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2.1.2 Der Prager Fenstersturz

Zwei Protestantenversammlungen

Wir Heutigen wissen, dass ungleich folgenreicher war, was sich in Prag tat. Im März 1618 tagte dort eine Protestantenversammlung, die die „Defensoren“ einberufen hatten und die dem Majestätsbrief zufolge auch rechtens war. Die Stimmung war schlecht – nicht nur wegen der sich verschärfenden Gegenreformation, auch, weil sich die, die da beisammensaßen, eingestehen mussten, dass sie immer weiter an Boden verloren. Die Versammlung war mager besucht, vor allem viele Städte (neben den Adeligen des Herren- und Ritterstandes besaßen sie die Landstandschaft) hatten nicht abgeordnet, nicht einmal die größte, Prag. Man stellte wieder einmal seine Beschwerden zusammen, übermittelte diese nach Wien, vertagte sich dann um einige Wochen in der Hoffnung auf besseren Besuch. Sofort stieß Habsburg, der zunehmenden Schwäche der Opposition gewahr, nach: Aus Wien kam, anstatt inhaltlicher Zugeständnisse, [<<74] die Warnung vor jeder weiteren derartigen Versammlung, die die Hofburg als Aufruhr erachte.

Man traf sich im Mai trotzdem erneut, und wieder kam aus Wien das Verdikt, die Zusammenkunft sei illegal; Gerüchte, wonach Anschläge auf die Freiheit und womöglich das Leben der Versammelten geplant seien, ließen die Erregung vollends auf den Siedepunkt steigen. Die rund hundert Delegierten machten sich am 23. Mai auf zum Hradschin, wo die kaiserlichen Räte amtierten. Man wollte ihnen eine Protestschrift vorlesen, sie zur Rede stellen, die allermeisten wussten nicht, dass einige Heißsporne, ein Dutzend Adelige unter Führung des Grafen Heinrich Matthias von Thurn, viel Einschneidenderes vorhatten, nicht weniger als Mord. Sie nützten die Situation dafür aus, um jenen definitiven Bruch mit Habsburg zu provozieren, den sie à la longue für sowieso unvermeidlich hielten, griffen dabei auf eine Form der Volksjustiz zurück, die während der Hussitenkriege schon einmal praktiziert worden war: die „Defenstrierung“ – sie stürzten die beiden Exponenten schroffer Gegenreformation im Statthalterrat, die kaiserlichen Räte Martinic und Slavata, mitsamt ihrem Sekretär aus dem Fenster.

„Von Hohenfall“

Diese überlebten – tatsächlich wohl, weil sich ihre Mäntel im Wind aufblähten und weil sie nach 17 Metern auf allerlei Unkraut und wohl auch Unrat, vielleicht auf einem Misthaufen landeten. Unter Kugelhagel flohen sie ins Haus des Kanzlers Lobkowitz, dessen Frau sich – fast möchte man sagen: mannhaft – der erregten Meute entgegenstellte, sodass diese schließlich unverrichteter Dinge abzog und die Defenstrierten am Leben blieben. Sie selbst führten ihre weiche Landung übrigens nicht auf einen Misthaufen zurück, sondern auf ihren einzig wahren Glauben, den Beistand von Maria höchstselbst und mehrerer Schutzengel – wie ein großes, übermannshohes Votivbild zeigt, das Wilhelm von Slavata nach seinem Fall gestiftet hat (Abb 3):


Abb 3 Votivbild zur Erinnerung an die „wunderbare Errettung“ der böhmischen Statthalter Wilhelm Slavata von Chlum und Kosumberg und Jaroslav Borita von Martinitz sowie des Sekretärs Philipp Fabricius beim Prager Fenstersturz am 23. Mai 1618. [Bildnachweis]

Maria als Verkörperung der Liebe („Charitas“) füllt die Bildmitte aus, drei Schutzengel geleiten die Fallenden sanft zu Boden, diese selbst tragen Kerzen in ihren Händen, Zeichen ihres, des wahren, katholischen Glaubens – im Konfessionellen Zeitalter waren eben auch Bilder Medien konfessioneller Propaganda. Bei der Frau in den Wolken könnte es sich um Polyxena von Lobkowitz handeln, deren [<<75] Tapferkeit der verletzte Martinic wohl sein Leben verdankte. Im Hintergrund sehen wir die Silhouette der Prager Altstadt, links den Fenstersturz. Sekretär Fabricius wurde nach seinem Fall nobilitiert (also in den Adelsstand erhoben), und zwar hieß er fortan „von Hohenfall“. [<<76]

Ständische Regierung

Die „Defenstrierung“ war eine Verzweiflungstat, die die wankende Ständemehrheit auf Konfrontationskurs zwingen sollte. Ein Mordanschlag auf Mitglieder der kaiserlichen Regierung – damit war das Tischtuch zerschnitten. Bereits am Tag nach dem Fenstersturz konstituierte sich die Prager Protestantenversammlung als böhmischer Landtag, wählte sie eine neue böhmische Regierung aus dreißig Direktoren, beschloss sie die Aufstellung einer eigenen Armee.

Warum Habsburg dagegenhalten muss

Für Habsburg ging es nun um sehr viel, nicht zuletzt wohl ums Kaisertum: Alle Reichsoberhäupter des 16. wie 17. Jahrhunderts waren zuvor schon Könige von Ungarn und Böhmen gewesen, diese beiden Königskronen galten gleichsam als Vorstufen zur Kaiserkrone. Kurfürstliche Wahlgutachten stellten ja (es wurde schon erwähnt), die allfälligen Kandidaten evaluierend, immer den folgenden Gesichtspunkt in den Vordergrund, übrigens weit vor vermutbaren persönlichen Qualitäten: Das Reichsoberhaupt musste über ausreichende Ressourcen verfügen, also viel „land und leut“ regieren; und „land und leut“ lagen am besten an der brisanten Grenze zum Osmanischen Reich. Stammte der Kaiser aus dem Osten, setzte er zuverlässig und schon aus Eigeninteresse seine territorialen Ressourcen für den Schutz des „christlichen Abendlandes“ ein. Zugleich tat er alles dafür, dass auch das Reich (jedenfalls finanzielle) Opfer für die Verteidigung der „Türkengrenze“ erbrachte, und er agierte hierbei aussichtsreicher als ‚irgendein‘ Reichsstand ohne Kaiserkrone, denn: Konnte man das gewählte Oberhaupt des Reiches einfach so im Stich lassen? Außerdem hing an Böhmen auch eine der sieben Wahlstimmen, würde sie evangelisch, hätten die Protestanten bei der Kaiserwahl die Mehrheit. Ein Nachgeben kam für Habsburg schon deshalb überhaupt nicht infrage. Jener radikale Flügel der Ständeopposition, der die Defenstrierung eingefädelt hatte, hat das zweifelsohne eingerechnet und genau so gewollt. Man hielt den Konflikt sowieso für unvermeidlich, nun hatte man selbst den Zeitpunkt gewählt, die Initiative ergriffen und hoffte, die Zögernden angesichts vollendeter Tatsachen mitzureißen.

Der Konflikt zieht sogleich weitere Kreise

Vergleichende Blicke ins Reich drängen sich geradezu auf: auch hier ja ein Nebeneinander von Vorsichtigen und „Aktionspartei“; Letztere von der unausweichlichen Totalkonfrontation überzeugt, die der Gegner in Madrid und Rom längst eingefädelt habe, sodass ein protestantischer Befreiungsschlag unausweichlich sei. Und zwischen [<<77] den Aktivisten in Prag, denen in Heidelberg und Amberg (wo der pfälzische Statthalter für die Oberpfalz, Christian von Anhalt, residierte) gab es rege persönliche Kontakte. Ferdinand seinerseits suchte sogleich den Schulterschluss mit Spanien.

Wir können zurückblicken: Eine tatkräftige Minderheit hatte eine – von der Ständemehrheit gar nicht geplante – Rebellion angezettelt. Noch waren die Instabilitäten regional, ein böhmisches Ereignis, kein europäisches. Das Reich war unmittelbar gar nicht involviert. Doch war die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass die Dinge eskalierten – weil energische Kräfte auf beiden Seiten die Totalkonfrontation suchten, dafür im Reich und in ganz Europa nach Verbündeten Ausschau hielten.

2.2 Warum weitet sich eine regionale Krise zum mitteleuropäischen Krieg aus?
2.2.1 Sommer 1618 bis Frühjahr 1619: Beide Seiten müssen ihren Kurs finden

Habsburg: ein „Hausstreich“

Wie standen die Dinge nach dem Fenstersturz in Wien? Matthias wurde von den Prager Ereignissen völlig überrascht und war überhaupt nicht kampfbereit. Was tun? Die Graue Eminenz an der Hofburg, Melchior Khlesl, plädierte für Verhandlungsversuche. Der designierte Nachfolger in Böhmen, Ferdinand, setzte hingegen von Anfang an auf eine militärische ‚Lösung‘. Um jene zu beschleunigen, ließ er Khlesl im Juli 1618 mit tätiger Mithilfe des spanischen Gesandten in Wien, Oñate, kurzerhand verhaften und nach Tirol deportieren. Es war im Grunde auch eine Entmachtung des alten, verbrauchten Kaisers Matthias, ein Staatsstreich (eigentlich „Hausstreich“), und jener Matthias, der einst, im Zuge des „Bruderzwists“, sukzessive Rudolf demontiert hatte, musste dem bösen Treiben resigniert zusehen. Wenige Monate danach ist er gestorben. Matthias war gewiss kein Kompromissler, aber nun übernahmen Männer das Ruder, die das gegenreformatorisch-zentralistische Programm mit ganz anderer Entschiedenheit durchzuziehen gedachten.

Zur Gegenseite! War man in Wien überrascht und gänzlich unvorbereitet, waren die Rädelsführer in Prag nach ihrem Coup unentschlossen. [<<78] Einigermaßen gezielt ging man gegen den Katholizismus in Böhmen vor – es gab dort ja katholische Adelige, nicht nur die Herren Martinic und Slavata, auch einige Städte, wie Budweis, Krummau, Pilsen waren katholisch und damit lästige Widerstandsnester. Am 9. Juni warfen die Direktoren die Jesuiten aus dem Land, noch im Hochsommer wurde Krummau angegriffen und unterworfen.

Die Stände: wenig konsequente Zurüstungen

Aber was wuchs da im positiven Sinne heran, nachdem man sich mit dem Landesherrn und der katholischen Minderheit im eigenen Land überworfen hatte? Zunächst nicht viel; man improvisierte, oder, eine Stilebene darunter, aber treffend: wurschtelte sich so durch. Es ist nur ein Symptom von vielen für die allgemeine Verwirrung, dass man sich nicht einmal auf einen Oberbefehlshaber einigen konnte, obwohl ja klar war, dass man auf eine militärische Auseinandersetzung mit Habsburg zusteuerte. Zunächst stellte sich der Anführer der Aktivisten vor 1618 und beim Fenstersturz, Graf Heinrich Matthias von Thurn, an die Spitze des Ständeheers. Doch setzten die Mitdirektoren offenbar kein großes Vertrauen in Thurns Fähigkeiten, denn sie verhandelten ihrerseits mit Friedrich von Hohenlohe wegen des Generalats. Jeder erwartete vom anderen, dass er sich unterordnete, am Schluss blieb nichts anderes übrig, als den Oberbefehl im Zweimonats-Rhythmus wechseln zu lassen: wahrlich keine Effektivität und Kontinuität gewährleistende Konstruktion!

Es operierte übrigens alsbald noch ein dritter Feldherr für die Böhmischen, sodass nun vollends keine einheitliche Linie mehr herzustellen war: Ernst von Mansfeld, der ein kleineres, zweitausend Mann starkes Infanterieregiment befehligte, das offiziell Friedrich von der Pfalz nach Böhmen entsandt hatte, tatsächlich freilich zur Hälfte vom – katholischen – savoyischen Herzog Karl Emanuel finanziert wurde, der sich (wenig realistische) Hoffnungen auf die böhmische und die Kaiserkrone machte. Die savoyischen Winkelzüge sind so bizarr und, ja – eben verwinkelt, dass wir uns hierein nicht vertiefen müssen. Wir merken auch so, welche Weiterungen sich da schon früh abzeichneten! Savoyen liegt bekanntlich nicht in Ostmitteleuropa. Friedrich von der Pfalz, der den Böhmischen Truppen überstellte, war kein Böhme, sondern Kurfürst des Reiches und Direktor der evangelischen Union. Auch Ernst von Mansfeld war kein Böhme, entstammte als illegitimer Spross der gleichnamigen deutschen Adelsfamilie. Er war [<<79] übrigens Abenteurer aus Passion, doch mit gutem Organisationstalent, und machte aus dieser Kombination das damals Beste: Kriegführen. Er sah das als seinen Beruf an, war Söldnerführer – von dem Schlag werden wir noch manche in den nächsten Kapiteln kennenlernen.

Die Stände: Verhandlungen mit Friedrich von der Pfalz

Im Lauf des Herbstes setzte sich in Prag allmählich auch unter den Gemäßigteren die Einsicht durch, dass nach dem Fenstersturz auf ein konstruktives Zusammenwirken mit Habsburg nicht mehr zu hoffen war. Ein fürstenfreies Staatswesen freilich vermochten sie sich nicht vorzustellen, nur eines unter einer anderen Dynastie (und natürlich mit mehr ständischer Libertät als unter Ferdinand). Freilich, auf welche Dynastie sollte man bauen? Wir wissen schon, dass der Herzog von Savoyen gern zugegriffen hätte. Der siebenbürgische Fürst Gabriel Bethlen stand zur Diskussion, chancenreicher Kurfürst Johann Georg von Sachsen – der es wohl geworden wäre, so er gewollt hätte. „Des Kaisers treugehorsamer Churfürst“ wollte, natürlich, nicht. So lief schließlich alles auf Friedrich V. von der Pfalz zu. Was sprach aus böhmischer Sicht für ihn? Man unterhielt schon lang rege Kontakte mit den Pfälzern, insbesondere mit dem pfälzischen Statthalter in Amberg, Christian von Anhalt; und Friedrich war Schwager des englischen Königs Jakob, man würde also mit ihm als Galionsfigur leicht internationale Hilfe für die böhmische Sache einstreichen können (so dachte man jedenfalls – eine verhängnisvolle Fehleinschätzung!). Seit November 1618 weilte ein Heidelberger Emissär, Achatius von Dohna, zwecks konspirativer Verhandlungen in Prag – man fädelte ein pfälzisches Königtum zunächst geheim ein, an den offiziellen Gremien vorbei, weil dort auch Ausgleichsbefürworter und Anhänger des Dresdner Kurfürsten saßen.

Im April 1619 besetzte ein Ständeheer unter Thurn Mähren (das sich abseits gehalten hatte, weil Karl von Zierotin davon überzeugt war, dass sich die Böhmischen ins Verderben stürzten), um sich dann nach Süden zu wenden. Thurns Truppen kamen rasch voran, näherten sich Wien. Warum übrigens diese imposanten Anfangserfolge fast aus dem Stand? Weil die österreichischen Habsburger schlechterdings über keine Truppen verfügten! Wir wissen schon, dass das Heerwesen ständisch war, gegen die Stände ließen sich diese Aufgebote nicht wenden. Die österreichischen Stände ob wie unter der Enns aber, zum Gutteil protestantisch wie die böhmischen, sympathisierten eher mit [<<80] ihren Glaubens- und Standesgenossen im anderen Landesteil als mit der wenig geliebten habsburgischen Herrschaft.

Habsburg: erste spanische Hilfen

Ferdinand musste sich vorerst mit Leihtruppen behelfen, die die Madrider Verwandten aus den habsburgischen Niederlanden (ungefähr das heutige Belgien) herüberschickten. Die mussten erst einmal den langen Anmarsch bewältigen und sich dann im Land zurechtfinden. Im Mai standen die Böhmischen vor den Mauern Wiens, Anfang Juni in den Vorstädten der habsburgischen Kapitale – doch zwangen schlechte Nachrichten von der Heimatfront zur Rückkehr nach Böhmen. Dort hatte nämlich der kaiserliche Oberbefehlshaber, Graf Karl Bonaventura von Buquoy, proständische Truppen unter Ernst von Mansfeld geschlagen. Spanische Truppen und päpstliche Gelder begannen zugunsten der Kaiserlichen zu wirken. Auch das waren beunruhigende Indizien für eine Ausweitung der böhmischen Affäre.

2.2.2 Sommer 1619 – Weichenstellungen hin zum großen Krieg

Die Weichen, die aus einer regionalen Krise einen großen Krieg gemacht haben, sind alle im Sommer 1619 gestellt worden. Bis in diesen Sommer hinein haben wir nichts als eine zeitübliche – wenn auch aus verschiedenen, schon gestreiften Gründen besorgniserregende – regionale Querele vor uns. Drei Weichenstellungen ließen sie indes zum europäischen Krieg eskalieren.

Confoederatio Bohemica

So mündete, erstens, ein Generallandtag der böhmischen Länder in Prag vom Juli 1619 in die Confoederatio Bohemica (deutsche Darstellungen titeln „Konföderationsakte“): Die Stände Böhmens, Mährens, Schlesiens, der Lausitzen paktierten miteinander und gaben sich in hundert Artikeln eine neue Verfassung, die libertär war und föderalistisch. Mit anderen Worten: In den einzelnen Landschaften wurde eine überragende Macht der jeweiligen Stände festgeschrieben; und diese Landschaften schlossen sich zwar zu einem Bündnis zusammen, doch unter Wahrung ihrer jeweiligen Unabhängigkeit: ein lockerer Zusammenschluss, man hat die Bündnisfälle (wann also einer dem anderen beizustehen habe) definiert und aufgelistet. Alle waren sie gleichberechtigt an der Generalversammlung, dem höchsten gesetzgebenden Organ, vertreten; Mähren, die Lausitzen, Schlesien würden also das Stigma der „Nebenländer“ verlieren. [<<81]

Die Macht des frei gewählten Königs – die Wenzelskrone wurde zur Wahlkrone der auf ewig konföderierten Länder erklärt – hat man auf die Exekutive eingeschränkt, er war der Generalversammlung rechenschaftspflichtig. War da eine ständische und föderative Staatsgründung im Gange, wie sie sich seit Jahrzehnten in den nördlichen Niederlanden abzeichnete, erneut auf Kosten der habsburgischen Composite Monarchy? Da die Konföderierten außerdem, in einer Art weiterem Bund neben dem engeren, mit den Ständen unter und ob der Enns paktierten, mussten die österreichischen Habsburger ihre Herrschaft insgesamt in Gefahr sehen. Damit war besiegelt, dass das Haus Habsburg mit allen Mitteln zurückschlagen würde.

Zumal sich noch ein neuer Verbündeter für die böhmischen Aufständischen gefunden hatte: Gabriel Bethlen, der Fürst von Siebenbürgen. Siebenbürgen betrieb traditionell eine Schaukelpolitik zwischen Habsburg und dem Osmanischen Reich. Sie sollte dem kleinen Fürstentum dabei helfen, eine recht weitgehende Selbstständigkeit zwischen den beiden Großreichen zu wahren. Gabriel Bethlen war ausgesprochen kriegerisch veranlagt, hatte seine Untertanen seit dem Regierungsantritt 1613 noch fast jeden Sommer irgendwohin in die Schlacht geführt; 1619 lieferte dafür die böhmische Rebellion einen willkommenen Anlass, zumal Gabriel Bethlen, es mag bei dieser Abenteurernatur überraschen, ein offenbar ausgesprochen frommer Calvinist war. Die Ungarn staunten nicht schlecht, als der „dunkelhäutige kleine Tartar“ (Cicely Veronica Wedgwood) im Juli 1619 bei ihnen auftauchte, doch schlossen sie sich ihm sogleich an, sie erhoben sich gegen die habsburgische Herrschaft. Also, auch das Königliche Ungarn, jener Grenzsaum, der Österreich vom Islam trennte, war nun aufständisch. Am 20. August unterzeichneten der Böhme Thurn und Gabriel Bethlen einen Militärpakt.

Wir können resümieren: Auch außerhalb der Confoederatio Bohemica, in anderen Landesteilen der Composite Monarchy der Habsburger, gab es starke Sympathien mit den Sezessionisten. Die Konföderationsakte allein aber hätte natürlich schon hingereicht, um das Gesamthaus Habsburg dazu zu animieren, mit allen Kräften dagegenzuhalten.

Friedrich von der Pfalz wird zum böhmischen König gewählt

Konföderationsakte, Juli 1619: Das war die erste wichtige Weichenstellung. Zweitens wählte die Ständeopposition im August 1619 Friedrich von der Pfalz zum neuen böhmischen König (weil er indes [<<82] nur einen Prager Winter erleben wird, werden ihn die Katholiken als „Winterkönig“ verspotten, und mit diesem ursprünglich abschätzig gemeinten Namen geht Kurfürst Friedrich V. dann schließlich auch in die Geschichte ein). Matthias war im Frühjahr gestorben, das Königtum des designierten Nachfolgers, Erzherzog Ferdinand, erklärten die Sezessionisten für verwirkt. Friedrich aber war Reichsfürst; als Kurfürst ein besonders wichtiger, „Säulen des Reiches“ wurden die Kurfürsten bekanntlich genannt, nannten sie sich selbst; und, wir wissen es ja schon: Friedrich war Direktor der Union von Auhausen!

Sein Gegenspieler Ferdinand wird Kaiser

Drittens wählten die Kurfürsten im selben August 1619 seinen Gegenspieler, Ferdinand, in Frankfurt zum neuen Reichsoberhaupt, übrigens einstimmig – sogar der Pfälzer gab seine Stimme dem Habsburger, weil sich momentan einfach keine Alternative abzeichnete, eine protestantische schon gar nicht. Ferdinand, der Erzfeind der böhmischen Rebellen, war nun also Oberhaupt des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation – wer immer es mit den böhmischen Insurgenten hielt, stellte sich gegen den Inhaber des vornehmsten Amtes der abendländischen Christenheit: ein eminenter psychologischer Nachteil für die böhmische und deutsche „Aktionspartei“, und innerhalb des Reichsverbandes nicht nur ein psychologischer. Sich gegen den obersten Lehnsherrn, den Kaiser, zu stellen, konnte nämlich als Felonie ausgelegt werden, als Bruch der vasallitischen Treuepflicht, und natürlich hat auch das potenzielle Verbündete des neuen Böhmenkönigs abgeschreckt. Umgekehrt war Ferdinand fest entschlossen, mit allen Mitteln zurückzuschlagen, die ihm sein Kaiseramt eintrug oder zu erschließen half. Nach diesen drei Weichenstellungen war die Chance, die regionalen Unruhen in Böhmen zu isolieren, vertan. Seit dem August 1619 war ein zumindest mitteleuropäischer Krieg vorprogrammiert.

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555 стр. 9 иллюстраций
ISBN:
9783846345559
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Bookwire

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