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4. Tag: 27.5.2012, Lissabon – Alverca de Rabatejo (20 km und mehr)

Um sieben Uhr laufe ich los, finde schräg gegenüber von meinem Quartier die U-Bahnstation Terreiro do Paco, um von dort aus mit der azul metro bis zur Station Oriente zu fahren. Auf dieser Strecke muss ich dreimal umsteigen, finde mich aber sehr schnell zurecht, da es in Lissabon vier verschiedene U-Bahnlinien in den Farben rot, blau, grün und gelb gibt, so dass man in den aushängenden Plänen die Namen der Orte gut lesen kann und durch die farbige Kennzeichnung der Bahnen die Richtung gut verfolgen kann. Meine Fahrkarte für fünf Euro habe ich mir gestern schon geholt. Diese gilt als Tageskarte für 24 Stunden, so dass ich sie heute Morgen noch benutzen kann.

Heute scheint die Sonne und der Himmel ist strahlend blau, als ich an meinem Zielort Oriente aussteige. Dieses erste Teilstück meiner Strecke auf dem Caminho wollte ich mit der U-Bahn fahren, um so nicht durch die Innenstadt Lissabons laufen zu müssen. Demnach gehe ich als allererstes am centre commercial Vasco da Gama vorbei, welches jedoch heute am Sonntag leider geschlossen ist. Also gibt es für mich zu dieser Zeit kein Frühstück!

Ich wende mich nach links und laufe am Ufer des Tejo entlang. Die Sonnenstrahlen glitzern im Wasser des Tejo, es ist angenehm warm und ich fühle mich glücklich, zufrieden und entspannt. Was für ein wundervoller Tag, um auf Pilgerreise zu gehen! Am Ufer des Flusses ist wenig Betrieb, einige sportliche Portugiesen gehen ihren Ambitionen nach und joggen am Ufer des Flusses oder führen ihre Hunde aus. Für alles Andere, Freizeitaktivitäten mit der Familie, ist es offensichtlich noch viel zu früh. So führt mich mein Weg für lange Zeit an der Promenade entlang.

Nach kurzer Zeit sehe ich sie, die Brücke Ponte de Vasco da Gama. Diese Brücke wurde nach dem portugiesischen Seefahrer Vasco da Gama benannt und soll an die 500jährige Entdeckung des Seeweges nach Indien 1498 erinnern. Mit gut siebzehn Kilometern ist sie eine der längsten Brücken der Welt, auf jeden Fall die längste in Europa, und wurde zur Expo 1998 fertig gestellt. Das ist auf jeden Fall ein sehenswertes Monument. Hier nun in Höhe der Brücke finde ich die erste Auszeichnung meines Weges, des Caminho Portugues: Der gelbe Pfeil steht für den Caminho Portugues und der blaue Pfeil zeichnet den Weg nach Fatima aus. Beide Wege verlaufen jedoch bis Fatima auf gleichem Gebiet. Ich bin sehr glücklich und zufrieden, dass ich mit Hilfe meines Reiseführers den Einstieg in den Camino gefunden habe und mich nun beim weiteren Gehen nach den Pfeilen als Wegmarkierung richten kann.

Wenig später führt mich mein Weg erst durch die Grünanlagen am Tejo entlang und dann durch angrenzende Felder und Wiesen, wo ich Blumen und Gräser bewundere, vielfach Mohnblumen und gelbe Ginstersträucher in ein Foto banne. Heute ist es heiß, die Sonne scheint aus einem azurblauen Himmel und schließlich erreiche ich gegen 11 Uhr den kleinen Ort Granja und entscheide mich, hier nun meine erste Rast einzulegen und endlich ein Frühstück einzunehmen. Ich stärke mich mit einem Brötchen mit Rührei, mit Café con leche, also dem hier üblichen Milchkaffee, und trinke viel Mineralwasser, das der Körper dringend benötigt, um bei der Hitze die ausgeschwitzte Flüssigkeit zu ersetzen. Und schon nach einer halben Stunde Pause bin ich ausgeruht und so weit erholt, dass ich meinen Weg fortsetzen kann.

Der Weg führt mich weiter zwischen hohen Schilfwänden, die Ausläufer des Tejo begleiten mich mit schmalen Gewässern. Im Wasser lassen sich weiße Vögel mit roten Füßen beobachten, die mit staksigem Schritt durch das flache Wasser waten, um dort ihre Nahrung zu finden. Ein schönes Schauspiel, das ich gerne für einige Zeit beobachte. Und demnach vergeht mein erster Lauftag schnell, unterschiedliche Eindrücke gibt es sehr viele.

Gegen 15 Uhr erreiche ich mein heutiges Ziel, Alverca de Ribatejo. Im Ort komme ich zuerst am Bahnhof an und muss noch weitere fünfzehn Minuten durch den Ort hindurch laufen, bis ich ein geeignetes Quartier finde. Jedoch muss ich heute bei der Durchquerung des Ortes leider immer wieder die stark befahrenen Hauptstraßen benutzen, was mir aufgrund der um mich herum rasenden Autos sehr zu schaffen macht. In meinem französisch sprachigen Pilgerführer finde ich stets Vorschläge für günstige Quartiere, aber heute am ersten Tag entdecke ich durch meine eigene Aktivität ein günstiges Quartier für fünfzehn Euro pro Nacht, ein schönes Zimmer mit angrenzendem Badezimmer. Nach kurzer Verschnaufpause auf meinem Zimmer, in der ich mich nicht nur ausruhe, sondern auch dusche und meine Wäsche wasche und im offenen Fenster aufhänge, laufe ich zurück in das Ortszentrum, um dort etwas zu essen.

Ich bestelle – hungrig wie ein Wolf – ein Menu mit einer Vorsuppe, als Hauptgericht Fleisch mit Gemüse und Pommes frites. Als Nachtisch gibt es Obstsalat oder Eis, wobei ich mich wegen der für mich notwendigen Vitamine für den Obstsalat entscheide. Dazu werden Rotwein – vino tinto – Selter und Brot gereicht. Dieses köstliche Mahl kann ich dann mit einem Kaffee beenden. Heute esse ich wegen meines großen Hungers fast alles auf, kein Wunder, denn ich habe heute außer dieser Mahlzeit nur ein Frühstück gehabt.

Als ich sehr zufrieden nach meiner Mahlzeit wieder aufstehe, beschweren sich meine Füße und meine Beine, wollen eigentlich gar nicht mehr weiterlaufen. Jedoch muss ich wiederum entlang der Hauptstraße zurückgehen, um zu meinem Quartier zu gelangen. Gegen 22 Uhr liege ich dann sehr müde und entspannt in meinem Bett und träume einem neuen und aufregenden Tag entgegen.

Für heute bin ich sehr zufrieden: Meine Füße und Beine haben diese erste Etappe sehr gut mitgemacht, der Rucksack sitzt prima auf meinem Rücken und ich kann ihn gut tragen, er ist mit gut zehn Kilogramm nicht zu schwer für mich. Ich habe den Einstieg in den Camino ohne große Probleme gefunden und sehe damit dem nächsten Tag stressfrei entgegen. Aber ich fühle mich einsam, ein wenig Kontakt bei meiner Mahlzeit hätte ich sehr genossen. Da ich jedoch in einem Lokal gegessen habe, in dem fast nur Portugiesen saßen, war es mit dem Kontakt aufgrund der Sprachbarrieren wirklich schwierig. So hoffe ich auf bessere Zeiten und auf weitere freundliche Pilger auf dem Weg – morgen.

5. Tag: 28.5.2012, Alverca de Ribatejo – Azambuja (26,7 km)

Heute Morgen scheint die Sonne wieder und ich freue mich an einem makellos blauen Himmel, wie er schöner nicht sein könnte. Als ich am frühen Morgen um 6:30 Uhr loslaufe, ist es noch kühl. Heute bin ich bereits sehr schnell: Ich brauche nur noch eine halbe Stunde, um mich am Morgen reisefertig zu machen und um meine Sachen zu packen.

Mein Weg führt mich wieder entlang der Straße zurück in die Innenstadt, bevor ich, vom Straßenverkehr völlig entnervt, entscheide, die letzten drei Stationen bis in die Innenstadt mit dem Bus zu fahren.

Die weitere Wegstrecke – zirka zehn Kilometer bis Vila Franca de Xira – gefällt mir nicht, da ich überwiegend entlang der Industriegebiete auf geteerten Straßen mit starkem Verkehr laufen muss. Immer wieder bin ich gezwungen, Kreuzungen und Kreisverkehre auf abenteuerlichen Wegen zu überqueren.

Nach fast drei Stunden Laufzeit erreiche ich Vila Franca de Xira: Zeit für ein Frühstück. Neben der Markthalle, die mit den typischen Azulejos mit Blumenmustern und Personenbildern verziert ist, finde ich in einer kleinen Bar die Möglichkeit, zu frühstücken: Café con leche und ein kleines Gebäckstück – an ein deutsches Frühstück ist hier nicht zu denken. Gut, ich probiere und bin angenehm überrascht.

Weiter führt mich mein Weg durch Industriegebiete, geteert, staubig, endlos und mit vielen Autos stark frequentiert. Meist muss ich auf der Straße laufen und muss so manches Mal den um mich herum sausenden Autos ausweichen. Nach gut acht Kilometern entscheide ich mich schließlich, als ich an einem Bahnhof entlanglaufe, die restlichen zehn Kilometer dieser Art mit dem Zug zurückzulegen. Mit Hilfe einer freundlichen Portugiesin entlocke ich dem widerspenstigen Fahrkartenautomaten für 2,15 Euro ein Ticket nach Azambuja, kann sofort in den Zug einsteigen und bin zehn Minuten später am Ziel angekommen. Ganz in der Nähe des Bahnhofs finde ich für heute mein Zimmer – siebzehn Euro mit Bad, damit bin ich sehr zufrieden.

Azambuja steht heute ganz im Zeichen einer Fiesta: Es wird das Fest der Stiere gefeiert, was bedeutet, dass in der ganzen Innenstadt Zaunbarrieren errichtet wurden, viel Sand auf den Straßen verteilt wurde und alle Menschen fein angezogen warten, bis um 18 Uhr das Spektakel beginnt. Schön anzusehen sind die Dekorationen der Häuser mit bunten Decken unterhalb der Fenster, mit bunten Schals verziert. Alle Bars bereiten Gegrilltes und Sangria vor und die Menschen befinden sich ganz in der aufgeregten Vorfreude auf das Kommende. Es verspricht ein aufregender Tag zu werden, zu dem sich die Bewohner der Stadt bereits herausgeputzt haben.

Ich sitze am Nachmittag etwas abseits in einer Bar, trinke bei heißen Hochsommertemperaturen viel und beobachte, was sich an Vorbereitungen für die Fiesta um mich herum so tut. Ich genieße diese faule, freie Zeit und entspanne, träume und ab und zu ergibt sich auch das eine oder andere Gespräch mit neu hinzugekommenen Gästen.

Schließlich gibt es dann um 18:30 Uhr wirklich etwas zu sehen: Zu dieser Zeit haben sich die Bewohner des Ortes hinter den Barrieren verschanzt, als schließlich, von Reitern getrieben, fünf schwarze Stiere rund herum um die abgesperrten Straßen der Innenstadt getrieben werden. Danach – Pause, einige der jungen Leute wagen sich bereits leichtsinnig hinter den Absperrungen hervor, als eine halbe Stunde später ein anderer Stier von mehreren Bewohnern mit roten T-Shirts oder Tüchern zum Angriff gereizt wird. Jedoch scheint dieses Spektakel, welches mehr als zwei Stunden andauert, mehr Spiel als Kampf zu sein, offensichtlich soll dieses nur an alte Traditionen anknüpfen. Die ganze Bevölkerung der Stadt ist auf den Beinen, steht hinter den Absperrungen, klettert auf diesen herum, sitzt in den weit geöffneten Fenstern der zweigeschossigen Häuser, um sich diese Darbietung anzusehen. Einige „Mutige“ laufen auch auf der Straße herum, bringen sich aber schnell in Sicherheit, wenn der Stier in ihre Nähe kommt. Damit dieses möglich ist, haben die Absperrungen zu beiden Seiten einen Durchlass, durch den ein Mensch, aber kein Stier, hindurch passt.

Später, am Abend und in der Nacht, wird lautstark und feucht-fröhlich zur Bühnenmusik gefeiert, gegessen, getanzt und gelacht. Das alles höre ich von meinem Zimmer aus immer wieder, während ich versuche, zu schlafen. Nach 3 Uhr in der Frühe werden dann die fröhlichen Festtagsgeräusche von den Geräuschen der Kehrmaschinen abgelöst, die versuchen, den ausgestreuten Sand und die hingeworfenen Abfälle wieder aufzunehmen. Demnach ist die heutige Nacht nicht erholsam, da sie immer wieder von den lauten Geräuschen unterbrochen wird. Trotz alledem muss ich lange Zeit geschlafen haben.

6. Tag: 29.5.2012, Azambuja – Santarém (31,5 km)

Heute Morgen bin ich nicht ganz ausgeruht, aber dafür sehr aufgeregt, da ich nicht weiß, ob ich die Anforderungen des heutigen Tages bewältigen kann und werde.

Als ich kurz nach 6 Uhr auf die Straße trete, stelle ich beim Blick auf die Straße fest, dass die Reste der Fiesta der letzten Nacht bereits fast vollständig verschwunden sind: Fast alles ist wieder aufgefegt und aufgeräumt, nur die Sicherheitszäune, die die Menschen und Häuser vor den Stieren schützen sollten, stehen noch da. Für mich ist es erstaunlich, dass die Normalität offensichtlich sehr schnell wieder Einzug in diesen Ort nimmt.

Nach einem Kaffee in der Bar nebenan begebe ich mich um 7 Uhr auf meinen heutigen Weg. Jedoch habe ich Mühe, die Ausschilderung zu finden. Es gibt dreimal gelbe Pfeile in der Innenstadt, aber dann geht es nicht weiter. So irre ich hin und her, frage mehrmals, kann aber wegen der Sprachbarrieren keine zufrieden stellende Antwort bekommen. Und schließlich – nach fast vierzig Minuten – verstehe ich, was los ist: Der Weg geht auf der anderen Seite der Bahngleise und nicht auf der Seite, wo Azambuja liegt, weiter. Ich überquere demnach die Gleise des Bahnhofes, die mit lang gezogenen Treppen und auch schrägen Ebenen das Bahnhofsgelände umspannen. Und wirklich, ich bin wieder auf dem richtigen Weg, die Ausschilderung mit den gelben Pfeilen geht weiter!

Mein Weg führt mich nun auf geteerten Nebenstraßen durch Gebiete entlang des Flusses Tejo, wo rund um die Seitenarme des Flusses drei Meter hohe Schilfgürtel wachsen. Schön – ich genieße den grünen Dschungel!

Plötzlich treffe ich unversehens auf einen anderen Pilger. Wir machen uns bekannt, wir versuchen es wenigstens, aber bald stellt sich heraus, dass der andere Pilger aus Italien kommt und nur italienisch spricht. Wir reden demnach mit Händen und Füßen, verstehen uns aber nicht so recht. Und so laufen wir einzeln weiter, jeder in seinem Rhythmus.

Es folgen Sandwege durch Felder von Tomatenpflanzen, die in unterschiedlichen Größen wie Zinnsoldaten aufgereiht stehen und alle durch Bewässerungsschläuche mit Wasser versorgt werden. Auch Felder mit riesengroßen Zucchinipflanzen und anderen Feldfrüchten finde ich hier. Immer wieder entdecke ich wundervolle Felder mit Mohnblumen und einzelne, am Straßenrand hingeworfene Blumen, die mit ihren gelben und blauen Farben eine Augenweide sind. Dieses ist eine schöne, freundliche, friedliche Natur, die mein Herz und meine Seele erfreut.

Während ich hier entlanglaufe, merke ich, dass meine Seele Flügel bekommt, dass so allmählich meine Loslösung von Zuhause gelungen ist und dass ich genießen kann, mich freuen kann, mich glücklich und zufrieden fühle. Laufen ist für mich wie eine Meditation, wie ein Versenken der eigenen Gedanken in das Innere, und oft bin ich selbst erstaunt, was dieses Laufen in Einsamkeit mit mir macht, wohin meine Gedanken wandern, wenn sie all das abwerfen, was im Alltag Ballast oder immer wieder auch Routine ist.

Kleine Orte mit weiß gestrichenen Häusern liegen auf dem Weg, der entlang der Deiche zum Schutz vor dem Hochwasser des Flusses Tejo gebaut wurde. Es scheint demnach, dass der Tejo zu anderen Jahreszeiten viel mehr Wasser führen kann und somit die Dörfer gefährden könnte. Hier bieten sich mir, als ich oben auf dem Deich entlanglaufe, immer wieder reizvolle Ausblicke auf den Fluss, der im starken Sonnenlicht glitzert und funkelt wie viele Diamanten.

Immer wieder raste ich in den Orten, trinke jeweils einen Liter Mineralwasser und nehme den Rest der 1,5 Literflasche für unterwegs mit. Und mittags leiste ich mir ein Bocadillo mit Käse, also ein Baguette, etwas Verpflegung muss sein, um bei Kräften zu bleiben.

Gegen Mittag wird es fast unerträglich heiß, ich muss immer wieder trinken, um mich weiterhin wohl zu fühlen. Trotz Käppi und Sonnenbrille quält mich die Sonne, brennt trotz der Sonnenkrem auf meinen Armen und Beinen. So sehr ich von dieser Wärme im kalten November und im Winter in Deutschland geträumt habe, dieses hier ist mir nun doch fast zu viel.

So ziehen sich die letzten Stunden in sengender Sonne endlos dahin, bis ich gegen 17 Uhr mit letzter Kraft Santarem erreiche. Ich frage mich zu der im Pilgerführer genannten Unterkunft durch, muss jedoch feststellen, dass diese seit gut einem Jahr geschlossen ist, wie mir andere in der Straße bereitwillig mitteilen. Nun gilt es, nicht mutlos zu werden! Ich bin völlig erschlagen, erschöpft, müde und hungrig und finde keine Bleibe – das ist keine so erfreuliche Situation. In meiner Verzweiflung frage ich nebenan im Blumenladen nach einem Quartier für eine Nacht und etwas Unglaubliches geschieht: Im 1. Stock gibt es ein Apartment, sauber und schön, offensichtlich neu eingerichtet. Zwar ist dieses nicht ganz billig, aber heute – nach gut einunddreißig Kilometern – ist mir alles egal. Ich nehme dieses freie Apartment und habe sofort alles, was ich benötige: Ich kann duschen, Wäsche waschen, und als ich meine Füße für heute aus ihrem Gefängnis entlasse, ich ziehe meine Wanderstiefel aus, da steigt so etwas wie Rauch aus meinen Stiefeln heraus, bei dieser Hitze ist dieses auch mit einem erheblichen Geruch verbunden. Nun kann ich Pause machen – mit letzter Kraft liege ich auf dem Bett, um dort für eine halbe Stunde einzuschlafen.

Später, etwas erholt, laufe ich noch durch die Stadt, um etwas zu trinken. In einer Bar erstehe ich ein Bier und dazu werden mir „Tremoco“ gereicht, eine Art von Bohnen, von denen man vor dem Essen die Schale abziehen muss. Dann schmecken diese wie frische Erbsen und ich esse heißhungrig fast alle auf. Danach will ich weiter zum Portes du Soleil, einem wundervollen Aussichtspunkt in einem Park, und dort treffe ich den italienischen Pilger wieder. Dieser ist offensichtlich auch noch immer allein, hier auf dieser Strecke zwischen Lissabon und Porto sind nur wenige Pilger unterwegs. Trotz der Sprachbarrieren essen wir zusammen im Restaurant im Park, genießen einen wundervollen Sonnenuntergang. Nachdem jedoch die Sonne keine Wärme mehr abgibt, wird es so kalt, dass ich sogar meine Fleecejacke benötige.

Nach dem Essen laufen wir gemeinsam zurück in das Zentrum, und ich habe eindeutig das Gefühl, für heute genug gesehen und erlebt zu haben und ausreichend gelaufen zu sein, denn meine Füße und Beine schmerzen, ich bin einfach kaputt und müde. Nahe dem Zentrum trennen sich unsere Wege, wir wünschen uns beide „Buen Camino“ und jeder geht zu seinem Quartier.

Trotz aller Anstrengung war dieser Tag für mich eine Offenbarung an die Schönheiten der Natur und an meine persönliche Leistungsfähigkeit. Glücklich und sehr zufrieden schlafe ich ganz schnell ein – neuen Abenteuern entgegen.

7. Tag: 30.5.2012, Santarem – Arneiro das Milharicas (20,5 km)

Heute Morgen geht es später los als sonst, denn meine Wegstrecke ist nicht so weit. Um die Ecke erstehe ich in einem Café einen Café con leche und ein Croissant und bin dann um 8 Uhr auf dem Weg.

Fast zwei Stunden laufe ich durch das Gewirr der Vorortstraßen aus Santarem heraus. Dabei passiere ich gut erhaltene und gepflegte Häuser mit blühenden Gärten, in denen ich neben den in allen Farben blühenden Rosen auch die Strelizie bewundere. Diese blüht in voller Pracht, also scheint das Klima hier über das Jahr verteilt so zu sein, dass dieses möglich ist.

Immer wieder kläffen mich Hunde an, die frei in den Vorgärten leben, sie sind aggressiv oder neugierig und wollen offensichtlich das Grundstück ihrer Besitzer beschützen. Das Konzert der Hunde findet immer wieder in allen Tonarten statt und hört sich manchmal schaurig und manchmal nur komisch an. Solange die Hunde sich im eingezäunten Bereich bewegen, kann ich über die Äußerungen der Hunde lachen.

Sorgfältig muss ich auf die Wegbeschreibung meines Buches zum Camino achten, muss sorgfältig die Auszeichnungen zum Camino de Fatima mit einem blauen Pfeil verfolgen oder die Kennzeichnung des Caminho Portugues mit dem gelben Pfeil suchen. Neben und zwischen den Häusern blühen wiederum Wildblumen in allen Farben, immer wieder die von mir so geliebten Mohnblumen, aber auch Wildblumen in Weiß, Gelb, Lila und Blau, eine Augenweide. Diese farbenprächtige Vielfalt der Natur ist einfach unbeschreiblich schön. Die Idylle wird jedoch leider immer wieder von Autos unterbrochen, die viel zu schnell um mich herum rasen, denn selbst in den Orten scheinen die Portugiesen keine Geschwindigkeitsbegrenzung zu kennen.

Kurz vor Arzoa de Baixo komme ich an einem Rastplatz mit Holztischen und Bänken vorbei, neben dem sich ein Verkaufswagen mit frischem Obst postiert hat. Ich kaufe Kirschen und Erdbeeren, wasche diese mit der von mir mitgebrachten Selter und genieße eine entspannte Pause mit diesem Obst. Es schmeckt süß und saftig und ist einfach köstlich, sonnengereift und für deutsche Verhältnisse spottbillig. Ich sitze, entspanne und genieße. Nach dieser Obstmahlzeit ist mir schnell klar, dass es fast zu viel des Guten war, denn ich bin sehr satt, übersatt. Jedoch belastet Obst nur für kurze Zeit, ist gesund und gibt mir Kraft für den Rest des Weges.

In Azoa de Baixo angekommen, sehe ich drei ältere Leute auf dem Bürgersteig zusammenstehen, wobei einer der Männer einen Stock in der Hand hält. Beim genaueren Hinsehen stelle ich fest, dass sich zu ihren Füßen eine lebendige Schlange ringelt, grün-grau meliert, fünf Zentimeter dick und mindestens einen Meter lang. Ein wenig bin ich erschrocken, dass sich offensichtlich sogar hier in den Ort eine Schlange vorgewagt hat. Jedoch will ich mir nicht mit ansehen, was die drei Personen mit der Schlange machen und gehe schnell weiter. Wenig später wird meine Aufmerksamkeit auf eine weiße Kirche, „Eglise de la Conception“, gelenkt, die durch ihre vielen Azulejos besonders schön ist.

Kurz hinter dem Ort verändert sich mein Weg: Zwar laufe ich noch immer auf überwiegend asphaltierten Strecken, aber mein Weg verläuft nicht mehr geradlinig, sondern kurvig und ist heute mit einer Berg- und Talbahn vergleichbar. Rund herum gibt es verschiedenartigen Baumbewuchs, so dass ich den von den Bäumen gespendeten Schatten und die Ausblicke in den „Urwald“ genieße, bei dem mich immer wieder Vogelgezwitscher in allen Variationen begleitet.

Hinter Advagar gibt es wieder Sandboden, welcher zwar staubig ist, jedoch für die Füße viel angenehmer zu belaufen ist als Asphalt. An einer Wegkreuzung sitzt ein alter Mann im Schatten eines Baumes, bietet mir auf einem Stein eine Sitzpause im Schatten an und führt eine freundliche Konversation mit Gesten. Ich fühle mich gastfreundlich aufgenommen und genieße eine Trinkpause, unter dem Baum sitzend. Als ich mich dann nach etwa einer Viertelstunde wieder auf den Weg mache, schüttelt der alte Mann nur ungläubig den Kopf: Er wundert sich, warum ich bei dieser Hitze weiterlaufen will.

Sowohl in Avagar als auch in Santos raste ich in einer Bar um zu trinken: Mit jeweils eineinhalb Litern Wasser muss mein Körper immer wieder mit Flüssigkeit versorgt werden. Und trotzdem – in einer Mittagshitze von vierzig Grad und mehr entscheide ich mich, bis zur Endstation für heute für die letzten 4,5 Kilometer den Bus zu nehmen. Hier frage ich mich durch und ich habe Glück, dass ich zeitnah zehn Minuten später für 1,30 € nach Arneiro das Milharicas in die Nähe der einzigen dort befindlichen Unterkunft fahren kann. Ich erhalte dort ohne Probleme ein Zimmer und fühle mich als einziger Gast sehr willkommen – keine weiteren Pilger in Sicht.

Hier kann ich nun heute einen großen Teil meiner Wäsche im Garten waschen und trocknen, eine ausgiebige Mittagsruhe schlafend genießen und den restlichen Nachmittag draußen im Garten sitzend verbringen. Ich fühle mich sehr zufrieden und bin bald wieder gut erholt und merke auch, dass nach dem gestrigen langen Tag so allmählich meine Kraft wieder zurückkommt. Und ich überlege, ob ich nicht künftig morgens noch früher losgehen soll, um der Mittagshitze auszuweichen, um möglichst in der Kühle des Morgens viele Kilometer meiner täglichen Wegstrecke zu schaffen. Wenn ich das Leben in den portugiesischen Dörfern betrachte, kann ich feststellen, dass sich zwischen 12 und 15 Uhr niemand von der Bevölkerung der Sonne aussetzt, zu dieser Zeit gibt es nur ein Leben in geschlossenen, verdunkelten Räumen oder draußen im Schatten sitzend. Ich muss also auch für mich, die ich diese Hitze nicht so gewohnt bin, nach anderen Lösungen suchen.

Das Auffinden von Quartieren ist und bleibt eine Kunst, die jedoch im Wesentlichen erlernbar ist. Im Reiseführer für meinen jeweiligen Weg, hier in meinem französischen Reiseführer von Gerard du Camino, habe ich eine Vielzahl von Tipps für Übernachtungen, die sich nach meiner Erfahrung sehr gut eignen, da sie meist zentral am Weg liegen und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis aufweisen. Sollte jedoch mein Reiseführer keine brauchbaren Tipps enthalten, gehe ich stets in die Zentren der Ortschaften, wobei ich mich meist an den Kirchen der Ortschaften orientiere. Von dort aus beginnend, nutze ich die Hinweise, die mir vielfach von den Touristeninformationen gegeben werden, oder frage mich von dort aus durch. Sollte das alles nicht möglich sein, kann man in jeder Bar nach einem Quartier fragen, zumal viele der Bars und Restaurants auch Zimmer vermieten.

Nach dem heutigen Tage geht es mir gut, ich bin ausgeruht, habe keine Blessuren und auch keinen Muskelkater mehr. So fühle ich mich bestärkt, dass meine Entscheidung, heute den Bus zu nehmen, richtig war: Ich sorge für mich und versuche nur insoweit an meine Grenzen zu gehen, dass ich mich besonders am Anfang meiner Pilgerreise nicht überfordere.

Gegen Abend laufe ich durch den kleinen Ort, um in der etwas entfernten Gaststätte zu essen. Ich erhalte ein einfaches, preiswertes Mahl, esse reichlich und bin danach nur noch müde. Als ich mich auf den Weg zurück zu meinem Quartier mache, geht gerade die Sonne unter, ca. eine Stunde früher als bei uns in Deutschland, und ich freue mich, dass ich noch im Hellen mein Zimmer erreichen kann.

Dann, im Bett liegend, sehe ich in meiner Erinnerung die Landschaften, durch die ich heute gewandert bin, und ich bin gespannt auf alle Erlebnisse, die mir der morgige Tag bringen wird.

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Дата выхода на Литрес:
22 декабря 2023
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245 стр. 26 иллюстраций
ISBN:
9783954885862
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