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Reiseintensität

Anhand der Ergebnisse der Reiseanalyse lässt sich die Zunahme der Reiseintensität (bezogen auf Urlaubsreisen von mindestens 5 Tagen) für die letzten 5 Jahrzehnte auf einer relativ einheitlichen Datenbasis nachzeichnen (vgl. Abb. 16). Hatten Mitte der 1950er Jahre erst ein Viertel der bundesrepublikanischen Bevölkerung eine Urlaubsreise unternommen, ist der Anteil inzwischen auf knapp 80 % angestiegen. Die positive Entwicklung der ReiseintensitätReiseintensität war dabei bis Ende des 20. Jahrhunderts weitgehend kontinuierlich, auch wenn sich ökonomische Krisen bzw. wirtschaftlich weniger dynamische Phasen (wie z. B. Rezession des Jahres 1967, 1. Ölkrise 1974 als Folge des Jom-Kippur-Krieges in Israel, 2. Ölkrise 1979/1980 als Folge des ersten Golfkriegs zwischen dem Iran und dem Irak) in einem kurzfristigen Rückgang der Reiseintensität durchpausen.

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts zeichnet sich ein Einpendeln der UrlaubsreiseintensitätUrlaubsreiseintensität ab. Die These einer Sättigung und nicht einer extern bedingten Stagnation wird dadurch gestützt, dass auch in Volkswirtschaften mit einem höheren Wohlstandsniveau als in Deutschland (Skandinavien, Luxemburg, Schweiz) die Reiseintensität nicht merklich höher liegt. Auch wenn ein Teil der Bevölkerung aus ökonomischen Gründen keine Reisen unternimmt, gibt es immer einen Teil der Bevölkerung, der – sei es aus gesundheitlichen oder Altersgründen, sei es aus biographischen Motiven (Familiengründungsphase, Prüfungen, berufliches Engagement) bis hin zu Strafvollzugsmaßnahmen – in einem Jahr keine (längeren) Urlaubsreisen unternimmt. Die nach wie vor zunehmende Nachfrage nach Reisen resultiert damit in Deutschland nicht mehr aus einer Zunahme der Reiseintensität (sprich der reisenden Personen), sondern einer Zunahme von zweiten oder weiteren Urlaubsreisen, bzw. vor allem auch aus der Zunahme von Kurzurlaubsreisen.

Abb. 16:

Entwicklung der Reiseintensität in der Bundesrepublik Deutschland seit 1955 (Quelle: eigene Darstellung nach FUR div. Jahrgänge)

Anteil Binnenreisen

Nicht nur das Volumen der Reisen hat in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen, sondern auch die Reiseziele haben sich merklich verändert. In Abbildung 17 ist als ein Indikator für dieses Phänomen der Anteil der (längeren) Urlaubsreisen im Inland und ins Ausland dargestellt.

Während – sowohl beeinflusst von den ökonomischen Möglichkeiten als auch dem technischen Stand und der Verbreitung von Verkehrsträgern – Mitte der 1950er Jahre noch vier von fünf Urlaubsreisen im InlandUrlaubsreisen im Inland stattfanden, ist dieser Anteil bis zur Jahrtausendwende auf etwa ein Drittel gesunken. Auch hier zeichnet sich inzwischen eine Stabilisierung ab. Allerdings ist dies wohl weniger als bei der Reiseintensität durch nachfrageinterne Faktoren (Präferenz von Deutschland als Reiseziel bei manchen Zielgruppen) bedingt. Vielmehr kann dieses Einpendeln einerseits als Hinweis darauf angesehen werden, dass spätestens seit den 1990er Jahren deutsche Destinationen mehr und mehr versuchen, sich professioneller und offensiver zu positionieren. Einnahmen aus dem Tourismus werden – insbesondere in ländlichen Gebieten mit wenigen anderen wirtschaftlichen Optionen – oftmals als Möglichkeit der Regionalentwicklung angesehen und dementsprechend auch ein aktives Destinationsmanagement betrieben. Gleichzeitig ermöglicht auch die Orientierung der Nachfrage auf andere Tourismusformen als den (stark auf ausländische Destinationen ausgerichteten) Badetourismus, wie z. B. die in den letzten Jahren zunehmende Nachfrage nach Wander-, Fahrrad- oder Wellness-Tourismus, aber auch Tendenzen hin zu entschleunigten Formen des Slow Tourismus, dass sich inländische Destinationen hier erfolgreich gegenüber den ausländischen Destinationen positionieren können. Allerdings sind diese Marktanteile daran gebunden, dass sich deutsche Destinationen gegenüber den Mitbewerbern durch attraktive Produkte, hohe Qualität und ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis behaupten. Angesichts preisgünstiger und weit verbreiteter Flugverbindungen in den Mittelmeerraum ist eine Reise dorthin nicht automatisch teurer als eine Reise innerhalb von Deutschland. Wander‑, Fahrrad- oder Wellness-Touristen finden eben auf Mallorca ebenso Möglichkeiten für ihren Urlaub wie in Deutschland.

Abb. 17:

Entwicklung der Anteile von Reisen im Inland und ins Ausland in der Bundesrepublik Deutschland seit 1955 (Quelle: eigene Darstellung nach FUR div. Jahrgänge)

Gleichzeitig lässt sich der Parameter „Anteil von Binnenreisen“Binnenreisen international nicht so einfach vergleichen wie z. B. die Reiseintensität. Der Binnentourismusanteil wird nicht nur vom Wohlstandsniveau stark beeinflusst, sondern auch von der Größe des Landes (z. B. sehr groß bei kleinen Ländern wie Luxemburg). Auch wird dieser von der Vielfalt der touristischen Destinationen im jeweiligen Land mit geprägt. So weist z. B. Frankreich von mediterranen Badedestinationen über hochalpine Reisegebiete bis hin zu attraktiven Metropolen eine Vielfalt von Destinationstypen für unterschiedlichste Tourismusformen auf. Dementsprechend ist der Binnentourismusanteil in Frankreich traditionell deutlich höher als in den deutschsprachigen Ländern.

Verkehrsmittelnutzung

In Abbildung 18 ist die in der RA dokumentierte Benutzung von Verkehrsmitteln für die Urlaubsreisen (ab 5 Tagen) dargestellt. Während in den 1950er Jahren noch die Benutzung der Bahn (sowie des Reisebusses) dominierte, hat der private Pkw bis Ende der 1980er Jahre diese als Haupturlaubsreisemittel abgelöst. Damit verbunden ist auch eine verstärkte Orientierung auf ausländische Urlaubsgebiete – insbesondere das nördliche Mittelmeer. Seit den 1990er Jahren ist das Flugzeug deutlich auf dem Vormarsch und wird inzwischen bereits bei knapp 40 % der Urlaubsreisen benutzt. Damit verbunden ist auch eine intensivere Nachfrage nach Destinationen im südlichen Mittelmeerraum sowie interkontinentalen Urlaubszielen.

Die weitere Entwicklung der VerkehrsmittelnutzungVerkehrsmittelnutzung ist dabei, wie bereits die Entwicklung in der Vergangenheit nicht unabhängig von gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Eine Verknappung von fossilen Energieträgern oder eine politisch gewollte Verteuerung durch fiskalische Maßnahmen als Folge des Klimawandels können die künftige Rolle des Flugzeuges für Urlaubsreisen genauso beeinflussen wie die politische Entwicklung in außereuropäischen Zielgebieten.

Abb. 18:

Entwicklung der Verkehrsmittel bei Urlaubsreisen seit 1954 (Quelle: eigene Darstellung nach FUR div. Jahrgänge)

2.1.3 Internationale Nachfragekenngrößen

Die zentrale Quelle für den internationalen Reiseverkehr stellen die Publikationen der United Nations World Tourism OrganisationUnited Nations World Tourism Organisation (UNWTO) dar. Von dieser werden seit 1950 weltweit die internationalen Touristenankünfte erfasst. Die Entwicklung der von der UNWTOUNWTO veröffentlichten Daten ist in Abbildung 19 dargestellt.

Auch mit diesen Daten, die ja nur einen Teil der touristischen Nachfrage, nämlich den grenzüberschreitenden Tourismus spiegeln, wird eindrucksvoll das Wachstum der touristischen Nachfrage in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nachgezeichnet. Internationale Touristenankünfte sind seit Anfang der 1950er Jahre weltweit von 25 Millionen auf inzwischen 1,4 Milliarden angestiegen. Auch bei diesem Indikator pausen sich – wie bereits bei der bundesrepublikanischen Nachfrage – politische oder wirtschaftliche Ereignisse (wie z. B. der Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 oder die Bankenkrise 2007/2008) als kurzfristige Rückgänge der Nachfrage durch, ohne dass bislang Anzeichen für eine strukturell bedingte Nachfragesättigung erkennbar sind. Von der UNWTO wird dementsprechend für das Jahr 2030 eine Zunahme auf 1,8 Milliarden internationale Touristenankünfte prognostiziert (UNWTO 2014, S. 14).

Abb. 19:

Entwicklung der internationalen Ankünfte seit 1950 nach UNWTO-Reisegebieten (Quelle: eigene Darstellung nach UNWTO div. Jahrgänge)

Dabei entfällt auf den innereuropäischen Reiseverkehr (der Binnentourismus in den USA wird bei diesen Daten ja nicht erfasst) der Hauptanteil der internationalen Reisen. Zwar ist der relative Anteil der Ankünfte in europäischen Ländern seit 1950 von etwa zwei Dritteln auf inzwischen gut die Hälfte der weltweiten internationalen Ankünfte zurückgegangen. Gleichzeitig stellen europäische Reisende aber auch heute noch knapp die Hälfte der internationalen Touristen (vgl. Abb. 20). Dabei finden nach wie vor mehr als drei Viertel der internationalen Reisen innerhalb der von der UNWTO ausgewiesenen Reisegebiete statt, sind also innerkontinental (UNWTO 2019, S. 16).

Die wirtschaftliche Entwicklung in den asiatischen Ländern paust sich auch in deren Zunahme der relativen Anteile an den internationalen Touristenankünften auf inzwischen mehr als ein Viertel der internationalen Ankünfte durch, wobei der asiatische Quellmarkt in etwa gleicher Höhe auch zur touristischen Nachfrage beiträgt. Der Anteil Afrikas an den internationalen Touristenankünften liegt – trotz der Ausweitung von Fernreisen – nur bei etwa 5 %. Und auch die spektakulären touristischen Entwicklungsprojekte der letzten beiden Jahrzehnte in den Golfstaaten machen sich im weltweiten Maßstab nur begrenzt bemerkbar. Gleichzeitig kann – in Analogie zu den Entwicklungen in Deutschland und Europa in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts – für die erste Hälfte des 21. Jahrhunderts unterstellt werden, dass die Wachstumsdynamik im Tourismus in den kommenden Jahrzehnten – sofern sich die politischen und ökonomischen Grundkonstellationen nicht grundlegend ändern – stark vom asiatischen Markt (sowohl als Quell- als auch als Zielmarkt) geprägt wird.

Abb. 20:

QuellmärkteQuellmärkte im internationalen Tourismus 2018 (Quelle: eigene Darstellung nach UNWTO 2019, S. 15)

Diese Entwicklung kann an einem Indikator veranschaulicht werden. Lange Zeit galten die Deutschen als „Reiseweltmeister“. Dieser Slogan bezog sich nicht auf die Reiseintensität, die Länge von Urlaubsreisen oder die Ausgaben pro Kopf der Bevölkerung, sondern auf die Summe der bei internationalen Reisen getätigten Ausgaben. Eine hohe Auslandsreiseintensität (höher als z. B. in Frankreich oder den USA) verbunden mit der – im Vergleich z. B. zu kleineren Ländern wie Dänemark oder Luxemburg – hohen Bevölkerungszahl resultierte in der Tatsache, dass die Deutschen die lange Zeit die höchsten absoluten Ausgaben im internationalen Reiseverkehr tätigten. Seit 2012 hat China diese Position des Landes mit der höchsten Ausgabesumme im internationalen Tourismus inne. Auch wenn dies bei zwar noch deutlich niedrigerer Auslandsreiseintensität und Ausgaben pro Kopf der Bevölkerung stark durch die reine Bevölkerungszahl mit beeinflusst wird, stellt es doch einen Hinweis auf die hohe Wachstumsdynamik und eine sich mittelfristig verändernde Konstellation der internationalen Quellmärkte dar.

Eine der Kenngrößen, die von der UNWTO mit publiziert wird, sind die Reisezwecke im internationalen Tourismus (vgl. Abb. 21). Da nicht von jedem Reisenden, der eine Grenze überschreitet auch wirklich der Reisezweck erfasst wird, handelt es sich dabei selbstverständlich um eine grobe Abschätzung, die aber mangels anderer zuverlässigerer Angaben ungeachtet möglicher methodischer Unzulänglichkeiten zumindest einen groben Eindruck des touristischen Nachfragemarkts vermittelt.

Nach diesen Angaben entfällt nur gut die Hälfte der internationalen Ankünfte auf Reisen, die gemeinhin im lebensweltlichen Verständnis als genuin „touristisch“ angesehen werden, nämlich diejenigen mit dem expliziten Reisezweck „Freizeit und Erholung“. Etwa jede siebte internationale Reise wird dem Geschäftsreisetourismus zugeordnet. Als weiterer – in sich allerdings nicht mehr ausdifferenzierter Reisezweck wird das VFR-Segment (Visit Friends and RelativesVisit Friends and Relatives, d. h. der Besuch von Bekannten und VerwandtenBesuch von Bekannten und Verwandten), Gesundheit und Religion ausgewiesen. Wird unterstellt das religiöse motivierte Reisen, wie z. B. die Pilgerreise von Mohammedanern nach Mekka (Haddsch) oder von Christen nach Lourdes maximal 1 % der internationalen Ankünfte ausmacht und der Tatsache, dass z. B. in Deutschland der primäre Reisezweck „Gesundheit“ nur 2 % der Reisen ausmacht (FUR 2014, S. 48), entfällt etwa ein Viertel der internationalen Reisen auf den Reisezweck des Besuchs von Freunden und Bekannten.

Abb. 21:

ReisezweckeReisezwecke im internationalen Tourismus 2018 (Quelle: eigene Darstellung nach UNWTO 2019, S. 7)

Für deutsche Großstädte gehen Schätzungen sogar davon aus, dass die Zahl der Übernachtungen von VFR-Reisenden mindestens genauso groß ist wie die Zahl der Übernachtungen im gewerblichen Übernachtungswesen. So wird für München angegeben, dass den 5,9 Mio. Gästen in gewerblichen Betrieben etwa 5 Mio. Besucher bei Freunden und Verwandten gegenüberstehen (Landeshauptstadt München 2012, S. 9). Dies soll als weiterer Hinweis darauf verstanden werden, dass selbst die wenigen (und methodisch nicht immer voll belastbaren) statistischen Basiszahlen im Tourismus nur einen Teil der touristischen Aktivitäten darstellen. Neben dem privaten VFR-Tourismus ist insbesondere auch der Tagestourismus ein Bereich, der sich nur begrenzt statistisch genau fassen lässt, sodass unterschiedliche Abschätzungen an die Stelle von konkret gemessenen Daten treten.

2.2 Zunehmende Ausdifferenzierung der Nachfrageseite

Reisen als gesellschaftliche Praxis ist immer auch ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Entwicklung. Lange Zeit wurde die gesellschaftliche Struktur über ein sog. Schichtenmodell (Unter-, Mittel-, Oberschicht) angemessen beschrieben und die Zugehörigkeit zu einer Schicht hatte starken Einfluss auf das konkrete Reiseverhalten (hinsichtlich der präferierten Ziele und der Tourismusformen; vgl. Kap. 1.2.1). Operationalisiert wurde die Schichtenzugehörigkeit oft über die Parameter Bildungsniveau und Einkommensniveau. Diese Parameter haben gegen Ende des 20. Jahrhunderts an diskriminatorischer Bedeutung verloren. Gleiches gilt z. B. auch für den Indikator Alter, dessen Relevanz für die Reiseintensität abgenommen hat (vgl. ZAHL, LOHMANN & MEINKEN 2006).

2.2.1 Reisemotive

Parallel zum Verlust an Erklärungskraft einfacher Deutungsansätze zum Reiseverhaltens, ist die Motivstruktur von ReisenMotive von Reisen deutlich ausdifferenzierter geworden. Während früher eine grobe Unterscheidung zwischen Push- oder den sog. „Weg-von“-Motiven (weg aus der Alltagswelt) und Pull- oder den sog. „Hin-zu“-Motiven (hin zu den Aspekten des Urlaubs) als Erklärungsansatz für die Nachfrage nach Urlaub erfolgte (FREYER 2011a, S. 73f.), sind in den letzten Jahren die Anstrengungen zur Aufdeckung der Motivstrukturen deutlich intensiviert worden.

In der Reiseanalyse werden aktuell 29 Items mit möglichen MotivenReisemotive für Reisen abgefragt, die über eine Faktorenanalyse zu sieben Gruppen von Motiven (mit absteigender Bedeutung) zusammengefasst werden (FUR 2014, S. 82f.):

1 Entspannenentspannen, erholenerholen, frei seinfrei sein (keinen Stress haben, Abstand zum Alltag gewinnen, frische Kraft sammeln, ausruhen)

2 SonneSonne, SpaßSpaß, MenschenMenschen, GenussGenuss (sich verwöhnen lassen, sich was gönnen, genießen, Flirt/Erotik)

3 Neues erlebenNeues erleben (neue Eindrücke gewinnen, viel Abwechslung haben, andere Länder erleben, etwas für Kultur und Bildung tun)

4 NaturNatur und GesundheitGesundheit (Natur erleben, etwas für die Gesundheit tun, aus der verschmutzten Umwelt herauskommen)

5 FamilieFamilie (Zeit füreinander haben [Partner, Familie, Kinder, Freunde], mit den Kindern spielen/zusammen sein)

6 BegegnenBegegnen (Wiedersehen, Kontakt zu Einheimischen)

7 Risiko-AktivRisiko-Aktiv (aktiv Sport treiben, auf Entdeckung gehen, ein Risiko auf sich nehmen, Außergewöhnlichem begegnen).

Unabhängig von den möglichen methodischen Bedenken beim standardisierten Abfragen einer so langen Item-Batterie dominieren bei den Motiven das Entspannen und der Genuss. Die im Zusammenhang von Tourismustrends oftmals betonten Aspekte „Gesundheit“, „Kulturerlebnis“, „Sport“ oder „Risiko erleben“ erreichen demgegenüber deutlich niedrigeren Bedeutungsgewichte.

Auch wird bei den Kategorien deutlich, dass vor allem selbstbezogene Urlaubsmotive wichtig sind. Die auf die konkreten Eigenschaften von Destinationen bezogenen Motive rangieren auf weiter hinter liegenden Plätzen. Während früher die Destinationen oftmals durch soziale Konventionen, das von den Destinationen vermittelte Prestige oder ganz einfach durch Aspekte der Erreichbarkeit mitbestimmt worden sind, ist inzwischen eine gewisse Beliebigkeit und Austauschbarkeit von Destinationen zu konstatieren. Da auch die Motive nur partiell auf konkrete Destinationen abzielen, gleichzeitig sich aber das Spektrum möglicher Destinationen deutlich erweitert hat, resultiert daraus auch eine klare Akzentuierung der Wettbewerbskonstellation.

Damit reicht es heute nicht mehr aus, nur ein prestigeträchtiges Image aufzubauen, um die Nachfrage auf sich zu ziehen. Vielmehr deutet vieles darauf hin, dass das konkrete Angebot für Urlaubsaktivitäten und Urlaubserlebnisse stärker in den Vordergrund rückt.

Gleichzeitig wird bei den Motiven auch deutlich, dass von den Akteuren der Tourismuswirtschaft letztendlich nur ein Rahmen für das UrlaubserlebnisUrlaubserlebnis geschaffen werden kann. Insbesondere die in der Reiseanalyse ausgegliederte Motivkategorie „Familie“, aber auch alle anderen auf soziale Kontakte abzielenden Motive lassen sich ja nicht direkt von den touristischen Leistungsträgern generieren. Die touristischen Leistungsträger entlang der gesamten touristischen Servicekette (vgl. Kap. 3.1) können damit letztendlich nur den Rahmen schaffen, innerhalb dessen dann das konkrete Urlaubserlebnis in Interaktion zwischen den Angeboten und den Reisenden entsteht (vgl. auch Merkmale touristischer Dienstleistungen in Kap. 3.2.1).

2.2.2 Wertewandel in der Phase der Postmoderne

Wertewandel Nachdem die lange Zeit relevanten sozio-demographischen Aspekte zur Analyse und Prognose der Reisemuster an Relevanz verloren haben und auch der Blick auf standardisiert erfasste Motive von Reisenden allein keinen ausreichenden Deutungsgehalt für die konkrete Gestaltung von Urlaubsangeboten besitzt, wird in den Tourismuswissenschaften in jüngerer Zeit verstärkt auf soziologische und sozialpsychologische Ansätze zurückgegriffen, die versuchen, den gesellschaftlichen und sozialen Wandel zu fassen.

Reisen als kulturelle Praxis verstehen bedeutet gleichzeitig auch, dass die gesellschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen in Wechselbeziehungen mit dem konkreten touristischen Handeln stehen. Dementsprechend manifestiert sich der, Ende des 20. Jahrhunderts identifizierte Wechsel von der fordistisch geprägten Moderne hin zur Postmoderne auch im Bereich der Freizeit und des Tourismus. Die PostmodernePostmoderne zeichnet sich durch eine verstärkte Betonung des Diskurses kultureller Praktiken aus (vgl. LANZ 1999, S. 74), wobei Pluralisierung, Fragmentierung und Relationalität zentrale Motive darstellen. Während die Moderne von Metaerzählungen geprägt war, die gesellschaftliche Institutionen, politische Praktiken, Denkweisen und Ideologien legitimierten, geht in der Postmoderne dieser Konsens verloren. Es gibt damit keinen einheitlichen, in sich geschlossenen postmodernen Ansatz, sondern gerade die von Eklektizismus und Individualismus gekennzeichnete Postmoderne zeichnet sich durch eine Montage unterschiedlichster parallel existierender Ansätze aus (genauer bei HARVEY 1989, S 340f. und HELBRECHT 1994, S. 32). Die von HABERMAS (1985) vor dem Hintergrund der Krise des Sozialstaates und der Erschütterung der Sozialutopien des 19. und 20. Jahrhunderts formulierte „Neue Unübersichtlichkeit“ kann als Leitmotiv der Postmoderne angesehen werden. Frühere Ansätze und Leitideen werden teilweise ironisierend als Hommage in Form einer Pastiche aufgenommen und als sich kontinuierlich verändernde Heterotopien (FOUCAULT 2005) verstanden.

Diese gesellschaftliche Fragmentierung und Aufsplitterung als Folge eines Verlustes an gesamtgesellschaftlichen Konsens und dem Bedeutungsverlust von weltanschaulichen Ideologien (bzw. Sozialutopien) gegen Ende des 20. Jahrhunderts spiegelt sich auch in der Heterogenität und Vielfalt von unterschiedlichen Lebensentwürfen. Mit dem Verlust an klaren Orientierungsrastern und Normen verbunden ist die Herausforderung an das Individuum, seine eigene Identität „Jenseits von Stand und Klasse“ (BECK 1994) zu definieren und den gewagten, risikobehafteten Versuch zu unternehmen, im eigenen Erleben glücklich zu werden.

Die „protestantische Arbeitsethik“ (WEBER 2004), die in der Phase des Fordismus mit dem Primat der Orientierung auf das Arbeitsleben als zentralem Lebensinhalt einen wichtigen Leitwert darstellt, hat gegen Ende des 20. Jahrhunderts an Prägekraft verloren. Neue, nichtmaterielle Leitwerte prägen die Gesellschaft im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts. Von den verschiedenen Ansätzen der Kategorisierung der gesellschaftlichen Entwicklung und den daraus resultierenden Phasen der touristischen Nachfrageausdifferenzierung ist in Abbildung 22 eine an QUACK (2011) angelehnte dargestellt.

Abb. 22:

Entwicklung der gesellschaftlichen Leitwerte (Quelle: eigener Entwurf, Phase 1 bis 4 nach QUACK 2011)

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