtete Gilda ihr loyal bei.

Nach dem Abendessen erklärte Heloise, sie wolle jetzt schlafen.

»Ich brauche heute viel Schlaf, weil ich morgen tanzen werde, und außerdem muß ich so gut wie möglich aussehen.«

Sie forderte Gilda auf, ihr ein anderes Nachthemd zu holen, damit sie das ausziehen konnte, welches sie den ganzen Tag über getragen hatte.

Dann mußte Gilda ihr noch die Haare rund um die Stirn in Locken feststecken, und Heloise wurde richtig wütend, als Gilda anfangs nicht so viel Geschick zeigte wie ihre Zofe in London.

»Es tut mir leid«, murmelte Gilda, »ich versuche, es genauso zu machen, wie du es mir sagst, aber ich habe darin leider keine Erfahrung.«

»Das sieht man am Zustand deiner eigenen Haare.«

Doch dann gab Heloise zu, daß ihre Zofe schließlich auch von einem guten Friseur angelernt worden war.

»Aber wenn ich zu einem Ball gehe, kommt natürlich ein Friseur ins Haus«, prahlte Heloise. »Er behauptet immer, ich wäre eine prächtige Reklame für ihn und alle verlangen ihn, weil ich so hübsch aussehe.«

Gilda steckte die letzte Nadel in das goldene Haar ihrer Schwester.

»Ist es so in Ordnung?« fragte sie.

»Nicht übel«, gab Heloise zu.

Schließlich mußte Gilda ihr dann noch eine feine Spitzenkappe auf die Haare setzen, damit die Nadeln hielten.

Dann trug Heloise eine Lotion, die aus der Bond Street stammte, auf ihr Gesicht auf.

»Sie wird aus Wurzeln von Iris gewonnen«, erklärte sie, »und hält die Haut weiß und rein. Sie ist sehr, sehr teuer.«

»Du hast schon immer eine schöne Haut gehabt, und ich glaube nicht, daß Iris oder irgendetwas anderes das bewirkt haben.«

Heloise lachte.

»Ich bin froh, daß meine Patentante dich nicht so reden hört. Sie hat sich nämlich über die letzte Rechnung beklagt und gemeint, ich wäre zu jung, um solche Schönheitshilfen zu benötigen.«

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9781788670647
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