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Читать книгу: «Der Clan der McNarn», страница 2

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„Er hat zumindest gesagt, daß er nur mit Ihnen verhandelt, Euer Gnaden.“

Der Herzog stieß einen Seufzer aus.

„Dann werde ich wohl einverstanden sein müssen. Ich muß Ihnen allerdings sagen, Mr. Dunblame, daß ich höchst verärgert bin.“

„Sicherlich, Euer Gnaden. Das ist zu verstehen. Aber man hätte Torquil wirklich auf ein anständiges Internat und später auf eine Universität schicken sollen.“ „Aber mein Vater hat nicht auf Sie gehört“, sagte der Herzog und nickte nachdenklich. „Wie alt ist der Junge denn jetzt?“

„Er wird siebzehn, Euer Gnaden. Genauso alt wie Sie damals, als Sie weggelaufen sind.“

Der Herzog wußte, was Mr. Dunblame mit der letzten Bemerkung bezwecken wollte: Er wollte ihn darauf hinweisen, daß Torquil genauso unzufrieden und rebellisch war wie er damals.

„Hat er denn überhaupt keine Ausbildung bekommen?“ fragte der Herzog.

„Doch, Euer Gnaden. Ihr Vater hat eine ganze Reihe von Hauslehrern engagiert, aber Torquil war ihnen überlegen. Er hat sie allesamt in die Tasche gesteckt.“ „Das wundert mich nicht“, sagte der Herzog. „Ich kann mir die Typen genau vorstellen, die mein Vater engagiert hat.“

„Es geht eben nichts über eine Erziehung in einem guten Internat, Euer Gnaden“, sagte Mr. Dunblame. „Dazu kommt, daß die Jungen mit Gleichaltrigen zusammen sind und sich in ihrer Freizeit richtig austoben können.“

„Und wer sind die anderen drei?“ fragte der Herzog. „Bauernburschen, Euer Gnaden. Nette Jungs, aber reichlich ungebildet.“

„Eine unmögliche Geschichte“, sagte der Herzog in einem neuen Anflug von Zorn. „Man könnte meinen, wir leben im Mittelalter.“

Doch er wußte selbst, daß diese Bemerkung unfair war.

Mr. Dunblame hatte mit Sicherheit alles versucht, um Torquil zu helfen, war aber an der Sturheit und Dickschädeligkeit des alten Herzogs abgeprallt, der immer nur das eigene Wort hatte gelten lassen.

„Und was machen wir jetzt?“ fragte der Herzog.

„Ich habe für morgen einen Termin mit dem Oberhaupt der Kilcraig verabredet“, antwortete Mr. Dunblame. „Er weigert sich, hierherzukommen, also müßten Sie sich zu ihm bemühen, Euer Gnaden.“ „Ist das Ihr Ernst?“

„Leider ja, Euer Gnaden. Er besteht darauf. Er hat den Trumpf in der Hand.“

„Gut, aber ich warne Sie, Dunblame. Wenn dieser Kilcraig zu große Schwierigkeiten macht, dann sage ich Torquil, daß er zum Teufel gehen soll.“

Der Ton des Herzogs war drohend, doch er wußte selbst, daß er seinen Neffen nie im Stich lassen würde.

Daß Torquil wie ein gewöhnlicher Verbrecher von einem Gericht in Edinburg abgeurteilt werden sollte, war ein Ding der Unmöglichkeit. Schließlich würde durch einen Prozeß nicht nur der Junge, sondern der ganze Clan in Mißkredit gebracht werden. Sie hatten alle denselben Namen und fühlten sich als Mitglieder ein und derselben Sippe.

Der Herzog wußte, daß jeder einzelne Mann die Ehre seiner Familie bis aufs Messer verteidigen würde, genau wie er in jeden Kampf ziehen würde, in den ihn sein Oberhaupt schickte.

„Je früher wir die Angelegenheit hinter uns bringen, desto besser“, sagte der Herzog. „Für wann haben Sie den Termin?“

„Für zwölf Uhr mittags, Euer Gnaden.“

„Perfekt. Lassen Sie Kilcraig ausrichten, daß ich da sein werde. Sie kommen doch mit, oder?“

„Euer Gnaden“, entgegnete Mr. Dunblame. „Zu einem offiziellen Besuch beim Oberhaupt der Kilcraig müssen Sie in gebührender Begleitung sein. Allein anzukommen würde Ihnen als Schwäche ausgelegt werden.“

„Was soll das heißen - gebührende Begleitung?“

„Daß Sie mit Ihren Gefolgsmännern auftreten müssen, also Barde, Pfeifer und Diener.“

„Gerechter Himmel!“ entsetzte sich der Herzog. „Ich habe gedacht, die Zeiten sind endlich vorbei.“

„Leider nicht, Euer Gnaden. Wie ich schon sagte, wird man es Ihnen als Schwäche auslegen, wenn Sie sich nicht an die althergebrachten Regeln halten, und das können Sie sich in der gegebenen Situation nicht leisten.“

Der Herzog schlug mit der Faust auf die Armlehne des Schreibtischsessels. „Es ist skandalös!“ schimpfte er. „Man glaubt, in das tiefste Mittelalter zurückversetzt zu sein. In England schnappen sich Aristokraten nicht gegenseitig die Kinder weg und halten sie als Gefangene fest. Das Duell ist so gut wie abgeschafft. Eine Meinungsverschiedenheit oder ein Streit werden auf zivilisierte Weise bei einem Glas Portwein geklärt.“ „Leider ist das Oberhaupt der Kilcraig vom Schlag Ihres Vaters, Euer Gnaden. Auch er zieht lieber den Säbel, ehe er ein vernünftiges Wort spricht.“

„Na, dann gut“, sagte der Herzog. „Es wird mir wohl nichts anderes übrigbleiben. Ich verlasse mich auf Sie, Dunblame, und kann nur hoffen, daß wir diesen albernen Zirkus einigermaßen würdevoll hinter uns bringen.“

Damit stand er auf und ging zur Tür. Die Hand auf der Klinke, drehte er sich noch einmal um.

„Erwartet man von mir, daß ich mich auch noch verkleide?“ fragte er.

„Meinen Sie Kilt und Plaid? Euer Gnaden müssen dem Oberhaupt der Kilcraig als Oberhaupt der McNarn entgegen treten.“

Wortlos ging der Herzog aus der Bibliothek und knallte die Tür hinter sich zu.

2

Die Laune des Herzogs war miserabel. Er war, wie seine Kinderfrau gesagt haben würde, mit dem linken Fuß aus dem Bett gestiegen.

Mr. Dunblames Anweisungen befolgend, hatte sein Kammerdiener die schottische Tracht für ihn zurechtgelegt, die er aus London mitgebracht hatte.

Der Herzog hatte sich nicht weiter darum gekümmert, sondern seinem Schneider lediglich den Auftrag gegeben, das Nötige anzufertigen. Erst später hatte er feststellen müssen, daß der Schneider diesen Auftrag sehr ernst genommen und sich genauestens informiert hatte, was zur Festtracht eines Oberhauptes gehörte und wie sie auszusehen hatte.

Für jede Gelegenheit war vorgesorgt worden. Hautenge Hosen zum Ausreiten, der obligate Kilt, ein knapp sitzendes Jackett, eine ärmellose Weste und natürlich ein Plaid, das mit einer silbernen Brosche, die ein Bergkristall zierte, auf der linken Schulter zusammengehalten wurde.

Und alles, jedes einzelne Kleidungsstück, hatte den karierten Wollstoff, dessen Farben das Wahrzeichen des Clans der McNarn waren.

Nachdem er ein Bad genommen hatte, ging der Herzog in sein Schlafzimmer zurück. Als er die Tracht auf dem Bett liegen sah, rief er verärgert: „Weg mit dem Zeug! Ich werde die Kleider eines Gentlemans tragen. Der bin ich nun einmal und hoffe es auch zu bleiben.“

Als er in das Frühstückszimmer kam, sahen ihn die Diener - sie trugen natürlich Kilts - verwundert an.

Der Herzog ignorierte diese Blicke und war entschlossener denn je, den lächerlichen Zirkus veralteter Gebräuche nicht mitzumachen.

Die unangenehme Pflicht, die vor ihm lag, erwähnte er nicht mit einem Wort.

„Und wie gedenken Sie den Tag zu verbringen, William?“ fragte er bei seiner zweiten Tasse Tee im Konversationston.

„Um Sie ordentlich neidisch zu machen, Taran“, antwortete Lord Hinchley, „habe ich mir vorgenommen, angeln zu gehen.“

Der Herzog nickte und schwieg.

„Dunblame sagt, daß es im Fluß von Lachsen wimmelt“, fuhr Lord Hinchley fort. „Wenn Sie morgen Zeit haben, dann könnten wir doch auf die Sumpfhuhnjagd gehen - was halten Sie davon?“ Die Tatsache, daß sein Freund Dinge tun wollte, die er selbst gern getan hätte, hob die Laune des Herzogs nicht. Als er gerade den letzten Bissen eines geräucherten Forellenfilets gegessen hatte, kam sein Neffe Jamie herein.

Am Abend zuvor hatte der Herzog den Jungen nur für einen Moment gesehen, daher betrachtete er ihn jetzt in Ruhe.

Erst erstaunte es ihn, daß Jamie feuerrote Haare und blaue Augen hatte, doch dann erinnerte er sich, daß alle Campbell rote Haare und blaue Augen hatten und Ja- mies Großmutter väterlicherseits eine Campbell gewesen war.

Wie man es ihm offensichtlich aufgetragen hatte, verbeugte sich Jamie erst vor dem Herzog, dann vor Lord Hinchley.

„Guten Morgen, Jamie“, grüßte der Herzog.

„Es ist kein guter Morgen“, entgegnete Jamie prompt. „Jeannie sagt, daß ich mit dir ziehen und die Kilcraig bekämpfen soll, und Mr. Dunblame läßt mich nicht.“

„Ich habe nicht vor, die Kilcraig zu bekämpfen“, erklärte der Herzog. „Diese Jeannie, wer sie auch immer sein mag, hat dir etwas Falsches gesagt.“

„Aber sie sind unsere Feinde, wir hassen sie“, entgegnete Jamie trotzig. „Als Oberhaupt der McNarn mußt du sie bekämpfen, und ich möchte dabei sein.“

Der Herzog schüttelte verständnislos den Kopf. Sogar dieses Kind kannte bereits die barbarischen Gebräuche und hielt es für selbstverständlich, daß ein Oberhaupt von seinem ganzen Clan begleitet wurde, wenn es etwas unternahm.

„Moment“, sagte er. „Daß wir uns von Anfang an richtig verstehen, Jamie. Ich bekämpfe die Kilcraig nicht und habe nicht vor, es in der Zukunft zu tun. Diese Racheakte und Haßgefühle sind veraltet. Die Kilcraig sind unsere Nachbarn, und wir müssen lernen, in Frieden mit ihnen zu leben.“ „In Frieden mit den Kilcraig?“ fragte Jamie erstaunt. „Und vielleicht auch mit den McAuad?“

„Mit beiden!“ erwiderte der Herzog streng.

Sein kleiner Neffe sah ihn fassungslos an. In seinem Blick lag etwas, was fast schon an Verachtung grenzte.

Da geht der kleine Kerl natürlich etwas zu weit, dachte der Herzog, aber ich will ihn nicht zurechtweisen - zumindest an diesem Morgen nicht. Ich habe im Moment andere Sorgen.

Doch Jamie hatte Gedanken herauf beschworen, die ihn beschäftigten, als er über das Moor ritt.

Wie Mr. Dunblame vorausgesagt hatte, ritten hinter dem Herzog fast alle Männer des McNarn-Clans. Ihre Mienen sagten alles. Genau wie Jamie waren sie zu jeder Auseinandersetzung mit dem traditionellen Feind bereit.

Der Herzog hatte jedoch nur ein Ziel - Torquil mit zurückzunehmen und eine neue Denkungsweise zwischen den beiden Clans zu schaffen, um derlei Vorkommnissen ein für allemal vorzubeugen.

Die Ländereien der McNarn erstreckten sich über viele Meilen nach Osten, und die Clans zwischen ihrem Besitz und der Küste waren entweder zu klein, um einflußreich zu sein, oder sie waren durch Heirat mit dem Clan der McNarn verbunden, was einer Blutsverwandtschaft gleichgestellt wurde.

Die McAuad machten jedoch eine Ausnahme. Durch die Jahrhunderte hindurch war dieser primitive Clan ein Erbfeind, den alle fürchteten und haßten.

Das Land der McAuad grenzte, genau wie das der Kilcraig, im Westen an den Besitz der McNarn. Während die letzteren als Feind respektiert wurden, wurden die McAuad aufgrund ihres meist skandalösen Verhaltens in Bausch und Bogen abgelehnt.

Begegne einer Schlange, und du wirst feststellen, daß es ein McAuad ist, hieß es im Volksmund. Und sogar schlimmer noch: Wenn du zur Hölle fährst, siehst du es mit eigenen Augen: Der Teufel ist ein McAuad Der Herzog hatte seit seiner Kindheit nichts mehr von diesem Clan gehört und fragte sich jetzt, ob seine Mitglieder wohl immer noch so grob, ungehobelt und rücksichtslos waren wie früher.

Das, was Torquil getan hatte, war wirklich nur der Streich eines dummen Jungen, während der Herzog sich gut vorstellen konnte, daß die McAuad Vieh stahlen, um sich zu bereichern, und nicht, um die anderen zu ärgern.

Es war ein klarer, fast windstiller Tag. Die Luft war voll vom Duft des Heidekrauts.

Der Fluß führte noch genug Wasser, und der Herzog war überzeugt davon, daß sein Freund Hinchley mehr als einen Lachs herauszog.

Er bedauerte, daß er ihn nicht hatte begleiten können und statt dessen seine Zeit und Energie darauf verschwenden mußte, einen Mann aufzusuchen, den er noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Doch der Herzog war letztlich davon überzeugt, daß das Oberhaupt der Kilcraig ein Mann mit gesundem Menschenverstand war und mit sich reden ließ.

Wenn er das Vieh, das Torquil gestohlen hatte, bezahlte, wobei er fest entschlossen war, einen sehr großzügigen Preis dafür zu bieten, so regelte sich die Angelegenheit wahrscheinlich von selbst. Warum Dunblame das nicht hat erledigen können, ist mir ein Rätsel, dachte der Herzog.

Doch dann fiel ihm ein, daß Probleme, die einen ganzen Clan betrafen, nur zwischen den jeweiligen Oberhäuptern geklärt werden konnten. Außer seiner langjährigen Tätigkeit bei den McNarn und der absoluten Vertrauensposition, die er genoß, hatte er nichts vorzuweisen, was seinem Wort genügend Gewicht verliehen hätte. Damit waren die Gedanken des Herzogs wieder bei seiner Position als Oberhaupt der McNarn.

Er hätte blind und gefühllos sein müssen, wäre ihm nicht aufgefallen, mit welchem an Ehrfurcht grenzenden Ernst man ihm in den Sattel geholfen hatte. Vor dem Tor am Ende der Wageneinfahrt hatte sich eine Menschenmenge versammelt gehabt. Die Frauen hatten tiefe Knickse gemacht und die Männer ihre Mützen geschwungen, während seine Gefolgsleute keine Miene verzogen und stolz vorbeigeritten waren, den Blick geradeaus gerichtet.

„Warum lieben sie dich eigentlich, Papa?“ hatte der Herzog einmal gefragt, als er ungefähr in Jamies Alter gewesen war.

Die Antwort war einfach gewesen. „Weil ich ihr Oberhaupt bin.“

„Und was bedeutet das?“

Sein Vater hatte einen Moment überlegt, ehe er geantwortet hatte.

„Die Hochlandbewohner“, hatte er schließlich gesagt, „halten es für ihre vornehmste Tugend, das Oberhaupt ihres Clans zu lieben und ihm uneingeschränkt zu gehorchen, auch wenn dieser Gehorsam gegen die Gesetze von Regierung und Königshaus, ja sogar gegen die Gesetze Gottes verstößt. Er ist ihr Idol, außer ihm gibt es keine höhere Macht.“

Der Herzog wiederholte diese Worte in seinen Gedanken und fragte sich, ob irgendwo in dieser Welt ein ähnlicher Gehorsam existierte. Ein Gehorsam, der nicht nur der Person selbst galt, sondern vor allem der Vorstellung, die der Gehorchende von ihr hatte.

Daß sein Vater dieser Unterwürfigkeit, dieser absoluten Befehlstreue nicht würdig gewesen war, war eine bedauerliche Tatsache. Trotzdem hatte ihm niemand zu widersprechen, geschweige denn sich zu widersetzen gewagt.

Da gibt es nur eines, dachte der Herzog. So schnell wie möglich zurück in Breitengrade, in denen falsche Ehrbegriffe längst abgeschafft sind.

Schon vor seiner Abreise aus London hatte er beschlossen, mit dem König auf der „Royal George“ nach England zurückzukehren.

Er wußte, daß Seine Königliche Hoheit sich freuen würde, ihn an Bord zu haben. Die Reise versprach höchst amüsant zu werden. Die Zwischenfälle, die sich unvermeidlich bei Staatsbesuchen ereigneten, würden ihnen Gesprächsstoff für Tage geben. Wie der Herzog wußte, nahm der König diesen Besuch sehr ernst.

Seit er beschlossen hatte, nach Schottland zu fahren, hatte er mit einer Begeisterung von diesem Unterfangen geredet, die seine Umwelt erstaunt hatte. Man war davon überzeugt, daß sich die Erwartungen des Königs nicht erfüllten und er sehr enttäuscht sein würde über das, was er im nördlichsten Teil seines Königreichs vorfand.

Da jedoch keiner gewagt hatte, ihn davon abzubringen, hatte man die nötigen Vorbereitungen getroffen.

Mittlerweile - das nahm der Herzog zumindest an - war ganz Edinburg von einem Fieber der Aufregung und Erwartung gepackt, und jeder, der nicht dort sein mußte, konnte froh sein.

Als nach guten zwei Stunden Ritt Schloß Kilcraig in der Ferne auftauchte, spürte der Herzog eine gewisse Spannung in sich auf steigen. Der Herzog erinnerte sich daran, als Kind von Geistern und bösen Mächten gehört zu haben, die auf Schloß Kilcraig spukten. Ein Vorfahr sollte sogar Kinder geraubt und bei schwarzen Messen geopfert haben.

Nicht einmal als Kind hatte der Herzog derlei Geschichten geglaubt, verstand aber jetzt, da er das Schloß sah, daß sie aufgekommen waren. Daß dieses Schloß die Phantasie von Menschen anregte, die meistens im Aberglauben erzogen worden waren, war verständlich.

Die keltische Mythologie wimmelte von Riesen, Hexen, unbesiegbaren Kriegern, Meeresungeheuern, Erscheinungen, sprechenden Steinen und singenden Bäumen.

In London jedoch, wo jeder seinem Vergnügen nachjagte, wurde nicht einmal die Religion richtig ernst genommen. Der König war zwar noch verpflichtet, am Sonntag einem Gottesdienst beizuwohnen, der Herzog und seine Freunde jedoch verbrachten den Tag wie jeden anderen - mit Spiel und Sport.

Sie waren noch etwa eine Meile von Schloß Kilcraig entfernt, als Mr. Dunblame sein Pferd neben das des Herzogs drängte.

„Wir müssen hier absitzen und die Pferde zurücklassen, Euer Gnaden“, erklärte er. „Nur Sie reiten weiter, die anderen müssen zu Fuß gehen.“

„Wieso denn das?“ fragte der Herzog.

„Weil Lord Kilcraig, genau wie Ihr Vater, keinen Zoll von der Tradition abweicht.“

Der Herzog wollte gerade sagen, daß sich Lord Kilcraig zum Teufel scheren solle, als ihm gerade noch einfiel, daß er den Gegner nicht vor den Kopf stoßen durfte, ehe er ihn überhaupt zu Gesicht bekommen hatte.

„Meinetwegen“, sagte er. „Tun Sie, was Sie für richtig halten, Dunblame.“

Damit ritt er weiter. Die Pferde seiner Gefolgsmänner wurden zusammengetrieben und der Obhut von ein paar Knechten überlassen. Die Männer stellten sich in Dreierreihen auf und folgten ihrem Oberhaupt.

Den Anfang machte Mr. Dunblame. Er fungierte als Leibwächter des Herzogs und hätte von Verwandten des Oberhaupts flankiert sein müssen, doch Torquil war in der Gewalt der Kilcraig und Jamie war noch zu klein.

Hinter Mr. Dunblame kam der Barde, ein alter Mann, den der Herzog noch aus seines Vaters Zeiten kannte. Das Amt des Barden wurde jeweils vom Vater auf den Sohn übertragen. Ein Barde hatte freies Wohnrecht und Anspruch auf ein gebührendes Stück Land. Da es keine Aufzeichnungen über die Geschichte des Hochlands gab, waren der Ruf eines Mannes und die Erinnerung an ihn der Zunge des Barden ausgeliefert.

Der Herzog überlegte, was man wohl über ihn sagen würde, wenn er einmal tot war, und hatte den Verdacht, daß sein Verhalten einen Barden wohl kaum zu Lobeshymnen inspirieren würde. Hinter dem Barden kam der Pfeifer, der gerade das Marschlied der McNarn spielte - ein Lied, das die Männer in die Schlacht und auf ihrem letzten Weg zu den Grabstätten ihrer Vorväter begleitete. Hinter dem Pfeifer hatte der Hauptsprecher Aufstellung zu nehmen. Der Hauptsprecher war meistens ein redegewandter Mann mit einer angenehmen Stimme, der jeden Präzedenzfall für jede strittige Auseinandersetzung kannte.

Falls dieser Mann in seinem Gefolge mitgekommen war, so war er umsonst mitgekommen, denn der Herzog war entschlossen, das Wort allein zu führen.

Dahinter hatte nach strengem Brauch ein Diener zu kommen, der Schwert und Schild des Oberhaupts trug.

Ein Clan, der vom Oberhaupt eines anderen Clans besucht wurde, mußte die Gäste während deren Aufenthalt als solche behandeln, beherbergen und verköstigen. Und hatte erst einmal ein Clan die Gastfreundschaft eines anderen akzeptiert, so ruhte jeglicher Kampf, bis man das Land des Gastgebers wieder verlassen hatte.

Von den McAuad abgesehen, verletzte kein Hochländer diesen Brauch.

Als sie näher kamen, sah der Herzog, daß er bereits von den Mitgliedern des Clans der Kilcraig erwartet wurde.

Daß so viele von ihnen Tracht trugen, erstaunte ihn. Man hatte sich im Süden erzählt, daß nach der Aufhebung des Verbots - es war für ungültig erklärt worden - die meisten Schotten durch jahrelange Verfolgung so gleichgültig geworden waren, daß sie ihre bis dahin verpönten Kilts und Plaids nicht einmal mehr aus den Verstecken geholt hätten.

Sie hatten weiterhin die dunklen Fräcke getragen, die sie während der Verfolgung gezwungenermaßen getragen hatten.

Jetzt sah der Herzog ein, daß er einen Fehler gemacht hatte. Er hätte auf Mr. Dunblame hören und in Tracht erscheinen sollen, doch diese Einsicht kam nun zu spät.

Doch - was kümmerte es ihn, wie ihn Lord Kilcraig oder seine Clanleute einschätzten.

Man empfing ihn höflich, aber schweigend. Der Herzog saß vor dem Haupteingang des Schlosses ab und wurde von einem Mann in Tracht über eine schmale Steintreppe in den ersten Stock hinauf geleitet.

Er wußte, daß man ihn in den Saal brachte, der dem Oberhaupt als Versammlungsort diente.

Dieser Saal, von William Adam neu gestaltet, war auf Schloß McNarn der beeindruckendste und großzügigste Raum schlechthin. Hier allerdings, auf Schloß Kilcraig, war nichts neu gestaltet worden, das sah der Herzog auf den ersten Blick. Seit den frühen Tagen, in denen die Kilcraig danach getrachtet hatten, von ihrem burgähnlichen Sitz aus den Feind frühzeitig zu erspähen und zu vernichten, war alles beim alten geblieben.

Auf dem groben Steinfußboden lagen Fellteppiche, und die schweren, unpolierten Eichenmöbel hätten zweifelsohne merkwürdige Geschichten erzählt, wären sie einer Sprache mächtig gewesen.

Die Fenster waren so schmal, daß kaum Licht durchdringen konnte, und die großen Schwerter an den Wänden, die Fahnen und Banner von besiegten Gegnern machten die Atmosphäre noch düsterer.

Am entgegengesetzten Ende des Raumes stand vor einem hohen, thronähnlichen Sessel Lord Kilcraig, das Oberhaupt der Kilcraig. Links und rechts von ihm hatten sich seine nächsten Angehörigen aufgestellt - alle in Tracht.

Da dem Herzog Aufwand mißfiel, der lediglich dazu dienen sollte, den anderen zu beeindrucken, ging er betont lässig durch den langgestreckten Raum und sah sich dabei mit leicht geringschätzigen Blicken um.

Nur Robert Dunblame folgte ihm. Der Rest wartete auf dem Schloßhof.

Der Herzog blieb vor dem Podest stehen, auf dem Lord Kilcraig stand. Entschlossen, die Initiative zu ergreifen, ehe Lord Kilcraig etwas sagen konnte, hielt er ihm die Hand entgegen.

„Wir hatten nie die Gelegenheit, uns kennenzulernen, Lord Kilcraig“, begann er. „Daß dies endlich geschieht, freut mich sehr.“

Mit einem Anflug von Widerwillen schüttelte Lord Kilcraig dem Herzog die Hand.

Er war ein Mann von gut siebzig, hatte schlohweißes Haar und einen Bart. Seine Haltung war die eines Soldaten.

„Nein, wir sind uns noch nie begegnet, Herzog McNarn“, entgegnete er mit stark schottischem Akzent. „Trotzdem heiße ich Sie auf meinem Schloß willkommen.“

Er ließ die Hand des Herzogs los und stellte seine Söhne, seine Neffen und Enkel vor.

Der Herzog wußte instinktiv, daß diese kaum den Wunsch hegten, seine Hand zu schütteln, also ersparte er ihnen die offensichtlich ungewohnte Geste höflicher Begrüßung.

Sie betrachteten ihn mit mißtrauischen Blicken. Sein Äußeres schien sie zu verwirren. Sie machten den Eindruck von Menschen, die wohl schon derlei gehört, aber noch nie einen so sonderbaren Menschen in Fleisch und Blut gesehen hatten.

Lord Kilcraig wies dem Herzog einen Platz zu seiner Rechten an. Als dieser sich gesetzt hatte, wurden Whisky und typische Gerichte wie Hammelinnereien, Gerstenbrot und Krautpudding auf getragen.

Wie der Herzog wußte, sollte das nicht etwa das Mittagessen sein, sondern lediglich ein kleiner Imbiß für den Gast, der einen anstrengenden Ritt hinter sich hatte.

Der Herzog ließ sich einen Whisky einschenken, lehnte jedoch das Essen ab.

„Ich bin der Meinung, Lord Kilcraig“, sagte er, „daß wir gut daran tun würden* in der Angelegenheit, die mich zu Ihnen geführt hat, unter vier Augen zu sprechen.“

Die weißen, buschigen Augenbrauen Lord Kilcraigs gingen in die Höhe.

„Unter vier Augen?“ wiederholte er.

„Warum nicht?“ entgegnete der Herzog. „Ich fühle mich insofern im Nachteil, als ich keine Angehörigen habe, während auf Ihrer Seite so viel Verstärkung sitzt, daß von Ausgewogenheit keine Rede sein kann.“

Der Ton des Herzogs war leicht amüsiert, und er wußte, daß Lord Kilcraig erstaunt darüber war.

Lord Kilcraig überlegte noch einen Moment, dann schnalzte er mit den Fingern und sah mit strengem Blick durch die Runde. Seine zahlreichen Söhne, Neffen und Enkel marschierten wortlos durch den langgestreckten Saal und verschwanden.

Der Herzog lehnte sich in seinem Sessel zurück und holte tief Luft.

„So ist das schon besser“, sagte er. „Jetzt können wir von Mann zu Mann sprechen. Darf ich damit anfangen, mich für das ungezogene Benehmen meines Neffen zu entschuldigen, der offensichtlich etwas zu temperamentvoll und ungestüm ist.“

Lord Kilcraig sagte nichts, sondern starrte den Herzog lediglich mit durchdringendem Blick an.

Der Herzog nahm noch einen Schluck Whisky. Er fand ihn abscheulich.

„Torquil McNarn“, begann Lord Kilcraig schließlich, „wurde von meinen Männern dabei ertappt, wie er ein wertvolles Stück Vieh stehlen wollte.“

„Das hat man mir erzählt“, sagte der Herzog. „Eine höchst tadelnswerte Angelegenheit, aber letztlich bloß der Streich eines dummen Jungen.“

„Es war nicht das erste Mal“, sagte Lord Kilcraig. „Eine ganze Reihe von meinen Kleinpächtern haben sich beschwert.“

„Weil sie Vieh verloren haben?“

„In einem Fall sogar mehrere Schafe.“ „Die müssen natürlich ersetzt werden“, bestimmte der Herzog sofort. „Sie werden mir aber doch recht geben, Lord Kilcraig, wenn ich behaupte, daß junge Leute, die den lieben langen Tag nichts zu tun haben, eher zu dummen Streichen neigen als jemand, der ausgelastet ist. Ich werde das in Zukunft abstellen.“

„Wie gedenken Sie die Verluste zu ersetzen?“ fragte Lord Kilcraig.

Der Herzog zuckte mit der Schulter. „Auf adäquate Weise“, antwortete er.

„Meine Söhne bestehen darauf, daß Torquil McNarn in Edinburg vor ein Gericht gestellt wird.“

„Das halte ich für eine reichlich übertriebene Maßnahme“, entgegnete der Herzog. „Die Zeiten, in denen Fehden und Racheakte zwischen einzelnen Clans großgeschrieben waren, sind vorbei.“

„Meinen Sie?“

„Natürlich meine ich das“, antwortete der Herzog. „Die Welt ist aufgeklärter als früher. Die Fehden der Vergangenheit sind ebenso unsinnig und lächerlich wie die damit verbundenen falsch verstandenen Ehrbegriffe.“

„Ein Jammer, daß Sie dies nicht den McAuad sagen können.“

Es erstaunte den Herzog, daß Lord Kilcraig diesen Clan ins Gespräch brachte.

„Ich erinnere mich daran, daß sie vor Jahren ihr Unwesen getrieben haben“, sagte er nachdenklich. „Hat sich das denn nicht geändert?“

„Nein“, antwortete Lord Kilcraig. „Es ist sogar noch schlimmer geworden. Ich gebe zu, daß wir nie auch nur auf die Idee gekommen wären, die McNarn könnten als Clan mit der Handlungsweise Ihres Neffen einverstanden sein, aber was die McAuad anbelangt, so greifen sie Ihren Clan genauso pausenlos an wie unseren, vorsätzlich und auf gewalttätige Weise.“

„Ich kann das kaum glauben“, sagte der Herzog. „Aber es stimmt“, bekräftigte Lord Kilcraig. „Und das ist der Grund, Herzog, warum ich Ihnen einen Vorschlag machen will.“

„Einen Vorschlag?“ wiederholte der Herzog.

„Ich überlege es mir schon seit geraumer Zeit“, sagte Lord Kilcraig. „Das Verhalten von Torquil McNarn hat mich dazu veranlaßt, endlich den Entschluß zu fassen.“ „Welchen Entschluß?“ fragte der Herzog. „Folgendes“, sagte Lord Kilcraig. „Wenn wir den Überfällen der McAuad auf wirkungsvolle Weise Widerstand leisten wollen, sollten sich Ihr und mein Clan durch den Freundschaftseid verbünden.“

Der Herzog war fassungslos. Nicht in seinen kühnsten Träumen hätte er geglaubt, daß so ein Vorschlag ausgerechnet vom Oberhaupt der Kilcraig gemacht werden würde.

Der Herzog war als Kind in dem Glauben aufgewachsen, daß Lord Kilcraig ein natürlicher Feind war, nicht von der Kategorie eines McAuad, aber dennoch ein Feind.

Er hatte gehofft, die Situation zu verbessern, aber damit hatte er weiß Gott nicht gerechnet.

„Glauben Sie denn, daß dieser Vorschlag auch durchführbar ist?“ fragte er schließlich.

„Was heißt hier durchführbar“, entgegnete Lord Kilcraig. „Er wird erzwungen, weil es so nicht weitergehen kann. Ihr Neffe hat uns ein paar Stück Vieh gestohlen, aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was an der Grenze zwischen unserem und dem Land der McAuad geschieht.“ Sein Ton wurde immer verärgerter. „Einige der wohlhabenderen Pächter haben sogar Erpressungsgelder bezahlt, und die McAuad haben sich diese Gelder nicht nur in die Tasche gesteckt, sondern in einer mondhellen Nacht obendrein auch noch das Vieh abgetrieben, das sie angeblich verschonen wollten.“ Lord Kilcraig schlug mit der Faust auf den Tisch. „Um meine Leute zu beschützen“, fuhr er fort, „lasse ich jede Meile meines Landes bewachen, aber der Erfolg ist gering. Das Diebespack ist gerissener als wir.“ „Und Sie glauben, daß die McNarn Ihnen helfen würden?“ fragte der Herzog.

„Schauen Sie sich die Landkarte an“, entgegnete Lord Kilcraig. „Wenn wir uns verbünden, haben wir die doppelte Menge an Boden, wenn nicht mehr.“

„Das mag stimmen“, sagte der Herzog.

„Der McAuad-Clan ist nicht nur ein ehrloses, räuberisches Pack“, fuhr Lord Kilcraig fort, „er ist außerdem noch führerlos. Ihr Oberhaupt zieht das angenehme Leben im Süden vor.“

Lord Kilcraig schüttelte nachdenklich den Kopf. „Ein Clan ohne Oberhaupt“, sagte er schließlich, „ist wie ein Schiff ohne Ruder.“

Der Herzog nickte und schwieg.

„Interessiert Sie mein Vorschlag, Herzog?“ fragte Lord Kilcraig nach einer Weile.

„Ich höre ihn mir gerne an“, antwortete der Herzog vorsichtig.

„Also - folgendes“, sagte Lord Kilcraig. „Ich lasse Torquil McNarn und die drei Burschen, die mit ihm zusammen gefaßt worden sind, frei. Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß die Kilcraig in friedlicher Nachbarschaft mit den McNarn leben werden, und Sie geben mir Ihr Ehrenwort. Um sicherzugehen, daß alle diejenigen, die zu unserer Sippe gehören, wissen, daß der Handschlag der Freundschaft das Blut wegwischt, das zwischen unseren Clans vergossen worden ist, werden Sie meine Tochter heiraten.“

Im ersten Moment glaubte der Herzog, er habe sich verhört. „Sagten Sie, daß ich Ihre Tochter heiraten soll?“ fragte er dann mit einer Stimme, die ihm selbst fremd vorkam.

„Sie ist im heiratsfähigen Alter, aber ich habe bisher noch keinen Mann für sie gefunden“, erklärte Lord Kilcraig. „Als Herzogin von Strathnarn wird sie sowohl von unseren als auch von Ihren Leuten respektiert werden. Zwischen unseren Sippen wird es in Zukunft keine Probleme mehr geben, und wir können uns voll darauf konzentrieren, die McAuad in ihre Schranken zu weisen.“

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