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Kapitel 4
Das Heil der Weisheit

Die nächste Entwicklungsstufe, die der Buddha in einem Mönch suchte, ist die Weisheit. Wir können jetzt erkennen, wie die drei Entwicklungsstufen aufeinanderfolgen: Tugend (Sῑla), Sammlung (Samādhi) und Weisheit (Pañña). Eine ist immer das Fundament und die Ursache für die nächste. Die Tugend ist nötig für die Sammlung und die Sammlung für die Weisheit. Selbstverständlich müssen wir alle drei gleichzeitig praktizieren, denn jeder Fortschritt findet auf allen drei Ebenen statt. Wenn wir warten wollten, bis wir die vollkommene Tugend erreicht haben, um erst dann zu meditieren, würden wir in diesem Leben vermutlich nicht mehr dazu kommen, und desgleichen, wenn wir uns nicht um Einsicht bemühten, bevor die Sammlung perfekt ist.

Die Sammlung wird durch Konzentration möglich, und wir erleben sie in der Meditation als Ruhe. Sie ist das Mittel zum Zweck der Weisheit, aber niemals ein Zweck an sich. Ohne das passende Mittel können wir den Zweck jedoch nicht erfüllen. Wenn wir in der Lage sind, bei unserem Atem zu bleiben, gehen wir der Sammlung entgegen. Wenn wir wissen, dass jeder Atemzug vergänglich ist und sein muss, gehen wir der Weisheit entgegen. Das eine wird als Ruhe, das andere als Klarblick bezeichnet. Es ist absolut notwendig, den Unterschied zu kennen und zu verstehen und in der Meditation beides zu verwenden.

Es gibt viele Meditationsmethoden; der Buddha selbst lehrte vierzig verschiedene. Wir können einige davon praktizieren, aber letztendlich ist eine Methode nichts als eine Methode, die den Geist auf einen Punkt oder ein Thema bringen soll. Obwohl es vierzig Meditationsmethoden gibt, gibt es dennoch nur zwei Richtungen, in die unsere Meditation führt, nämlich Ruhe und Einsicht. Wenn wir es mit unserem spirituellen Wachstum ernst meinen, müssen wir uns um diese beiden Aspekte bemühen. Jeder möchte gern einmal ganz zur Ruhe kommen, möchte sich längere Zeit friedlich und glücklich fühlen. Aber das Ziel unserer ganzen Praxis ist das Erlangen von Weisheit, Einsicht oder Klarblick, was uns letztendlich zu Glück und Frieden verhilft, unabhängig von jeder Methode.

Weisheit hat einen Mitarbeiter und Helfer, ohne den sie trocken und intellektuell wird, und das ist Vertrauen. Wir können es auch so formulieren: Weisheit ist im Geist, Vertrauen ist im Herzen. Beide müssen stets zusammenarbeiten. Die Weisheit muss das Vertrauen zu Rate ziehen, das ihr die Herzenskraft verleiht und sie zur Hingabe bewegt. Das bedeutet, dass wir mit Herz und Geist bei unserer spirituellen Praxis sein müssen, wenn wir sie als den wichtigsten Teil unseres Lebens erfahren wollen. Wenn wir nur kleine Versuche machen wollen, kommt es nicht so darauf an. Wenn es uns aber um unser Innenleben geht und um die Läuterung von Herz und Geist, dann müssen wir beide zu benutzen wissen. Wir können in uns selbst erkennen, ob es uns mehr an Weisheit oder mehr an Vertrauen mangelt. In den traditionell buddhistischen Ländern ist das Vertrauen stark entfaltet, und Einsicht wird weniger beachtet. Im Westen ist es umgekehrt. Es gibt genügend Bücher und Vorträge, sodass wir die Lehre schon einigermaßen verstehen können, aber unser Herz wird oft gar nicht davon berührt.

Weisheit entsteht langsam und allmählich. Der erste Schritt besteht aus hören, lesen und besprechen. Das gilt auch für alle weltlichen Erkenntnisse, nicht nur für die spirituellen. Der nächste Schritt ist, sich an das Gelernte zu erinnern. Auch das ist im weltlichen Bereich genauso. Wir können keine Berufsausbildung erlangen, wenn wir uns nicht an das Gelernte erinnern können. Sehr häufig kommt es allerdings vor, dass wir etwas nur so lange im Gedächtnis behalten, wie es unbedingt nötig ist. Die spirituellen Anweisungen brauchen wir aber bis an unser Lebensende und müssen uns daher permanent daran erinnern, was nicht ganz einfach ist. Das menschliche Erinnerungsvermögen ist schwach, was auf schwache Achtsamkeit zurückzuführen ist. Achtsamkeit und Erinnern gehören nämlich zusammen, und gefestigte Achtsamkeit bringt ein gutes Gedächtnis mit sich.

Nachdem wir uns an das Gelernte erinnert haben, müssen wir es erwägen. Wir müssen überlegen, ob das Gehörte, Gelesene und Erfahrene auf unser eigenes Leben zutrifft und ob es der Wahrheit entspricht. Wenn wir das bestätigen können, müssen wir anfangen, in diesem Sinne zu praktizieren. Nach und nach steigt dann Weisheit wie ein inneres Licht in uns auf, als erkanntes Erleben.

Als Erstes haben wir also die Informationen, die heute an Vielseitigkeit kaum zu überbieten sind. Wir müssen sie jedoch unter dem Aspekt sortieren, welche für uns wirklichen Wert haben, weil wir uns ja auf keinen Fall an alles erinnern können. Wenn wir uns dann um Erinnern, Nachdenken, Betrachten, Kontemplation und Nachvollziehen bemühen, erkennen wir ganz klar, dass nur ein ruhiger Geist dazu fähig ist. Wenn der Geist in der Meditation ruhig wird, sammelt er Kräfte. Er ist außerdem in der Lage, als objektiver Beobachter zu fungieren und nicht mehr alles subjektiv als persönliches Erlebnis, Drama oder Problem anzusehen. Wenn wir aufhören, alles persönlich zu nehmen, und unsere Erlebnisse mehr universell betrachten können, haben wir einen Schritt auf dem Pfad der Weisheit getan, der genügt, um den spirituellen Pfad erfolgreich zu beschreiten.

Wir müssen einmal von unserem tief verwurzelten Persönlichkeitsglauben Abstand nehmen, der sich in allem äußert, was durch uns und mit uns geschieht, und stattdessen unser eigenes Erleben in das universelle Geschehen einreihen. Der meditativ zur Ruhe gekommene Geist kann das akzeptieren, wohingegen der alltagsbezogene Geist noch nicht die Fähigkeit hat, sich von der Ichbezogenheit zu lösen. Wir meditieren alle für uns selbst, aber nur um eines Tages unser „Selbst“ loszulassen. Dazu brauchen wir einen ruhigen, konzentrierten Geist, der ohne abschweifende Gedanken, Ideen, Hoffnungen, Pläne und Wünsche erkennt, was außerhalb der Ichbezogenheit liegt. Weisheit kommt in kleinen Schritten. Sie ist kein goldener Mantel, der sich um uns breitet, und schon sind wir weise geworden. Allmählich kommen wir der Weisheit näher, und jeder kleinste Schritt auf diesem Weg sollte freudig begrüßt werden. Wenn Weisheit oder Einsicht in uns aufsteigt, sehen wir altbekannte Dinge in einem neuen Licht. Der Baum war schon immer ein Baum, und „ich“ war schon immer „ich“, aber nun sehen wir diese alltäglichen Dinge aus einer anderen Perspektive. Es gibt nichts Neues im Universum, alles ist schon einmal da gewesen. Es kommt nur darauf an, von welcher Warte aus wir schauen. Mit Weisheit schauen wir objektiver und unpersönlicher. Wir werden nicht mehr so stark berührt von dem, was sich um uns herum abspielt. Die Ichbezogenheit, die will, kann, möchte, hofft und plant, steht nicht mehr permanent im Vordergrund, sondern fügt sich in den Rahmen der Ganzheit ein.

Wir sehen dieselben Dinge wie früher, aber unser Geist reagiert anders darauf und wundert sich nicht über die ständige Veränderung. Er wundert sich höchstens darüber, dass er all die Jahre so blind war und alles geglaubt hat, was die Welt im Allgemeinen glaubt. Dass fast jeder die Welt und sich selbst als eigenständig und von allem getrennt sieht, ist kein Grund für den Meditierenden, das ohne Weiteres auch zu akzeptieren. Weisheit sieht die gewohnten Dinge in einem neuen Licht. Wir können und wollen das durch Kontemplation fördern.

Jeder Mensch weiß, dass er sterben wird. Was ist daran neu? Wir können unseren Postboten und unsere Nachbarn fragen, ob sie es wissen, und fraglos werden sie zustimmen, aber sie wollen sich im Grunde keine Gedanken darüber machen. Jeder Mensch weiß, dass alles, was lebt, sterben muss. Das ist nicht neu, aber wir können es auf neue und bedeutungsvolle Weise begreifen. Wenn wir in der Kontemplation die Naturgesetze auf uns selbst beziehen, sie also sowohl in uns, als auch in ihrer Gesamtheit erfassen, werden wir sie anders sehen und ein anderes Gefühl für sie bekommen. Jegliches Erkennen bringt ein Gefühl mit sich, und dieses Gefühl sagt uns ganz klar: „So ist es.“ Es ist ein Gefühl der Sicherheit, der Unantastbarkeit, des festen Vertrauens, das uns bestätigt, dass wir etwas richtig erkannt haben. Wenn wir Zweifel haben, können wir uns darauf verlassen, dass die vermeintliche Einsicht nicht stichhaltig ist. Der Zweifel dient dazu, uns von der falschen Fährte abzubringen.

Nach den Worten des Buddha liegt Einsicht oder Weisheit immer im Erkennen einer der drei Eigenschaften des ganzen Universums: Vergänglichkeit (Anicca), Leidhaftigkeit (Dukkha) und Substanzlosigkeit (Anattā). Jeder, der den Pfad zur Leidlosigkeit gehen will, wird sich eine dieser drei Eigenschaften als bevorzugtes Kontemplationsobjekt aussuchen. Der Buddha hat gesagt, es gäbe nur einige Menschen mit „wenig Staub auf den Augen“, den inneren Augen der Erkenntnis. Es ist also nicht jeder fähig, sich diesem Pfad voll und ganz hinzugeben, weil dazu bestimmte karmische Voraussetzungen gegeben sein müssen. Wenn wir zu denen gehören, die wenig Staub auf den Augen haben, können wir dankbar sein.

Die drei Daseinsmerkmale des Universums gelten auch für uns. Wir und das Universum sind nicht verschieden oder voneinander getrennt. Der Buddha hat gesagt, dass das ganze Universum in unserem Körper und Geist zu finden sei. Wenn wir uns selbst, zum Beispiel unter dem Aspekt der Vergänglichkeit, betrachten, erkennen wir auch alles, was uns umgibt, in der gleichen Weise. Es ist logisch und praktisch, sich selbst zu beobachten und dadurch die Einheit von allem wahrzunehmen. Jeder Schritt, den wir auf diesem Weg gehen, bringt etwas mehr Klarheit, mit der es sich dann einfacher leben lässt.

Ein Mensch, der viel Vertrauen in die Lehre des Buddha hat, sucht sich im Allgemeinen die Vergänglichkeit als Kontemplationsobjekt aus. Mit guter Konzentration wählt man sich oft die Leidhaftigkeit, und wer einen analytischen Verstand hat, bevorzugt meist die Substanzlosigkeit. Da wir aber sehr häufig eine Mischung von allen drei Eigenschaften haben, ist uns oft nicht ganz klar, welches Kontemplationsobjekt wir wählen sollen. Im Prinzip ist es ganz gleichgültig, welches wir wählen, die Hauptsache ist, dass wir mit einem beginnen. Wenn das gewählte Objekt uns nicht weiterhilft oder unser Interesse daran nicht mehr stark genug ist, können wir eines der beiden anderen benutzen. Die Einteilung nach Vertrauen, Konzentration und analytischen Fähigkeiten ist allgemein gehalten. Wenn wir eines der Daseinsmerkmale vollkommen durchschaut haben, werden uns auch die anderen beiden völlig klar, denn sie gehören zusammen. Jegliche Einsicht in eines davon beleuchtet auch die anderen zwei.

Das Pāli-Wort Dukkha bedeutet Unzufriedenheit, Unzulänglichkeit und Unerfülltheit, bezeichnet aber auch das Gefühl der Leere und die Hoffnung auf Besseres. Die ewige Hoffnung, es doch noch besser erwischen zu können, bringt uns im Allgemeinen dazu, unsere Probleme falsch anzugehen. Wir haben ganz bestimmte Verhaltensmuster, die wir immer wieder auf unsere Schwierigkeiten anwenden. Auf diese Weise verschleiern wir jedoch das Dukkha der Existenz, sodass es leicht in Vergessenheit gerät.

Die erste, sehr beliebte Reaktion auf irgendwelche Unannehmlichkeiten, die fast jeder schon angewendet hat, ist, jemand anderen dafür verantwortlich zu machen. Irgendjemand muss an unserer Unzufriedenheit schuld haben. Wenn es nicht der Partner oder der Freund, der Arbeitskollege oder der Chef ist, dann ist es vielleicht die Regierung, die Amerikaner oder das Wetter, irgendwer muss doch schuld haben. Damit geben wir uns dann zufrieden und glauben, dass andere unser Dukkha hervorgerufen haben und wir ganz unschuldig leiden. Diese Haltung bringt leicht Selbstmitleid mit sich, was spirituelles Wachstum unmöglich macht. Wenn wir uns selbst leid tun, können wir nicht an uns arbeiten. Im Gegenteil, die Wahrscheinlichkeit, dass wir in Depressionen verfallen, ist groß. Das Wort „Selbstmitleid“ macht bereits deutlich, was da passiert. Wir leiden mit uns selbst, was doppeltes Leid bedeutet: Dukkha haben wir sowieso und dann noch Mit-Leid.

Die zweite Art, mit Dukkha umzugehen, ist der Versuch, so schnell wie möglich davon wegzukommen, etwas Äußerliches zu verändern oder sich abzulenken. Wenn wir in der Sitzhaltung Schmerzen bekommen und uns schnell umsetzen wollen, so ist dies der Versuch, schnellstens von etwas Unangenehmem wegzukommen. Wir haben auch die Möglichkeit der Veränderung, indem wir etwas ganz Neues suchen – immer in der Hoffnung, dass wir damit Erfolg haben werden. Wir können uns auch ablenken, indem wir telefonieren, uns vor den Fernseher setzen, einen Roman lesen, uns mit den Nachbarn unterhalten, ein neues Hobby anfangen, das Radio anstellen, auf Reisen gehen… Die Möglichkeiten sind fast endlos, und all das nur, damit wir nicht merken, dass Dukkha unser ständiger Begleiter ist.

Wenn wir Dukkha für unser persönliches Wachstum nutzen wollen, müssen wir seine Bedeutung als unser bester Lehrer anerkennen. Das geschieht, sobald wir aufhören, andere zu beschuldigen, sobald wir nicht mehr weglaufen, uns ablenken, oder die äußeren Umstände ändern wollen, sondern Dukkha ganz klar ins Auge schauen und sagen: „Da bist du ja wieder, alter Freund, was willst du mir denn jetzt beibringen?“

Wir können lernen, mit Dukkha weise umzugehen, aber zuvor müssen wir sehr scharf beobachten lernen, um herauszufinden, ob vollkommene Zufriedenheit, vollkommenes Glück und vollkommener Frieden überhaupt existieren. Wenn wir diese Betrachtung ernst nehmen, werden wir bald feststellen, dass sie nicht existieren, außer zeitlich begrenzt während der intensiven Meditation.

Unsere Sinne suchen andauernd Nahrung im Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen und Denken. Wir glauben, dass unsere Freuden und Annehmlichkeiten in den Sinnesempfindungen liegen, denn wir kennen nichts anderes. Dass solche Freuden ganz kurzlebig sind, müssen wir erst einmal durch scharfes Beobachten erkennen. Erkennen müssen wir aber auch, dass sie so kurzlebig sein müssen, um nicht sofort wieder in Dukkha umzuschlagen. Die Tatsache, dass unsere Nahrung verdaut und ausgeschieden werden muss, um uns körperliches Wohlbefinden zu bereiten, mag verdeutlichen, dass unsere Sinneskontakte entstehen und vergehen müssen und dass dieser Prozess niemals aufgehalten werden kann. Eine solche Betrachtung öffnet unser Verständnis für neue Realitäten.

Es ist nur eine relative Wirklichkeit, dass uns das Essen gut schmeckt und wir es für wichtig halten, was wir essen. Auf der absoluten Ebene ist Essen lediglich notwendig, um den Körper mit Energie zu versorgen und ihn am Leben zu erhalten, was auch viele Schwierigkeiten mit sich bringt. Oft ist es uns zu viel, zu wenig, zu süß, zu sauer, zu salzig, zu heiß, zu kalt, zu spät, zu früh, eine ständige Versuchung zum reagieren. Die absolute Wahrheit verändert die relative Wirklichkeit nicht, aber sie verändert unseren Standpunkt, unsere Perspektive. Wir begreifen, dass wir in einem Kasperletheater mitspielen, wo sich das Kasperle und seine Frau, der Polizist und der Teufel alle Mühe geben, aber am Ende fällt doch der Vorhang, und alles ist vorbei. Aus der Perspektive der absoluten Wirklichkeit sehen wir etwas anderes: nicht etwa, dass der Vorhang am Ende nicht fällt, sondern dass er lediglich fällt, weil er am Anfang hochgezogen wurde. Aus dieser Perspektive ist alles eine Frage von Ursache und Wirkung. Der Vorhang braucht nicht mehr hochzugehen, wenn wir erkannt haben, dass es sich nicht lohnt, im Kasperletheater mitzuspielen.

Wir müssen einmal anfangen, die Dinge aus dieser Perspektive zu sehen. Es ist hilfreich, mit dem eigenen Dukkha anzufangen und den Körper als Kontemplationsobjekt zu verwenden. Können wir uns auf unseren Körper verlassen, sodass er uns Dukkha erspart? Es ist nicht nur die Meditationshaltung, die ihn plagt. Wenn wir uns zu Hause in einem bequemen Sessel ausstrecken und den Fernsehapparat anstellen, also angeblich den größten Komfort für Geist und Körper haben, sollten wir einmal zählen, wie oft wir uns in nur zehn Minuten bewegen. Unser Körper muss fortwährend behütet und beschützt werden, damit ihm nichts passiert. Wir müssen uns ständig um ihn kümmern und etwas für ihn tun. Unsere Wohnhäuser sind so gebaut und eingerichtet, dass unsere Körper sich darin wohlfühlen können. Wenn das nicht so wäre, wären wir alle unglücklich. Wir müssen unseren Körper einmal so erkennen, wie er wirklich ist, nämlich ständig zuwendungsbedürftig.

Wenn wir Dukkha verstehen wollen, können wir damit beginnen, unseren Körper von einer anderen Warte aus zu betrachten. Wir haben ihn vielleicht immer als Quelle der Freude angesehen und es für wichtig gehalten, dass er attraktiv aussieht. Jetzt können wir einmal versuchen, ihn etwas realistischer zu sehen. Der Buddha war weder ein Optimist noch ein Pessimist, sondern ein Realist und hat uns angeleitet, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind, was Einsicht, Weisheit oder Klarblick bedeutet.

Durch das Erforschen von Dukkha haben wir die Möglichkeit, Weisheit zu erlangen. Vielleicht wird uns klar, dass Dukkha nur existiert, weil wir Dinge anders haben wollen, als sie sind. Haben wir Knieschmerzen, so hätten wir lieber keine. Bemerken wir die Schmerzen aber nur als unangenehmes Gefühl und lehnen uns nicht dagegen auf, so leiden wir nicht darunter. Erst in dem Moment, wo wir denken, dass wir viel besser meditieren könnten und die Welt viel schöner wäre, wenn wir keine Knieschmerzen hätten, beginnt das Leid. Wozu ist das nötig? Unzufriedenheit nimmt uns den inneren Frieden. Ohne Frieden ist immer Dukkha im Herzen. Entweder haben wir das eine oder das andere. Wieso nicht die bessere Wahl treffen? Zufriedenheit, innere Freude, In-sich-Ruhen ist uns möglich, wenn wir aufhören, uns gegen die Naturgesetze aufzulehnen, und sie stattdessen freudig akzeptieren.

Es ist oft nur die Unruhe des Geistes, die uns davon abhält, inneren Frieden zu erfahren. Der Geist will etwas außerhalb finden, das ihm Frieden verschaffen soll. Wünschen und Wollen, was auch Nicht-Wollen einschließt, verursacht jedoch immer Leid. Entweder möchten wir etwas, das wir nicht haben und sind deswegen nicht zufrieden. Oder wir haben etwas, das wir loswerden wollen und sind genauso unzufrieden. Das Leid des Habenwollens ist schwerer zu erkennen, denn was wir so alles kaufen, sehen, hören oder erleben können, scheint doch befriedigend. Es erscheint wünschenswert und daher erfüllend.

Wenn wir uns die Gegend hier betrachten, so ist sie sicherlich wunderschön. Māra, der Versucher, sitzt ständig in unseren Herzen und will uns zu den Sinnesgenüssen verführen. Er verleitet uns zu denken: „Wozu meditieren? Wozu die Wahrheit erkennen? Draußen scheint die Sonne auf die grünen Wiesen; geh doch lieber spazieren.“ Māra, der Versucher, schlich sich noch in das Herz des Buddha, als er unter dem Bodhi-Baum saß und die Erleuchtung zu erlangen versuchte, und wollte ihn von dort weglocken. Als ihm das nicht gelang, soll er angeblich vor Wut geplatzt sein. Leider hat er sich sehr bald wieder zusammengefügt, denn er sitzt ja noch heute im Herzen eines jeden Menschen. Wenn der Buddha noch Minuten vor der Erleuchtung den Verführer im Herzen hatte, können wir uns vorstellen, wie es bei uns aussieht, die wir vielleicht noch länger als einige Minuten von der Erleuchtung entfernt sind.

Die Verführung durch die Dinge, die unsere Sinne berühren, ist schwerer als Leid zu erkennen als das Leid, das wir erfahren, wenn uns etwas fehlt. Im Allgemeinen können wir uns Wünschenswertes besorgen. Wir können draußen spazieren gehen, es verbietet uns keiner. Wir haben genügend Geld, um uns ein Auto zu kaufen oder auf Reisen zu gehen. Wir können uns wahrscheinlich alles anschaffen, was wir gerne hätten. Wir erkennen das darin enthaltene Dukkha nicht, denn wir bekommen, was wir wollen, und erkennen die Kurzfristigkeit der Befriedigung und die damit verbundene Wiederholung des gleichen Vorganges nicht. Haben wir uns einmal die schöne Natur angesehen, so müssen wir sie immer wieder anschauen, um die gleiche Freude zu bekommen.

Die Sinnesbefriedigung, die jeder Mensch anstrebt, ist schwer als Dukkha erkennbar. Wenn wir das gute Karma haben, uns viele angenehme Sinnesbefriedigungen verschaffen zu können, vergessen wir, dass unsere ganze Zeit und Energie darauf ausgerichtet ist, diese Befriedigungen zu bekommen, die sowieso nie dauerhaft sein können. Daher ist die Kraft, Energie und Zeit, die wir dafür opfern, nutzlos verschwendet. Alle angenehmen Sinneskontakte, die wir je hatten, sind jetzt im Moment schon vergangen und vergessen.

Die Ablehnung der Unannehmlichkeiten ist viel einfacher als Dukkha zu erkennen, weil es sich ja um Unerwünschtes handelt. Wenn wir einmal klar und deutlich beobachtet haben, wie wir uns verausgaben, um Sinnesbefriedigungen zu bekommen, und sie dennoch nie behalten können, dann haben wir Dukkha in beiden Richtungen erkannt: in der Gier des Habenwollens und im Hass des Loswerdenwollens. Das erkannt zu haben, bedeutet nicht, dass uns das Essen nicht mehr schmecken wird, sondern nur, dass wir verstanden haben, dass unter weltlichen Bedingungen innerer Frieden und bleibendes Glück nicht zu finden sind. Wenn wir wissen, dass Dukkha sowohl in der Gier als auch im Hass liegt und dass die Welt uns nicht befriedigen kann, dann haben wir Weisheit durch Betrachtung von Dukkha erlangt, was uns zur vollkommenen Freiheit führen kann. Wenn wir Dukkha als Kontemplationsobjekt gewählt haben, erkennen wir bald, dass nur Wunschlosigkeit davon erlösen kann.

Es ist wichtig, einmal zu prüfen, welche Wünsche wir mit uns herumtragen. Wir werden sie nicht gleich alle fallenlassen können, aber einige von den unwichtigeren können wir sicherlich loslassen. Auf jeden Fall kommen wir so der Ursache der inneren Unruhe, des nicht vollkommen friedlichen Innenlebens, auf die Spur. Wenn wir durch Selbstbeobachtung unsere Wünsche als Ursachen für Dukkha erkannt haben, können wir allmählich immer mehr von unserem Wollen fallenlassen. Die Betrachtung von Dukkha ist keine Aufforderung zum Unglücklichsein, sondern eine Methode, um das eigene Leid zu verstehen, als Universalgeschehen zu akzeptieren und eines Tages vollkommen zu transzendieren. Erst wenn wir Dukkha auf diese Weise erfassen und nicht mehr darunter leiden, haben wir die Botschaft des Buddha verstanden.

Fragen und Antworten

F: Ich habe ein Problem mit den körperlichen Schmerzen. Ich kann verstehen, dass man Dinge nicht mehr haben will, und dass das Wollen durch das Erlöschen der Ich-Illusion aufhört. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass damit auch die Schmerzen aufhören, denn der Körper ist ja noch da und tut immer noch weh.

A: Es ist sehr schwer, sich vorzustellen, wie die Welt vom Gipfel eines Berges gesehen ausschaut, wenn man noch nicht dort gewesen ist. Das ist vergleichbar mit jemandem, der noch nie in Paris war, es sich aber anhand von Bildern vorstellen will. Der Buddha hat gesagt: „Der unerleuchtete Jünger hat zwei Pfeile, die ihn treffen, nämlich Körper und Geist. Den erleuchteten Jünger aber trifft nur ein Pfeil, nämlich der Körper mit seinen Schmerzen.“ Das heißt also, dass wir unerleuchtet sind, wenn der Körper uns weh tut und der Geist darüber klagt. Wenn den Erleuchteten der Körper schmerzt, meditiert der Geist. Der Buddha lag auf seinem Sterbebett und ist die acht meditativen Vertiefungen durchgegangen. Zwischen der vierten und der fünften meditativen Vertiefung ist er gestorben. Er starb an den Folgen einer Lebensmittelvergiftung, was schon ziemlich schmerzhaft gewesen sein muss.

F: Ich stehe in ständigem Konflikt mit meinem Körper, der sich bewegen möchte. Der Geist wird dann auch oft wütend, und außerdem bekommt der Körper Verstopfung. Ist es wirklich notwendig, sich überhaupt nicht zu bewegen in dieser Zeit? Ich habe richtige Probleme mit so wenig Bewegung, und du hast ja vorhin gesagt, dass Probleme der Meditation nicht förderlich sind. Wie soll ich also damit umgehen?

A: Wenn du gern Bewegung hättest, schlage ich dir vor, einen Dauerlauf zu machen. Dafür ist genug Zeit vorhanden, und dem steht nichts im Wege. – Aber während der Meditation muss man schon ruhig sitzen, sonst kann man den Geist nie zur Ruhe bekommen.

F: Ich möchte noch einmal auf die Sinne zurückkommen. Es gibt doch Berufe, in denen die Sinne ganz speziell gereizt werden, sodass man in einer besonderen Form zum Konsum verleitet wird. Würde das dann in letzter Konsequenz bedeuten, solche Berufe zu meiden oder mit den Dingen zu spielen, ohne „attached“ zu sein? Ich arbeite im Hotel und habe manchmal eine irrsinnige Wut, wenn ich beispielsweise ein Geschäftsessen um 300 Mark für zwei Personen serviere oder eine Suite für 1800 Mark die Nacht vermiete. Auf der einen Seite macht die Arbeit Freude; auf der anderen Seite ist da ein Gewissenskonflikt.

A: Wenn das Gewissen unruhig ist, würde ich dort nicht weiterarbeiten. Wenn die Menschen dort so teuer essen und in so teuren Zimmern schlafen, dann ist das ihre Sache. Dagegen können wir nichts tun. Aber wenn es dir Schwierigkeiten macht, es dich berührt und du darüber unglücklich bist, dann würde ich an deiner Stelle dort nicht bleiben. Dieses Unglücklich- und Berührtsein bringt deinen Geist immer mehr in Unruhe. Dann solltest du eine Stellung annehmen, wo dein Geist ruhig und zufrieden sein kann. Du kannst auch einmal überprüfen, wie die Welt im Allgemeinen funktioniert. Dein Hotel ist ja nicht der einzige Ort, wo solche Überteuerungen stattfinden. An den meisten Orten der Welt werden seltsame Dinge angeboten, weil der Mensch auf Sinnesbefriedigung aus ist. Wenn du sagen kannst: „Die Preise sind Sache der Gäste, ich bin nur hier, um meinen Job so gut wie möglich auszufüllen“; wenn du Verständnis dafür hast, dass diese Menschen nichts anderes kennen als ihre Sinnesbefriedigung, wenn du Mitgefühl in dir erleben kannst, denn diese Menschen sind auch nicht glücklich, dann geht es. Aber wenn der Job mit Schwierigkeiten für dich verbunden ist, würde ich ihn nicht beibehalten. Man soll sich nicht in Situationen begeben, die den Geist noch mehr verärgern, als es ohnehin schon der Fall ist. Wenn der Geist einmal nicht mehr von solchen Situationen beeinflusst wird, kann man sich überall hinbegeben. Dann erlebt man alles mit Mitgefühl, wie der Buddha es seinerzeit getan hat. Ich kann mir gut vorstellen, dass Menschen, die 1800 Mark pro Nacht für ein Zimmer bezahlen, genauso wenig glücklich sind wie jeder andere.

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