Читать книгу: «Die rote Köchin», страница 2

Шрифт:

Forellenfilets à la Braunberger

Versammlung in den Räumen des Gymnasiums, in der Nähe der Kunstschule. Im Publikum ein paar örtliche Amtspersonen, viele Politiker, darunter einige Abgeordnete, hohe Offiziere in Uniform und einige mittelständische Industrielle, die sich für die neuen Unterrichtsmethoden interessierten. Der Saal: hell erleuchtet, aber kalt. Boden und Bänke waren feucht. Der »Chef«, wie Gropius allgemein genannt wurde, wie immer höchst elegant gekleidet. Das kommt von Alma Mahler, flüstert Martin. Hans war schon früher gekommen. Er sagte: Schaut euch mal aufmerksam um – das ist hier keine Schulversammlung, sondern die Parodie eines politischen Kongresses. Jede Partei blieb für sich, insbesondere die Studenten. Sogar die Schüler von Johannes Itten waren da, die »Jünger Arcadiens«, die mit ihm aus Wien gekommen waren. Ihr Heiliger saß in ihrer Mitte, rasierter Schädel, Stahlbrille, Hemd mit koreanischem Stehkragen, vergeistigter denn je. Die »Nostalgiker«, wie Ewa sie nannte, hatten sich um das Rednerpult geschart, zusammen mit den »Träumern« – auch dies eine Ewa-Definition für die Schüler, die hofften, die Welt neu zu gründen, indem sie bei der Form eines Teelöffels ansetzten.

Der Chef war gerade damit fertig geworden, die Figur des »Künstler-Handwerkers« zu lobpreisen, und Itten spreizte sich schon wie ein Pfau, reckte das Kinn, als hätte er gerade eine Investitur erlebt. Neben Gropius Ernst Hardt, Generalintendant des Weimarer Theaters, er lächelte befriedigt und nickte mit dem Kopf. Du wirst sehen, sagte Hans, gleich wird er mit dem Gesamtkunstwerk loslegen. Woher willst Du das wissen? Weil er ohne Maske sprechen muss – weißt Du nicht, Oscar Wilde? »Der Mensch ist am wenigsten er selbst, wenn er für sich selbst spricht. Gib ihm eine Maske und er wird dir die Wahrheit sagen.« Deswegen ist hier alles vorhersehbar. Dann gingen wir.

Wir sind keine Partei, Hannah, wir sind die Bösen, murmelte Hans mit einem schiefen Lächeln auf den Lippen, vergiss das nie. Man muss dem Gegner auf den Fersen bleiben. Als ich ein Mädchen war, hatte ich geglaubt, dass die richtigen Antworten die Welt verändern könnten. Jetzt bin ich schon mit ein paar Brotkrumen der Wahrheit zufrieden. Ich dachte an meinen Vater, der immer behauptet hatte, der politische Attentäter sei das gefährlichste Tier der Herde, weil ihm ein uneinnehmbarer Zufluchtsort in seinen Überzeugungen eigen ist – oder, wenn man so will, in seiner Psychopathologie. Seine Stimme erklang ganz klar in meinem Inneren, aber ich konnte mich nicht an den Gesichtsausdruck, den er dabei hatte, erinnern: War er verurteilend oder nüchtern-feststellend gewesen? Das Ziel lag vor uns, zur Linken. Und wie immer in solchen Situationen, in denen der Instinkt regiert, überkam mich eine Angst, die dann aber sofort verdrängt wurde von etwas anziehendem und abstoßendem zugleich: der Jagdlust.

Vier Forellenfilets enthäuten und parieren. In einer tiefen Pfanne das Weiße von ein paar Lauchstangen (als Julienne geschnitten) mit 50 g Butter andünsten, dazu klein gezupften Estragon geben. Darauf die Forellenfilets anrichten und drei Gläser Moselweißwein beifügen. Langsam erhitzen und drei bis vier Minuten kochen lassen, dann die Filets herausnehmen und warmstellen. Den Fond in der Pfanne mit einem Glas Sahne lösen, durchs Spitzsieb geben, dazu eine Nuss Butter, Salz, weißen Pfeffer und etwas Thymian. Filets auf einem vorgewärmten Teller anrichten, mit der Sauce beträufeln, dazu Pellkartoffeln und im Ofen geschmorte Tomaten reichen. Mit Minzblättern garnieren.

Terrine von Hering und Hecht

Ich suchte Hans in der »Wolfsschanze«, wie er seine Bude nennt, auf. Über die Unordnung, die dort herrschte, gerieten wir uns dauernd in die Haare. Aber dank seiner Rabulistik behielt er immer die Oberhand. Du weißt doch, Hannah: Die Idee der Ordnung an sich ist immer etwas arisches, etwas religiöses gewesen. Vom Standpunkt der Ordnung her ist schon die Dialektik eine jüdische Idee, ausschließlich dazu gemacht, den edlen deutschen Geist zu verwirren.

Ich sah mich um. Ein Exemplar von »Der Geheimagent« von Joseph Conrad lag achtlos aufgeschlagen mit dem Rücken nach oben auf dem Fußboden neben dem Bett. Aus dem Chaos stachen Zeichenpapier-Rollen und Farbtöpfchen hervor. Das Evidente verbirgt sich im Offensichtlichen – den Spruch liebte Hans. Einige Töpfchen waren geöffnet, andere geschlossen, viele hatten kein Etikett. Koch zu sein, ist eine Berufung, sagte er und sah grinsend zum Fenster hinaus. Auf der Kommode lag eine vollgekritzelte Speisekarte aus dem Romanischen Café in Berlin und ein zerknittertes Programm des Staatlichen Bauhauses in Weimar mit Feiningers Kathedrale auf dem Deckblatt. Darauf ein Galvanometer als Briefbeschwerer.

Ich kannte seine »Farcen« sehr gut: Natriumchlorat, Zucker, Ammoniumnitrat, Kaliumchlorat, Pikrinsäure, Aluminiumpulver, Silberfulminat, Vaseline, Kieselgur – all das bildete auf dem Tisch und in den Schrankfächern mit Ölfarben und Pigmenten ein wildes Durcheinander.

Das Evidente verbirgt sich im Offensichtlichen. Das erste Mal, als ich ihn eine Bombe basteln sah, meinte er besorgt, darin sei er ja ganz gut, aber schau mal, Hannah: Die Herren in Wien, die sich mit der Seele beschäftigen, sagen, dass diese Fähigkeit auf gewisse Perversionen verweist, die nur noch nicht zum Ausbruch gekommen sind: Pyromanie, Schlafwandeln, Tierquälerei. Man sagt zum Beispiel auch – während er sprach, werkelte er unentwegt mit seinen Substanzen herum –, dass Ravachol berüchtigt gewesen sei für sein exzentrisches Sexualleben. Er verließ das Haus niemals ohne Rouge, Lippenstift und Sprengstoff. Ich weiß noch, dass ich Hans lange ansah, um rauszufinden, ob er mich auf den Arm nehmen wollte.

Das Treffen unserer Zelle war für den Abend angesetzt, nach dem Küchendienst. Diesmal brauchten wir eines von Hans’ Spezialrezepten; und er liebte es bei solchen Gelegenheiten mit Verweis auf seine militärische Ausbildung zu wiederholen, dass die anzurichtenden Schäden massiv und strukturell sein müssten, wenn sie denn Wirkung haben sollten. Beim Rausgehen drehte ich mich noch mal um und fragte: Kennst du eigentlich das Geheimnis von Léon Blum? Er sammelte die Unterwäsche von jungen Frauen!

400 g Hechtfleisch und 100 g geräuchertes Heringsfilet durch den Fleischwolf drehen. Zum Püree Eischnee von zwei Eiern, Salz, Pfeffer und einen Hauch Muskat geben. Kühl stellen. In einem Topf 100 g Brokkoliköpfe blanchieren, salzen, vom Feuer nehmen und kleinschneiden. Das Fischpüree in einer Schüssel mit dem Brokkoli, 200 g Sahne und einer Nuss Butter vermischen und nochmals salzen. Die Hälfte der Masse in eine feuerfeste Form geben, in die Mitte vier geräucherte Heringsfilets legen und mit dem Rest der Masse bedecken. Im vorgewärmten, nicht zu heißen Ofen für etwa 90 min im Wasserbad erhitzen. Die Terrine kalt in Scheiben geschnitten auf geröstetem Brot servieren. Auf jeden Teller einen sauren, mit Zitronensaft beträufelten Apfelschnitz geben.

Großer Kartoffelsalat

Überall bildeten sich Schlangen: um Brot oder Milch zu kaufen, vor den Postämtern und in den Banken. Einige Metzgereien wurden von verzweifelten Menschen gestürmt, die dabei von Soldaten Unterstützung erhielten. Diese hatten Pistolen und Gewehre, aber nur wenig Munition. Doch das blieben Episoden, in wenigen Minuten war alles wieder vorbei, fast nie wurde geschossen. Dann war es wieder still. Nur der Hass wuchs. Die Masse der Veteranen schwoll mit jedem Tag an, die Ausgedienten vagabundierten durch die Straßen und wirkten gleichzeitig verloren und bedrohlich. Immer mehr Geschäfte machten morgens gar nicht erst auf. Kinder weinten vor Hunger und Kälte. Manche hängten sich still und leise im Keller auf, als ob weiterleben schändlich geworden sei.

Ich war bei Klaus, unserem Buchhändler auf der Breiten Straße, um die Broschüren von Lukács abzuholen, den Kunst- und Erziehungskurs für die Volkskommissare, den er vor ein paar Jahren geschrieben hatte. Klaus wärmte sich an einem Öfchen, das er mit Bänden zum Administrationsrecht nährte, aus der Epoche, die nun alle schon die »Wilhelminische« nennen. Ich hatte ihm eine Schüssel Gemüsesuppe gebracht und er hatte versprochen, mir ein Exemplar von »Geist der Utopie« von Ernst Bloch zu besorgen. Mit Ewa wollten wir uns bei Hans treffen. Wir mussten ihm helfen, Zündschnüre zu basteln. Das war einfach und langweilig. Man musste die Schnüre in Petroleum tränken, dann durch Salpetersäure ziehen und trocknen lassen. Dann steckten wir sie in Trinkhalme aus Stroh. Jeder Halm musste in genau 15 Sekunden abbrennen, nicht mehr, nicht weniger, und das machte es mühsam, die richtige Salpeterdosis herauszufinden. Hans kontrollierte unsere Versuche schon fast obsessiv. Immer wieder ermahnte er uns, dass die selbstgemachten Sprengkörper die gefährlichsten überhaupt seien, höchst instabil, vor allem diejenigen, die schnell und mit großer Sprengkraft explodieren sollten.

Auf 1 kg festkochende und längliche Kartoffeln kommen zwei kleingeschnittene gekochte Heringe, zwei gedünstete und in Scheiben geschnittene Mangoldblätter, zwei gehackte Essiggurken, zwei weiße Zwiebeln und zwei geschälte, entkernte, in Würfel geschnittene Äpfel, ein paar Kapern, ein halbes Glas Honigessig, Salz und Pfeffer. Alles in einer großen Schüssel vermischen, mit 80 g ausgelöstem Schweinespeck übergießen und sofort servieren. In Ostpreußen gibt man etwas sauren Rahm dazu. Die Bauern essen es dann als Hauptgericht, die Wohlhabenden als Beilage zu gebratenem Fisch.

Grüne Erbsen auf Holsteiner Art

Ich fand Martin ganz in Lektüre versunken. Er las ein Flugblatt, das der jüngsten Nummer des »Ventilator«, der Zeitschrift von Köln-DADA, beilag und einen Abend mit Gedichten und Neuer Musik ankündigte. Martin begrüßte mich dann auch mit zwei Versen Hugo Balls: »Ich liebte nicht die Totenkopfhusaren / Und nicht die Mörser mit den Mädchennamen.« Dann grinste er mich an. Was willst Du, Hannah?

Ich kam direkt aus dem Labor, wo wir wieder mit kurzwelligen Farben experimentiert hatten, blau, indigo, violett. Ich hatte Lust bekommen auf eine Tasse Tee, war in die Cafeteria gegangen, und hatte mich mit meinem Getränk zu ihm gesetzt. Hans hat mir gesagt, dass Du Tristan Tzara kennengelernt hast. Wie ist der so? Martin fing an zu lachen. Ich habe nicht Tzara kennengelernt, sondern Herrn Samy Rosenstock. Und zwar in Bern, bei einem Besuch im Inselspital, wo wir beide versuchten, dem Wehrdienst zu entkommen. Man hatte eine Kommission eingerichtet, bestehend aus zwei Schweizer Ärzten, zwei Rumänen, einem Deutschen und einem Franzosen. Er hatte sich von einem Psychiater in Zürich – einem Freund der russischen Psychoanalytikerin Sabina Spielrein, die er aus Lausanne kannte – ein Attest besorgt, das ihm dementia praecox bescheinigte. Ich hatte eines über eine schwere posttraumatische Depression, verursacht durch eine Bombe, die unmittelbar neben mir hochgegangen war.

Der Psychiater war klein, trug einen Zwicker aus Horn, hatte eine breite Stirn und winzige, sehr gepflegte Hände, die ständig in Bewegung waren. Der Farce entsprechend, die wir vorspielen wollten, waren wir beide sehr nachlässig gekleidet. Tzara hatte sich perfekt vorbereitet und riet mir, nichts von mir zu geben als unverständliches Schreien und Murmeln. Dann zeigte er mir, wie man sabbert – er hatte sich das von Patienten im Burghölzli abgeschaut: Man lässt die Spucke in einem langen Faden aus dem Mundwinkel auf die Krawatte laufen – das muss ganz unbewusst aussehen! Er versuchte auch mir den katatonischen Stupor beizubringen, aber ich schaffte es nicht. Ich sah ihn dann am nächsten Tag wieder, wir hatten es beide geschafft, wir waren zurückgestellt und um das zu feiern, machten wir einen ausgiebigen Kneipenbummel. Wir waren bewegt und glücklich. Ich weiß nicht mehr, wie ich oft ich ihn die Szene wiederholen ließ, wie der Arzt seine Gedichte durchblätterte, die der Krankenakte beigeheftet waren und dann gewichtig von einem schweren und unheilbaren Fall von Verblödung sprach. Wir waren wie Brüder, als wir uns um drei Uhr morgens auf der Bahnhofstraße trennten. Eine Zeit lang haben wir uns dann noch geschrieben – das wars, was ich Dir erzählen kann.

Wir schwiegen eine Weile und hörten dem Regen zu. Dann sagte Martin: Berühmt wurde er mit dem Cabaret Voltaire und der Zerstörung der »bourgeoisen« Syntax. Ich verschlang damals Geschichtsbücher und hatte einen Kurs zum Krieg der Sklaven gegen Rom besucht, dem Spartakusaufstand. Er setzte alles daran, der Begründer einer neuen Poetik, wichtiger noch als die Marinettis, zu werden; ich wollte mein Leben geben für den Kampf der Ausgebeuteten gegen den Nationalismus und die Herrschenden. Das Feuer, sagte Martin und fixierte mich, das Feuer, das in uns brannte, war vielleicht das gleiche, aber unsere Träume waren es nicht, Hannah – die nicht. Ich trank meinen Tee aus, er seinen Himbeersirup mit einem Schuss Kirsch, und ich ging zurück ins Labor.

Am Abend hatte ich die frühe Küchenschicht. Meine Großmutter behauptet, es handle sich um ein altes Rezept schwedischer Matrosen, die es Stuvade grönsaker nennen. Aber wehe, sagte sie dann lachend, du sagst das einem aus Pommern oder Holstein.

600 g Erbsen, frisch aus der Hülse gelöst, in reichlich Salzwasser 15 min kochen. Parallel 300 g frische, gesäuberte Krabben 10 min in warmem Wasser dünsten. Erbsen und Krabben in eine Kasserolle geben und mit einer Tasse Béchamel übergießen (Béchamel mit einem Zweig Thymian, einer Prise Muskat, einem Glas trockenen Weißwein, frisch gemahlenem Pfeffer, Salz und einer Nuss Butter). Das ganze bei niedriger Temperatur ein paar min binden lassen. Erbsen und Krabben in eine Schüssel geben. Den Fond in der Kasserolle um ein Drittel einkochen lassen, zusammen mit einer Messerspitze Butter, Petersilie, Anis, Kerbel, fein geschnittenem Grün einer Frühlingszwiebel über Erbsen und Krabben geben und sofort servieren.

Wirsingrouladen

An dem Tag waren wir alle nachmittags in der Webwerkstatt. Muche stand an der frisch geputzten Tafel und erklärte uns eine bestimmte Technik der Farbmischung für Stoffe. Martin langweilte sich: Von der Utopie zur praktischen Anwendung – das ist doch was für Alchemisten. Aber kennst Du denn das Zauberwort nicht? Synthese! Synthese des Heiligen und des Profanen: deutsche Kunst und kapitalistische Technik. Und das während in München andere Alchemisten Blei in Gold verwandeln.

Es war ein wenig Schnee gefallen und das Viertel wirkte gleich hübscher. Von fern drang leise ein Weihnachtslied herüber, zwischendurch immer wieder eine Sirene – Nebelwarnung. Martin hatte mich an etwas erinnert, das ich gelesen, aber vergessen hatte: Die klassische Utopie fordert den Menschen in seinem beständigen Bedürfnis nach Homöostase heraus. An dem Abend hatten wir ein Treffen. Hans hatte mir schon gesagt, worum es gehen würde, und es hieß, geeignete Vorbereitungsmaßnahmen zu treffen. Aus München war uns von einem Genossen die offizielle – und natürlich geheime – Mitgliederliste der Thule-Gesellschaft zugespielt worden. Darunter ist ein halbes Dutzend Studenten unserer Schule, die sich in einem Club namens Hammerbund organisiert haben. Noch so ein Rassisten- und Nazinest, sagt Hans, das ganz auf den irren Ideen dieses wahnsinnigen Theodor Fritsch aufbaut. Jedenfalls erklärte dies, wieso in letzter Zeit so viele Dietrich-Eckart-Broschüren und Exemplare des Völkischen Beobachters kursierten.

Weißt Du, Hannah, manchmal bin ich einfach überwältigt von der Absurdität dieser Jahre: Eine falsche Vitalität, die Lügen vom Blut, vom Mythos, vom Willen zur Macht sind an die Stelle der kritischen Analyse getreten und haben Straßen und Plätze mit Blut getränkt. Dann wechselte er plötzlich das Thema und sagte: Ich habe gehört, dass die Truppen von Nestor Machno in der Ukraine verbrannte Erde hinterlassen – was den Großgrundbesitz betrifft; und das, obwohl sie zwischen zwei Fronten stehen, der von Trotzki, grausam und vom Opportunismus angeheizt, und der von General Denikin und seiner blutrünstigen Armee.

Er lächelte. Kennst Du das: »Dimmi bel giovane / onesto e biondo / dimmi la patria / tua quale è …«? Das hat mir Greta beigebracht. Es ist der Anfang eines italienischen Liedes über die Pariser Kommune. Ich fragte ihn: Was bedeutet es für Dich, für die Homöostase zu kämpfen? Er dachte lange nach. Es gibt ein türkisches Gesetz, das den Abriss von Häusern verbietet, die über Nacht gebaut worden sind. Die Häuser heißen auch so, Gecekondu, »nachts hingestellt«, es sind die Häuser der Obdachlosen. In unserer Welt hingegen sind es die Projekte der Nacht, die Neues schaffen, indem sie das Alte in die Luft jagen. In seinem Blick lag Grausamkeit, als er das sagte, ich kannte das: Er dachte an seine »Philosophenküche«.

Von einem Kohlkopf (ca. 2 kg) die äußeren Blätter entfernen, den Kopf waschen und in kochendem Salzwasser blanchieren. Abkühlen lassen und vorsichtig die einzelnen Blätter auslösen. Die großen vom Mittelstrunk befreien, die anderen kleingeschnitten zur Füllung geben: Dafür 200 g Schweinehack mit 200 g Tatar, 3 EL Semmelbrösel, zwei Eier, Muskat, Pfeffer und Salz vermengen. Dazu in Butter und magerem Speck angebratene Frühlingszwiebeln geben. Die Kohlblätter füllen, mit Rouladennadeln schließen, einmehlen und in Butter und Speck anbraten. Kurz vor Fertigstellung ein Glas heißes Wasser oder Brühe und 1 EL Cuminsamen zufügen. Als Beilage Pellkartoffeln, die mit etwas frischem Rahm übergossen werden.

Salat mit Entenschinken

Den Abend feierten wir bei Leo. Er war glücklicher Besitzer eines Grammophons, das ihm ein amerikanischer Soldat zusammen mit einem Dutzend Platten geschenkt hatte. Und er hatte versprochen, uns Foxtrott beizubringen. Den hatte er von einer amerikanischen Marinekrankenschwester gelernt, deren Geliebter er gewesen war und die ihn bis heute nicht vergessen hat, meinte Ewa augenzwinkernd. Gerade erst hatte sie ihm eine neue Platte geschickt, Broken Doll, eine Stange Zigaretten mit einem hellen und aromatischen Tabak, Streifengummis zum Kauen, die nach Nelken schmecken und, last not least, ein Foto mit Widmung. Nur Hans kam nicht. Das sind Tänze von Kriegsveteranen, sagte er, und von Gören à la Salvatore Gotta, deren Väter sich immer noch grämen, dass sie sie in den Tango hineinschlittern und auf den Rücken haben fallen lassen.

Als ich gerade meine Toilette vor dem Spiegel beenden wollte, kam er aber doch vorbei, steckte mir eine Rose ans Kleid und trällerte etwas, von dem ich nur ein paar Verse behalten habe: »… this is the way the world ends / this is the way the world ends / this is the way the world ends / not with a bang but a whimper«. Als ich mich zu ihm drehte, stand er schon in der Tür, eine Zigarre in der einen, eine Petition für Sacco und Vanzetti in der anderen Hand. Und von ferne kam durch das offene Fenster die unverwechselbare Stimme der Mistinguett, die ihren letzten Erfolg singt: Mon homme. Auf dem Markt in Eisenach, wo wir auf der Wartburg die Lutherstuben besuchten, hatten wir frischen Salat gekauft und nach einem ungarischen Bauernrezept gefüllt.

Sechs Salatherzen vorsichtig putzen und waschen. Für wenige min in reichlich kochendes Wasser geben, kalt abschrecken und trocknen. In einer Schüssel 100 g Brotinneres mit einem Becher frischem Rahm einweichen. Drei Scheiben in Würfel geschnittenen Entenschinken, eine kleine fein gewiegte Zwiebel, einen Hauch Muskat, eine Handvoll Petersilie und fünf Eigelb dazugeben. In einer Pfanne ein Bett aus Zwiebeln und Karotten richten und mit drei Nuss Butter bei geschlossenem Deckel ein paar min andünsten. Die vorsichtig mit der Masse gefüllten Salatherzen auflegen. Ein Glas Tokajer, ein wenig Hühnerbrühe und Kräuter (Lorbeer, Thymian, Salbei, Rosmarin) zufügen. Das Ganze mit mageren Speckstreifen belegen und bei geschlossenem Deckel mindestens 60 min köcheln lassen. In der Pfanne oder auf einer vorgewärmten Platte mit reduziertem und mit Butter gebundenem Fond servieren.

1 148,15 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
221 стр. 2 иллюстрации
ISBN:
9783955755966
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают

Новинка
Черновик
4,9
178