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Der Weg zur eigenen Würde

Die bedingungslose Liebe Gottes befreit Menschen dazu, sich selbst als wirklich stark zu erleben. „Stärke“ verwenden wir in diesem Zusammenhang im spirituellen Wortsinn. Eine biblische Definition für den Heiligen Geist ist dynamis, was so viel heißt wie „Kraft“ oder „Stärke“. Es geht um jene Kraft, die uns die Gewissheit schenkt, dass Gott uns zu sich zieht und dass wir mit dem heiligen Gott Gemeinschaft haben. Der oder das Böse ist daran interessiert, uns diese Erfahrung unserer Vollmacht und Würde zu nehmen. Vielleicht sollten wir am besten von Würde reden, weil alles, was mit Macht, Stärke und Kraft zusammenhängt, oft missbraucht wurde und deshalb missverständlich ist.

Das Enneagramm kann uns zu dieser inneren Erfahrung von Würde und Kraft führen. Es zeigt uns schonungslos unsere Fehler! Wir machen das Richtige allzu oft aus den falschen Motiven. Aber wenn wir uns durch unsere Falle „hindurcharbeiten“ und auf der anderen Seite wieder auftauchen, dann stehen wir vor der Tiefe unseres Selbst. Dort finden wir eine gereinigte Leidenschaft, eine geläuterte Kraft, unser bestes und wahres Selbst. Die Tradition hat diesen Ort die „Seele“ genannt, jenen Punkt, wo Mensch und Gott sich begegnen, wo Einheit möglich ist und wo Religion nicht in erster Linie aus Worten, Appellen, Normen, Dogmen, Ritualen und Gottesdienstbesuchen besteht, sondern zur Begegnungserfahrung wird. Wir geben das Enneagramm nach wie vor gerne weiter, weil es zu den wenigen Dingen gehört, bei denen wir mit eigenen Augen gesehen haben, wie sich Menschen in diesem Sinne verändert haben.

Irrwege und Auswege

Das Enneagramm definiert seine neun Menschentypen von neun „Fallen“, „Leidenschaften“ oder „Hauptsünden“ her. Man kann diese Sünden als Notlösungen verstehen, die in der frühkindlichen Entwicklung eines Menschen gebraucht wurden, um mit der Umwelt zurechtzukommen. Sie waren nötig, um zu überleben. Aber je älter wir werden, desto deutlicher werden diese Lösungen ihrerseits zur Not, von der wir erlöst werden müssen, um wirklich wir selbst zu sein.16 Erstaunlich ist, dass es sich bei den neun Sünden des Enneagramms erstens um die „klassischen“ sieben Hauptsünden der katholischen Tradition handelt (Stolz, Neid, Zorn, Trägheit, Geiz, Maßlosigkeit bzw. Völlerei, Unkeuschheit) und dass zweitens zwei weitere „Sünden“ dazukommen (Lüge und Furcht), die in der traditionellen Kirchenlehre fehlen. Auf diese auffällige Fehlanzeige und ihren Hintergrund werden wir weiter unten noch zurückkommen.

Die ältesten Listen von „Wurzelsünden“, aus denen die „aktuellen“ Sünden und Laster wie die Äste aus einem Baum entsprießen, gehen – wie erwähnt – auf die Wüstenväter zurück. Evagrius Pontikus und sein Schüler Johannes Cassian nennen wie erwähnt acht bzw. einmal neun Leidenschaften. Gregor der Große sieht den Stolz als eigentliche Ursünde, der in sieben andere Sünden mündet. Schließlich wurde in der Kirche die „heilige“ Siebenzahl verbindlich. In der mittelalterlichen Literatur und Malerei spielten die sieben Hauptsünden eine wichtige Rolle („Purgatorium“ in Dantes „Göttlicher Komödie“; „Erzählung des Pfarrers“ in Chaucers „Canterbury Tales“; Hieronymus Boschs allegorische Darstellung).

Interessant ist der Begriffswandel von „Wurzelsünde“ zu „Todsünde“. Die ursprüngliche Vorstellung von „Wurzelsünden“ geht davon aus, dass der „Sündenbaum“ einige Hauptwurzeln hat, von denen alle anderen Sünden abzweigen. Die scholastische Auffassung von den „Todsünden“ befasst sich dagegen mehr mit den Folgen der Sünde. Schon Paulus bezeichnet den Tod als „Sold der Sünde“ (Römer 6,23). Im Jakobusbrief wird der Weg von der Versuchung über die Sünde in den Tod nachvollzogen: „Keiner, der in Versuchung gerät, soll behaupten: Ich werde von Gott versucht. Gott kommt weder selbst in Versuchung, Böses zu tun, noch führt er die Menschen in Versuchung. Die Menschen werden von ihrer eigenen Begehrlichkeit in Versuchung geführt, die sie lockt und schließlich einfängt. Wenn die Begierde schwanger geworden ist, bringt sie die Sünde zur Welt; ist die Sünde reif geworden, bringt sie den Tod hervor“ (Jakobus 1,13 – 15).

Im 1. Johannesbrief schließlich wird zwischen Sünden unterschieden, die zum Tod führen, und solchen, die nicht zum Tod führen: „Wer sieht, dass sein Bruder eine Sünde begeht, die nicht zum Tode führt, soll für ihn bitten. Gott wird allen denen das Leben schenken, deren Sünde nicht zum Tod führt …“ (1. Johannes 5,16). Diese Unterscheidung trägt der Tatsache Rechnung, dass es kleinere Charaktermängel und Fehler gibt, die tolerabel sind, und grobe Formen des Fehlverhaltens bzw. einer grundlegenden Zielverfehlung, die für die Seele eines Menschen und für das zwischenmenschliche Zusammenleben hochgradig destruktiv, ja tödlich sind.

Die Gefahr dieser Sündenlehre besteht darin, dass nur nachweisliche Normverstöße „Sünde“ genannt werden, während die Tiefendimension der Sünde weitgehend unbeachtet bleibt. Die Reformatoren verzichteten deshalb auf die Unterscheidung zwischen „lässlichen“ und „tödlichen“ Sünden. Das Problem sind ihrer Ansicht nach nicht die Einzelsünden, sondern es ist der sündige Mensch selbst. Die Wurzelsünde ist bei Luther der Unglaube, der Mangel an Vertrauen, die Weigerung, sich lieben und beschenken zu lassen. Die aktuellen, konkreten Sünden sind die faulen Früchte dieses Urmangels. Die berechtigte Kritik am römisch-katholischen Sündenverständnis hatte in der protestantischen Praxis ihrerseits problematische Folgen: Protestanten verstanden sich zwar ganz allgemein als „Sünder“, aber dieser Begriff verlor den konkreten Inhalt. Die persönliche Beichte ging fast völlig verloren. Nicht nur die Tatsache, dass wir Sünder sind, ist tödlich. In unseren aktuellen Fehlhaltungen wird der Tod konkret: Sie zerstören unsere Psyche, unsere Gottesbeziehung, unsere zwischenmenschlichen Beziehungen, die Natur und die Welt. Deswegen müssen sie entlarvt und mit Namen genannt werden. Dass die Sünde „den Tod gebiert“, wie es im Jakobusbrief heißt, ist mehr als ein Bild. Unsere Maßlosigkeit beispielsweise tötet Tiere und Wälder, unsere Aggressivität und Furcht hat zu riesigen Waffenarsenalen geführt, Neid und Habgier der Industrienationen und der Spekulanten an den Börsen werden von den Armen mit dem Leben bezahlt. In unser aller Trägheit lassen wir das alles zu, als ginge es uns nichts an. Wir verwenden in diesem Buch den alten Begriff der „Wurzelsünde“, um zu betonen, dass wir eine radikale Erneuerung nötig haben (radikal von lat. radix = Wurzel).

Der Begriff der „Sünde“ ist für viele Menschen heute schwer verständlich geworden; schon das Wort löst Abwehr aus. Die kirchliche Sündenlehre wurde oft genug dazu missbraucht, Menschen einzuschüchtern. Vor allem die kirchliche Sexualmoral wurde jahrhundertelang in einer Weise verkündigt, die neurotische Ängste, Verklemmtheit und Schuldgefühle begünstigt hat. Das alles könnte es nahe legen, auf diesen Begriff überhaupt zu verzichten. Aber dadurch entsteht ein Vakuum, das nicht zu füllen ist. Sinnvoller erscheint es uns, den Begriff neu verstehen zu lernen. Das griechische Wort für „Sünde“, hamartia, stammt aus der Kunst des Bogenschießens und bedeutet eigentlich „Zielverfehlung“. Sündigen heißt in diesem Sinne daneben treffen. Ich visiere zwar das richtige und gute Ziel an, aber ich bin nicht gesammelt und ausgerichtet genug, um es tatsächlich zu erreichen. In diesem Sinne ist der Ausspruch des Kirchenvaters Augustinus gemeint: „Suche, was du suchst – aber suche es nicht da, wo du es suchst!“ Im deutschen Wort Sünde steckt die Wurzel sund, was so viel wie „Kluft“ oder „Trennung“ bedeutet. Das Wort „Sünde“ bedeutet unsere Trennung von Gott, aber auch von unseren Mitmenschen und von uns selbst. Sünden sind Fixierungen, die die Energie des Lebens, Gottes Liebe, daran hindern, frei zu fließen. Das lässt sich beispielsweise an der Furcht verdeutlichen, der „Wurzelsünde“ von Muster SECHS. Furcht ist keine moralische Kategorie; aber sie kann zwischen uns und Gott stehen und so die Liebe und das Leben verhindern. Wir verstehen unter „Sünde“ in diesem Buch jene selbst errichteten Blockaden und Hindernisse, die uns von Gott und damit von der Fülle des Lebens und unseren eigenen echten Potenzialen abschneiden. Sünde sind Versuche der Lebensbewältigung oder Lebenssteigerung mit untauglichen Mitteln. Sünden sind Mogelpackungen; sie versprechen etwas, was sie nicht halten können. Obwohl unsere Sünde zum Teil Reaktion auf fremde Schuld und frühkindliche Verletzungen ist, haben wir sie „gewählt“, halten hartnäckig an ihr fest und sind für sie verantwortlich. Solange wir uns selbst nur als Opfer definieren, andere beschuldigen und für unser Leben nicht selbst Verantwortung übernehmen, kann die Trennung nicht überwunden werden.

Es gibt neben den Zusammenstellungen der Hauptsünden von jeher auch „Tugendkataloge“, einige davon bereits in der Bibel. Die Zusammenstellung der sieben messianischen Gaben des Geistes, die auf Jesaja 11,2 zurückgeht (Gottesfurcht, Frömmigkeit, Wissenschaft, Stärke, Rat, Einsicht, Weisheit)17, und die Aufzählung der neun Früchte des Geistes bei Paulus (Galater 5,22: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung) gehören dazu. Die bekannteste und „klassische“ Tugendliste ist die Kombination der vier „Kardinaltugenden“ des Aristoteles (Gerechtigkeit, Klugheit, Mäßigung und Tapferkeit) mit den drei „theologischen“ Tugenden aus 1. Korinther 13,13 (Glaube, Hoffnung und Liebe). Das sind die „sieben Tugenden“, die in der Kunst oftmals allegorisch dargestellt wurden (zum Beispiel am „Tugendbrunnen“ vor der Nürnberger Lorenzkirche). Geoffrey Chaucer (um 1340 – 1400), der größte englische Dichter vor Shakespeare, bietet in der „Erzählung des Pfarrers“ aus seinen Canterbury Tales eine besonders interessante Liste an: Er geht davon aus, dass es als Gegenmittel gegen jede Hauptsünde zumindest eine spezifische Tugend gibt. Damit befinden wir uns in großer Nähe zum Enneagramm, zumal die jeweiligen Entsprechungspaare bei Chaucer und im Enneagramm nahezu identisch sind.

Die „Erzählung des Pfarrers“ in Chaucers Canterbury Tales ist eine Art Beichtspiegel. Gott möchte, dass alle Menschen gerettet werden, aber es gibt viele Wege zur himmlischen Stadt. Einer davon ist die Reue, das Beweinen der eigenen Sünden und der Vorsatz, nicht mehr zu sündigen. Es gibt lässliche Sünden und tödliche Sünden. Die tödliche Sünde besteht darin, ein Geschöpf mehr zu lieben als Gott. Für jede dieser Sünden gibt es ein Heilmittel, eine heilsame Tugend. Gegen Stolz hilft Demut, gegen Neid wahre Gottesliebe, das Kraut gegen den Zorn heißt Geduld, Trägheit wird durch Tapferkeit überwunden, Geiz durch Barmherzigkeit, Völlerei durch Nüchternheit und Mäßigung, Buhlerei durch Keuschheit. Die Beichte und die Wiedergutmachung der Schuld durch Almosen, Fasten und körperliche Schmerzen führen zu ewigen Himmelsfreuden.18

Wir sprechen im Folgenden von den „Geistesfrüchten“, wenn wir die spezifischen Gaben oder „Tugenden“ der neun Enneagrammmuster beschreiben. Dieser biblische Begriff (Galater 5,22) knüpft wie der Begriff der Wurzelsünde am Bild des Lebensbaumes an. Jesus sagt: „Ein guter Baum bringt gute Früchte“ (Matthäus 7,17).

Die drei Zentren: Bauch – Herz – Kopf

Die neun Typen des Enneagramms werden – wie gesagt – im Uhrzeigersinn auf der Kreislinie eingezeichnet. Jeweils drei Typen werden zu einer Gruppe zusammengefasst.


Figur 2: Das Enneagramm und die drei Zentren

Die Gruppe, die ACHT, NEUN und EINS umfasst, heißt die Gruppe der „Bauchmenschen“. Ihr Gravitationszentrum liegt im Unterleib, wo das „Rohmaterial“ unserer Existenz angesiedelt ist: der Machtinstinkt, unsere Sexualität, die Triebe. In diesem Sinne spricht man auch von der Gruppe der sexuellen Typen. Sie reagieren unmittelbar und spontan auf das, was ihnen begegnet, und filtern die Wirklichkeit nicht erst durchs Hirn. ZWEI, DREI und VIER sind die „Herzmenschen“ oder die „sozialen Typen“. FÜNF, SECHS und SIEBEN schließlich bilden die Gruppe der Kopfmenschen bzw. der selbsterhaltenden Typen.

Die deutsch-amerikanische Psychoanalytikerin Karen Horney ging ursprünglich davon aus, dass es drei Menschentypen beziehungsweise drei „neurotische Lösungen“ von Lebenskonflikten gibt: Eine Gruppe wendet sich von anderen Menschen ab, die zweite Gruppe entwickelt eine feindselige Einstellung gegen die Menschen, die dritte Gruppe wendet sich anderen Menschen zu.19 Gurdjieff unterschied drei Körperbereiche: Kopf, Herz und Bauch und ordnete ihnen unterschiedliche Arten von „Intelligenz“ zu: dem Kopf das mentale Zentrum, dem Herz das emotionale Zentrum, dem Bauch das sexuelle, instinktive und das Bewegungszentrum.20 Bei jedem Menschen dominiert einer der drei Körperbereiche. Es folgt ein erster grober Überblick über die drei Zentren. Schon an diesem Punkt wird sichtbar, dass Angehörige dieser unterschiedlichen Menschengruppen zu ihrer Ganzwerdung unterschiedliche Impulse brauchen. Wir geben deshalb schon hier erste Anregungen, welche Form von Spiritualität VertreterInnen der unterschiedlichen Gruppen helfen kann, die jeweilige Einseitigkeit zu überwinden.

Bauchzentrum

Die Bauchtypen21 entsprechen den „feindseligen Typen“ Horneys. Das Leibzentrum, das sie vorzugsweise regiert, ist der Verdauungstrakt und das Sonnengeflecht. Bauchmenschen reagieren instinktiv. Ohr und Nase sind ihre ausgeprägten Sinnesorgane. In einer neuen Situation sagen sie zunächst: „Hier bin ich, geht mit mir um“ – oder sie fragen: „Wie bin ich hier?“ Das Leben ist für sie eine Art Kampfplatz. Unbewusst geht es ihnen häufig um Macht und um Gerechtigkeit. Sie müssen wissen, wer das Sagen hat, sind meist direkt, offen oder versteckt aggressiv und beanspruchen ihr eigenes „Revier“. Bauchmenschen leben in der Gegenwart, hängen häufig an der Vergangenheit und erhoffen sich manches von der Zukunft. Sie tun sich aber schwer, einem klaren Plan zu folgen und ihm treu zu bleiben. Wenn es ihnen schlecht geht, geben sie sich meist selbst die Schuld: „Ich habe alles falsch gemacht. Ich bin böse.“ Bauchmenschen werden – bewusst oder unbewusst – von Aggressionen regiert. Zu ihrer Angst dagegen haben sie nur wenig Zugang. Sie wird hinter einer Fassade von Selbstbehauptung versteckt. Nach außen wirken sie meist selbstsicher und stark, während sie innerlich von moralischen Selbstzweifeln gequält werden können. Ihr erster Zugang zu Gott ist oft der Vater. Meditationspraktiken, bei denen sie ganz bei sich und in ihrem Körper sind (zum Beispiel Zen), fallen ihnen leicht. Da sie vielen „instinktiven“ Impulsen folgen, gehört zu ihrer Lebensaufgabe, dass aus dem „vielerlei lieben“ echte Liebe wird.

Herzzentrum

Die Energie der sogenannten Herzmenschen (Horneys „Hinwendungstypen“) bewegt sich auf andere zu. Die Welt der subjektiven Gefühle ist ihre Domäne; ihr Thema sind zwischenmenschliche Beziehungen. Suzanne Zuercher kritisiert die Bezeichnung „Herztypen“, weil diese Menschen zu den eigenen Gefühlen gerade keinen echten Zugang haben. Sie erleben sich in Reaktion auf Gefühle oder Verhaltensweisen anderer. Sie können nicht bei sich selbst sein und entfalten unaufhörlich Aktivitäten, um sich die Zuwendung oder Aufmerksamkeit anderer Menschen zu sichern. Herz und Kreislaufsystem sind ihr Leibzentrum. Bei ihnen sind Tastsinn und Geschmack besonders ausgeprägt. So wie es bei den Bauchmenschen um die Macht geht, geht es bei ihnen um das Für-Sein. In einer neuen Situation fragen sie zunächst: „Werdet ihr mich mögen?“ oder: „Mit wem bin ich zusammen?“ Sie sehen das Leben als Aufgabe, die bewältigt werden muss, was einen unaufhörlichen Aktivismus zeitigt. Dabei geht es ihnen (unbewusst) um Prestige und Image; die positive Seite davon ist, dass sie meist ein ausgeprägtes Verantwortungsgefühl haben. Sie neigen dazu, sich anzupassen, Aufmerksamkeit und Platz zu beanspruchen und besserwisserisch zu sein. Sie werden von dem beherrscht, was andere über sie denken, und meinen oft zu wissen, was für andere gut ist. Während sie ihre Besorgtheit übertrieben ausleben, unterdrücken sie ihre Aggressionen und verstecken sich hinter der Fassade von Güte und Aktivität. Nach außen wirken sie oft selbstsicher, fröhlich und harmonisch, innerlich erleben sie sich aber oft als leer, unfähig, traurig und beschämt.

Frömmigkeitsformen, die mit sozialer Wärme und Geborgenheit verbunden sind (zum Beispiel Gebetsgemeinschaften), ziehen diese Gruppe besonders an. Sie müssen aber vor allem lernen, allein zu sein und in einer Weise zu beten, die von ihren Mitmenschen weder bemerkt noch belohnt wird. Das Jesuswort „Wenn du betest, dann geh in dein Kämmerlein, schließ die Tür ab und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist“ (Matthäus 6,6) gilt ihnen ganz besonders. Ihr Zugang zu Gott geschieht oft über eine Gemeinschaftserfahrung (Heiliger Geist). Irgendwann muss aber der Schritt in die Stille und ins Alleinsein folgen, damit das Gebetsleben nicht zum Selbstbetrug wird. Dietrich Bonhoeffer sagt: „Wer nicht allein sein kann, der hüte sich vor der Gemeinschaft.“22 Der beste Lehrmeister für „Herzmenschen“ ist der eigene Körper, zu dem sie oft ein gespaltenes Verhältnis haben. Wenn sie lernen, den eigenen Körper wahrzunehmen und wertzuschätzen, kommen sie allmählich zu sich selbst. Da Herzmenschen alles selbst zu können meinen, fällt es ihnen schwer, die Erlösung als reines Geschenk anzunehmen. Ihre Lebensaufgabe besteht darin, dass aus dem vielen, was sie ständig erhoffen und selbst produzieren wollen, wirkliche Hoffnung wird.

Kopfzentrum

Die Gruppe, die FÜNF, SECHS und SIEBEN umfasst, ist „kopflastig“. Es handelt sich um Horneys „Abkehrtypen“. Ihr Kontrollturm ist das Hirn. Die Kopfenergie ist nach Horney eine Energie, die sich zurückzieht von anderen. Die Angehörigen dieser Gruppe machen in jeder Situation erst einmal einen Schritt nach hinten, um nachzudenken. Sie werden vom zentralen Nervensystem regiert und sind in erster Linie Augenmenschen. In einer neuen Situation wollen sie sich erst einmal zurechtfinden: „Wo bin ich?“ bzw. „Wie passt das alles zusammen?“ Sie sehen das Leben in erster Linie als Rätsel und Geheimnis. Sie haben einen Sinn für Ordnung und für Pflicht. Ihre Haltung ist in der Regel eher unbetroffen und sachlich („Es stimmt!“). Sie scheinen wenige Bedürfnisse zu haben und können anderen Raum lassen. Kopfmenschen fragen sich oft: „Bin ich abhängig? Bin ich unabhängig?“ Sie handeln erst, nachdem sie nachgedacht haben, und gehen dabei methodisch vor. In Notsituationen werfen sie sich vor, dumm und unwürdig zu sein. Während ihre Furcht übertrieben ist, verstecken sie besonders ihre zärtlichen Gefühle oft hinter einer Fassade von Sachlichkeit und Unbetroffenheit. Nach außen wirken sie oft klar, überzeugt und klug, innerlich erleben sie sich aber häufig als isoliert, verwirrt und mit einem Gefühl der Sinnlosigkeit.23

Ihr Zugang zu Gott ist oft der Sohn, in dem sich Gott offenbart hat und in Kontakt getreten ist mit den Menschen. Ihr Gebetsleben kann für Außenstehende trocken, abstrakt und wie bloße Pflichterfüllung wirken, aber Kopfmenschen können tatsächlich auf dem Umweg über klare Gedanken warme Gefühle entwickeln. Auch gegenständliche Formen der Meditation (zum Beispiel Bildbetrachtung), bei denen sie etwas aufnehmen können, liegen diesen Menschen. Kopfmenschen müssen vor allem den Schritt vom Denken zum Tun und den Schritt von der Isolation zur Gemeinschaft schaffen. Ihnen gilt der zweite Teil des oben zitierten Bonhoeffer-Wortes: „Wer nicht in der Gemeinschaft steht, der hüte sich vor dem Alleinsein.“24 Ihre Lebensaufgabe besteht darin, dass aus den vielen Zweifeln und Teilwahrheiten Glaube wird, der nicht im Kopf bleibt, sondern ein Sich-Anvertrauen der ganzen Person ist.

1 828,82 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
23 декабря 2023
Объем:
469 стр. 49 иллюстраций
ISBN:
9783532600085
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