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Andreas Schröfl

Pfaffensud

Bier-Krimi


Zum Buch

Heiliger Sanktus „Ich müsst schnell zum Pieseln“, meint der Graffiti noch kurz bevor die Firmung von Sanktus Tochter Martina beginnt. Sanktus, der ihm kurze Zeit später folgt, überrascht seinen Freund in einem Handgemenge mit einem Geistlichen in den Waschräumen des Pfarrheims – der Abt, der die Firmung durchführt, wie sich später herausstellt. Nach der heiligen Messe wird Abt Philipp tot in der Sakristei aufgefunden, neben ihm eine blutige Monstranz sowie der Graffiti, der in der blutverschmierten Hand eine Karte mit dem Abbild Luzifers hält. Ist der Graffiti, bekennender Atheist, der Mörder, oder ist das ein weiteres Werk des Unbekannten mit der Luzifermaske, der in Internetbotschaften die Verfehlungen von Geistlichen, die Missbrauchsdelikte und die stockenden Diskussionen um den Zölibat und die Liberalisierung der Kirche anprangert? Pfarrer Remigius Hintermeier und sein afrikanischer Kollege Joseph „Sepp“ Mbewu bitten den Sanktus bei der Aufklärung um Hilfe. Für den Sanktus ist der Fall die Chance von daheim Reißaus zu nehmen. Seine Frau Kathi hat nämlich Besuch aus Dresden.

Andreas Schröfl, 1975 in München geboren und aufgewachsen, erlernte das Handwerk des Brauers und Mälzers in einer Münchner Großbrauerei. Anschließend studierte er an der Universität Weihenstephan und arbeitete fünf Jahre als Braumeister in einer bayerischen Brauerei. Andreas Schröfl lebt mit seiner Familie in einem Dorf am Rande der Hallertau. Die Sanktus-Bier- und München-Krimis vereinigen seine Liebe zum Beruf, die Verbundenheit mit München und der bayerischen Tradition sowie seine langjährige Leidenschaft für Kriminalromane.

Impressum

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © ffphoto / stock.adobe.com

und © fotoduets / stock.adobe.com

ISBN 978-3-8392-6780-6

Zitat

Er, der HERR, dein Gott, wird diese Leute ausrotten vor dir, einzeln nacheinander …

(5. Mose 7,22)

Personenverzeichnis

Alfred Sanktjohanser, der »Sanktus«, Bierbrauer und Hobbydetektiv

*

Familie:

Kathi, seine Frau, Programmiererin, ruhender Gegenpol zu ihrem Mann

Martina, Kathis Tochter, schwierig, da in der Pubertät

Schorschi, Sanktus’ und Kathis Sohn, der einzig Vernünftige

Anna, Sanktus’ große Schwester und Mutterersatz

Jean-Pierre, »Hannes«, ihr Lebensgefährte, Autohändler, zünftig, trinkfreudig

Der alte Sanktjohanser, Sanktus’ Vater, Familienoberhaupt, oft anstrengend

*

Sanktus’ Freunde und Ermittler:

Quirin Himsl, der »Graffiti«, Sanktus’ Jugendfreund und zwielichtiger Geschäftsmann, sehr gutaussehend, Bazi

Schlauch-Gernot, Bierbrauer im Gärkeller, cholerisch

Malte Rosen, der »Piefke«, Biersieder im Sudhaus, Erbsenzähler

Giovanni, Hilfskraft im Lagerkeller, aufbrausend

Helmut Ehrensberger, Brauer im Flaschenkeller, ruhig, besonnen

Bhuphinder Singh, Inder, Wirt und Koch im Stammlokal ›Neue Kirche‹, katastrophaler Autofahrer

Ashwini, seine Nichte, Bedienung in der ›Neuen Kirche‹, trägt Sari, Schönheit

Hanspeter Häberle, Mitinhaber der ›Haidhauser Bierwerkel‹, Bierbrauer, gemütlicher Schwabe

*

Die Polizei:

Bine Schranner, junge Kommissarin, hat alles im Griff

Rudi Bergmann, amtierender Kommissar, Franke, alter Freund von Sanktus, Pfundskerl

Charlie Burgmaier, Polizist, Sanktus’ langjähriger Feind

Lenz Hofer, Polizist, Handlager des Burgmaiers

*

Pfarrer:

Pfarrer Remigius Hintermeier, Pfarrer Sankt Johann Baptist, Bekannter von Sanktus, fortschrittlich und dynamisch

Pater Joseph Mbewu, Pfarrer aus Südafrika, Freund Hintermeiers, zünftig

Abt Philipp, Engelbert Praetorius, Abt vom Berg

Pfarrer Maximilian Aust, Münchner Pfarrer

Pfarrer Edmund Siebler, Münchner Pfarrer

Rosina Muxeneder, Pfarrsekretärin

Gregor, Oberministrant Sankt Johann Baptist

*

Graffitis Handlanger

Murat, Nikos, Pröbstl, Binser, Skywalker, Gump, Ganswürger, Wast

*

Weitere

Birthe Dombrowski, Kathis Freundin aus Dresden, rotes Tuch für den Sanktus

Manu Schmiedinger, Graffitis große Jugendliebe

Lily Pfisterer, Bekannte aus Graffitis Jugendzeit

Sandy, doof

Prolog

Pfarrer Matthias Zechbauer wachte am späten Abend auf seiner Chaiselongue auf, und sein Schädel drohte zu zerplatzen. Er grunzte einen letzten lauten Schnarcher, bevor er die Augen öffnete und sich umsah. Sodbrennen, war sein einziger Gedanke.

Er wuchtete seinen adipösen Körper von der Liege hoch und schleppte sich torkelnd ins Bad seiner Pfarrwohnung. Keuchend öffnete er den Allibert, um eine Natrontablette aus einer Dose herauszupfriemeln. Mit seinen dicken Fingern war das gar nicht so einfach.

Er schluckte die Tablette gierig mit einem großen Schluck Wasser hinunter und schickte gleich noch zwei Kopfwehtabletten hinterher. Sofort wurde das Brennen gelindert, und ein satter Rülpser stieg aus der Speiseröhre hoch. Die Magensäure war neutralisiert, und er war wieder halbwegs hergestellt. Er bespritzte sein Gesicht kurz mit Wasser und fuhr mit den feuchten Händen durch seinen spärlichen Haarkranz. Haareschneiden war auch wieder einmal angesagt Aber für wen? Die alten Weiber in der ersten Reihe würden ihm auch so bei seinen unmotivierten Predigten zuhören.

Nun erst bemerkte er seinen furchtbaren Durst. Was würde er nun für eine Weißweinschorle geben? Haus und Hof? Ein Königreich? Seine Seele? Allein der Gedanke an das prickelnde kühle Nass mit dem säuerlichen Geschmack ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen. Ein Fall für eine weitere Natrontablette.

Er öffnete den Kühlschrank, rülpste noch einmal, aber weit und breit kein Chardonnay, kein Veltliner noch sonst eine Rebsorte zu entdecken. Aber eines war klar: Ohne Gute-Nacht-Schluck würde er keinen Schlaf finden und sich ewig im Bett wälzen. Am nächsten Tag würde er total verkatert und zerstört aufwachen, und die Frühmesse würde eine Tortur für ihn darstellen. Solche neumodischen Sachen wie das Wiederaufleben einer Roratemesse, die gefühlt mitten in der Nacht stattfand, lehnte er aus diesem Grund völlig ab.

Missmutig schloss er den Kühlschrank und streifte seine Soutane über, die zwar über seinem Ranzen spannte, aber selbst zu solch einer späten Stunde hätte er sich nicht im Bademantel in die Sakristei getraut. Auch wenn er lediglich eine Flasche Messwein holen wollte.

In diesem Moment fiel ihm ein, dass er den Ministrantenstammtisch wieder einmal vergessen hatte. Also eher verschlafen, aber der anstrengende Tag eines Geistlichen mit Weißwurstfrühstück im Kreis seiner Kollegen und ein opulentes Mittagessen mit dem CSU-Ortsverband hinterließen Spuren. Dazu kamen Kaffee und Kuchen beim Tanztee im Pfarrsaal mit den älteren Damen. Anschließend ein paar Halbe im Bierstüberl gegenüber. Da kannst du einen Stammtisch schon mal versäumen.

Er zog seine Hose unter dem Pfarrersgewand hoch und merkte, dass der Gürtel trotz des neu hinzugefügten zusätzlichen Lochs schon wieder zu eng war. Missmutig schloss er ihn trotzdem. Ab morgen würde er eine Diät anfangen.

Er öffnete die Tür, die vom Pfarrheim zu Kirche führte, und wollte sich im spärlich beleuchteten Gotteshaus zur Sakristeitür schleichen, doch schon als er in den Altarraum trat, kam ihm etwas anders vor als sonst. Von rechts, aus dem hintersten Teil der Kirche, wo sich der Hochaltar befand, konnte er einen flackernden Lichtschein ausmachen und zischende Geräusche vernehmen.

Pfarrer Zechbauer schritt zögerlich aus der Tür und schwenkte in diese Richtung.

Vor dem Altar, der ganz an der hinteren Wand der Kirche erbaut war, war eine Leiter aufgestellt worden, die von einer schwarzen Gestalt gesichert wurde. Oben auf der Leiter stand eine weitere Gestalt, die dabei war, die weiße Wand über dem Altar mit Farbe zu besprühen.

Wehe denen, die sich früh am Morgen aufmachen, um Rauschtrank nachzujagen, die bis spät am Abend bleiben, dass der Wein sie erhitze! Zither und Harfe, Tamburin und Flöte und Wein gehören zu ihrem Gelage. Aber auf das Tun des HERRN schauen sie nicht, und das Werk seiner Hände sehen sie nicht, Jes 5,11-13

war in roter Farbe in großen Lettern zu lesen.

Die Gestalt auf der Leiter drehte sich zu Zechbauer um. Es war das gehörnte Gesicht des Teufels, das ihn feindselig anblickte.

Pfarrer Zechbauer grunzte wieder, und ihm entkam ein leise gehauchtes »Zefix!«. In diesem Moment wurde er ohnmächtig.

FREITAG

1.

Es war soweit. Das langersehnte Fest war endlich da. Heute war Firmung! Die von der Martina, also von Sanktus’ Stieftochter. Eigentlich hat sich der Sanktus, obwohl er nicht der wirkliche Extremkatholik vor dem Herrn war, auf den Tag gefreut, doch jetzt ist er, gefühlt seit fast einer Stunde, auf dem engen Klo der Haidhauser Altbauwohnung gesessen und hat auf sein Handy gestarrt. Nicht, dass du meinst, eine schlechte Nachricht auf dem Display, nein, nur das Solitär-Kartenspiel. Kurz und gut, der Sanktus hat sich einfach nicht aus der Toilette hinausgetraut, weil draußen Chaos. Meinst du, kannst du ihm nachfühlen, da die Kathi und die Martina herumgefuhrwerkt haben wie zwei Berserkerinnen? Das natürlich auch, aber es war zusätzlich ein weiterer Krisenfaktor hinzugekommen: Birthe Dombrowski, eine alte Freundin von der Kathi, und jetzt halt dich fest, aus Dresden!

Das »Dadüdada« hätte der Sanktus ja auch noch vertragen, weil ja Dialektfan, aber diese Frau, wenn sie geredet hat, hat direkt gesungen, mit so einer hohen Stimme, und jetzt pass auf, die Zeit, in der sie am Tag den Mund einmal gehalten hat, war so ungefähr auf 20 Minuten begrenzt. So ist es dem Sanktus zumindest vorgekommen, denn dieses Weib hat den ganzen lieben langen Tag geschnattert, da wirst du verrückt. Dauerbeschallung kein Ausdruck. Und das Schlimme an der Sache, sie hat die Kathi mitgezogen, und die hat somit ungefähr zehnmal so viel geredet wie sonst. Normalerweise hat die Kathi nie kopflos drauflosgeplappert, sondern immer erst ihr Hirnkastl eingeschaltet. Das war die Eigenschaft, außer ihren wunderschönen Zehen und ihrem Humor natürlich, die der Sanktus an der Kathi so gemocht hat, aber dieser Schalter war anscheinend gerade auf »Off« gestellt und der Sanktus am Leiden.

Wie kannst du dir die Birthe jetzt vorstellen? Sie war blond, ihre Haare hat sie zu einem Knoten auf dem Kopf zusammengefasst gehabt, aber nicht hinten, sondern zentral oben, wie die kleine My von den Mumins, also Fernsteuerantenne Anfänger. Ihr Gesicht war, abgesehen von dem brutal überschminkten roten Mund, ganz hübsch, aber die Erscheinung! Nix für den Sanktus. Die Birthe hat circa 100 Kilo gewogen und hat in ihrer unpassenden Kleidung ausgesehen wie eine abgepresste Blutwurst. Wäre auch noch gegangen, aber ihre Füße für den Sanktus halt überhaupt nicht tragbar. Sie hat extrem hässliche Zehen gehabt, die sie, es war ja warm, da Juni, barfuß zu jeder Gelegenheit auf dem Sofa oder auf einem Stuhl in die Höhe gereckt hat. Und immer »Dadüdada und Gänsefleisch«.

Der Sanktus, der die Birthe vorher nicht gekannt hat, war voller Tatendrang gewesen und hatte den Damen einen Schweinsbraten mit Blaukraut und Knödel gekocht, weil man muss ja jemand aus einem anderen Bundesland die bayerischen Schmankerl näherbringen, aber weit gefehlt, da Veganerin. Wie kannst du jetzt, wenn du nur Grünpampf frisst, so einen Ranzen in der Gegend umeinander schleppen, hat sich der Sanktus gefragt. Ist ihm dann auch plausibel erklärt worden, denn der Veganerwahn sei aus ihrem Abnehmwahn entstanden. Jo-Jo-Effekt-Vorbeugung hat es geheißen. Alkohol hat sie aber schon getrunken, und bei den Mengen an Wein, die sie weggepumpt hat, hätte sie auch eine halbe Sau in der Semmel essen können, Meinung vom Sanktus. Aber die war ja bei den Damen nicht gefragt. Ob das Etikett der Weinflasche mit veganem Kunstleim oder auf gar ketzerische Weise mit nichtveganem, auf Milcheiweiß basierendem Caseinleim draufgepickt war, war der Dame aber wurscht.

So hat sie halt das Blaukraut und die trockenen Kartoffelknödel mit zwei Flaschen Merlot runtergespült, und der Lärmpegel hat proportional zur Rotweinabnahme zugenommen.

»Ünd do Zwinger und die Semperöper und da müsstet ihr ünbedingt mol kömm. Und weste noch früher?«, und so weiter.

Und dann haben die Damen in Erinnerungen geschwelgt, wie toll es damals war, als die Kathi sie mal in Dresden besucht hat, und wie viel Männer die Birthe seinerzeit abgekriegt hat und so weiter. »Gloobste nüsch, nö?«

Und wenn der Sanktus die Birthe angeschaut hat, hat er das auch nicht geglaubt. Aber mei, weiß man’s? Steckst du nicht drin.

Die Martina hatte den Ausführungen am Anfang noch interessiert gelauscht, weil Weibergespräch, hatte aber dann auch schnell eine Müdigkeit vorgetäuscht und war ins Bett gegangen. Der Schorschi, Sanktus’ Sohn, und er selbst waren auch, nach Verstreichen eines unauffälligen Zeitraums, gefolgt. Die Frauen hatten noch bis 1 Uhr weitergemacht, und da das »Dadüdada« inzwischen recht laut gewesen war, war für den Sanktus an Schlaf nicht zu denken gewesen.

Wenn du jetzt meinst, das kannst du deiner Frau zuliebe mal aushalten, liegst du falsch, weil die Birthe war nicht nur zwei Nächte, sondern jetzt schon eine geschlagene Woche bei ihnen in München und der Sanktus kurz vor dem Durchdrehen. Baldiger Amoklauf relativ wahrscheinlich!

Der Sanktus hat gerade auf »Neues Spiel« drücken wollen, da hat es an der Klotür geklopft.

»Sanktüs, gännstefleisch ma fertschwerden? Ich müsste ooch mal«, hat die Birthe gesungen.

»Na bravo«, seitens Sanktus, und er hat gezwungenermaßen gespült. Klopapier hat er keins gebraucht, da er ja schon seit einer halben Stunde fertig war. Alibimäßig hat er noch etwas Lavendelduft versprüht, hat das kleine Fenster geöffnet und »Sofort!« gerufen. Hat sie doch noch ein bisserl zusammenzwicken sollen, die dumme Gans.

Nach circa drei Minuten hat der Sanktus die Tür geöffnet, und die Birthe ist mit 180 Sachen in die Toilette hineingestürmt. Nachdem der Sanktus eigentlich fluchtartig hinaus hat wollen, weil ja nicht länger als notwendig in einem Raum mit diesem Weibsstück, haben sich die beiden fast im Türrahmen verkeilt. Dabei ist dem Sanktus aufgefallen, dass die Birthe nur in Unterwäsche, aber mit Seidenstrumpfhose bekleidet war. Ein Bild zum Scheiße-Schreien. Anscheinend hatte sie ihr Bedürfnis beim Anziehen verspürt und war losgesprintet.

Der Sanktus hat jede ihrer Fettrollen an seinem Körper spüren können, und das rote Fischmaul war direkt vor seinem Mund. Jetzt wenn sie schnappt, also ihr Fischmaul direkt ins Gesicht drückt, sterb ich, hat er gedacht, aber die Birthe hat nur den Kopf geschüttelt und sich weiter an ihm vorbeigedrängelt.

»Endlüsch«, hat sie mit einem erzürnten Blick nur gezischt, ihn aus dem Klo geschoben, die Tür zugeschlagen und abgesperrt.

Die Kathi, die gerade, auch nur mit Unterwäsche bekleidet, am Sanktus vorbeigegangen ist, hat ihn angeschaut und verwundert gefragt, ob er einem Geist begegnet wäre, so blass, wie er aussehe.

»Fast, Kathi. Fast. Aber geht gleich wieder.«

»Zieh dich auch an«, hat die Kathi genörgelt. »Um 9 Uhr geht die Kirch los!«

»9 Uhr schon? Die spinnen ja!«, hat der Sanktus gerufen.

Seit wann ist denn so früh ein Gottesdienst? Echt jetzt, oder? Meinung vom Sanktus.

»Und hoffentlich ist da heut nix, weißt schon, wegen dem Wahnsinnigen mit den Psalmen«, hat die Kathi noch aus dem Schlafzimmer gerufen.

2.

Vor der Kirche auf dem Johannisplatz praktisch Auflauf aller Angehörigen und allem, was Füße hat, kannst du dir vorstellen. Jeder Einzelne aufgebrezelt bis zum Dorthinaus. Auf einer Firmung auf dem Land siehst du schöne Trachten, und die Kinder sind auch traditionell angezogen, aber hier in der Landeshauptstadt hast du meinen können, die Queen von England kommt mit ihrem Hofstaat gleich um die Ecke. Manche Mütter oder vielleicht auch Tanten haben Hüte aufgehabt, dass sie auch in Ascot beim Pferderennen durchgegangen wären. Affig kein Ausdruck.

Die Kathi hat sofort die Verwandtschaft gesehen, also Sanktus’ Schwester, die Anna, samt ihrem Lebensgefährten, dem Hannes, und dem alten Sanktjohanser, Sanktus’ Vater. Alle Gott sei Dank dem Anlass entsprechend, aber normal gekleidet. Die Kathi selbst hat keine Verwandtschaft gehabt. Ihr Vater hatte vor Jahren Selbstmord verübt, und ihre Mutter war ihm kurz darauf gefolgt.

Nachdem sich alle begrüßt hatten, ist die Martina, die ein elegantes hellblaues Cocktailkleid angehabt hat, mit ihrer Firmpatin, der Anna, ebenfalls schick im Kleid, in Richtung Altarraum verschwunden, wo sich die Firmlinge und Paten vor der Messe mit dem Pfarrer noch einmal kurz getroffen haben.

Der alte Sanktjohanser hat seinen Sohn zu sich hergezogen.

»Wos is na des?«, hat er gefragt und auf die Birthe gezeigt.

Die Birthe war in einem engen, zitronengelben knielangen Kleid unterwegs. Ein gleichfarbiger Hut hat schief ihren Schädel geziert, und der Schopf war heute einmal hinten am Kopf, sonst hätte der Hut wahrscheinlich nicht auf ihren Kohlrabi gepasst. Der einzige farbige Kontrast war das unvermeidlich rot angeschmierte Fischmaul. Gott sei Dank hat sie geschlossene Schuhe angehabt, und der Zehennagel-Farbklecks ist dem Sanktus erspart geblieben.

»Ein Zitronenfalter«, hat der Sanktus geantwortet.

»San die ned a bisserl zierlicher«, hat der alte Sanktjohanser gefragt und mit beiden Händen ein kleines Wesen angedeutet. »Ist sie das?«

»Ja, das ist die Birthe Dombrowski, gebürtig in Dresden, Eltern aus Ostberlin.«

»Um Gottes willen!«, war alles, was der alte Sanktjohanser noch rausgebracht hat, bevor der Graffiti, Sanktus’ langjähriger Spezl, von hinten auf sie zugekommen ist.

Der Graffiti wie immer model-like. Ein Meter 90, dunkle Haare, dunkler Anzug und schwarzes Hemd. Durch den Anzug hast du seine durchtrainierte Figur erahnen können. Im Schlepptau hat er eine junge, gutaussehende blonde Dame gehabt.

»Servus, Sanktus«, hat er gerufen. »Bin ich z’ spät?«

»Naa, passt scho, Graffiti. Grad recht.«

Beide haben sich die Hände geschüttelt, aber nicht normal, sondern so auf cool, wo du die Daumen umgreifst und dann ein bisserl hin und her rüttelst. Der Sanktus hat der Begleitung auch seine Hand gegeben, und der alte Sanktjohanser hat es ihm mit verzücktem Blick gleichgetan.

»Sanktjohanser. Sehr angenehm«, hat er gemeint, und die Begleitung hat gestrahlt.

»Ich bin die Sa-andy.«

»Ja genau. Das ist die Sandy«, hat der Graffiti gesagt. »Sie ist die Tochter von einem meiner Geschäftspartner. Der ist mit dem Binser und dem Murat unterwegs, und die Sandy wär sonst ganz allein gewesen.«

»Und so ’ne Firmung wollt ich ja schon lange mal see-hen«, hat die Sandy fast kindlich gelallt.

Graffiti jetzt beschämter Blick zum Sanktus und der Schulterzucken.

»Ja dann«, hat der Sanktus gestammelt und in die Hände geklatscht. »Dann bist ja heut bei uns genau richtig, Sandy. Sehr schön. Sehr schön. Papa, magst du der Sandy mal kurz die Gegend zeigen? Ich hätt was mit dem Graffiti zu bereden.«

Dem Sanktus war nämlich gerade eine rettende Idee gekommen.

»Graffiti, ich muss raus von daheim«, hat er angefangen.

»Sanktus, du wirst doch ned …«, hat der Graffiti fast geschrien.

»Pst! Sei stad. Nein, nein. Natürlich ned. Aber wir haben seit einer Woche Besuch.«

»Besuch?«

»Ja, ich sag nur Zitronenfalter. Mehr sog i ned«, hat der Sanktus geflüstert und in Richtung Birthe gedeutet, die gerade den Hannes belabert hat.

Der Hannes, mit süßsaurem Lächeln, hat ganz Gentleman immer wieder ihre Hand von seinem Oberarm entfernt. Aber lange würde er es nicht mehr aushalten. Das hat ihm der Sanktus angesehen.

»Jessas, Maria und Josef. Was ist denn das?«

»Das ist einfach nur grausam und brutal, Graffiti. Ich halt des nimmer aus. Ich sag’s dir. Ganz ehrlich!«

»Und die Kinder?«

»Jetzt sind dann Ferien. Die Martina fährt mit der Anna in den Urlaub, hat sie zur Firmung gekriegt, und der Schorschi ist mit meinem Papa unterwegs.«

»Und der Zitronenfalter?«, hat der Graffiti wissen wollen.

»Hat noch nicht angedeutet, wann er wieder heimfliegen will.«

Der Graffiti hat ein verständnisvolles Gesicht gemacht.

»Ich trau mich ja gar ned fragen«, hat der Sanktus fast gewinselt. »Am End sagt die, sie bleibt noch drei Wochen.«

»Nicht auszudenken«, hat der Graffiti gemurmelt. »Das kriegen wir schon irgendwie hin. Apropos fürchten, was sagst denn zu dem neuen Psalm-Fall?«

»Find ich cool«, hat der Sanktus gesagt. »Warum? Is scho wieder was passiert?«

1 057,94 ₽
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Дата выхода на Литрес:
25 мая 2021
Объем:
253 стр. 6 иллюстраций
ISBN:
9783839267806
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