promo_banner

Реклама

Читать книгу: «Dummes Mädchen, schlaues Mädchen - Ein Fall für Harald Steiner», страница 6

Шрифт:

„Das ist einleuchtend und verständlich,“ schaltete sich jetzt Monika ein. „Können Sie uns Angelas Umfeld in ihrer Kasseler Zeit etwas genauer schildern?“

„Gerne.“ Jahn schien wieder etwas aufzuleben. „Angela hat noch einen älteren Bruder und zwei ältere Schwestern…“ Die Geschwister verstanden sich prächtig untereinander. Ihr Bruder Simon (24) hatte sich ein Computerfachgeschäft in Solingen aufgebaut. Die Schwester Konstanze (27) arbeitete als Sachbearbeiterin im Warenversand eines in Kassel ansässigen Möbelhauses. Die Schwester Lilian (29) war Ärztin an einer Klinik in Fulda. Von den drei Geschwistern war lediglich die älteste Schwester verheiratet. Angela war eine gute Schülerin und auch, was Peter über die Bewertungen ihrer Lehrmeister wusste, eine gute Azubi und gute Gesellin gewesen. Sie hatte ihren Meisterbrief in Rekordzeit gemacht. Echte Freundinnen hatte sie nur wenige. Besonders in Erinnerung des Vaters war eine gewisse Vanessa Herold geblieben. Diese war mit Angela gemeinsam zur Schule gegangen, und sie besuchten auch gemeinsam die Berufsschule. Jungs spielten in Angelas Repertoire kaum eine Rolle, glaubte jedenfalls ihr Vater. Einerseits sei sie zu schüchtern, andererseits zu sehr mit dem Lernen beschäftigt gewesen. Der Vorfall mit dem Scherenangriff war ihm gänzlich unverständlich. Diese Jenny musste die Angela wohl bis zur Weißglut gereizt haben, dass es so weit kommen konnte. Überhaupt schien Jenny Mombach es auf sie abgesehen zu haben. Wo sie nur konnte, legte sie Angela Steine in den Weg. Das hatte schon in der Kindheit angefangen. Die beiden waren zusammen in denselben Schulen und später beim selben Meister. Es habe immer nur Zoff gegeben, der angeblich von Jenny ausging. Peter Jahn behauptete, sich für Jennys Verhalten gegenüber Angela keine Erklärung geben zu können.

„Sie sagten, die Mombachs wohnten bei Ihnen in der Nachbarschaft,“ hakte Harald aufgrund einer von Jahns gemachten Bemerkungen nach. „Demnach haben Sie selber die Familie Mombach sicherlich einigermaßen gekannt und vielleicht sogar Umgang mit diesen Leuten gehabt.“

Monika fügte hinzu: „Mir hatten Sie am Telefon gesagt, nicht zu wissen, wer das Gör ist, als ich Sie nach Jenny Mombach fragte.“

„Sicher kennen wir die Mombachs schon seit Jahrzehnten. Am Telefon hatte ich echt keine Lust, auf Ihre Frage einzugehen. Immerhin hatten Sie mir da gerade erst vom Tod meiner Tochter berichtet. Nun gut, also die Frau Mombach war sehr früh Witwe geworden. Ihr Mann hatte einen tödlichen Arbeitsunfall gehabt. Nur mit Müh und Not konnte die Sylvia ihr Haus abbezahlen und sich und ihre beiden Kinder über Wasser halten. Sie hat es aber anfangs aus eigener Kraft geschafft, dann heiratete sie ein zweites Mal. Ab da ging es der Familie wieder besser. Es hätte mich auch sehr gewundert, wenn Sylvia sich nicht wieder verheiratet hätte, bei ihrem Aussehen.“

„Und was treiben Sie beruflich?“ wollte Monika wissen.

„Ich bin Betriebsleiter in einem Werk für Kühltechnik. Unsere Spezialität ist das umweltfreundliche Umrüsten alter Kühlanlagen. Ich verdiene gut, mein Job ist nahezu krisensicher. Beim Umrüsten von Klimaanlagen ist unsere Firma sogar im ganzen Land Marktführer. Solche Anlagen umzubauen, ist oft preisgünstiger, als neue Anlagen einzubauen. Meine Frau war Zahnarzthelferin. Nach den Geburten der beiden ersten Mädels arbeitete sie nur noch halbtags, nach der von Simon entschied sie, Ganztagshausfrau zu werden. Wir konnten es uns damals dank meiner Beförderung zum stellvertretenden Betriebsleiter leisten.“

„Apropos leisten,“ zog Steiner einen weiteren Aspekt heran. „Wie sehen Ihre Vermögensverhältnisse aus und wie die Ihrer Kinder?“

„Meine Frau und ich besitzen ein nettes, freistehendes Häuschen am Rande der Stadt, das wir damals selbst gebaut haben. Es ist schuldenfrei. Wir haben auch sonst keinen Verbindlichkeiten nachzukommen. Mein Verdienst ist sehr überdurchschnittlich. Unsere Lebensversicherungen warten auf Abruf. Unsere Sparkonten sind gut belegt. Lilian und Konstanze haben auch keine Geldsorgen. Bei Simon wissen wir das nicht so genau. Er redet nie über den Stand seiner Geschäfte mit uns. Sollte er aber in finanziellen Schwierigkeiten stecken, hätte er bestimmt schon bei seinen Eltern angeklopft.“

Auf der Rückfahrt nach Köln rief Harald Ralf Frisch im Büro an und erkundigte sich über den neuesten Stand der Dinge. Frisch hatte inzwischen einiges herausgefunden, was aber noch nicht richtungweisend war. Dasselbe galt für Heinz Schmidt, die KTU und die Pathologie. Steiner trug ihm auf, die an den Ermittlungen Beteiligten für den nächsten Morgen gegen 9 Uhr in sein Büro zu zitieren.

4. Die Schlüsselfragen

Erster Samstag nach der Ermordung Angela Jahns

Kaum etwas ist so deprimierend, wie ein eigentlich freies Wochenende mit einer Arbeitssitzung anzufangen. Das galt für alle, außer für den Hauptkommissar selber. Steiner lebte für seine Arbeit, während für Frisch, Schmidt, Boomberg und Lambrecht ihre Arbeit nur ein Teil ihres Lebens war. Aber wenn Harald rief, hatten alle zu parieren. Allerdings fiel es allen leicht, seinem Ruf zu folgen, weil alle wussten, unter seiner Führung dienen zu müssen, bedeutete, sich selber zu fördern.

Monika brauchte an diesem Morgen nicht anwesend zu sein. Zum einen musste sie ihren mütterlichen Pflichten gerecht werden, zum anderen verfügte Harald über alle Komponenten ihres Wissens zu diesem Fall.

„Nun, meine Herren, was gibt es zu berichten, das ich nicht schon weiß? Fangen Sie bitte an, Lambrecht.“

Lambrecht, der in einem der vier Sessel in der Sitzecke von Haralds Büro Platz genommen hatte, räusperte sich, ehe er loslegte. „Zum Opfer Angela Jahn ist zu sagen, die Tatwaffe muss über eine zweischneidige Klinge verfügen. Die Länge dieser Stichwaffe beträgt mindestens 10 Zentimeter, kann also auch länger gewesen sein. Die Breite der Klinge beträgt 1,8 bis 2 Zentimeter an seiner breitesten Stelle. Es könnte sich demnach um ein altmodisches Bajonett gehandelt haben. Ein Schwert, so haben wir ja den Videoaufnahmen entnehmen können, war es bestimmt nicht. Frau Jahn hätte keine einzelne der drei Stichverletzungen überleben können, egal wie schnell ihr Hilfe zuteil geworden wäre. Die Zweischneidigkeit und die Breite der Klinge haben bei jedem Stich lebenswichtige Organe, insbesondere Arterien und Lunge, empfindlich beschädigt. Mit dieser Waffe brauchte der Täter kein Profi zu sein, um eine sichere Tötung des Opfers herbeizuführen, aber die Anordnung der drei Einstichkanäle lässt den Schluss zu, dass er, von der technischen Warte aus gesehen, genau wusste, was er tat. Undeutlicher ist der Befund beim zweiten Opfer, dem vermeintlichen Herrn Tarek Khan. Der wurde mit einem einzigen Hieb gegen die rechte Schläfe getötet. Auch dieser Vorgang hätte nicht anders als mit dem Tod enden können. Der zertrümmerte rechte Schädelteil des Opfers lässt nur den Schluss zu, dass die Wucht des Schlags enorm war und die Tatwaffe länglich, hart und stumpf geartet sein muss. In Frage käme von einem etwa 20 mm dicken Armierungsstab bis zu einem 10 Zentimeter dicken Stahlrohr so ziemlich alles, was aus hartem Metall ist und an der Schlagfläche nicht kantig ist. Der Todeszeitpunkt liegt, wie Sie bereits wissen, zwischen 0 und 1 Uhr des letzten Donnerstags. Und, Herr Boomberg, ich will Ihnen nicht die Schau stehlen, die getrocknete Blutlache, die Ihre Leute im Hinterhof fanden, stammt vom Blut des Opfers.“

„Tja, Boomberg“ gluckste Harald, „so sieht das aus, wenn unser lieber Herr Doktor Ihnen angeblich nicht die Schau stehlen will. Aber was haben Sie eventuell noch beizutragen?“

Boombergs immer ernste Miene blieb unverändert ernst. „In keinem der beiden Mordfälle haben wir bislang eine Waffe vorliegen, die wir auf Spuren untersuchen können. Im Fall Jahn gibt es nicht ein einziges Relikt, das uns Hinweise auf den Täter gibt, auch wenn wir inzwischen wissen, dass es Khan war. Im Fall Khan sieht es nicht wesentlich besser aus. Die getrocknete Blutstelle in einer der Ecken des Hofes, die dem Opfer zuzuschreiben ist, dürfte wohl exakt die Stelle sein, auf der der Kopf des Opfers nach dem Schlag beim Zubodengehen zunächst positioniert war. Das muss aber nicht bedeuten, dass Khan beim Hieb gegen seinen Kopf in unmittelbarer Nähe gerade dieser Stelle gestanden haben muss. Wir wissen, nach Schlägen dieser Art, auch wenn sie umgehend tödlich sind, taumelt das Opfer manchmal noch einige Meter, ganz ähnlich, wie Hühner, denen man den Kopf nach althergebrachter Manier abschlägt, noch kopflos zu laufen anfangen, obwohl sie bereits tot sind. Bei Menschen sind die Nervenreflexe nicht ganz so ausgeprägt, also dürfen wir annehmen, Khan, oder wie der Mensch denn auch geheißen haben mag, kann im Umkreis von bestenfalls drei Metern Entfernung dieser Blutlache umgehauen worden sein. Insofern die Einschränkung des exakten Tatplatzes. Nun stellte sich uns die Frage, wie er vom Lageplatz seines am Boden liegenden Körpers bis in den Container verbracht worden ist. Offenbar hat man sich mit dieser Operation Zeit gelassen oder ist äußerst umsichtig vorgegangen. Zwischen den beiden Stellen haben wir keine Blutpartikel finden können, was eigentlich der Fall hätte sein müssen. Wir wissen aber, der Deckel des Containers, in den man das Opfer verstaut hat, ist eigentlich konstant mit einer Kette und einem Vorhängeschloss versehen. Der Restaurantbetreiber hat diese Maßnahme wohlweislich ergriffen, damit es keinen anderen Leuten möglich ist, ihren Müll darin zu deponieren. Herr Han Lie, der Entdecker der Leiche, beteuert, am Morgen den Schlüssel zum Vorhängeschloss benötigt zu haben, um den Container öffnen zu können. Der Restaurantbesitzer bestätigte, er habe am Mittwochmorgen als Letzter Abfalltüten zum Container getragen und nach dem Deponieren dieser in das Behältnis wie immer die Kette ordentlich mit dem Schloss zugemacht. Mit anderen Worten, zwischen Mittwochabend und Freitagmorgen dürfte niemand der Restaurantangestellten einen Grund gehabt haben, das Schloss des Containers in Angriff zu nehmen. Wir untersuchten dieses Vorhängeschloss, konnten aber nicht die geringste Spur einer Fremdeinwirkung feststellen. Will sagen, der, der den Toten da hineingeworfen hat, hatte einen Schlüssel. Noch etwas dürfte für Sie interessant sein, Steiner. Die Leiche hat man bis zum Container getragen oder zum Beispiel auf einer Schubkarre gefahren. Wir haben seine Schuhe und seine Kleidung untersucht, wir haben die Pflastersteine des Hofes untersucht. Hätte man ihn bis zum Container geschleift, hätten wir unweigerlich an Schuhsohlen und Kleidung Khans Partikel von dem Pflastersteinbelag entdecken müssen.“

„Er ist also getragen worden. Eine Schubkarre stand ja nirgends herum,“ schlussfolgerte Steiner. In Boombergs Augen war eine Unterbrechung seiner Darlegungen dieser Art so etwas wie ein Sakrileg. Dementsprechend verärgert sah er Harald an, fasste sich aber wieder.

„Ja, er wurde getragen. Der Mann ist für seine Größe nicht besonders schwer, - nur 64 Kilo bei 1,78 Länge -, aber 64 Kilo etwa 23 Meter ohne abzusetzen in einem Stück zu tragen, erfordert schon Kraft.“

„Woher wollen Sie wissen, dass er auf dem Weg nicht abgesetzt worden ist?“ staunte der Hauptkommissar.

„Setzt man einen Körper egal welcher Art ab, kommt es zu einem ganz anderen Abrieb, als wenn man nur gemächlich über diese Stelle spaziert. Wir haben exakt diese 23 Meter in einer Breite von 3 Metern genauesten untersucht. Das war kein Zuckerschlecken, versichere ich Ihnen, denn auf diesem Boden sind hunderte Abriebspuren zu finden, aber nichts, was mit Khan und seinen Klamotten zu tun hat. Also hat eine einzelne starke Person ihn zum Container getragen, oder es waren zwei Personen.“

Steiners Blick schweifte von Boomberg zu Heinz Schmidt der genau wie Lambrecht in einem der Sessel der Sitzecke Platz gefunden hatte. „Heinz, was sagt die Nachbarschaft aus?“

„Nichts Gescheites. Jedenfalls nichts direkt Brauchbares. Wer da nach Mitternacht in den Hof will, braucht entweder einen Schlüssel einer der Türen oder Tore, oder er muss ein Kletterkünstler sein oder fliegen können. Irgendwelche manipulierten Schlösser sind nicht entdeckt worden. Nicht wahr, Herr Boomberg?“

Boomberg bestätigte: „Alle Schlösser zum Hinterhof waren clean. Da waren nicht einmal Hinterlassenschaften früherer Einbrüche oder Einbruchversuche zu entdecken. Aber wer will schon in einen Innenhof einbrechen, dessen wertvollsten Requisiten stinkende Abfalleimer sind?“

„Was ist mit Fenstern, die auf den Hof führen?“ interessierte es Steiner.

Darauf Schmidt: „Gehören allesamt zu Geschäften oder bewohnten Einheiten, in denen ebenfalls nicht eingebrochen wurde. Um mal gleich etwas vorwegzunehmen, alle Personen aus den umliegenden Wohnungen und alle Eigentümer und Angestellten der angrenzenden Läden leugnen, das Opfer aus dem Container, Angela Jahn oder Heiko Nille zu kennen. Es kann auch als ausgeschlossen gelten, dass dieser Tarek Khan eine leerstehende Wohnung angemietet oder auch nur benutzt hat. Es stehen nie Wohnungen leer. Nach meiner Meinung hat uns einer aus den Hütten rund um diesen Hof gehörig angeschwindelt.“

„Das mag sein,“ stimmte Steiner halbherzig zu. „Aber es gibt ja gewiss noch andere Methoden, in den Hof zu kommen. Bestimmt verfügen einige Türen der Häuser zu den Straßenseiten hin über Schnappschlösser. Ist man einmal im Haus, bedarf es nur noch ausreichender Geduld und eines guten Verstecks. So kann man eine später kommende Person ebenfalls hereinlassen und mit dieser auf den Hof gehen, falls denn der Schlüssel zur Hoftür steckt. Der oder die Mörder gehen dann nach getaner Arbeit den Weg durch das Parterre zurück, schließen die Hoftür wieder ordentlich ab, damit wir später auch genug Denkarbeit haben, und die Haustür fällt ganz von allein ins Schloss, sobald er oder sie auf der Straße sind. Das wäre eine Variante. Die nächste Variante ist, von allen Türen gibt es initial immer mehrere Schlüssel. Solche Zweit- oder Drittexemplare bewahren zumeist die Hauseigner und/oder die Hausmeister auf. Bei Mehrfamilienhäuser besitzen natürlich auch alle Bewohner einen Schlüssel zum Haupteingang. Ehemalige Mieter vergessen manchmal, ihre Schlüssel beim Auszug abzugeben, oder sie verfügen noch über Duplikate, die sie einmal im Laufe der Zeit selber haben anfertigen lassen. Bei alten Häusern wie diesen kann die Anzahl der Hauptschlüssel im Laufe der Jahre immer größer werden. Bei Baumaßnahmen ist es keine Seltenheit den ausführenden Unternehmen Schlüssel für die Dauer der Arbeiten zu überlassen. Schmidt, auch wenn es das Rühren in der Jauchegrube ist, probier das bitte zu erkunden.“

Heinz seufzte demonstrativ laut. „Danke für das in mich gesetzte Vertrauen.“

„Wie weit sind wir bei der Identifizierung unseres Herrn Khan?“ Steiners Frage reichtete sich direkt an Ralf Frisch.

„Die Anzahl Leute, die Angela Jahns Mörder anhand der Veröffentlichungen wiedererkannt haben wollen, ist enorm groß. Heute Morgen ist in der Presse die konkretere Einengung auf unseren Tarek Khan erschienen. Was das bisher ergeben hat, weiß ich noch nicht. Interessanter ist das Flugticket des Opfers. Demnach dürfte er beabsichtigt haben, gestern in der Früh von Frankfurt/Main aus nach Pakistan abzudüsen. Eine Rückfrage an das LKA ergab, pakistanische Pässe und Visa sind kinderleicht zu fälschen. Mit anderen Worten, Tarek Khan braucht nicht unbedingt Tarek Khan geheißen haben. Es ist demnach auch nicht zwingend, dass er als Tarek Khan nach Deutschland eingereist ist. Er kann auch schon seit Jahren hier unter einem anderen Namen gewohnt haben. Seine äußerlichen Merkmale deuten jedoch klar auf eine Herkunft aus dem Raum Pakistan hin.“

Lambrecht schloss sich seinem Vorredner an. „Das Opfer Tarek Khan ist mit Sicherheit jemand gewesen, der kein Alkohol trank und kein Schweinefleisch aß. In der Tat entspricht sein Äußeres einer pakistanischen Herkunft.“

Hauptkommissar Steiner kam zu einem ersten Fazit. „Unser Tarek Khan, der vielleicht gar nicht Tarek Khan heißt, bringt am Mittwoch gegen 18 Uhr in der Kölner Innenstadt Angela Jahn mit einem zweischneidigen Dolch um. Er flüchtet zunächst zu Fuß. Sechs Stunden später taucht er im Stadtteil Nippes wieder auf, wo er auf den bewussten Hinterhof gelangt, an dem auch die Rückseite des Restaurants Formosa grenzt. Dort wird er erschlagen und in dem Container des Formosa deponiert. Offensichtlich hat man ihm die Brieftasche samt allen Papieren entnommen. Warum dann eigentlich nicht auch das Flugbillet?“

Boomberg wusste Rat darauf. „Die Papiere und die Brieftasche könnten in seiner Jacke gesteckt haben. Dabei könnte der Täter das Flugticket in seiner Gesäßtasche übersehen haben.“

„Ja, das dürfte so gewesen sein,“ räumte Harald ein. „Aber wieso trafen Mörder und Opfer ausgerechnet auf diesem Hof zu dieser Zeit aufeinander?“

Heinz glaubte die Eingebung zu haben. „Wir haben ja in Erwägung gezogen, dass der Mörder der Jahn im Auftrag eines Dritten gehandelt hat. Dieser Auftraggeber wird sich davor gehütet haben, sich zur Tatzeit in der Nähe des Tatorts aufzuhalten. Vielleicht brauchte er ja ein Alibi für exakt diese Zeit. Nun musste er Khan ja auch noch das Geld oder restliche Geld für seinen Auftrag geben. Doch vorher musste er sicher wissen, dass Angela Jahn auch wirklich tot war. Also wartete er die ersten Nachrichten im lokalen Radio ab. Deshalb hatte er auch diesen recht späten Zeitpunkt für die Geldübergabe mit Khan vereinbart. Den Ort wählte er bewusst in jenem Hof, weil er sich sicher war, dort nicht bei der Übergabe des Geldes beobachtet zu werden. So wird er es auch Khan vermittelt haben. Natürlich war diese Stelle auch ideal, den Mord an Khan zu verüben. Damit die Identität Khans uns nicht oder möglichst spät bekannt werden würde, nahm er nach der Tat dessen Brieftasche und Papiere an sich.“

„Sehr gut, Heinz,“ lobte Harald seinen Assistenten. „So sehe ich das nach Lage der Dinge ebenfalls. Dabei übersah Khans Häscher dessen Flugschein, oder er wusste gar nicht, dass der sich mit dem Geld am nächsten Tag hatte absetzen wollen. Im letzten Fall suchte er natürlich auch nicht erst danach. Mit Sicherheit war es der Mörder Khans, der diesen Treffpunkt auserkoren hat, denn woher und wofür sollte der Pakistani denn den Schlüssel zum Müllcontainer des Formosa gehabt haben? Und noch eine Frage drängt sich uns auf. Wieso hat der Mörder Khans Leiche überhaupt noch umständlich in einen Container verstaut? Das kann doch nur mit seinen Kenntnissen um die Gepflogenheiten des chinesischen Restaurants zu tun haben, donnerstags nicht geöffnet zu haben und den Müll des Mittwochs erst am Freitagmorgen zum Container zu bringen. Könnte die genaue Feststellung des Todeszeitpunktes für ihn eine Rolle gespielt haben, Lambrecht?“

Der Pathologe steuerte seine kompetente Ansicht hierzu bei. „Wäre der Tote 24 Stunden früher gefunden worden, hätte das nichts an unserer Feststellung des Todeszeitpunktes geändert. Erst nach 48 Stunden hätten wir nur noch auf sechs Stunden genau bestimmen können, wann der Mann verstorben ist.“

„War Khan denn wirklich auf Anhieb tot?“ erkundigte sich Boomberg.

„Absolut!“ war sich Lambrecht seiner Sache sicher.

Steiner zog die Diskussionsleitung wieder an sich. „Weiter im Text. Die Unbekannten, die sich uns stellen, sind die Methoden, mit denen Khans Mörder in den Hof gelangt ist und mit denen er den Container hatte auf- und wieder abschließen können, sowie die Frage, weshalb er wollte, dass die Leiche erst einen Tag später aufgefunden werden sollte. Sind Sie sich absolut sicher, dass der Täter nicht ohne passenden Schlüssel am Container herumhantiert hat, Boomberg?“

Boomberg warf Lambrecht einen schelmischen Blick zu. „Diesmal bin ich es, der hier absolut sagen kann.“

„Somit können wir ebenso absolut ausschließen, dass es das Opfer war, das diesen Treffpunkt bestimmt hat. Der Täter hat diesen Ort gewählt, weil er sich hier bestens auskannte, und er hatte irgendwie Zugang zum Schlüssel des Containers gehabt. Meine Herren, den Zugang zu diesem Schlüssel kann man doch nach allen Regeln der Wahrscheinlichkeitslehre nur im Formosa oder über Personal des Formosas erhalten. Das hieße, erklärte Steiner, ...“

Ralf Frisch glaubte bei seinem Chef punkten zu können, indem er selbst die Antwort vorwegnahm. „Es hat mit dem Inhaber oder den Angestellten des Formosa zu tun.“

Wenn Blicke töten könnten, hätten die Steiners in diesem Augenblick Frisch pulverisiert. Trotzdem reagierte der Hauptkommissar betont moderat. „Ja, das wäre eine der Möglichkeiten. Heinz, hast du hinterfragt, wo der Schlüssel für den Container normalerweise aufbewahrt wird?“

Schmidt, leicht von Schadenfreude beflügelt, weil sein Kollege Frisch einen unausgesprochenen Dämpfer vom Boss erhalten hatte, erklärte stolz: „Gleich hinter dem Tresen im Lokal ist ein Schlüsselbrett angebracht, an dem alle Schlüssel hängen. Für den Platz eines jeden Schlüssels gibt es einen dazugehörigen Vermerk in irgendwelchen chinesischen Lettern und in Deutsch. Das Wort ‚Container’ ist auch dort zu finden.“

„Gut, meine Herren, dann haben wir also das Gebäude lokalisiert, durch das Khan und sein Mörder zum Hinterhof gegangen sein müssen. Bliebe noch zu erkunden, ob sich Inhaber und Personal abends beim Abschließen die Mühe gemacht haben, die Vordertür doppelt abzuschließen.“

Wieder wusste es Schmidt genau. „Diese Türe wird abends ausschließlich vom Inhaber selbst oder von seinem Sohn abgeschlossen. Beide haben beteuert, den Schlüssel immer zweimal im Schloss zu drehen, und zwar weil bei einem Einbruch die Versicherung nicht oder nur partiell aufkommt, wenn das Schloss nur einmal eingerastet ist. Han Lie, der Entdecker der Leiche und Neffe des Inhabers, hat bestätigt, beim morgendlichen Öffnen der Tür den Schlüssel zweimal gedreht zu haben.“

Harald gab mal wieder eine seiner eigentümlichen Bewertungen zu den Themen Versicherungen und gewissen Ausländern von sich. „Dass sich diese Strauchdiebe von den Versicherungen im Prellen ihrer Klientel auskennen und dafür auch noch die Rückendeckung vom Gesetzgeber und der Justiz erhalten, ist klar. Für jeden logisch denkenden Menschen wäre auch schon das Aufbrechen einer einfach verriegelten Tür ein Einbruchsdelikt. Für die Versicherungen und ihre Stiefellecker in der Politik und bei der Juristerei reicht schon das Fehlen eines halben Westwalls aus, um dem Geschädigten die Entschädigung vorzuenthalten. Wie ich diese chinesischen Kleinkrämer kenne, befolgen sie tatsächlich alle Vorgaben, die ihnen diese Banditen machen. Oder liegen irgendwelche nachteiligen Berichte zum Formosa vor?“

„Nein, keine,“ antwortete Ralf.

„Das führt uns wieder zu der Frage, wie der Täter ins Formosa reingekommen ist. Kann er noch drinnen gewesen sein, als es abgeschlossen wurde?“

Erneut fühlte sich Heinz angesprochen. „Am Mittwoch haben nur sehr wenige Gäste das Restaurant besucht. Die haben sich alle brav benommen, artig ihre Tellerchen geleert und ihre Rechnungen bezahlt und sind allesamt wieder durch die Eingangstür nach draußen gegangen.“

„Wunderbar,“ frohlockte Steiner. „Wir kennen jetzt also den Transitweg von der Straße in den Hof, und wir haben zumindest einen Ansatzpunkt, diejenigen einzukreisen, die Zugriff auf einen Schlüssel des Haupteingangs hatten. Das sind dann natürlich der Inhaber und das Personal, der Eigentümer des Gebäudes und… Ja, wer denn noch, Schmidt?“

Heinz zuckte mit den Achseln. „Soweit bin ich noch nicht mit meinen Investigationen gekommen. Aber wie du schon sagtest,“- Steiners Assistenten duzten oder siezten ihren Chef je nach dessen Laune -, „man müsste es durch Einkreisung der in Frage Kommenden herausbekommen können. Ich glaube aber, das befreit mich von der Bürde, in der Jauchegrube rühren zu müssen, oder?“

„Nicht ganz so voreilig, Heinz. Aber wir können vorerst die historischen Recherchen nach anderen Schlüsseln als denen, die zum Restaurant gehören auf Seite schieben.“ Der Hauptkommissar wandte sich nun wieder dem Mordfall Jahn zu. Er fasste zusammen, was er und Monika bislang unternommen hatten und was dabei herausgekommen war. „Für uns stellen sich Fragen über Fragen, insbesondere was das Motiv angeht. Die Beseitigung Angela Jahns muss jemandem so sehr am Herzen gelegen haben, dass er oder sie einen Auftragskiller, vielleicht auch nur einen Gelegenheitskiller, herangezogen hat. Was wir über Angela bislang wissen, rechtfertigt einen solchen Mord nicht. Das Mädchen soll schlau, fleißig und zurückhaltend gewesen sein. Sie war in ihrem Beruf erfolgreich, und bei der Wahl ihres Lebenspartners hatte sie enormes Glück, jedenfalls aus materieller Sicht. Monika und ich haben gestern Abend mehrere mögliche Motive für diese Tat näher besprochen. Da gibt es diese Jenny Mombach, die Angela seit ihrer Kindheit bestens kennt, die ihr immer wieder das Leben sauer gemacht hat. Wir blicken nicht ganz durch, worauf dieses seltsame Verhalten der Mombach fußt. Ich habe sie gestern in Bonn aufgesucht. Nach einer genaueren Befühlung ihres Gebisses kam ich zur Erkenntnis, dass ihre Ranküne gegen Angela bis zu deren Tod fortbestanden hat. Sie hat nach intensiver Befragung zugegeben, nicht rein zufällig von Kassel nach Bonn umgezogen zu sein. Unter dem Strich scheint ihr Lebensinhalt darin gegipfelt zu haben, der Jahn eins auszuwischen. Eigentlich ist Jenny ein Fall für die Psychiatrie. Trotzdem bezweifele ich, dass sie den Mord hat ausführen lassen. Sie sagte nämlich etwas aus, was mir zu denken gab. Sie stellte Angela hier in Köln nach, stellte fest, dass Angela sich selbständig machen wollte, und kolportierte das ihrem jetzigen Boss. Das zweite Argument, das sie für an der Tat unbeteiligt erachten lässt, ist der Umstand, dass sie gar nicht das Geld aufbringen kann, ihre vermeintliche Lebensrivalin umbringen zu lassen. Jenny ist eine Stalkerin oder eine Mobberin, sonst nichts. Nun hatte ich auch das Vergnügen gehabt, mit Maître André, Angelas Arbeitgeber, zu sprechen. Der tat so, als fiele er aus allen Wolken, als ich ihm offenbarte, Angela habe beabsichtigt, in derselben Straße, in der er seinen Salon hat, im März einen eigenen Salon zu eröffnen. Das erscheint mir doch sehr verwunderlich, zumal Jenny ihm das doch schon gesteckt haben will. Bei Andreas Zeisler brauchen wir uns nicht die Frage zu stellen, ob er einen Killer bezahlen kann, sondern die, ob er sich so weit hinablassen würde. Ich meine, jeden Tag kommt hier in Köln jemand auf den Gedanken, einen Haarschneideladen aufzumachen. Ich habe noch nie davon gehört, das habe zu Mord und Todschlag geführt. Demgegenüber steht natürlich die Tatsache, dass sich Angelas Objekt ganz in der Nähe des Ladens Zeislers befand und Angela scheinbar nicht nur eine besonders gute Frisöse, sondern zudem geschäftstüchtig war. So geschäftstüchtig, dass die Zeislers ihr während ihrer Abwesenheiten sogar die Leitung ihres Salons übertrugen. Die Jahn könnte bereits versucht haben, Personal und Kunden Maître Andrés abzuwerben. Aber hätte ihn das dermaßen erschüttern können, zum letzten Mittel zu greifen? Ich halte das für weit hergeholt. Gestern hatten Monika und ich in Bonn eine interessante Unterredung mit Peter Jahn, dem Vater Angelas. Der gute Mann ist über den Tod seiner Tochter verständlicherweise ziemlich von der Rolle. Was ich an diesem Gespräch markant fand, waren zwei verschiedene Aspekte. Jenny Mombach hatte seit ihrer Kindheit in der Nachbarschaft der Jahns gewohnt. Ihr Vater war früh gestorben. Ihre Mutter hat sich später wiederverheiratet. Insgesamt soll es den Mombachs eine ganze Zeit lang finanziell nicht besonders gut gegangen sein. Peter Jahn machte eine Bemerkung, die mir nicht aus dem Kopf gehen will. Es hätte ihn gewundert, wenn die Sylvia Mombach sich bei ihrem Aussehen nicht wiederverheiratet hätte. Der zweite Aspekt betrifft meine Erkundigungen nach dem Vermögensbestand der Jahns. Peter Jahn verdient gutes Geld, hat auch keine Schulden, besitzt ein prächtiges Häuschen und verfügt über ein dickes Sparkonto. Wie dick, habe ich mir erst einmal nicht ihn zu fragen getraut. Allerdings hört sich das nach gehobener Mittelklasse an. Er hat …, nein, hatte vier Kinder. Zwei ältere Schwestern der Angela gehen ziemlich bürgerlich durchs Leben. Der Sohn Simon betreibt einen Computerladen in Solingen, von dem nicht einmal der Vater weiß, ob der vegetiert oder floriert. Inwiefern diese beiden Aspekte eine Rolle spielen, vermag ich jetzt noch nicht zu sagen. Halten wir nur fest, Jennys Mutter ging es geldlich schlecht, und sie ist eine hübsche Frau, bei den Jahns in Kassel ist was zu erben, und Simon Jahn könnte es genau darum gehen.“

„Ja, ja, Steiner, wenn ich nicht wüsste, dass bei Ihnen zu Recht manchmal Alarmglocken bimmeln, die anderswo noch nicht Gehör finden, würde ich jetzt aufstehen und mein verdientes Wochenende antreten,“ motzte Boomberg.

„Ich werde Sie nicht zurückhalten, wenn Sie in Kauf nehmen, die Hälfte zu verpassen,“ stichelte Steiner.

„Die Hälfte?“ grummelte Boomberg nervös. „Was kommt denn noch?“

Das war für den eigensinnigen Kommissar der Anlass, sich selber noch etwas theatralischer in Szene zu setzen. Er zog eine Schublade seines Schreibtisches auf und entnahm ihr eine gestopfte Pfeife, die er sich nun genüsslich anzündete. Er wusste, wie sehr er damit die Spannung der anderen auf die Spitze trieb. Vor allem wusste er, wie sehr er hierdurch seine Autorität unterstrich. Denn Rauchen war auch Hauptkommissaren in ihren Diensträumen offiziell nicht gestattet. Aber wer hätte es gewagt, diesem Unikum das zu verbieten? Als endlich die Pfeife den richtigen Durchzug hatte und sein Besitzer zweimal kräftig an ihr gezogen hatte, sagte Harald: „Mein erster und heißester Kandidat ist Heiko Nille. Nein, nicht dass ich ihn für Angelas Mörder oder dessen Auftraggeber halte. Ich vermute zwischen Nilles Geschäften und den beiden Morden einen Zusammenhang. Seine Transaktionen könnten der Grund für eine Erpressung Nilles sein. Vielleicht war die Ermordung der Jahn nur die Untermauerung der Forderungen der Erpresser und der Mord an Khan ein Abfallprodukt dessen. Gestern kam mir Nilles Reaktion auf meine Frage, ob er erpresst werde, reichlich bekennend vor. Er wird tatsächlich ausgenommen, und zwar von seiner Ex Helga Bode. Mit der hatte ich auch schon gesprochen, und die hatte das auch schnell zugegeben. Nach dem ersten Schock schlug Nille dann in dieselbe Kerbe. Es sei die Bode, die ihn quasi ein wenig ausnimmt. Das Objekt der privaten Chantage, so sagten beide unabhängig voneinander aus, sei von derart geringfügigem Gehalt, dass man deswegen bestimmt keinen Mord begehen würde. Nach Nilles erster Reaktion zu beurteilen, gibt es aber eine Erpressung, die man nicht als geringfügig bezeichnen kann. Ich müsste mich da schwer irren, wenn es anders wäre. Irgendwie ist Nille Dreh- und Angelpunkt in unserer Geschichte. Übrigens, Ralf, hast du bereits Angela Jahns Rechner durchforstet?“

Бесплатный фрагмент закончился.

379,79 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
470 стр. 1 иллюстрация
ISBN:
9783844262780
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают

Эксклюзив
Черновик
4,7
225
Хит продаж
Черновик
4,9
529