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Читать книгу: «Abessinien, das Alpenland unter den Tropen und seine Grenzländer», страница 23

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Früh am Morgen erschallten die Nugarits oder Trommeln, um die Mannschaften in den Sattel zu rufen, und in einer halben Stunde war die Armee, die mittlerweile auf 15,000 Mann angeschwollen war, wieder auf den Beinen. Das militärische System Schoa’s ist ein rein feudales, da jeder Gouverneur des Reiches im Verhältniß zu dem ihm unterstehenden Lande ein Kontingent zu stellen gezwungen ist. Außer den Pferden, Waffen und Lebensmitteln erhalten die Soldaten nichts und nur 400 Garden des Königs bekommen Zahlung, nämlich 8 Amolen (Salzstücken) im Jahre, etwa 18 Groschen im Werthe, außer der Beköstigung, wie sie jeder königliche Sklave auch erhält. Daß in einer so zusammengesetzten Armee wenig Disziplin herrscht, läßt sich denken. Ohne Rücksicht für die der Reife entgegengehende Ernte, die niedergetreten wurde, wälzte sich die Schar, einem Heuschreckenschwarme gleich, Alles vor sich aufzehrend, in südwestlicher Richtung weiter, ohne daß die Einzelnen wußten, wohin der Raubzug eigentlich gehe, denn der König bewahrte das Geheimniß seines Zieles so streng, daß nicht einmal seine höheren Offiziere davon unterrichtet waren.

Nichts konnte einförmiger sein als der Landstrich, den man zuerst durchzog. Weite, grasige, wellenförmige, mit Feldern durchsetzte Ebenen, ohne einen einzigen Baum dehnten sich vor dem Heere aus. Verschiedene kleine Bäche und Flüsse, die dem Nile zuströmen, wurden überschritten, und Se. Maj., dem es zu viel wurde, immer zu reiten, wollte zur Abwechselung einmal gehen, stieg ab und ließ sich ein paar Pantoffeln reichen, die aber bald im Kothe stecken blieben, sodaß der König schließlich vorzog, gleich seinen Unterthanen barfuß einherzuschreiten. In der weiten, von Hügeln umschlossenen Ebene Abai Deggar wurde plötzlich der Befehl ertheilt, das Lager aufzuschlagen und die Umgebung auszuplündern. Sogleich rückten im vollen Galopp die Reiterbanden nach allen Richtungen aus, brannten die Dörfer nieder, zertraten das Getreide und trieben das Vieh ins Lager. Fortwährend herrschte die größte Unordnung im Heere, das nur in losen Haufen, weit zerstreut marschirte, und so eher den Anblick einer geschlagenen als einer vordringenden Armee darbot. In ihren kurzen, weiten Beinkleidern, den Leib mit der langen Binde umwickelt, mit dem Leoparden- oder Löwenfell auf der Schulter, mit Speer und Schild bewaffnet, setzten die Reiter durch den schlammigen Boden, der auch des Nachts ihr einziges Lager war; viele blieben aber liegen und gingen an den Strapazen zu Grunde, da es in der Nacht gewöhnlich fror.

An der 1200 Fuß hohen Gebirgskette Garra Gorfu war endlich das Ziel erreicht. Langsam zog die Armee zum Rücken der Berge hinauf, während rechts und links Scharen abschwenkten, um den Feind zu umgehen. In einer Breite von vier bis fünf und einer Länge von etwa zwölf Stunden bilden die mit Feldern bestandenen Garra-Gorfu-Berge eine Wasserscheide zwischen Nil und Hawasch; an ihnen wohnen die Sertie-Galla, die sich seit langer Zeit schon in offenem Aufstande gegen den König befanden, d. h. sie hatten die verlangten Steuern nicht bezahlt und sogar eine zur Eintreibung derselben abgesandte Reiterschar von 800 Mann erschlagen. Jetzt nahte der Tag der Rache für den verweigerten Gehorsam.

Gleich einem angeschwollenen Strome ergoß sich das Heer über die friedliche Landschaft, deren Bewohner nichts Böses ahnten, und nun rückten 15,000 blutgierige Barbaren gegen sie heran. Ruhig bestellte noch der friedliche Landmann sein Feld, die Weiber gingen ihrer Beschäftigung nach und auf den blumigen Wiesen weidete das Vieh. „Möge der Gott, welcher der Gott meiner Väter ist, uns stärken und verzeihen!“ sprach wuthfunkelnden Blickes der christliche König und gab damit das Zeichen zur Verwüstung. Dorf auf Dorf wurde niedergebrannt, bis die Luft durch den Rauch verfinstert war, der Speer des Kriegers durchsuchte jeden Busch nach Flüchtigen. Weiber und Kinder wurden in hoffnungslose Sklaverei abgeführt; alte und junge Männer erbarmungslos erschlagen und die Herden weggetrieben. Jeder Krieger wollte es dem andern an Blutdurst und Grausamkeit noch zuvorthun. Ganze Familien wurden umringt und niedergespeert; Unglückliche, die auf die offene Ebene sich flüchteten, gleich einem Wild verfolgt und zusammengehauen; drei- oder vierjährige Kinder, welche auf Bäume geklettert waren, herabgeschossen, wie man Vögel vom Baume schießt. Nach Verlauf von zwei Stunden verließ das Heer wieder, mit Beute beladen, das verwüstete Thal. Da, wo die Stätte eines friedlichen Ackerbaus gewesen, wo glückliche Menschen gewohnt, hörte man nur das Knistern der zusammenbrechenden, niedergebrannten Balken und das Schreien der Geier, die, vom Leichengeruch angelockt, aus weiter Ferne herbeigezogen kamen. Das ist der abessinische Krieg, so war er einst, so war er bis heute unter Theodoros: Ueberfall, Mord, Raub, Schlächterei – selten eine offene Feldschlacht kennzeichnen ihn.

Das Nachtlager der siegreichen Armee bot einen teuflischen Anblick dar. Ueberall flammten die Feuer, bluteten die geschlachteten Schafe, wieherten laut die Rosse, brüllten siegestrunken die Krieger oder weinten leise die gefangenen Gallamädchen. Die Speere und Schilde der grimmigen Krieger, welche ihre Hände in das Blut unschuldiger Kinder getaucht hatten, funkelten durch die Nacht; erst allmälig erstarb der wüste Lärm, und die Nacht deckte ihren dunklen Schleier über die barbarischen Scenen des Tages.

Nach dieser blutigen Fehde hielt der König seinen triumphirenden Einzug erst in Angollala, dann später in der Landeshauptstadt Ankober, welche er seit der Ankunft der britischen Gesandtschaft in Schoa nicht besucht hatte. Erwartet von der gesammten Priesterschaft und den Einwohnern, von den königlichen Pauken und den Staats-Sonnenschirmen, seinen Kriegern, Generalen und der britischen Gesandtschaft geleitet, zog er in die jubelnde Stadt ein, deren Dächer, Palissadenzäune und Straßen mit einer dichten Menschenmasse erfüllt waren. Der Lärm und die Musik dauerten so lange an, bis der König und sein Gefolge den steilen, gewundenen Pfad zum Palaste hinaufgestiegen, die neun Thorwege passirt und im innersten Hofraume Platz genommen hatte. Hier ließ sich Se. Maj. in einem erhöhten Alkoven, seinem Throne, nieder; dann ertönte wieder die große Pauke und dreihundert im Hofe sitzende Kebsweiber begannen in die Hände zu klatschen, während eine Tänzerin vor dem Herrscher ihre Sprünge machte und ein selbst gedichtetes Lied zu dessen Lobe sang. Wenn sie einen Vers geendigt und z. B. gesagt, daß der Fürst, der stets über seine Feinde triumphirt hatte, niemals seine königliche Stirn mit einem schöneren Siegeskranze geschmückt hätte als gerade jetzt, wandte sie sich nach der Menge um. Mit lautem Geschrei fiel diese als Chorus in ihren Vers ein. Die Krieger heulten dann laut vor Freuden, die Großen des Reichs, die Häuptlinge, Gouverneure und Generale klatschten in die Hände und die vor dem Palaste versammelte Menge erwiderte mit lautem Jubelgeschrei diesen Siegesjubel, während, um die Freude voll zu machen, die britischen Artilleristen ihr Geschütz abbrannten.

Am Tage des Erzengels Michael, dessen Kirche unmittelbar neben dem Palaste steht, nahm um Mitternacht Sahela Selassié das heilige Abendmahl und stattete Gott ein Dankgebet für den errungenen Sieg ab. Die Bundeslade, die ihm im Kriege Glück gebracht, wurde wieder in feierlicher Prozession an ihre alte Stelle in der Michaelskirche gesetzt und den Armen reichlich Almosen gespendet. So schloß das Siegesfest.

Mit Erlaubniß des Königs unternahm die britische Gesandtschaft verschiedene Streifzüge durch das Land, namentlich in die nördlichen Galladistrikte. Heimgekehrt nach Angollala kam sie ihrem Ziele, dem Abschlusse eines Handelsvertrages mit Schoa, immer näher, gegen den der König sich anfangs sehr gesträubt hatte. Die Artikel wurden sauber auf Pergament aufgesetzt und ein Tag zu dessen Unterzeichnung bestimmt.

Zur bestimmten Stunde lagerte Se. Maj. im Alkoven, umgeben von den Würdenträgern seines Reiches. Das künstlerisch ausgestattete Dokument, auf dem die heilige Dreieinigkeit als Schoa’s Wappen und das königlich englische Siegel angebracht waren, wurde vor Sahela Selassié in englischer und amharischer Sprache verlesen. Unter den 16 Artikeln befanden sich auch solche, welche eine förmliche Umwälzung in vielen der bisher in Schoa geltenden Anschauungen hervorbrachten. So wurde das Recht der Krone, das Eigenthum fremder im Lande verstorbener Personen ohne Weiteres sich aneignen zu können, aufgehoben, viele Monopole beseitigt und den Fremden gestattet, wieder nach dem Besuche des Landes in ihre Heimat zurückkehren zu dürfen, was vorher nicht der Fall war. Tekla Mariam, der königliche Notar, kniete mit dem aufgerollten Dokumente vor dem Lager Sahela Selassié’s, dem er die Feder zum Unterschreiben der Stelle darreichte, welche lautet: „So geschehen und beschlossen zu Angollala, der Galla-Hauptstadt Schoa’s, zum Zeichen dessen wir unsere Unterschrift und Siegel hier beisetzen, Sahela Selassié, Negus von Schoa, Ifat und der Galla.“ In Gegenwart hoher Beamten drückte dann der Schreiber noch das königliche Siegel – ein Kreuz, um welches das Wort Jesus geschrieben ist – unter den Handelsvertrag, der dem Kapitän Harris vom Könige mit folgenden Worten eingehändigt wurde: „Ihr habt mich mit köstlichen Geschenken erfreut. Das Gewand, welches ich trage, der Thron, auf dem ich sitze, die vielen Merkwürdigkeiten in meinen Magazinen, die Flinten, welche in der großen Halle hängen, sie stammen alle aus eurem Lande. Was kann ich euch dagegen bieten? Mein Königreich ist so viel wie Nichts.“

Kurze Zeit darauf wurde der König, dessen Lebenswandel nicht der solideste war, wieder einmal sehr krank und ließ die englischen Aerzte rufen, um ihn zu kuriren. Jammer und Elend mochten sein Herz erweichen und er faßte, gleichsam um die Vorsehung mit sich zu versöhnen, den Entschluß, alle seine männlichen Verwandten, die er bisher im Staatsgefängniß zu Gontscho bei Ankober gefangen hielt, zu befreien und auf diese Weise einen Damm zu durchbrechen, den eine barbarische Sitte seiner Vorfahren um den Thron errichtet hatte. Die Könige von Schoa nämlich hatten, nach erlangter Unabhängigkeit von den übrigen Abessiniern, es zur Gewohnheit gemacht, daß Jeder von ihnen bei seiner Thronbesteigung alle seine Brüder in ein Staatsgefängniß einsperrte, und nur die Schwestern, von denen keine Mitbewerbung um den Thron zu fürchten war, behielten ihre Freiheit. Daß in einem despotischen Staate wie Schoa sich allerdings eine solche Maßregel empfehlen konnte, geht aus der früheren Regierungsgeschichte des Königs Sahela Selassié hervor, da einer seiner Brüder, der die Freiheit behalten und sich dem Klosterleben gewidmet hatte, selbst das Mönchsgewand dazu benutzte, um hier und da im Lande Revolutionen anzustiften. Die Könige von Schoa nahmen bei jener barbarischen Sitte nur das Verfahren der sogenannten salomonischen Dynastie in Abessinien im Allgemeinen sich zum Muster, und erst im vorigen Jahrhundert wurde diese Sitte in Amhara und Tigrié abgeschafft. Seitdem herrschte aber dort auch beständiger Bürgerkrieg.

Das war das letzte bemerkenswerthe Ereigniß, welches die britische Gesandtschaft während ihres Aufenthaltes in Schoa niederzuschreiben hatte, denn bald darauf erfolgte ihre Abberufung.

Durch einen in England eingetretenen Ministerwechsel war die Gesandtschaft in Schoa unfreundlich berührt worden, indem die neue Tory-Regierung einer Fortsetzung der Verbindung mit Schoa ungünstig war und die Gesandtschaft zurückberief. Kapitän Harris hatte jedoch sich gegen die Zurückberufung gesträubt und sich angeboten, ohne seinen Gehalt als Gesandter mit seiner bloßen Pension als Kapitän der Artillerie in Ankober zu bleiben. Da keine Antwort hierauf eintraf und die Gesandtschaft an allen Mitteln Mangel litt, mußte Kapitän Harris sich endlich im Februar 1843, nachdem er 18 Monate in Schoa verweilt, zur Umkehr entschließen. Erst in der Grenzstation Farri erhielt er von der Regierung in Bombay Gegenbefehl; allein es war nun zu spät, da keiner außer Harris selbst Lust zur Umkehr spürte. In Erwiederung auf jene glänzenden Gaben, die der König von Schoa von England erhalten, schickte dieser nun der Königin Viktoria ein hübsches Maulthier, einige naturhistorische Merkwürdigkeiten und einige Gold- und Silberarbeiten als Industrieerzeugnisse seines Landes zu Gegengeschenken. Auf Verlangen der Gesandtschaft hatte Sahela Selassié derselben auch zwei seiner Soldaten als Boten mitgegeben, um die freundschaftlichen Gesinnungen, die man von ihm erwartete, der britischen Regierung auszudrücken.

Noch einige Jahre lebte Sahela Selassié, dessen Ruf durch verschiedene Reisende durch ganz Europa drang; dann segnete er das Zeitliche und erhielt in Hailu Melekot einen weit weniger energischen Nachfolger. Nicht allein, daß die Galla gegen diesen mit erneuerter Macht auftraten und seinen Thron erschütterten – sondern die Selbständigkeit Schoa’s ging unter ihm zeitweilig verloren, indem im Jahre 1856 die neu aufgegangene Sonne, Theodoros II., den Staat mit Gesammtabessinien vereinigte. Erst als dieser in den Krieg mit England verwickelt wurde, gelang es dem Enkel Sahela Selassié’s, dem jungen Menilek, seine Krone wieder zu erlangen. Der folgende Abschnitt, welcher die so merkwürdige neueste Geschichtsepoche Abessiniens behandelt, giebt darüber Auskunft.

Theodoros II., Negus von Aethiopien

Bewegte Jugend. – Der Emporkömmling. – Schlacht von Debela und Königskrönung. – Rebellenkriege. – Reformen. – Abessinische Heere und Kriegspraxis. – Verwicklungen mit den Missionären. – Gefangennahme Cameron’s und Streitigkeiten mit England. – Magdala. – Beginn der englischen Invasion. – Erstürmung von Magdala und Tod Theodor’s. – Rückzug der Engländer.

Im äußersten Westen Abessiniens, angrenzend an das den Aegyptern unterthane Gebiet, liegt die Provinz Koara, bekannt durch die besondere Sprache, welche, abweichend von derjenigen des übrigen Landes, ihre Bewohner reden. Dort sowol als in dem benachbarten Fürstenthum Sana regierte seit alten Zeiten eine adlige Familie, die im Beginn dieses Jahrhunderts durch den Detschas Hailu Mariam repräsentirt wurde. Seine Frau, die sich rühmen konnte, aus noch vornehmerem Geschlechte abzustammen, da sie mit der „salomonischen Dynastie“ verwandt war, gebar ihm im Jahre 1820 einen Sohn, der Kasa genannt wurde. Gewiß war es dem Knaben, der später den Namen Theodor II. führte, nicht an der Wiege gesungen, daß er einst über ganz Aethiopien als Negus herrschen und seine Widersacher niederwerfen werde; denn obgleich aus herzoglichem Geschlecht, bezeichneten seine frühesten Jahre doch das Elend und die Noth. Beim Tode seines Vaters theilten die Verwandten das Erbtheil Kasa’s unter sich und zwangen die aus königlichem Blute entsprossene Mutter, sich durch den Verkauf von Heiltränkchen und Kusso (dem Mittel gegen den Bandwurm) zu ernähren. Der Knabe aber fand im Kloster Tschankar am Tanasee, südlich von Gondar, Aufnahme, um sich dort zum Debtera heranzubilden. Daß er dort den Studien fleißig obgelegen und erlernt hatte, was man in Abessinien erlernen kann, dafür zeugt seine spätere Laufbahn, in welche der arme Student der Gottesgelahrtheit durch einen Zufall hineingeführt wurde. Es war zu Anfang der vierziger Jahre, als wieder einmal ein Rebell die Provinz Dembea heimsuchte und sengend und brennend von Ort zu Ort zog. Auch das Kloster Tschankar wurde überfallen und dort ein Blutbad angerichtet, dem der junge Kasa nur mit Mühe entkam. Mit einem Haufen Abenteurer durch das Land ziehend, führte er ein Räuberleben und schwang sich bald zum Befehlshaber derselben empor. Durch glückliche Erfolge kühn gemacht, beschloß er, sich eine Provinz zu erobern, und fiel zunächst über Dembea her, wo damals die kluge und grausame Fürstin Menene, die Mutter des Ras Ali, herrschte. An der Spitze ihrer Truppen stellte sich die beherzte Frau dem jungen Rebellen entgegen; doch das Schicksal entschied gegen sie. Geschlagen wußte sie doch dem Unheil noch die beste Seite abzugewinnen und den Kasa an sich zu fesseln, indem sie ihm ihre Enkelin Tsubedsche, die Tochter des Ras Ali, zur Frau gab. Dem Muthigen hilft das Glück! dachte Kasa, in dessen Kopf nun großartige Pläne sich zu entwickeln begannen; die Aegypter hatten Galabat erobert und gegen die Hauptstadt dieser Provinz, Metemmé, richtete er nun seinen ersten Angriff. Es war gerade Markttag, als er heranrückte und mit seinen Gefährten den Ort überfiel, ausplünderte und mit großer Beute sich zurückzog. Indessen die Rache folgte auf dem Fuße. Kasa gerieth am Flusse Rahad zwischen zwei Compagnien regulärer ägyptischer Infanterie und wurde gründlich geschlagen. Seine Bande zerstreute sich und er selbst flüchtete mit einer Kugel in der Schulter in das Innere des Landes. Von Allen verlassen, hülflos und ohne die geringsten Mittel wandte er sich nun an die Fürstin Menene; allein diese wies ihn spöttisch zurück und ihr General, der Detschas Underad, wagte es sogar, ihn wegen seiner Herkunft als Sohn einer Kussoverkäuferin zu verspotten. Da ergrimmte Kasa, sammelte Anhänger und schlug Menene sammt ihrem General, die gefangen wurden. Als man sie vor ihn führte, redete er sie folgendermaßen an: „Liebe Leute! Wie ihr ganz richtig bemerkt habt, bin ich der Sohn einer Kussoverkäuferin und ihr erinnert mich, daß meine Mutter heute noch Nichts abgesetzt hat. Macht diesen Fehler gut und trinkt gefälligst diese Flasche aus.“ Und damit zwang er sie, das abscheulich schmeckende, kräftig wirkende Abführungsmittel zu verschlucken.

Nun war Kasa Herr von Dembea und Gondar, wo sein Einfluß von Tag zu Tag wuchs. Als darauf, um ihn niederzuwerfen, sein eigener Schwiegervater, Ras Ali, gegen ihn auszog, wurde auch dieser besiegt und mußte 1852 nach Debra Tabor, später zu den Galla fliehen. Kaum war dieser aus dem Felde geschlagen, so rückte der Detschasmatsch Goschu aus Godscham gegen Kasa vor, um den Emporkömmling zu züchtigen. Wieder wandte sich das Geschick und Kasa, an den Ufern des Tanasees geschlagen, flüchtete in ein Maisfeld. Ihm nach sprengte Goschu, laut ausrufend: „Wer fängt mir diesen Vagabunden ein?“ Kaum hatte er die Worte gesprochen, als ein wohlgezielter Schuß Kasa’s ihn niederstreckte, der nun, aus seinem Verstecke hervorspringend, Goschu’s Truppen zurief: „Schaut, euer Fürst ist hin, und ihr seid Hunde, was wollt ihr machen?“ Entmuthigt durch den Tod ihres Führers streckten die meisten die Waffen und der Rest fiel unter dem Schwerte der wieder gesammelten Truppen Kasa’s. Mit dem Falle dieses letzten Häuptlings hatte Kasa das ganze centrale Abessinien sich unterworfen und nur noch Schoa und Tigrié waren unbesiegt. In ersterem Staate herrschte unabhängig Hailu Melekot, der Sohn Sahela Selassié’s, in letzterem der alte Ubié. Der nächste, welchen das Schicksal betreffen sollte, war Ubié, doch mußte Kasa mit diesem alten schlauen Greise anders zu Werke gehen, als mit den übrigen Gegnern. In Adoa, Ubié’s Hauptstadt, spielten damals die katholischen Missionäre, namentlich de Jacobis, eine große Rolle, welche den alten Ubié ganz für sich eingenommen hatten und ihm Frankreichs Schutz zusagten, während sie den Abuna Abba Salama zu verdrängen suchten. Hierauf baute Kasa seinen Plan. Um den Kirchenfürsten, der durch die Katholiken seine Macht immer mehr geschmälert sah, auf seiner Seite zu haben, ließ er ihn von Adoa nach Gondar kommen und versprach ihm, wenn er ihn zum Könige krönen wolle, die Katholiken zu vertreiben. Der Vertrag wurde geschlossen, die Katholiken zuerst aus Amhara verjagt und Ubié aufgefordert, sich zu unterwerfen und Tribut zu bezahlen. Allein dieser, der 25 Jahre lang im Schoße des Glücks gesessen und an sein Ende nicht glauben mochte, ließ es auf eine Entscheidung durch die Waffen ankommen.

Groß und bedeutend waren die Vorbereitungen, die von beiden Seiten zum Feldzuge getroffen wurden, denn der Tag, welcher über Abessiniens Zukunft entscheiden sollte, war gekommen.

Ueber die Hochebene von Woggara rückte im Januar 1855 das Heer des Emporkömmlings nach Semién vor; ihm entgegen zog von der Enderta her der alte Ubié. Immer höher winden sich die Truppen in die Alpenpässe hinauf, immer schneidender wird die Luft dort oben und der Schnee läßt seine weißen Flocken auf die braunen, leichtgekleideten Krieger herniederfallen, die in gedeckter Stellung am Fuße des mächtigen Bachit sich treffen und zögernd einander beobachten. Hier das Alter, die Erfahrung und eine erprobte Macht; dort die Jugend, die Thatkraft und die Siegesgewißheit, welche rasche Erfolge und Glück verliehen haben. Schon zaudert man wochenlang – da bricht mit einem Male – es war am 9. Februar – Ubié mit seiner gesammten Streitmacht auf. Beim Dorfe Debela kommt es zur entscheidenden Schlacht, in der Ubié’s Heer vernichtet, er selbst gefangen, einer seiner Söhne getödtet wurde. 7000 Flinten und zwei vom Könige Ludwig Philipp geschenkte Kanonen nebst einem Schatz von 60,000 Thalern fielen mit der kurz darauf folgenden Einnahme der Festung Amba Hai in die Hände des glücklichen Kasa, der nun am Ziele seiner Wünsche angelangt war.

Nicht fern von der Wahlstatt steht die von unserm Landsmann Eduard Zander erbaute Kirche Debr Eskié. Dorthin begab sich schon zwei Tage nach der Schlacht, umringt von seinen Generalen und geführt vom Abuna, der siegreiche Sohn der armen Kussohändlerin. Sein Stern war glänzend aufgegangen und dem glücklichen Krieger fuhr der Gedanke durch die Seele, daß er berufen sei, das große äthiopische Reich wieder aufzurichten. Er glaubte sich zu hohen Dingen auserkoren. Ging doch unter den abessinischen Christen die alte Sage, es werde einst ein Kaiser Tadros (Theodoros) erstehen, um den Glanz Aethiopiens wieder herzustellen, das Land groß, das Volk frei und glücklich zu machen; er sei vom Himmel dazu bestimmt, die Muhamedaner zu überwältigen und Mekka sammt Medina zu zerstören. Daran anknüpfend, ließ sich nun Kasa vom Abuna Salama in der Kirche zu Debr Eskié am 11. Februar 1855 zum Negus über Aethiopien krönen, wobei er den Thronnamen Theodor II. annahm. De Jacobis und die Katholiken mußten nun unter Androhung der Todesstrafe schleunig das Land räumen.

Nachdem Theodor nothdürftig durch Einsetzung eines Statthalters sein Ansehen in dem noch keineswegs ganz unterworfenen Tigrié hergestellt, beschloß er, zunächst Schoa zu unterjochen, wozu theologische Spitzfindigkeiten, nämlich die Frage von den zwei oder drei Geburten Christi (vergl. S. 112S. 112) den Vorwand hergeben mußten. Durch Wollo-Galla zog er auf Schoa zu, dessen schwacher König, Hailu Melekot, an einem entscheidenden Tage die Krone verlor und bald darauf starb. Nachdem noch die Provinz Godscham von Rebellen gesäubert war, hielt der siegreiche Fürst im Mai 1856 seinen feierlichen Einzug in die alte Kaiserburg zu Gondar. Nominell reichte jetzt sein Land, das den Kern des alten äthiopischen Reichs umfaßte, vom Hawaschflusse bis zur Samhara. Aber es hätte nicht Abessinien heißen müssen, um Ruhe zu haben: von allen Seiten regte es sich, um den König wieder niederzuwerfen, und der Bürgerkrieg brach mit seiner ganzen Wuth von Neuem in Tigrié aus.

Ein Neffe des entthronten Ubié, Agau Negusi, setzte sich im nordwestlichen Tigrié fest und vertrieb den Statthalter Theodor’s. Negusi war ein gutmüthiger, löwenherziger Jüngling, dem es nur an festem Willen fehlte. Fünf Jahre lang war er Herrscher über Tigrié an der Spitze einer glänzenden Armee, weil Theodor von Ahmed Beschir, der sich an die Spitze der räuberischen Galla gestellt, nicht loskommen konnte. Unterdessen knüpfte Negusi mit Frankreich Verbindungen an, stand in nächster Beziehung zu den französischen Agenten in Massaua und zu dem Bischof de Jacobis, welchem, wie wir gesehen haben, das Betreten des abessinischen Territoriums bei Todesstrafe verboten war. Ein Brief Negusi’s an Herrn von Lesseps, in welchem er anbietet, sich Frankreich unterwerfen zu wollen, wurde in Massaua verfaßt, und Negusi soll kaum soviel Kunde davon gehabt haben, als von der Abschickung einer Gesandtschaft nach Frankreich, durch welche den Franzosen unter der Bedingung, daß sie ihn beim Umsturz der jetzigen Dynastie begünstigen wollten, die Bai von Adulis und die Insel Dessi geschenkt wurden. Ein Kapitän Russel mit einigem Gefolge wurde sofort von Paris nach Massaua geschickt, um mit dem „Empereur Negousi“ zu verhandeln, der stündlich auf die versprochenen französischen Hülfstruppen sammt Waffen wartete. Diese erschienen jedoch nicht. Nachdem Russel’s Ankunft bekannt geworden, ging er nach Halai, dem Grenzorte zwischen Abessinien und dem Küstenlande, wo Jacobis seit seiner Vertreibung wohnte. Allein die Anhänger Theodor’s setzten ihn, da mittlerweile Negusi geschlagen war, gefangen, und nur auf Jacobis’ Garantie wurde er freigelassen, allein unter der Bedingung, daß er dessen Haus nicht verlasse. Doch Russel entfloh in der Nacht des 5. Februar 1860, wodurch Jacobis in große Verlegenheiten gerieth. Dieser blieb einen Monat in schmählicher Gefangenschaft, mußte ein Lösegeld bezahlen und starb kurz nach seiner Rückkehr nach Massaua infolge der Strapazen. Damit hatte die glänzende französische Intervention ihr Ende.

Der Untergang und Fall Negusi’s selbst war ein höchst tragischer. Als Theodoros Zeit fand, nach Tigrié zurückzukehren, entzog sich Anfangs Negusi durch eine kühn ausgeführte Bewegung seiner Verfolgung; er nahm den Rückzug, weil er wußte, daß seine Soldaten sich nie gegen Theodoros schlagen würden. Im folgenden Jahre, 1861, kam der König abermals über den Takazzié und diesmal erwartete ihn Negusi mit einem an Tüchtigkeit überlegenen Heere; er erklärte als ein guter Ritter auf seinem Rosse siegen oder sterben zu wollen. Aber sein Heer, das fünf Jahre mit ihm gezecht hatte, ließ ihn im Stich. Ein panischer Schrecken ging durch das Lager; Theodor erließ eine Proklamation, worin er jedem Soldaten Pardon anbot. Auf dieses hin zerstreute sich das Heer und Negusi wurde sammt seinem Bruder Tesama auf der Flucht gefangen genommen. Theodoros ließ sie vorführen und beiden die linke Hand und den rechten Fuß abhauen, und um die Schmerzen noch qualvoller zu machen, verbot er, ihren brennenden Durst zu löschen. Tesama starb noch an demselben Tage. Negusi lebte bis zum dritten Tage und man machte seinen Leiden durch einen Lanzenstich ein Ende. Die Kirchen strömten vom Blute der Hingerichteten und als eine Deputation der Geistlichen in Axum vor Theodor erschien, äußerte dieser: „Ich habe einen Bund mit Gott abgeschlossen, er hat versprochen mich auf Erden nicht zu schlagen; ich dagegen habe gelobt, nicht in den Himmel zu steigen und ihn zu bekämpfen!“

Nachfolger Negusi’s als Gegenkönig und Rebell wurde ein gewisser Marit, der jedoch im Oktober 1861 durch den alter ego des Kaisers Theodor, den Detschas Salu von Tigrié gefangen und in Ketten gelegt wurde. Die Waffen erhielten diese Rebellen durch einige Oesterreicher über Aegypten und Massaua.

Doch diese ganze Empörung ist ein gewöhnliches Stück abessinischer Geschichte, wobei nur die dem Negusi zugeschriebene Bedeutung auffällt, während dieses doch nicht der Mann war, um einem Theodor, dessen Namen allein ein Heer in die Flucht jagte, gegenüber gestellt werden zu dürfen. Von großer Wichtigkeit und erheblichen Folgen wurden jedoch einige Episoden dieses Empörungskrieges, der Theodor seiner besten europäischen Freunde beraubte.

Kurz vor dem Emporkommen Theodor’s errichtete die britische Regierung ein Konsulat in Massaua, und um den Verkehr mit Abessinien in regelrechten Gang zu bringen, knüpfte der Konsul Walther Plowden freundschaftliche Beziehungen mit dem mittlerweile ans Ruder gelangten Theodoros an, wodurch er hoch in des neuen Herrschers Gunst stieg. Er begab sich an seinen Hof und trug dazu bei, Theodor’s Vorliebe für europäische Sitten und europäisch aussehende Reformen zu nähren. Auf vielen seiner zahllosen Kriegszüge begleitete ihn der englische Konsul ebenso getreu, wie auf seinen Jagdzügen und bewies sich, sehr verschieden von der reservirten Haltung britischer Diplomaten an anderen Höfen, als der wärmste und thätigste Parteigänger des Königs. Fünf Jahre lang war er der intimste Freund Theodor’s, bis ihn, zum Schmerze des Fürsten, im Beginne des Jahres 1860 die Kugel eines aufständischen Soldaten, der dem Rebellencorps der Gebrüder Garet angehörte, niederstreckte. Noch näher ging dem Könige der Tod des Irländers John Bell, der ein Jägerleben am Blauen Nil geführt und eine schwärmerische Zuneigung zu Theodor gefaßt hatte, sodaß er gleich einem Hunde des Nachts vor dessen Zeltthür schlief. Gern hörte ihn der Fürst über das Finanzwesen und die Regierungsform der verschiedenen europäischen Staaten sprechen, um Lehren für sich daraus zu ziehen. Bell wurde zum Likamankuas, d. h. zum Träger des königlichen Kleides in der Schlacht gemacht, eine Ehre, die nur vier Offizieren widerfährt, die sich ganz wie der König kleiden müssen, damit der Feind den wirklichen König nicht unterscheiden könne. Bei der Verfolgung der Rebellen, welche Plowden ermordet hatten, befand sich auch Bell an der Seite Theodor’s, der die feindlichen Gebrüder Garet in der Nähe von Dobarek, da, wo die Hochebenen von Wogara sich an Semién anschließen, einholte.

Garet, der sich auf keine andere Weise zu retten wußte, rief seinen Bruder und einige Begleiter zu sich und ritt in gestrecktem Galopp auf Theodor zu, der von Bell und einigen Offizieren umgeben, der Truppe vorausgeeilt war. Als Garet sich in Schußweite befand, hielt er an, zielte und feuerte. Der Negus wurde unbedeutend an der Schulter verwundet. In diesem Augenblick gab Bell Feuer und jagte dem verwegenen Garet eine Kugel durch den Kopf, erhielt aber gleichzeitig einen Lanzenstich durch die Lunge, infolge dessen er todt zusammenbrach. Nun gab auch Theodor Feuer und streckte den jüngeren Garet nieder. Die Wuth und der Schmerz des Königs über den Verlust seines getreuen Dieners überstieg alle Grenzen und Garet’s ganzes gegen 1700 Mann starkes Corps, das sofort die Waffen streckte, wurde enthauptet. Der Reisende, der heute über die Ebene von Wogara bei Dobarek zieht, sieht dort das Feld noch weit und breit mit Menschengebeinen übersät, den Zeugnissen der schauderhaften Rache, welche Theodor an den Mördern seines Lieblings genommen (vergl. oben S. 203S. 203). Und doch war dieser Akt noch weit weniger grausam, als die früher übliche Bestrafung der Kriegsgefangenen, die man entmannte. Hochverräther wurden nach Isenberg’s Zeugniß früher öffentlich bei lebendem Leibe geschunden, das Fleisch dann in kleine Stücken zerhackt und den Hunden vorgeworfen; die Haut aber gerbte man und machte Trommelfelle daraus. Alle diese barbarischen Strafen schaffte Theodoros Anfangs ab, aber die fortwährenden Unruhen zwangen ihn, später wieder darauf zurückzukommen, und das Blut floß auch unter Theodor in Strömen.

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
28 мая 2017
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Правообладатель:
Public Domain

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