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3

Martha war gerade mit den Vorbereitungen für das Abendessen beschäftigt, als das Auto von Dr. Berg langsam auf den Hof fuhr. Rasch ließ sie die Kartoffel und das Schälmesser fallen, trocknete sich die Hände an einem Handtuch ab und lief aus der Küche zur Eingangstür des Gutshauses. Ihre Laura war zurück. Endlich. Nach drei Jahren. Aber das war jetzt nicht wichtig. Sie wusste, dass Dr. Berg Laura holen wollte, aber sie wusste noch nicht, dass die Gräfin vor einer Stunde verstorben war.

Sie erschrak, als sie das verweinte Gesicht der Komtess erblickte. Lauras langes blondes Haar lag ungeordnet, ihre großen braunen Augen waren stumpf, ihr sonst so hübsches Gesicht, sah müde aus und abgespannt.

»Was ist passiert, meine Kleine?«

Laura blieb ohne Antwort. Eine Träne lief ihr über die Wange. Martha schien zu verstehen, wollte diesen Gedanken aber noch nicht glauben. Und so blickte sie von Laura zu Dr. Berg.

»Wir kommen gerade aus dem Krankenhaus ...«

Dr. Berg musste nicht weitersprechen, Martha wusste nun Bescheid. Die Endgültigkeit war nun auch für sie bittere Tatsache. Das Hoffen war sinnlos geworden, das Hoffen hatte ein Ende. Der Tod hatte gesiegt.

Gefühlvoll, ihre eigene Trauer unterdrückend, nahm Martha Laura in den Arm und versuchte, Trost zu spenden. Laura ließ es geschehen.

Einige Momente später, sich langsam dem bemutternden Trost entziehend, kamen Laura die letzten Worte ihrer Mutter wieder in den Sinn ... Und denke an deinen Vater.

Rasch rutschte sie aus Marthas Umarmung und blickte sie an. Voller Sorge.

»Wo ist Papa?«

»Oben. In seinem Lesezimmer. Aber vielleicht sollten wir noch warten«, sagte Matha mit verzagter Stimme.

Worauf warten? Der Tod war unumkehrbar. Endgültig.

»Wir müssen es ihm sagen.« Lauras Worte waren voller Angst. »Wie geht es ihm überhaupt?«

Martha blickte bedrückt zu Boden.

»Sein Zustand hat sich in den letzten Jahren leider nicht verbessert, eher ... verschlechtert. Er hat jetzt fast täglich gedankliche Aussetzer.«

Marthas Worte klangen leise und vorsichtig. Offensichtlich wollte sie Laura nicht noch einen zweiten Tiefschlag versetzen, nicht heute - aber ganz ohne die Wahrheit ging es nicht. Auch heute nicht.

Laura nickte, atmete tief ein und sah sich beiläufig um. Es schien, als hätte sich nichts verändert. Warum auch? Der gräfliche Gutshof war über zweihundert Jahre alt und so etwas verändert sich nicht, nicht offensichtlich, nicht in drei Jahren. Hier und dort waren alte Fenster und Türen durch neue ersetzt worden. Ihre Mutter hatte stets versucht, den Charakter der Ursprünglichkeit zu bewahren. Durch ihre sorgfältige Haushaltsführung, durch ihr kaufmännisches Geschick konnte man es sich leisten, die Originalität aufrechtzuerhalten.

Wie würde das jetzt alles weiter gehen?

Selbstverständlich kannte Laura die einzig mögliche Antwort. Aber war sie bereit dafür? Konnte sie das überhaupt? Ein Gut führen.

Sie atmete tief durch. Heute Morgen war ihre Welt noch vom Kaufhaus, von der morgigen Lesung bestimmt. Sie war aufgeregt gewesen, nervös, aber was für eine Aufgabe begegnete ihr hier ... und jetzt?

»Wollen wir gemeinsam zu ihm gehen?«, fragte sie schließlich sowohl Martha als auch Dr. Berg.

Martha nickte. Und Dr. Berg erwiderte spontan: »Gewiss, wenn Sie es möchten, Komtess.«

Wie es schien, war er tatsächlich der Freund, als den ihn ihre Mutter beschrieben hatte. Das beruhigte Laura.

Gemeinsam gingen sie die breite geschwungene Treppe in die erste Etage hinauf und betraten das Zimmer ihres Vaters, des Grafen von Heimenstein, der in einem Buch las. Und sie überbrachten ihm die Nachricht vom Tod seiner Frau. Sie hatten einen schlechten Moment erwischt, er konnte sich nicht an seine Frau erinnern.

Auch Laura, seine Tochter, war ihm fremd. Und ohne sich weiter um die Anwesenden zu kümmern, blätterte er hastig vier Seiten zurück und las unnatürlich angestrengt den Text vielleicht ein zweites oder drittes Mal.

Als Laura in Begleitung von Martha und Dr. Berg das Zimmer wieder verließ, hatte sie das Gefühl, völlig allein zu sein. Ohne Eltern. Geschwister hatte sie nicht. Und irgendwelche Verwandten lebten nicht in der Nähe. Und sie bekam Angst. Ihr wurde kalt.

Martha, die nun seit über dreißig Jahre die Haushälterin des Guts war, die Laura bereits als Baby mitversorgt hatte, spürte das Unwohlsein der jungen Frau.

»Wir schaffen das schon, meine Kleine«, sagte sie und drückte die junge Frau fest an sich. Laura genoss es für einen kurzen Moment. Doch sie wusste genau, dass ihr schwere Tage bevorstanden.

Sehr schwere Tage.

4

Zur Beisetzung der Gräfin Ilona von Heimenstein waren alle gekommen. Verwandte, Bekannte, der Bürgermeister und die Bewohner von Heimenstein. Bedeutungsvolle Worte wurden gesprochen, aufrichtige Beileidsbekundungen zum Ausdruck gebracht, Mitgefühl bekundet und Hilfe an geboten. Doch was die Komtess innerlich bewegte, blieb den Anwesenden verborgen.

Laura ließ die Beisetzungszeremonie über sich ergehen. Sie achtete auf ihren Vater, der in der Zwischenzeit zwar einige klare Momente gehabt hat, aber jetzt offensichtlich doch nicht so recht begriff, was um ihn herum geschah. Harald Graf von Heimenstein hatte sich bei seiner Tochter untergehakt und doch war nicht erkennbar, wer wen stützte.

»Ich werde meinen Vater nach Hause bringen. Martha, könntest du dich um alles Weitere hier kümmern?«, fragte Laura, nachdem die Beisetzung beendet war.

»Selbstverständlich. Geh nur«, antwortete Martha knapp.

Man hatte in Heimenstein, im Café ›Mozart‹, zu einem Kaffeetrinken geladen. Laura fühlte sich nicht in der Lage, daran teilzunehmen. Und ihrem Vater wollte sie den Trubel nicht zumuten.

»Darf ich Sie nach Hause begleiten?«, fragte Dr. Berg, der die ganze Zeit stumm, in angemessener Entfernung, hinter der Komtess gestanden hatte.

»Herzlichen Dank, aber das ist nicht nötig. Außerdem bin ich mit dem Wagen meiner Eltern hier.«

»Wenn Sie mir aber kurz noch gestatten, Komtess, möchte ich Ihnen gern meinen Sohn vorstellen. Er wird sich in Zukunft um ihre Angelegenheiten kümmern.

Wann immer sie eine Auskunft benötigen, er wird für Sie da sein«, sagte Dr. Berg und fügte sogleich hinzu: »Unnötig zu sagen, dass ich Ihnen selbstverständlich auch weiterhin zur Verfügung. Jederzeit. Wenn Sie es wünschen.«

Laura verstand nicht gleich, sah sich aber unvermittelt einer ausgestreckten Hand gegenüber.

»Mein Name ist Maximilian Berg. Ich möchte Ihnen nochmals mein tiefes Mitgefühl zum Ausdruck bringen.«

Ohne genau hinzusehen, ein wenig oberflächlich, reichte Laura dem jungen Mann die Hand. Doch im Moment ... ihre Hand in seiner ... spürte Laura eine entschiedene Kraft und eine verborgene Zärtlichkeit, die von dieser fremden Hand ausging. Konnte so etwas sein? Sie hob den Blick und sah Maximilian Berg an. Sie schaute einen langen Moment in das markant geschnittene Gesicht eines Mannes von etwa dreißig Jahren, der ihren Blick besonnen erwiderte. Seine dunkelblonden Haare, halblang geschnitten, seine blauen Augen, freundlich blickend, sein Mund, aufrichtig anteilnehmend, schienen voller Sympathie. Er war einen halben Kopf größer sie und wirkte sportlich durchtrainiert unter seinem schwarzen Anzug.

Ohne sich dessen bewusst zu sein, genoss sie diesen Händedruck, schien er ihr Kraft zu geben.

»Ich danke Ihnen für Ihr Mitgefühl. Wenn Sie mich jetzt aber bitte entschuldigen würden.«

Ihr Vater wurde unruhig und presste sich, eingehakt, an Laura. Die vielen Menschen schienen ihn zu verwirren. Sie wollte nur noch behänd mit ihm nach Hause. Er brauchte seine Ruhe.

»Hier ist meine Karte. Wenn Sie Hilfe brauchen, ich stehe Ihnen jederzeit zur Verfügung.«

»Ich danke Ihnen nochmals, aber ich muss jetzt los.«

»Soll ich Sie begleiten?«

Maximilian Berg sah sie auffordernd an. Laura von Heimenstein nahm die Visitenkarte und schüttelte unmerklich den Kopf. Sie wollte weg, nach Hause, sie wollte endlich allein sein. Sah man das nicht?

Maximilian Berg schien zu spüren, dass er wohl einen Schritt zu weit gegangen war. Doch, noch bevor er reagieren konnte, bevor er sich entschuldigen konnte, erklang eine Stimme hinter ihnen. Männlich. Bestimmend.

»Das übernehme ich.«

Überrascht drehten sich beide um. Hanno Graf von Theuersdorff trat langsam auf sie zu. Er war schlank, eine Nuance größer als Maximilian Berg und sein Blick, bedächtig und aufmerksam, verbreitete endloses Mitgefühl.

»Hanno!«, stieß Laura hervor. Der unerwartete Anblick des Mannes, der ihr Herz vor Jahren zärtlich berührt hatte, der es aber auch in der Zeit ihrer Gemeinsamkeit wieder und wieder gepeinigt hatte, verwirrte sie.

Im ersten Moment freute sie sich, ihn zu sehen, doch im gleichen Moment wurde ihr schmerzlich bewusst, dass er der andere Grund für ihr Weggehen gewesen war. Vor drei Jahren hatte sie auch seinetwegen unbedingt gehen müssen. Wie sinnlos das war, spürte sie augenblicklich: Die vergrabenen Gefühle ... Alles war wieder da.

War alles umsonst gewesen? Würde ihr Herz diesen Mann nie loslassen?

Hanno Graf von Theuersdorff war noch keine dreißig Jahre alt, hatte aber schon vor acht Jahren, bedingt durch den plötzlichen Unfalltod seiner Eltern, das gräfliche Gut derer von Theuersdorff übernehmen müssen.

Und vor fünf Jahren hatte es begonnen – zwischen ihnen. Eine erste kurze Romanze und doch ... es war Liebe gewesen. Zumindest für Laura.

Gleichwohl, wie aus dem Nichts, ohne ein Wort darüber zu verlieren, war Hanno damals irgendwann einfach verschwunden. Tage später, nachdem er wieder aufgetaucht war, ohne sich zu erklären, beteuerte er ihr lediglich seine Liebe. Und Laura hatte ihm geglaubt, hatte ihm glauben wollen - sie hatte ihn geliebt.

Und so erlebten sie eine wunderschöne Zeit. Aber dieses Verschwinden wiederholte sich ... und wiederholte sich ... und wiederholte sich. Nie sagte er etwas. Nie gab es eine Erklärung. Laura vermutete eine andere Frau hinter all dem. Doch immer wieder beteuerte er ihr seine Liebe. Am Ende fehlte ihr die Kraft, ihm weiterhin glauben zu können. Aus der Liebe schöpfte sie keine Kraft mehr. Schließlich hatte sie einfach nur noch weggewollt.

Und heute?

Laura brauchte einen Freund, einen Menschen, der ihr vertraut war und der ihren entsetzlichen Schicksalsschlag aus eigenem Unglück nachempfinden konnte. Am Ende ließ sie ihre Freude, ihn wiederzusehen, auch deshalb zu. Und vielleicht ... Vielleicht war ja nun auch alles ganz anders? Nach drei Jahren. Vielleicht!

»Soll ich gleich mal zu dir kommen?«, fragte Hanno.

»Gern«, gab Laura zurück und wandte sich dann an Maximilian Berg: »Tut mir leid, Herr Berg. Ich muss jetzt los ... allein ... Mein Vater ... Ich hoffe, Sie sind mir nicht böse.«

»Nein. Natürlich nicht.«

Über Lauras Gesicht huschte ein kurzes Lächeln, dann setzte sie ihren Vater auf den Rücksitz hinter dem Beifahrer, verabschiedete sich von den Anwesenden und fuhr los.

»Ich werde dann auch mal los«, sagte Graf Hanno und grüßte beifällig in die Runde.

*

Maximilian Berg blickte Laura wehmütig hinterher. Er hatte sie heute das erste Mal gesehen. Und dann diese erste Berührung, dieser Händedruck ... ihre Hand in seiner Hand ... Was war da geschehen? Ob sie das auch gespürt hat? Wohl kaum.

Er drehte sich um, ging langsam zurück zu seinem Vater ... doch, ob er wollte oder nicht, auch wenn der Anlass der Beisetzung ganz sicher nicht angemessen war, aber ... er hatte sich in Laura verliebt, nein es war mehr ...

Es war Liebe auf den ersten Blick.

5

In den nächsten Tagen gönnte Laura sich keine Zeit zum Nachdenken.

Sie verschaffte sich einen ersten Überblick. Der Weizen stand kurz vor der Ernte, auf den anderen Feldern gediehen Mais und Zuckerrüben. Die Apfel- und Birnenbäume trugen kräftige, gesunde Früchte, drei Bienenvölker arbeiteten unerlässlich, eine unüberschaubare Anzahl Hühner und Enten gaben Eier und liefen gackernd und schnatternd in den Freigehegen neben dem Gesindehaus umher. Im Stall standen zwei Hengste und acht Stuten, eine hatte ein Fohlen, eine andere war trächtig. Und immer wieder konnte Laura ihrer Mutter in Gedanken nur recht geben, das Gut befand sich in einem tadellosen Zustand.

Doch wie würde es weitergehen? Was, wenn etwas Unvorsehbares passierte? Was, wenn die Kompetenz eines Gutsbesitzers gefordert war? Was, wenn man Entscheidungen von ihr erwartete?

Diese Fragen bereiteten ihr große Angst.

Und sie wusste, sie würde bald Antworten auf all diese Fragen haben müssen. Sehr bald. Die alltäglichen Aufgaben arbeiteten Georg und Angelika, das Personal, das jeden Morgen aus Heimenstein kam, gewohnt solide ab. Georg fuhr die Maschinen und kümmerte sich um die Felder, Angelika kümmerte sich um den Pferdestall, um die Hühner und Enten und ging Martha ab und an zur Hand.

In Hanno hatte Laura tatsächlich den Ansprechpartner gefunden, der sie sehr unterstützte, der ihr sagte, wie sie was machen sollte, der ihr kompetente Ratschläge erteilte. Alles passte, alles war gut, so schien es.

Aber ganz tief in ihrem Herzen verspürte Laura ein Misstrauen. Konnte sie sich auf ihn verlassen? Immer? Hatte er sich geändert? Es ging hier nicht mehr nur um sie, um ihre Gefühle, es ging um das Gut, um den Fortbestand all dessen, was ihre Mutter aufgebaut hatte.

Würde in einem Jahr alles noch immer in einem so tadellosen Zustand sein?

Laura wusste es nicht. Sie hatte von der Landwirtschaft nicht viel Ahnung und von der Pferdezucht, die ihre Mutter in den letzten Jahren aufgebaut hatte, verstand sie überdies gar nichts.

Und doch keimte neben all der Angst etwas in ihr, das sie sich in den letzten drei Jahren täglich ein Stück mehr angeeignet hatte ... Mut! Es war der Mut im Vertrauen zum eigenen Handeln. Dieser Gedanke ließ sie durchatmen.

Und mehr und mehr nahm sie ihre Aufgabe und ihre Heimat wieder an.

Ihrem Vater ging es nach wie vor schlecht. Selten war er wirklich »anwesend«. Sie konnte ihn unmöglich allein lassen, zumal sie es ihrer Mutter auch versprochen hatte. Und so hatte sie einen Entschluss gefasst, den der Direktor des Kaufhauses vorausgesehen hatte.

An einem verregneten Morgen fuhr sie noch einmal zurück an ihre alte Wirkungsstätte, verabschiedete sich von ihrem Chef und ihren ehemaligen Kollegen und holte ihre persönlichen Sachen aus dem Appartement, das sie von einem älteren Ehepaar möbliert angemietet hatte. Auch dort gab man ihr tröstende Worte mit auf ihren schweren Weg.

Auf der Rückfahrt ließ sie sich Zeit. Sie musste nachdenken. Über die letzten drei Jahre. Was war geblieben? Neue Freunde hatte sie nicht gefunden. Hatte sie überhaupt danach gesucht? Sie schüttelte den Kopf.

Laura hatte andere Ziele gehabt, sie wollte sich beweisen, dass sie ihr Leben auch allein schaffen konnte, dass sie auf eigenen Füßen stehen konnte.

Und dieser Beweis war ihr gelungen.

Doch jetzt begann ein neuer Abschnitt in ihrem Leben. Und sie blickte mit Zuversicht und auch mit etwas Angst in diese Zukunft. Ihre Mutter hätte ihr gesagt, dass das normal sei, denn Angst gehört zum Leben, ... wenn man lebt, wenn man das Leben wagt.

*

»Ich habe mich entschieden ... ich bleibe. Und ich werde die Arbeit hier ... auf dem Gut ... im Sinne meiner Mutter fortführen«, verkündete Laura einige Tage später ihren Entschluss.

Martha freute sich darüber, hatte aber kaum etwas anderes erwartet. Doch sie sah auch die junge Frau, die sich hier nicht vergraben durfte.

»Ich freue mich, dass du bleibst. Aber du musst auch an dich denken, an deine eigene Zukunft, an dein ... Glück. Die Zeit der Trauer ... Ich bin mir sicher, deine Mutter wird dir immer fehlen, aber junge Frauen in deinem Alter sollten tanzen gehen und Freunde haben. Du weißt, wie ich das meine. Und glaube mir, deine Mutter würde mir recht geben. Und natürlich sollten dann auch ... Schmetterlinge im Bauch erwachen.« Martha lachte. Unsicher. »Ich weiß nicht, wie ich es anders sagen soll. Ich denke, du verstehst mich.«

Laura nickte und dachte an Hanno. Und sie spürte ... nichts! Keine Schmetterlinge.

»Ach, was soll es, Martha. Die wird es geben, irgendwann. Wenn der Richtige vor mir steht. Ich werde hier ganz sicher nicht versauern. Aber jetzt ... nein, das Gut geht vor«, machte sie sich Mut und lächelte Martha zuversichtlich an.

Martha strich ihr über den Arm.

»Da hast du sicherlich recht. Wenn sich erst einmal herumspricht, was für eine hübsche junge Frau hier zu haben ist, werden uns die Burschen die Bude einrennen. Ich werde den Besen schon mal bereitstellen.«

Beide lachten.

Kein Wort über Hanno. Natürlich nicht. Martha schien ihm nicht zu vertrauen. Doch sie sagte nichts, sie mischte sich da nicht ein.

Es gab anderen Herausforderungen und Aufgaben, bei denen der Wille allein nicht ausreichen würde. Und Martha wurde sehr ernst.

»Es ist schön, dass du bleibst. Schön für deinen Vater. Aber wie stellst du dir das mit dem Gut vor? In vielleicht drei Wochen beginnt die Erntezeit. Und weißt du, wann der Weizen so weit ist?«

»Nein, das weiß ich nicht, aber Hanno wird mir sicher bei all den Dingen unter die Arme greifen.«

»Das mag für den Augenblick genügen, aber wie stellst du dir das auf längere Sicht vor?«

»Wir werden sehen. Lass uns erst einmal mit Hannos Hilfe die diesjährige Ernte einfahren.«

»Wir könnten vom Landwirtschaftsverband Hilfe anfordern. Was hältst du davon?«

Laura überlegte kurz.

»Ich möchte keinen Fremden hier. Und schon gar nicht für kurze Zeit. Ich möchte Papa das nicht zumuten. Außerdem denke ich, wird Hanno mir wirklich behilflich sein.«

Zu gern würde sie Hanno vertrauen, wenn da nicht dieser Argwohn wär.

Martha sah sie gedankenversunken an und schien zu hoffen, dass sie recht behielt oder man bald eine wirkliche Lösung für all die Probleme finden würde, als ein Auto rasant vorfuhr.

»Da kommt Hanno.«

Lauras Augen begannen zu lächeln, auch, weil sie damit das Gespräch mit Martha beenden konnte. Blicklos verschwand die im Haus.

»Wie geht es dir heute?«, fragte Hanno, nachdem er aus seinem Wagen gesprungen war, ihr links und rechts einen Kuss auf die Wange gegeben hatte und sie nun mit einem einnehmenden Lächeln betrachtete.

Einen kurzen Moment glaubte Laura, etwas Abstoßendes in seinem männlich markanten Gesichtsausdruck zu sehen, etwas, das sie an früher erinnerte, etwas, das sie nie gemocht hatte.

Seine Unzuverlässigkeit? Seine Überheblichkeit?

Sie lachte über sich, innerlich. Du machst dir da etwas vor, sagte sie sich. Jetzt sei nicht undankbar.

»Mir geht es gut«, sagte sie, wobei ihr Blick auf seine Schuhe fiel. »Warum hast du denn Reitstiefel an?«

»Deine Mutter wollte doch zwei Stuten verkaufen, hast du mir vorgestern gesagt.«

Es stimmte, sie hatte mit ihm darüber gesprochen. Er hatte es nicht vergessen. Das gefiel Laura.

Und Hanno fuhr fort: »Sie hatte sich aber wohl noch nicht festgelegt. Oder hab ich da etwas falsch verstanden?«

Laura schüttelte den Kopf.

»Gut«, sagte er. »Und deshalb wollte ich einfach mal sehen, welche Stuten geeignet sind. Dazu müssten wir sie bewegen. Wollen wir ausreiten? Jetzt?«

Laura überlegte nicht lange. »Das ist eine gute Idee. Was hältst du davon, wenn wir mal wieder richtig durchs Gelände galoppieren?«

»Traust du dir das noch zu? Du hast doch sicher schon lange nicht mehr auf einem Pferd gesessen?«

»Da magst du recht haben, aber das Reiten verlernt man so wenig, wie das Laufen oder das Schwimmen. Komm, ich ziehe mich nur noch rasch um und dann lass uns losreiten.«

»Einverstanden.«

Laura lief beschwingt ins Gutshaus und ließ Hanno einen Moment allein zurück.

*

Hanno sah sich in aller Ruhe um und ihm war klar, dass er genau dieses Gut brauchte, um wieder auf die Beine zukommen. Seit der Beisetzung der Gräfin lief ja auch alles bestens. Laura und er waren sich wieder nähergekommen. Und was viel wichtiger war, Laura vertraute ihm wieder.

Gut, er bemühe sich sehr, aber gab es dafür hier nicht auch unglaublich viel zu gewinnen?

Ganz bestimmt.

Und das stand in keinem Verhältnis zu seinem Einsatz. Er würde diese Chance nutzen und sie sich durch niemanden kaputtmachen lassen. Durch niemanden.

*

»Welche Stuten nehmen wir? Oder hast du Angst?« Lauras Worte klangen übermütig, fast ein wenig überdreht.

Das erste Mal seit dem Tod der Mutter glänzten ihre Augen. Sie hatte die langen blonden Haare zu einem Zopf zusammengebunden, der schwingend jede Kopfbewegung dirigierte.

»Angst? Wovor?«, antwortete Hanno mit gleichem Übermut.

Sie nahmen zwei Stuten, von denen Hanno meinte, dass sie für den Verkauf geeignet seien, und ritten los. Endlich konnte Laura alles hinter sich lassen, die Anstrengungen der letzten Tage und Wochen, die Trauer um ihre Mutter und die Angst um ihren Vater. Sie genoss den Ritt durch die heimische Landschaft, hinweg über einen verspielten Hügel, durch einen dichten Laubwald, sie genoss den scharfen Galopp über eine duftende Wiese und den leichten Trab an einer neugesetzten Schonung vorbei.

Sie war nun wirklich wieder zu Hause.

Nachdem sie zurück waren, gingen sie ins Gutshaus und tranken gemeinsam Kaffee.

Hanno saß neben ihr und sah sie wohlgesinnt an.

»Hat Spaß gemacht. Gerade eben. Mit dir. War wie in alten Zeiten.«

Und er griff nach ihrer Hand. Laura war das augenblicklich unangenehm. Sie zog die Hand weg.

»Bitte, Hanno. Ich möchte das jetzt nicht.«

Obwohl ... Laura war hin- und hergerissen. Einerseits wollte sie seine Nähe, andererseits hatte sie nicht drei Jahre in der Fremde verbracht, um da weiter zu machen, wo sie miteinander aufgehört hatten. Vielleicht hatte er sich ja geändert, doch das wollte sie erst einmal in Ruhe selbst herausbekommen.

Hanno lächelte.

»Natürlich. Entschuldige bitte.«

»Schon gut. Es war wirklich schön. Der Ausritt mit dir. Aber bitte, gib mir etwas Zeit. Ich muss auch erst wieder richtig ankommen.«

Und sie erinnerte sich an das Gespräch mit Martha, über die Ernte und die weiteren Abläufe auf dem Gut. Sie wollte ihr beweisen, dass sie mit Hannos Einschätzung unrecht hatte.

Laura lächelte Hanno an. Sie wollte damit auch zeigen, dass sie seine Aufdringlichkeit schon wieder vergessen hatte.

»Würdest du mir eventuell einen wirklich großen Gefallen tun?«

Er schien zufrieden, dass er eben nichts zerrüttet hatte.

»Selbstverständlich. Wenn ich kann?«

»Könntest du morgen mit mir zu den Weizenfeldern reiten und mir sagen, wann geerntet werden kann?«

»Natürlich. Wann soll ich hier sein?«

»Wann kannst du denn?«

»Sagen wir um zehn. Also kurz nach dem du gefrühstückt hast«, neckte er Laura ein wenig.

»Wenn du nach dem Frühstück losreiten möchtest, kannst du meinetwegen auch schon um sieben Uhr kommen«, parierte Laura Hannos letzte Äußerung.

»Nein, nein. Du hast gewonnen. Aber sagen wir trotzdem um zehn Uhr.«

Sie besprachen noch einige Kleinigkeiten. Und schon bald verabschiedete sich Hanno und blieb dabei zurückhaltend.

Laura sah ihm einen Moment hinterher. Hatte er sich tatsächlich geändert? Konnte sie ihm wirklich vertrauen?

Der Ausritt war wohltuend gewesen. Sie hatte seine Nähe genossen, sie war sogar ein klein wenig glücklich gewesen, so glaubte sie. Doch dann diese unscheinbare Berührung, die sie nicht gemocht hatte. Auch erinnerte sie sich an dieses Abstoßende in seinem männlich markanten Gesichtsausdruck, als er sie begrüßt hatte.

Sie war ein wenig verwirrt. Auch ob der Frage: Konnte sie ihm wirklich vertrauen?

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9783753187204
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