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Читать книгу: «Alle Zärtlichkeit für dich», страница 2

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„Und ist sie hübsch?“

„Sehr hübsch sogar. Darum kann ich auch verstehen, daß Mr. Nicholas Vernon sich für sie interessierte.“

„Was geschah dann?“

„Soviel ich weiß - und alles, was ich erzähle, weiß ich nur vom Hörensagen - wurde Sarah in die Höhlen gebracht. Als sie zurückkam, erzählte sie allerlei wilde Geschichten von als Mönchen verkleideten Männern, von Frauen in Nonnengewändern und seltsamen Zeremonien, die schlimmer zu sein schienen als die schlimmsten unter Sir Francis Dashwood gefeierten Orgien. Also stellte ich Untersuchungen an. Jemand, der Nicholas Vernon gut kennt, erzählte mir, daß er schon als Schuljunge von dem Gedanken an die Teufelsklub-Höhlen in West Wycombe besessen war. Und nachdem er Oxford verlassen hatte, ritt er häufig zu dem Mausoleum, das Sir Francis auf der Spitze des Hügels errichtet hatte. Er plagte die Leute, die in der Nähe von West Wycombe wohnten, mit Fragen über die Vorkommnisse in den Höhlen, und obwohl man versuchte, ihn fortzuschicken, blieb er sehr hartnäckig.“

„Und Sie glauben, er ist Sir Francis’ Beispiel gefolgt?“

„Ich fürchte, ja.“

„Und nun ist man im Dorf verärgert darüber, daß die dumme Sarah in diese Geschichte verwickelt wurde?“

„Es geht weniger darum, daß sie dort hineingezogen wurde, als vielmehr um ihr Baby.“

„Ihr Baby?“ fragte Lord Melburne scharf.

„Sie schwor, ihr Kind sei von Nicholas Vernon. Aber einen Monat nach seiner Geburt verschwand es, und Sarah, die auf ihre Art sehr an dem Kind gehangen hatte und wohl auch eine gute Mutter war, beschuldigte Nicholas Vernon, das Kind in seinen Höhlen geopfert zu haben.“

„Mein Gott!“ stieß Lord Melburne hervor.

„Der Aufruhr war so groß, daß einige der Dörfler, angeführt vom Pfarrer, zu Sir Roderick gingen. Offensichtlich war dieser nicht sehr erstaunt über die Vorgänge in den Höhlen. Was ihn jedoch erschreckte, war der Vorfall mit dem Kind. Er hat dann wohl an Nicholas geschrieben und ihm mitgeteilt, daß er ihn enterbt hätte und ihn nie wieder auf Priory zu sehen wünschte.“

„Also so war das! Verflucht, Foster, ich hätte nie gedacht, daß es so etwas heute noch gibt.“

„Meiner Ansicht nach war Nicholas Vernon immer schon schlecht. Ich hatte nie eine gute Meinung von ihm, dachte jedoch nicht, daß es soweit mit ihm kommen würde.“

„Und sind die Höhlen jetzt verschlossen?“

„Das weiß man nicht. Niemand wollte das Land Sir Rodericks betreten, um das herauszufinden. Ich weiß nur, daß Mr. Nicholas seit einem Monat nicht mehr hier war oder ich es jedenfalls nicht erfahren habe.“

Nach einer kurzen Pause meinte Major Foster dann: „Aber Sie haben Sir Roderick gesehen. Hat er Ihnen nichts erzählt?“

„Nicht so ausführlich. Aber ich werde ihn heute nachmittag nochmals aufsuchen.“

Da Lord Melburne seinen Verwalter nicht ins Vertrauen ziehen wollte, sprach er anschließend mit ihm über geschäftliche Dinge und machte sich nach dem Mittagessen erneut auf den Weg nach Priory.

Dort empfing ihn der Butler mit den Worten: „Miss Clarinda ist im Moment beschäftigt.“

Als er die Treppe zu Sir Rodericks Zimmer hinaufgehen wollte, hörte er eine laute Stimme aus dem Arbeitszimmer.

„Wer ist bei Miss Clarinda?“ fragte er den Butler.

„Einer der Bauern, Mylord, ein ungehobelter Mann mit rauhen Manieren.“

Lord Melburne durchquerte die Halle und betrat das Arbeitszimmer. Clarinda saß hinter einem Schreibtisch, der sie noch zierlicher und zerbrechlicher erscheinen ließ. Davor stand ein großer, stämmiger, dunkelhaariger Mann, der mit einem Akzent sprach, an dem Lord Melburne sofort erkannte, daß es sich nicht um einen Mann vom Lande handelte.

Er sagte gerade: „Entweder Sie geben mir das Geld, oder ich geh ’rauf und verlang’ es von Sir Roderick. Ich kenn’ meine Rechte, und wenn Sie mir das Geld nicht geben - umso schlimmer für Sie!“

„Kann ich vielleicht helfen?“ fragte Lord Melburne.

Der Mann fuhr herum. Sein Gesichtsausdruck war feindselig, doch beim Anblick Lord Melburnes nahm er sofort eine unterwürfige Haltung ein.

„Ich habe nur um etwas gebeten, was mir zusteht, Sir.“

„Sie wissen sehr gut, daß das nicht wahr ist“, gab Clarinda zurück.

„Ich werde mit Sir Roderick darüber sprechen.“

Daß dies kein Wunsch, sondern vielmehr eine Drohung war, konnte Lord Melburne unschwer erkennen.

So sagte er: „Da Sir Roderick sich nicht wohl fühlt, werde ich meinen Verwalter, Major Foster, morgen zu Ihnen schicken. Er wird die Angelegenheit überprüfen und Miss Clarinda beraten.“

„Ich brauche Ihren Verwalter nicht. Mr. Nicholas weiß, wieviel mir zusteht.“

„Dann würde ich doch vorschlagen, daß Sie zu Mr. Nicholas gehen und dort Ihr Geld verlangen. Es wäre vielleicht auch gar nicht gut, wenn die Polizei Sie hier fände.“

„Ich habe verstanden, Sir. Ich werde morgen nicht mehr hier sein.“

Damit verließ er unter lautem Türenschlagen den Raum.

Lord Melburne drehte sich zu Clarinda um und sah die Furcht in ihren Augen.

„Nicholas brachte ihn vor zwei Monaten. Ich wollte Onkel Roderick nicht damit belästigen und gab ihm, was er wollte.“

„Hat Nicholas noch andere Männer hier untergebracht?“

Sie zögerte.

„Da ist nur noch einer, abgesehen von dem Diener Walter, den Sie heute vormittag gesehen haben. Der andere kam vor zehn Tagen und verlangte Dene’s Farm, nahe bei den Höhlen.“

Bei diesen Worten errötete sie, und Lord Melburne erkannte, daß sie die Geschichte der Höhlen kannte.

„Was für ein Mann ist das?“

„Er ist sehr seltsam. Er sieht mehr wie ein Priester als wie ein Bauer aus. Mit ihm kamen zwei Männer, vielleicht Verwandte, ich weiß es nicht. Auf jeden Fall schrieb mir Nicholas sehr eindringlich, daß sie den Hof zu bekommen hätten. Jemand mußte ihm erzählt haben, daß er leer stand.“

„Und Sie haben ihn ihnen gegeben?“

„Was sollte ich anderes tun? Ich konnte die neuen Pächter nicht mit Onkel Roderick zusammen auswählen und habe nicht die Macht, Nicholas etwas abzuschlagen. Soviel ich weiß, ist der Mann vor drei Tagen eingezogen.“

„Er gefällt Ihnen nicht?“

„Es ist etwas - Erschreckendes an ihm“, sagte sie schaudernd. „Ich kann es nicht erklären, aber er ängstigt mich.“

„Ich werde Foster sagen, er solle sich auch diesen Hof ansehen.“

„Ich möchte die Freundlichkeit Eurer Lordschaft nicht zu sehr beanspruchen, aber ich weiß nicht, was ich sonst tun kann.“

„Darf ich Ihnen versichern, daß ich nicht von Ihrer Schwäche profitieren werde?“

Sie schien verletzt zu sein, meinte dann aber: „Ich fürchte, Sie haben recht. Es ist Schwäche. Ich wünschte, ich wäre ein Mann. Dann könnte ich kämpfen und würde mit Männern wie diesen leicht fertig.“

Lord Melburne lächelte.

„Wenn Sie etwas älter sind“, sagte er, „werden Sie sehen, daß es viel leichter ist, als schöne Frau etwas zu erreichen.“

Er sprach fast zärtlich, so sehr bezauberte ihn ihre Schönheit.

Überrascht sah sie ihn an, dann sagte sie mit eisiger Stimme: „Soweit es Sie betrifft, Mylord, wäre ich ganz sicher lieber ein Mann.“

3.

Lord Melburne erwachte mit einem Gefühl freudiger Erwartung, wie er es seit seiner Kindheit nicht mehr kannte.

Einen Augenblick lag er wach, dann fiel ihm ein, daß er noch auf Melburne war. Gleichzeitig wurde ihm klar, daß er sich seit langem nicht mehr so wohl gefühlt hatte.

Der Wind blies die Vorhänge vor dem offenen Fenster zur Seite, und für einen kurzen Augenblick schien die Sonne ins Zimmer. Das Licht erinnerte ihn an Clarindas Haar, und wie schon so oft fragte er sich, was sie gegen ihn haben könnte. Er wußte genau, daß er den Frauen gefiel, daß sie schneller atmeten, wenn er ihnen die Hand küßte - und doch, dieses Landmädchen, dieses unverdorbene kleine Ding, das anscheinend noch nichts von der Welt gesehen hatte, sah ihn mit unverhohlenem Haß an, und ihre Stimme konnte eisig sein, wenn sie mit ihm sprach. Was verbarg sich hinter dieser Feindseligkeit?

Lord Melburne mußte zugeben, daß er irritiert war. Er hatte angenommen, sich in Melburne sehr bald nach seinen Londoner Freunden, nach Gesellschaften und Spielhöllen zurückzusehnen. Aber er wußte nun, daß er Melburne nicht ohne Antwort auf verschiedene Dinge, die ihn beschäftigten, verlassen würde.

Nicht nur Clarinda erstaunte ihn. Am Vortag, nachdem er einige Zeit bei Sir Roderick verbracht hatte, war er mit Major Foster zu den Höhlen geritten.

Früher war es unmöglich gewesen, auch nur zu Pferde dorthin zu gelangen. Jetzt war aus der schmalen Spur eine Straße geworden, breit genug für Kutschen, und man hatte eine große Kiesauffahrt angelegt. Auch der Eingang war verändert worden.

Lord Melburne blickte Major Foster an.

„Das kostet Geld“, sagte er.

„Es entspricht genau der Dashwood-Art“, murmelte Major Foster.

Sie starrten auf das Eisentor, das sorgfältig verriegelt war. Auf beiden Seiten waren Kerzenhalter angebracht, es gab Eiben, einige in Kübeln, andere offensichtlich neu gepflanzt. Alles strahlte eine gewisse Vornehmheit aus, die sich stark von der verwilderten Landschaft unterschied, die Lord Melburne von seiner Kindheit her kannte.

Etwas weiter entfernt fanden sie dann auch einen Platz, auf dem die Wagen warten konnten.

Da es nichts weiter anzusehen gab, ritten sie zu der kleinen Farm, die nur zweihundert Yards entfernt inmitten grüner Felder lag.

Als sie das Gehöft erreichten, kam ihnen ein seltsam aussehender Mann in einer alten, abgetragenen Soutane entgegen. Er war dick und sah aus wie jemand, der gewohnt ist, gut zu leben. Er war barhäuptig, und sein weniges Haar begann grau zu werden.

Seine kleinen, dunklen Augen, sein ganzes Gesicht, wirkten absolut unfreundlich.

„Was wünschen Sie?“ fragte er.

Seine Stimme klang kultiviert.

„Ich bin Lord Melburne, Ihr Nachbar, und dies ist Major Foster, mein Verwalter. Wir kommen aus reiner Höflichkeit“, antwortete Lord Melburne.

„Das ist nicht nötig. Ich habe keine Zeit mit Besuchern zu verschwenden. Guten Tag!“

Damit drehte er sich um und betrat das Haus.

Als sich die Tür hinter ihm schloß, blickte Lord Melburne Major Foster an und meinte sarkastisch: „Bezaubernde Manieren! Was, zum Teufel, tut er hier?“

„Ich nehme an“, antwortete der Major, „daß nur Mr. Vernon uns diese Frage beantworten kann.“

Sie ritten zur Hauptstraße zurück.

„Ich frage mich, was ich tun soll“, sagte der Lord. „Sie werden vielleicht sagen, es ginge mich nichts an. Aber nachdem Sir Roderick so krank ist, seinen Sohn enterbt hat und sich das Mädchen ganz allein auf Priory aufhält, fühle ich mich in gewisser Weise verantwortlich.“

„Meiner Ansicht nach ist Ihre Verantwortung sogar sehr groß, Mylord. Sie sind hier auf dem Land sehr wichtig.“

„Ich verstehe, was Sie meinen, Foster. Aber ich kann niemanden beschuldigen, solange ich keine Beweise habe. Sie wissen, wieviel die Aussage eines Mädchens wie Sarah vor Gericht wert ist. Also, Foster, finden Sie mehr heraus! Vor allem, wann das nächste Treffen in den Höhlen stattfindet. Am besten könnte uns das wohl der verkommene Kirchenmann sagen, den wir soeben auf Dene’s Farm verlassen haben. Wir brauchen Tatsachen, Foster, Tatsachen und Beweise. Dann verspreche ich, vor Gericht zu gehen. Und wenn nötig, rufe ich auch Militär zu Hilfe. Aber ich muß vollkommen sicher sein, bevor ich Vernon beschuldige. Andernfalls mache ich mich nur lächerlich.“

Den restlichen Tag verbrachte Lord Melburne mit dem Kauf neuer Pferde.

Als er sich am nächsten Tag mit Hilfe seines Dieners ankleidete, fiel ihm ein, daß Major Foster vielleicht schon Neuigkeiten für ihn haben könnte. Seit langem hatte ihn nichts mehr so sehr interessiert wie diese Angelegenheit.

Nachdem er gefrühstückt hatte, begab er sich hinaus. Sein Pferd wartete schon auf ihn. Es war ein herrlicher, schwarzer Hengst mit weißen Fesseln, den Lord Melburne vor sechs Monaten gekauft, nach Melburne gebracht und dann vergessen hatte. Nun betrachtete er ihn anerkennend, und es wurde ihm klar, daß er gewisse Schwierigkeiten haben würde, das Tier zu reiten. Das Pferd bäumte sich auf, und zwei Knechte mußten es halten, bis Lord Melburne im Sattel saß.

Er ritt durch den Park in Richtung Dingle’s Ride, ein traditioneller Platz zum Testen neuer Pferde.

Dingle’s Ride lag zwischen Melburne und Priory. Es bestand aus einem großen Wald und riesigen Feldern und Wiesen. Quer hindurch verlief eine Grasstrecke, an der seit Urzeiten beide Familien sehr interessiert waren. Sie hatten um den Besitzanspruch gekämpft, denn in den alten Urkunden wurde dieses Gebiet teilweise Melburne, teilweise Priory zugesprochen. Doch gestern hatte Sir Roderick ihm Dingle’s Ride zum Geschenk gemacht, und nun gehörte es endgültig zu Melburne.

Saracen, sein Pferd, bockte und machte Anstalten, in Galopp zu verfallen.

Es wäre interessant zu sehen, wie schnell er sein kann, dachte Lord Melburne, als er so durch den Wald ritt.

Als er dann zu der Rasenstrecke kam, bemerkte er, daß er nicht allein war. Jemand in einem grünen Gewand kam von der anderen Seite. Es war klar, daß Clarinda ihn gleichzeitig entdeckt hatte, und es schien ihm, als ob sie instinktiv kehrtmachte, um ihm aus dem Weg zu gehen. Sie galoppierte den Weg so schnell entlang, daß sie schon einen großen Vorsprung hatte, als sich Lord Melburne anschickte, sie zu verfolgen.

Es war erregend, den kühlen Morgenwind im Gesicht zu spüren, das Geräusch der Hufe zu hören. Dazu kam die Spannung einer Jagd, in der er unbedingt siegen wollte.

Clarindas Pferd war gut in Form - Sir Roderick hätte nie ein schlechtes Pferd in seinem Stall geduldet -, aber ihm fehlte Saracens Stärke des Araberblutes. Dennoch - ihr Vorsprung war groß, und sie ritt wirklich ausgezeichnet. Ihr Haar glich dabei einer Fahne, die ihn zur Verfolgung aufforderte.

Entschlossen trieb er sein Pferd vorwärts. Er holte Clarinda erst ein, nachdem sie dreiviertel des Weges zurückgelegt hatten. Kurze Zeit galoppierten sie Seite an Seite. Als er dabei zu ihr hinübersah, bemerkte er in Clarindas Augen die Entschlossenheit, ihn zu schlagen. Als sie einsah, daß das nicht möglich war, ließ sie ihr Pferd langsamer werden.

Lord Melburne tat es ihr gleich, und am Ende von Dingle’s Ride kamen sie zum Stehen. Beide atmeten schnell, und Clarindas Wangen waren gerötet.

Theatralisch zog Lord Melburne seinen Hut.

„Ich grüße die Amazone“, rief er aus.

Noch überwältigt von dem aufregenden Ritt lächelte sie ihn an, und in ihren Augen brach sich das Sonnenlicht.

Dann jedoch sagte sie: „Sie wissen, daß Sie zu Unrecht hier sind, Mylord.“

„Im Gegenteil“, erwiderte er, „Sie sind der Eindringling.“

„Das Land gehört zu Priory seit König Heinrich VIII.“, gab sie zurück.

„Das behaupten Sie; ich kann jedoch nicht zustimmen. Tatsache ist, daß es mir ab morgen unwiderruflich gehört.“

Schnell sah sie ihn an.

„Onkel Roderick hat es Ihnen geschenkt? Sicher eine großzügige Bezahlung des kleinen Gefallens, den Sie ihm erweisen können.“

„Sie wollen mich provozieren“, meinte Lord Melburne amüsiert. „Hören Sie auf, die Wildkatze zu spielen, und lassen Sie mich Ihnen ein Kompliment für Ihre Reitkünste machen. Ich habe selten eine Frau gesehen, die so im Sattel sitzt.“

Für einen kurzen Augenblick freuten sie diese Worte.

Dann aber sagte sie kalt: „Ich brauche Ihre Ermunterung nicht, Mylord. Soviel ich weiß, besuchen Sie heute nachmittag meinen Onkel. Er freut sich schon auf Ihren Besuch.“

Fast noch bevor sie zu Ende gesprochen hatte, ritt sie über die Wiese davon und verschwand zwischen den Bäumen in Richtung auf Priory.

Lord Melburne sah ihr lächelnd nach, und wieder überlegte er, warum sie ihn wohl haßte.

Bei dem ruhigen Leben, das sie hier auf Priory führte, war es kaum möglich, daß sie mit den Damen der Gesellschaft in Kontakt kam, deren Gunst er genossen hatte. Abgesehen davon konnte er sich kaum vorstellen, daß sich eine dieser Damen von hoher gesellschaftlicher Stellung einem Landmädchen anvertrauen würde.

Von Sir Roderick wußte er, daß Clarinda gerade neunzehn Jahre alt war. Sie lebte seit vier Jahren auf Priory und hatte in dieser Zeit so gut wie gar nicht am gesellschaftlichen Leben teilgenommen - nicht einmal hier auf dem Lande, geschweige denn in London.

Aber Lord Melburne hatte noch mehr erfahren. Wie viele alte Leute, war Sir Roderick vom Geld besessen. Außer für seine Ländereien gab er es für nichts aus. Das erklärte den schlechten Zustand des Hauses sowie die Tatsache, daß Clarinda dringend neue Kleider benötigte, und machte außerdem Clarinda zu einer überaus reichen Erbin.

Lord Melburne erkannte, daß es Sir Roderick in erster Linie um seinen Besitz ging, den er versorgt wissen wollte, und erst danach um Clarinda.

Ich frage mich, was aus dem Mädchen werden wird. Aber nach Sir Rodericks Tod geht mich das nichts mehr an, dachte er und zuckte mit den Schultern.

Dann fiel ihm Nicholas ein, für den es zweifellos am einfachsten wäre, Clarinda zu heiraten, da keinerlei Blutsverwandtschaft bestand. Aber nach allem, was er von Nicholas gehört hatte, wollte er ihn sich nicht als Ehemann Clarindas vorstellen, die sogar noch hübscher war als Lady Romayne.

Major Foster wartete bereits mit einigen Neuigkeiten.

„Ich war gestern abend beim Vikar. Er erzählte mir, daß die dumme Sarah so verzweifelt über den Verlust ihres Kindes sei, daß man sie wahrscheinlich in eine Anstalt einweisen muß.“

„Das arme Ding!“ rief Lord Melburne aus. „Aber trotzdem fällt es mir schwer zu glauben, daß Nicholas, der schließlich als Gentleman geboren ist, so tief sinken konnte.“

„Mir geht es ebenso“, stimmte Major Foster zu. „Ich habe außerdem Erkundigungen über den seltsamen Mann auf Dene’s Farm eingeholt. Der Vikar glaubt, daß er Thornton heißt und wirklich Pfarrer ist.“

„Wie kommt er darauf?“

„Vor ungefähr drei Jahren gab es einen Skandal in einer Pfarrei nahe Beaconsfield. Aufgrund der Proteste der Dorfbewohner verschwand der Pfarrer. Der Vikar sagt, der Pächter auf Dene’s Farm sähe ihm sehr ähnlich. Ich werde aber weiter forschen.“

„Das hoffe ich“, antwortete Lord Melburne.

Dann sprachen sie von anderen Dingen.

Nachdem er gegessen und sich umgekleidet hatte, begab sich Lord Melburne wieder nach Priory. Er fuhr langsam und genoß das gute Wetter und die herrliche Landschaft.

Plötzlich vernahm er das Geräusch von Hufen hinter sich. Als er sich erstaunt umwandte, sah er eine elegante Kutsche mit einem livrierten Kutscher, die direkt auf ihn zuhielt.

Er dachte die Livree zu kennen, sagte sich dann aber, er müsse sich irren. Doch als die Kutsche mit ihm auf einer Höhe war, erschien ein bekanntes Gesicht im Fenster.

„Guten Tag, Buck!“ rief Lady Romayne, während sie darauf wartete, daß der Lakai ihr die Tür öffnete.

Erstaunt zügelte Lord Melburne seine Pferde und sprang vom Wagen, gerade rechtzeitig, um Lady Romayne beim Aussteigen behilflich sein zu können.

„Meine liebe Romayne, was, in Gottes Namen, tust du hier?“

„Ich ahnte, daß du überrascht sein würdest, mich zu sehen. Aber ich mußte einfach kommen, nachdem ich von Nicholas Vernon erfahren hatte, daß du dich mit einer Unbekannten namens Clarinda verlobt hast.“

Lord Melburne sagte nichts. Ihm fiel der horchende Diener ein. Er hatte gleich geahnt, daß Nicholas Schwierigkeiten machen würde. Aber was sollte er nun Lady Romayne erzählen?

„Ich denke, Buck, du hättest mir davon erzählen sollen“, sagte sie vorwurfsvoll mit ihrer sanften Stimme.

Er kannte sie gut genug, um zu wissen, daß sie trotz der Freundlichkeit ihrer Worte vor Wut kochte.

„Hör zu, Romayne. Sir Roderick liegt im Sterben. Fahre bitte zurück nach Melburne und warte dort auf mich. Ich werde bald folgen und dir alles erklären.“

Aber er wußte bereits, daß es ihm schwerfallen würde, eine Erklärung zu finden, vor allem eine glaubhafte.

Als er von Clarinda überredet worden war, die ihm zugedachte Rolle zu übernehmen, war es ihm gleich klar gewesen, daß auch Außenstehende von der Verlobung erfahren würden. Wenn sie wenigstens alles besser vorbereitet hätte! Es hätte keine lauschenden Diener geben dürfen, denn Nicholas Vernons Reaktion war vorauszusehen gewesen.

„Warte auf Melburne auf mich“, sagte er nochmals zu Lady Romayne, wußte aber im gleichen Augenblick, daß sie diesem Befehl nicht nachkommen würde.

„Ich muß diese junge Frau einfach sehen. Schließlich wird sie nach eurer Hochzeit meine Cousine sein. Außerdem will ich wissen, wie sie es geschafft hat, dein Interesse so schnell zu fesseln.“

Lady Romayne war nicht dumm. Sie würde nicht glauben, daß es sich hier um Liebe auf den ersten Blick handelte. Darüber war sich Lord Melburne klar. Außerdem wußte er nicht, was Nicholas Vernon erzählt hatte.

Also sagte er unfreundlich: „Gut, wenn es dein Wunsch ist, dann komm mit. Obwohl es keinen Grund für dich gibt, dich in meine Angelegenheiten zu mischen.“

„Habe ich mich jemals eingemischt?“ fragte sie sanft. „Alles, was ich mir wünsche, mein geliebter Cousin, ist dein Glück.“

Es blieb unausgesprochen, daß sein Glück ihrer Ansicht nach in einer Zukunft mit ihr lag. Dennoch war die Absicht klar genug.

Obwohl sie in ihrem hübschen, modernen Kleid, das ihre Figur vorteilhaft betonte, und dem Hut mit den wippenden Federn reizend aussah, waren Lord Melburnes Augen hart, als er sie in den Salon führte.

Der Raum war leer, und sie betraten durch die Flügeltüren die Terrasse, wo sie von dem betäubenden Duft der Rosen empfangen wurden. Mit einem Gefühl äußersten Erstaunens sah Lord Melburne auf Clarinda, die sich im Rosengarten befand.

Sie war nicht allein. Julien Wilsdon stand bei ihr, hatte die Arme um sie gelegt und preßte sie an sich, den Kopf zu ihr hinabgebeugt.

Einen Augenblick blieb Lord Melburne unbeweglich stehen. Dann lachte Lady Romayne belustigt auf.

„Armer Buck“, sagte sie, „es scheint, daß du schon bald nach deiner Verlobung auf deine Braut aufpassen mußt.“

Beim Klang ihrer Stimme fuhren Julien und Clarinda schuldbewußt auseinander. Während Julien Lord Melburne anstarrte, drehte Clarinda sich um und lief über den Rasen davon, wo sie hinter einem Busch Lilien verschwand.

Nach kurzem Zögern folgte ihr Lord Melburne. Er fand sie vor einer mit Rosen bewachsenen Laube, schwer atmend vom schnellen Laufen.

Er packte sie an den Schultern, schüttelte sie und sagte wütend: „Wie können Sie es wagen! Wie können Sie es wagen, aus mir einen solchen Narren zu machen! Sie bitten mich, bei einer Komödie mitzuwirken, um ihrem Onkel zu helfen, und dann, nicht genug damit, daß Sie immer grob zu mir sind, beleidigen Sie mich, indem Sie Ihren Liebhaber nicht nur vor mir, sondern sogar vor meinen Freunden umarmen.“

Wiederum schüttelte er sie, bemerkte aber dabei trotz seiner Wut, wie unglaublich hübsch sie war mit ihren Augen, die erstaunt zu ihm aufsahen, ihren halbgeöffneten Lippen und den zart geröteten Wangen.

Brutal riß er sie an sich.

„Wenn es Küsse sind, die Sie wünschen, dann nehmen Sie sie von dem Mann, der das Recht hat, Sie ihnen zu geben“, sagte er rauh.

Bevor sie schreien konnte und noch immer wütend, preßte er seine Lippen brutal auf die ihren und küßte sie roh, fast grausam. Dann wurde er sich plötzlich der Weichheit und Süße ihrer Lippen bewußt, und sein Kuß wurde sanfter, gleichzeitig aber auch besitzergreifender.

Sein Ärger verging, und er spürte den nicht zu unterdrückenden Wunsch, sie möge seinen Kuß erwidern, wie alle Frauen, die er in der Vergangenheit geküßt hatte. Aber fast ungläubig stellte er fest, daß Clarinda, nach einem heftigen Versuch, sich zu befreien, nun völlig unbeweglich und passiv in seinen Armen lag.

So ruhig war sie, daß er erstaunt den Kopf hob.

Sofort hatte sie sich mit einer schnellen Drehung befreit, sah ihn mit ihren vor Wut schwarzen Augen an und sagte dann langsam und mit kalter Stimme: „Es tut mir leid, Mylord, daß Ihre unzüchtigen Annäherungsversuche hier auf dem Lande nicht gern gesehen sind, so erfolgreich sie in London sein mögen. Wenn es für Sie tatsächlich so dringend ist, eine Frau zu finden, dann gibt es aber sicherlich ein schwachsinniges Dorfmädchen, das Sie nicht abweist.“

Sie sprach ohne Zögern, und es war klar, daß sie ihre Rede schon lange vorbereitet hatte. Dann schoß ihr das Blut in die Wangen, ihre Augen sprühten Feuer und sie stampfte mit dem Fuß auf.

„Wenn ich nur ein Mann wäre“, rief sie und spie ihm die Worte förmlich entgegen, „dann würde ich Sie jetzt töten!“

Bevor er antworten konnte, lief sie davon.

Lord Melburne sah ihr nach. Sein Ärger war verflogen. Er konnte nur noch an ihre sanften Lippen denken, als sie in seinen Armen gelegen hatte. Nie zuvor hatte sich eine Frau haßerfüllt abgewandt, wenn er sie geküßt hatte.

Er hatte Clarinda nicht verletzen wollen, nicht einmal in seinen wildesten Gedanken hatte er daran gedacht, ihr seine Küsse aufzuzwingen. Aber sie hatte ihn so verflucht wütend gemacht, noch dazu vor Lady Romayne.

Aber wenn er ehrlich mit sich selbst war, wußte er auch, daß es nicht nur die Wut war, die ihn Clarinda küssen ließ. Ihre halbgeöffneten Lippen, die Schönheit ihres Gesichts, die von Sonne beschienenen Locken, hatten etwas ungemein Anziehendes gehabt.

Zweifellos hatte er sich durch sein Verhalten ins Unrecht gesetzt. Sie würde ihn jetzt mehr hassen als je zuvor. Und Gott weiß, er hatte es verdient. Nun hatte sie wirklich Grund, ihn zu verabscheuen.

Die ganze Situation war äußerst kompliziert. Außerdem wartete Lady Romayne auf ihn, und niemand wußte, ob sie die Situation nicht noch schlimmer machen würde.

Als er das Haus betrat, wartete Julien auf ihn.

„Ich muß mich entschuldigen, Mylord“, bemerkte er leise. „Aber ich möchte nicht, daß Sie schlecht über Miss Vernon denken. Ich habe sie nicht geküßt, wie ihr Gast spöttisch bemerkte, sondern mich von ihr verabschiedet, da mein Vater mich gegen meinen Willen zur Armee schickt. Es war unmännlich von mir, aber ich war den Tränen nahe, und nur deshalb lehnte ich mich an Clarinda, wie ein Bruder an seine Schwester. - Das ist alles. Ich sage Ihnen die Wahrheit, weil ich Clarinda liebe und nicht möchte, daß Sie denken, sie sei nicht - vollkommen.“

Lord Melburne, der erkannte, daß dem jungen Mann dieses Geständnis sehr schwergefallen war, wünschte ihm freundlich alles Gute und tröstete ihn mit der Bemerkung, daß ihm persönlich die Armee sehr gut gefallen habe und daß auch Julien sich später noch oft und gerne daran erinnern würde.

Nachdem Wilsdon den Raum verlassen hatte, begab sich auch Lord Melburne in die Halle, wo er von Bates, dem Butler, erfuhr, daß Lady Romayne bereits nach Melburne gefahren sei, wo sie auf Seine Lordschaft warte.

„Dann will ich ihr sofort folgen. Sagen Sie bitte Sir Roderick, ich hätte einen unerwarteten Gast, würde aber später, etwa eine Stunde vor dem Abendessen, noch einmal kommen.“

Er zögerte kurz, bevor er hinzufügte: „Und richten Sie bitte Miss Vernon aus, ich wäre ihr sehr verbunden, wenn sie heute abend mit mir speisen würde. Wenn ich von Sir Roderick komme, wird es zu spät sein, um noch rechtzeitig zum Abendessen nach Melburne zu fahren.“

„Ich werde Miss Clarinda verständigen, Mylord“, antwortete der Butler.

Mit blitzenden Augen begab sich Lord Melburne zu seinem Wagen. Er wußte, Clarinda würde rasend sein vor Wut, wenn sie erfuhr, daß sie gezwungen war, ihn zu unterhalten. Außerdem war die Tatsache, daß er auswärts dinieren würde, ein Vorwand, um Lady Romayne nach London zurückschicken zu können.

Und dann konnte er nicht leugnen, daß er Clarinda gerne noch einmal sehen wollte.

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