Читать книгу: «Licht aus!», страница 3

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»1982«, antwortete von Dauss, der dem begeisterten Kai das Buch in die Hand drückte und sich wieder in den Sessel sinken ließ. »Die Einbrecher müssen gewusst haben, dass es hier hängt.«

Ben räusperte sich erneut. Er hatte das Gefühl, einen ganzen Froschteich im Hals zu haben. »Wie viel ist das … das Gemälde denn wert?« Drei Euro fuffzig vielleicht?, hätte er am liebsten hinzugefügt, hielt aber die Klappe.

»So knapp 500.000.«

Am liebsten hätte Ben wieder ein lautes Lachen ausgestoßen. In seinem Kopf hörte er es sogar: schrill und ein bisschen verrückt. Und gesagt hätte er gerne: Wissen Sie, was ich verstanden habe? … 500.000! Stattdessen ließ er wieder Kai den Vortritt, der offenkundig wusste, mit dieser auf die Spitze getriebenen, grotesk-farbenfreudigen Abstraktheit umzugehen.

Der nickte wissend einige Male, klappte das Buch zu und legte es mit einem vielsagenden Blick auf den Couchtisch. Dann sagte er: »Das ist der Wahnsinn, ich liebe dieses Bild. Waren Sie schon im Ludwig Museum in Köln? Da gibt es gerade eine Ausstellung.«

Von Dauss nickte: »Ist mir bekannt. Und ich ärgere mich, dass ich mein Bild nicht auch als Leihgabe dorthin gegeben habe.«

Und Isana fuhr fort: »Die hatten bei Daddy angefragt, und ich hab gesagt, er soll es machen.« Sie warf ihm einen scheinbar bösen Blick zu. »Aber er hatte ja Angst, dass was drankommt an seine geliebte Mitchell.«

Offensichtlich hatten alle hier den Verstand verloren, entschied Ben. Er musste das Gespräch wieder auf ein halbwegs intelligentes Niveau bringen, bevor sich die drei noch tiefer in den Irrsinn quatschten. »Haben Sie keine Alarmanlage?«

»Natürlich«, entgegnete von Dauss. »Eine ziemlich teure sogar. Aber diese Typen machen das hauptberuflich. Für die ist das kein Hindernis. Und ich weiß auch, was die wollen.« Er machte eine Pause. »Die haben sich eben bei mir gemeldet.«

»Erpressung«, stieß Kai aus und nickte wissend.

»Exakt«, antwortete von Dauss und nickte ebenfalls. »30.000 Euro, dann bekomme ich das Baby zurück.«

»Stolzer Preis«, sagte Ben, der Sorge hatte, dass ihm die Konversation wegen einer Leinwand voll Kindergartengekrakel zu sehr entgleiten könnte. »Wollen Sie zahlen?«

»Auf jeden Fall! Ich musste der Polizei zwar versprechen, dass ich denen Bescheid geben würde, wenn die Täter sich bei mir melden, aber das mache ich nicht. Ich will mein Bild zurück.«

»Woher wussten die Einbrecher eigentlich, dass Sie so ein wertvolles Bild besitzen?«

Von Dauss atmete schwer aus, bevor er antwortete: »Dass ich Kunstsammler bin, ist kein Geheimnis. Das kann jeder in Erfahrung bringen, der es in Erfahrung bringen will. Dass das Bild in meinem Arbeitszimmer hing, können auch Tausende von Menschen wissen. Meine Schuld.« Er stöhnte gedehnt, bevor er weiterredete: »Über mich war Anfang des Jahres ein Artikel im Managermagazin. Da wurden unter anderem auch Fotos von meinem Arbeitszimmer hier veröffentlicht.« Er deutete mit dem Zeigefinger auf die Treppe zum Obergeschoss. »Auf denen ist das Bild zu sehen. Aus dem dummen Artikel ging sogar hervor, dass das ein Original ist. Ich habe nicht darüber nachgedacht. Pure Eitelkeit. Dafür hab ich jetzt die Quittung bekommen.« Dann stand er auf, sagte: »Ich hole uns mal was zu trinken«, und ging aus dem Raum.

Isana sprang auf und rief: »Warte, ich helfe dir!« Dann lief sie ihrem Vater nach und schloss die Tür hinter sich.

Ben schaute Kai an und deutete auf das Buch. »Du willst mir doch nicht erzählen, dass du diesen Scheiß gut findest.«

»Alter, dass du keine Ahnung von so was hast, ist mir klar. Joan Mitchell ist die Königin des abstrakten Expressionismus. Du musst das mal auf dich wirken lassen!«

»Wenn ich das auf mich wirken lasse, bekomme ich einen epileptischen Anfall. Und was soll dieses Rumgetue mit Isana? Das ist ja peinlich!«

»Ey, was stimmt nicht mit dir, Kollege? Kann ich doch nichts dafür, wenn die mich scharf findet. Du bist ja nur neidisch!«

In diesem Moment öffnete sich die Tür, und Isana und Richard von Dauss kamen zurück ins Wohnzimmer. Ben hatte erwartet, dieser reiche Bauheini käme mit einer Pulle hundertfünfzig Jahre altem Brandy zurück, stattdessen hielt er zwei Flaschen Wasser und je ein Tetrapack Apfel- und O-Saft von Aldi im Arm. Isana jonglierte vier Gläser in den Händen und stellte sie auf dem flachen Couchtisch ab, dann schenkte sie jedem etwas von den Getränken ein.

»Ich kenne Sie«, sagte Richard von Dauss an Ben gewandt, als er einen Schluck getrunken hatte. »Sie sind der Privatdetektiv, der den Varieté-Killer entlarvt hat.«

Ben spürte, wie wallende Hitze in sein Gesicht stieg. Einerseits fühlte er sich geschmeichelt, wenn ihn jemand darauf ansprach, andererseits war es ihm mehr als unangenehm. »Ja, also, das waren wir beide.« Er deutete von sich auf Kai und dann wieder auf sich.

»Gut«, fuhr von Dauss fort. »Offensichtlich verstehen Sie Ihr Handwerk. Ich möchte Ihnen einen Job anbieten.« Er machte eine dramatische Pause, indem er erneut einen Schluck Wasser trank und danach das Glas in seiner Hand schwenkte, als handelte es sich tatsächlich um hundertfünfzig Jahre alten Brandy. »Eigentlich sind es zwei Jobs. Ich möchte, dass Sie Ivo Sunstein finden.«

»Hä?«, sagte Isana. »Sei doch froh, dass der Kerl weg ist.«

Von Dauss wandte sich an seine Tochter, lächelte gutmütig, ohne seine Augen mit ins Lächeln einzubeziehen, und sagte dann: »Ich will schon wissen, was der Kerl zu erzählen hat, Isi. Könnte ein wichtiger Zeuge sein.«

»Aber Sie wollen doch auf die Forderungen der Erpresser eingehen«, warf Ben ein.

»Richtig. Allerdings nur, weil ich meine Mitchell unversehrt wiederhaben will. Das heißt nicht, dass ich nicht will, dass die Kerle im Nachhinein den Arsch aufgerissen kriegen.«

»Klar«, sagte Ben, der sich bestens vorstellen konnte, dass Richard von Dauss eine Koryphäe im Ärsche-Aufreißen war. »Das war Job Nummer eins. Job Nummer zwei soll dann wohl sein, die Erpresser zu finden. Was das angeht, Herr von Dauss, muss ich Ihnen …«

»Darum geht es nicht.« Von Dauss schüttelte den Kopf. »Ich brauche jemanden, der das Geld abliefert und das Bild von den Erpressern holt. Dafür hätte ich mir ohnehin einen Privatdetektiv engagiert.«

»Deshalb habe ich euch ja gleich reingelassen. Weil ich dachte, Daddy hätte schon jemanden angerufen.«

Ben spürte, wie sein Puls an die Decke ging. Er sollte sich mit Schwerkriminellen an einem höchstwahrscheinlich ziemlich abgelegenen Ort treffen und regen Handel mit denen betreiben? Ihm war klar, dass Privatdetektive häufig für solche Jobs engagiert wurden – seinen Eingeweiden war jedoch alles andere als wohl dabei. Von Dauss schien sein Zögern zu bemerken und sagte: »Ich zahle Ihnen 5000 sofort und 5000, sobald das Bild wieder in meinem Arbeitszimmer hängt. Die Suche nach Sunstein rechnen Sie bitte nach Ihrem Tagessatz ab.«

»Machen wir!«, gellte es von Bens rechter Seite. Kai hatte offensichtlich eine Entscheidung getroffen. Feierlich streckte er Richard von Dauss quer über den Couchtisch die Hand entgegen, der sie mit einem skeptischen Blick in Richtung Ben einschlug. »Prächtig«, sagte er etwas zaghaft.

»Ja … prächtig!«, sagte auch Ben und gab sich Mühe zu lächeln. Dann bot er ebenfalls seine Hand zum Handschlag an. Darüber reden wir noch, Kollege, dachte er, und malte sich gleichzeitig aus, was er mit dem Geld anstellen würde – hauptsächlich offene Rechnungen bezahlen und damit das Sorgengefühl in seiner Magengegend für ein paar Wochen lang verkaufen. Dann sagte er: »Wir sollten einmal einen Rundgang machen, damit wir uns ein besseres Bild von dem Einbruch machen können.«

»Sehr gut«, sagte von Dauss. »So mag ich das! Nicht auf dem Arsch sitzen bleiben, bis die Anzahlung im Portemonnaie ist, sondern loslegen. Kommen Sie, wir starten im Keller.«

»Macht ihr mal alleine«, sagte Isana, und ihr Vater nickte.

»Och, kommen Sie doch mit«, schlug Kai mit einer Miene vor, die vor bitterer Enttäuschung zu zerfließen drohte, doch sie schüttelte nur lächelnd den Kopf. Ben spürte eine gehässige Schadenfreude in sich aufkeimen. Wenn die so scharf auf dich wäre, Siebert, dann wäre sie mitgekommen, dachte er und kam sich ein wenig schäbig dabei vor.

»Sie geht nie in den Keller. Hat sich auch früher schon immer geweigert«, sagte Richard von Dauss zu Ben und Kai, als sie die Kellertreppe hinabstiegen. Er sprach in jenem leisen Flüsterton, der Eltern zu eigen ist, die intime Geheimnisse ihrer Kinder ausplaudern.

»Aha«, sagte Ben und dachte, dass ihr womöglich seine Rescuetropfen helfen könnten, die er gegen sein krankhaftes Lampenfieber schluckte.

»So ein Glück«, meinte Kai mit einem Kichern. »Dann musste sie bestimmt als Kind nie Bier aus dem Keller holen.«

»Sie leidet darunter«, gab von Dauss knapp zur Antwort, ohne Kai dabei anzusehen.

Für den strafenden Blick sorgte Ben.

Richard von Dauss drückte einen Schalter am Fuß der Treppe, und ein seidig gelbes Licht erhellte ein schlauchartiges Gewölbe, von dem rechts und links einige sehr massiv wirkende Türen abzweigten. Die Kellerwände waren geziegelt, und Ben kam sich vor wie in der Kulisse einer kitschigen Mittelalterschmonzette. Bens Gehirn erwartete den Geruch von Erde und Feuchtigkeit, doch das Raumklima fühlte sich hier genauso angenehm an wie eine Etage höher. In der Wand eingelassene Leuchten sorgten für eine sanfte, indirekte Beleuchtung, die den Eindruck vermittelte, das Licht käme direkt aus der Wand.

»Geil, oder?«, fragte von Dauss und griente Ben und Kai an.

»Ich habe mir damals einen Weinkeller hinten links in dieser Art mauern lassen.« Er deutete mit dem Finger auf die letzte Tür im Gang. »Von einer meiner Baustellen hatten wir noch Ziegel übrig, da hab ich die Jungs hier gleich weitermachen lassen.« Er ließ ein satt krächzendes Lachen hören.

Ben und Kai zogen pflichtschuldig die Mundwinkel nach unten und die Augenbrauen nach oben und nickten anerkennend. Von Dauss drehte sich um und öffnete die erste Tür auf der linken Seite.

»Weinkeller?«, flüsterte Kai Ben zu. »Garantiert hat der eine SM-Höhle da hinten!«

Ben nickte konspirativ.

»Die Polizei meint, dass das eindeutig Profis waren«, sagte von Dauss, als sie den kleinen Keller betreten hatten. Das Licht war hier, im Gegensatz zum Gewölbekeller, so grell, dass Ben einen Moment die Augen zusammenkneifen musste, als von Dauss den Lichtschalter betätigte und eine wuchtige Hängeleuchte mit vier nackten Neonröhren den Raum förmlich erstrahlen ließ. Hier befanden sich zweckmäßige Metallregale, prall gefüllt mit Konserven, Waschmitteln und Getränken, mit denen man einige Wochen wohlgenährt – und mit sauberen Unterhosen – überleben konnte.

»Die haben mir erklärt, dass solche Funkalarmanlagen, wie ich eine hab, relativ leicht auszuhebeln sind.« Er zuckte mit den Achseln. »So’n Scheiß weiß man doch nicht. Hab dem Typen, der mir die angedreht hat, ordentlich den Marsch geblasen.« Er krächzte wieder, und Ben dachte, von Dauss hätte lieber mal seinen Kumpel Uwe fragen sollen. Bei dem hätte er Qualitätsware bekommen.

»Die Einbrecher haben wohl mit so einem Funkstörsender das Teil außer Kraft gesetzt. Dann haben sie das Tor zum Garten geknackt, und als Nächstes das Gitter vor dem Kellerfenster hier verbogen.« Er deutete auf das einzige Fenster im Raum. Das Gitter war an einer Ecke weit nach außen gebogen. »Ganz auf haben sie es nicht bekommen. Trotzdem hat es gereicht, dass sie ein Loch in die Fensterscheibe schneiden und durchgreifen konnten. Säcke!«

»Aber der Fensteröffner hat doch auch ein Schloss«, sagte Ben und deutete darauf.

»Richtig«, entgegnete von Dauss. »Der war auch abgeschlossen.« Er zog verdrossen die Schultern nach oben. »Wenn man unbedingt reinwill, ist der kein Hindernis.«

Ben nickte, und von Dauss berichtete weiter: »Einer der Ganoven ist dann in den Keller geklettert und nach oben gelaufen. In mein Arbeitszimmer.« Er presste die Lippen aufeinander und blies die Backen auf. »Bis nach oben hin war keine Tür mehr abgeschlossen. Wäre ja noch schöner, wenn ich in meiner eigenen Bude alle Türen abschließen muss, oder?« Er wartete die Antwort nicht ab und sagte: »Der hat das Bild einfach von der Wand genommen, ist seelenruhig durch die Verandatür in den Garten marschiert und hat seinem Komplizen das Bild durch so einen kleinen Schlitz zwischen Hecke und Mauer durchgeschoben. Passte gerade da durch, zeige ich euch gleich.«

»Nicht nötig«, sagte Kai feierlich. »Das haben wir schon gesehen.«

»Tja, Jungs. Wie es aussieht, seid ihr dann erst mal im Bilde.« Er machte eine Geste, die eher wie ein Scheuchen als ein Fingerzeig in Richtung Treppe wirkte. »Passt mir gut. Hab gleich den nächsten Termin.«

Zurück im Wohnzimmer, tauschten Ben und von Dauss Visitenkarten und Kai und Isana, die nach wie vor auf dem Sessel saß und ihr Glas in beiden Händen hielt, zuckersüße Blicke. Von Dauss versprach, dass er sich melden würde, sobald sich die Entführer näher zur Übergabe geäußert hätten, zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichbar zu sein. Er hoffte dabei inständig, dass es eine Tages- und keine Nachtzeit sein würde. Danach verabschiedete sich von Dauss mit Ich-quetsch-dir-die-Hand-zu-Mus-Teil-2 und verschwand mit federnden Schritten über die Treppe ins Obergeschoss.

Keine Minute später stand er wieder oben am Geländer der Galerie. In der Hand ein Bündel Geld. »Mann, Jungs! Fast hätte ich die Anzahlung vergessen. Hier, wie versprochen, 5000. Aber dafür erwarte ich, dass ihr euch auch mächtig ins Zeug legt.« Er warf es lässig in Bens Richtung, der eher eine Abwehrreaktion vollführte als eine mannhafte Fangbewegung. Eher zufällig fing er das mit einem Gummiring umwickelte Päckchen trotzdem.

Kai drohten beim Anblick des Geldes die Augen aus dem Kopf zu quellen, und auch Ben war sprachlos. Wer mal einfach so 5000 Euro übers Geländer warf, hatte garantiert noch ein paar Mäuse mehr im Safe. Ben bedankte sich höflich mehrere Male und steckte das Geld in seine Innentasche. Als er hörte, wie Richard von Dauss das zweite Mal die Tür seines Arbeitszimmers hinter sich schloss, sagte Ben: »Tschuldigung, Isana, wenn ich neugierig erscheine … darf ich fragen, was mit deiner Mutter ist?«

»Gestorben«, entgegnete Isana ohne Umschweife. »Vor drei Jahren.«

»Oh, das tut mir leid«, sagte Ben, und Kai nickte betreten.

»Ist sie irgendwo auf den Fotos?«, fragte Ben, dem aufgefallen war, dass eigentlich keine Person, die als Mutter oder Ehefrau durchgehen würde, auf den Motiven zu erkennen war.

»Nee. Dad sagt, dass er das nicht aushalten würde, ihr Bild hier immer zu sehen.«

»Ah, das verstehe ich«, antwortete Ben. »Ich denke, wir gehen. Oder Kai?« Er sah seinen Freund auffordernd an.

»Eins noch«, sagte dieser mit wichtiger Miene. »Hab ich gerade erst dran gedacht. Nur falls aus irgendeinem Grund Ben nicht rangehen kann …« Ben verschraubte die Augen, weil er ahnte, was kommen würde. »Ich schreib dir … also euch … lieber auch mal meine Handynummer auf.« Er tastete von außen seine Jacke ab, als suchte er einen Stift und einen Zettel.

»Tolle Idee«, entgegnete Isana, die aufsprang, zu einer Schublade rannte und mit den nötigen Schreibutensilien zurückkam.


»Meine Güte! Was ist das denn für ein Umgang mit meinen Klienten?«, brach es aus Ben heraus, als sie wieder draußen waren und in Richtung Auto gingen.

»Unseren Klienten«, antwortete Kai. »Ich bekomme schließlich genauso wie du 5000 Schleifen für den Job. Reich mal bitte die zwei-fünf schon mal rüber, bevor da was drankommt.« Er hielt Ben demonstrativ die geöffnete Handfläche entgegen.

»Warte ab, Kollege. Doch nicht mitten auf der Straße. Außerdem bin ich der ausgebildete Privatdetektiv. Und du bist nur der Assistent.«

»Das hättest du wohl gerne, Alter. Kannst du ganz schnell mal vergessen! Ausgebildeter Detektiv!« Er stieß einen schrillen, kurzen Lacher aus. »Dein Kurs geht ja gerade erst drei Monate. Außerdem bist du ja nur eifersüchtig, dass sie nichts von dir wollte.«

»Klar, von dir wollte sie natürlich was …« Ben machte eine wegwerfende Handbewegung. »Blödsinn.«

»Alter, gönn mir das ruhig. Die einzige Frau, die in letzter Zeit mit mir geredet hat, ist die Stimme aus meinem Navi.«

Sie hatten das Auto erreicht, und Ben schloss die Tür seines Fords auf, setzte sich in aller Ruhe hinein und zog gemächlich den Verriegelungspinn der Beifahrertür hoch. Für eine Zentralverriegelung war seine Möhre um Jahre zu alt. »Jaja, mach du man«, sagte er und ließ den Motor an. »Lass uns lieber über diesen Ivo reden. Kommt es dir logisch vor, dass der am Montag den Einbruch gesehen hat? Schließlich hat der erst heute Morgen bei mir angerufen.«

»Kann doch sein. Vielleicht hat der gestern den ganzen Tag überlegt, was er machen soll. Zur Polizei konnte er ja schlecht gehen mit seinem Abstandsdingsda.«

»Kontaktverbot«, sagte Ben wichtigtuerisch und fühlte sich, juristische Fragen betreffend, seinem Freund weit überlegen. Dann fuhr er fort: »Ansonsten klingt’s logisch. Und ins Hotel ist er vielleicht gegangen, weil er wusste oder zumindest geahnt hat, dass die Einbrecher ihn gesehen haben.«

»Ja, und? Die kennen ihn doch nicht. Wenn die ihn nur gesehen haben, wissen die doch nicht, wer das war.«

»Also, dass Isana von Dauss einen Stalker hat, werden schon einige Leute wissen. Eventuell auch die Diebe, wenn die vorher ihre Hausaufgaben gemacht haben. Herauszufinden, wie der Stalker dann heißt, ist nicht so kompliziert.« Ben stieg heftig auf die Bremse, weil das unvermeidliche B 1-Stauende schneller auf ihn zugerast kam als erwartet. Wieder einmal hatte er beim Nachdenken und Reden seine Fahrweise auf Autopilot gestellt.

»Mann, diese Isana ist ganz schön scharf, oder? Verdammte Hacke!«, meinte Kai.

»Bleib doch bitte einmal bei der Sache!«

»Gut«, sagte er beschwichtigend. »Ich fasse mal zusammen. Ivo schlägt sich bei von Daussens in die Büsche und beobachtet den Einbruch. Die Diebe sehen ihn und wollen ihm ans Leder. Er schafft es, sich zu verdrücken. Mist, denkt er, jeder, der ein bisschen Grips hat, findet meinen Namen raus. Also traut er sich nicht nach Hause, sondern marschiert ins Hotel. Dort glotzt er den ganzen Dienstag die Pornosender rauf und runter und überlegt, was er machen soll. Blöde Situation. Und kommt dann auf die Idee, Superhirn Ben Pruss anzurufen, der die Kohlen für ihn aus dem Feuer holen soll.«

»So wird es wohl gewesen sein. Auch wenn ich eher annehme, dass er seine portable Isana-Galerie im Handy rauf und runter geglotzt hat und nicht die Pornosender.«

»Garantiert! Und da er nicht bei dir erschienen ist, kann das vielleicht bedeuten …« Der Verkehr setzte sich langsam in Bewegung, doch Bens Autopilot stand nach wie vor auf der Bremse. Er blickte Kai vielsagend an: »Dass die ihn erwischt haben.«

KAPITEL 2

Das Kapitel, in dem Ben und Kai eine sehr innige Verbindung eingehen und etwas Grausiges aus dem Kleiderschrank fällt.

Gleißendes Licht, wo lange Zeit nur Schwärze war. Seine Augen blieben einige Sekunden blind, dann erkannte er den schemenhaften Umriss einer Person, die vor dem geöffneten Kofferraum stand. Neben ihr wurde langsam ein rosafarbener Abendhimmel sichtbar. Eine goldene, tief stehende Sonne blendete ihn. Er sog gierig die frische Luft ein, die auch sein schweißnasses Gesicht kühlte. Er ahnte es. Zum letzten Mal die Sonne. Zum letzten Mal frische, kühle Luft. »Bitte«, begann er mit trockener Stimme. »Bitte. Ich hab nichts gesehen. Ich werde nichts verraten.«

Die Person vor ihm öffnete schweigend ein Seitenfach im Inneren des Kofferraums. Erst das Reißen eines Klettverschlusses, dann ein Knistern. Eine durchsichtige Plastiktüte kam in sein Blickfeld. »Nein, bitte nicht.« Er weinte, und sein Körper zuckte nutzlos hin und her. Durch den Tränenschleier hindurch konnte er nichts mehr erkennen, doch er spürte, dass die Plastiktüte mit einem Ruck über seinen Kopf gezogen wurde. Wenige Sekunden später hörte er das ratschende Geräusch. Ihm war im ersten Moment nicht klar, was es verursacht hatte. Die Erkenntnis, dass es ein Kabelbinder war, kam so schlagartig, wie ihm in seinem geschrumpften Universum die Luft ausblieb. Alle Schreie, alles Flehen endgültig erstickt. Durch seine Tränen und den Dunstschleier auf der Tüte schimmerte der Himmel über ihm wie ein allumfassendes Feuer. Hölle!, war der letzte Gedanke seines Lebens. Dann das dumpfe Schlagen des Kofferraumdeckels. Dunkelheit.


Die Adresse des Hotels herauszubekommen, in welchem Ivo Sunstein abgestiegen war, stellte sich als unerwartet simpel heraus. Nichts weiter als eine Fleißarbeit. Ben hatte den Telefonhörer gegriffen, alle Hotels in der Nähe seines Büro/Probenraums angerufen und an den Rezeptionen verlangt, mit Ivo Sunstein verbunden zu werden. Beim dritten Versuch hatte er Erfolg. Der Vermisste war im Cheraton Inn abgestiegen, welches keine zehn Minuten zu Fuß entfernt lag. Der Herr am Empfang setzte ihn darüber in Kenntnis, dass Ivo Sunstein am Morgen das Hotel verlassen habe und seitdem nicht wieder aufgetaucht sei.

»Wir sollten noch bis morgen warten«, sagte er zu Kai, nachdem er aufgelegt hatte. »Wenn er bis dahin nicht wieder aufgetaucht ist, werden wir uns mal in seinem Zimmer umsehen.«

»Oh, oh. Du meinst doch wohl nicht etwa, dass du da mit deinem Universal-Schlüsselsatz einsteigen willst?« Kai hüstelte gekünstelt und zwinkerte seinem Freund zu.

»Mittlerweile bin ich echt gut darin.« Im letzten Jahr hatte Ben von seinem alten Schulfreund und notorischen Kleinst- bis Kleinkriminellen Uwe die Geheimnisse des »Lockpicking« gelernt – die Kunst, Türschlösser schadfrei zu öffnen. Und seitdem hatte er reichlich trainiert. Wenn auch erst ein einziges Mal unter »echten« Bedingungen, als er beim Varietéfall in die Garderobe eines Künstlers eingestiegen war. »Wohl ist mir bei dem Gedanken nicht, muss ich zugeben.«

»Und was machen wir jetzt?«

»Ich weiß nicht, was du machst. Aber ich habe heute Abend noch einen Auftritt in Hörde und muss mir überlegen, was ich da überhaupt zeige. Ich habe keinen Bock, heute irgendwas Großartiges vorzubereiten«, sagte Ben, der von seinem Platz aufgestanden und zum Fenster gegangen war. Er öffnete es, und eine angenehme Brise durchschnitt den stickigen Mief in seinem Büro/Probenraum. »Ah. Das tut gut.« Er atmete tief ein.

»Mann, Alter!«, grummelte Kai. »Und was ist, wenn sich die Entführer in der Zeit melden, wenn du gerade einen Kartentrick versemmelst?«

Unten auf der Straße saß jemand in einem dunkelblauen BMW und blickte zu Ben hinauf. Der bemerkte seinen heimlichen Beobachter nicht und füllte seine Lungen ein zweites Mal mit feinstem Ruhrpottdunst. »Ach, das ist so’n Charity-Ding. Halbe Stunde für ’nen guten Zweck. Rein. Show. Wieder weg. Und übrigens, bei einem Auftritt hab ich seit Jahren keinen Trick versemmelt. Ich bin Profi!«

Die Person im BMW griff in ein schwarzes Ledermäppchen, welches neben ihr auf dem Beifahrersitz lag, und holte einen Computerausdruck daraus hervor. Ihr Blick wechselte zwischen dem Ausdruck und Ben hin und her.

»Wird wohl keiner anrufen in der Zeit … Hoffe ich zumindest.«

»Na, hoffen wir beide mal. Lass bloß bei der Show dein Handy an«, entgegnete Kai, während Ben das Fenster wieder schloss.

»Jaja. Läuft schon. So, und jetzt raus hier. Ich muss auch noch mein Hemd bügeln.«

Die Person im BMW nickte und legte die Mappe zurück auf den Beifahrersitz.


Richard von Dauss hatte sich weder am Abend noch in der Nacht bei Ben gemeldet. Zum Glück, denn Ben hatte gedankenverloren und lampenfiebergepeinigt sein Handy kurz vor dem Auftritt auf stumm geschaltet und bis zum Morgen um 05:05 Uhr nicht mehr daran gedacht. Dann war die Erinnerung mitten im schönsten Schlummer mit einem Hammerschlag über ihn hereingebrochen. »Lass ihn nicht angerufen haben. Lass ihn bloß nicht angerufen haben«, hatte er mehrfach gewimmert, während er im Dunkeln nach seinem Handy tastete. Danach war, trotz tonnenschwerer Erleichterung, an Schlaf nicht mehr zu denken gewesen.

Ivo Sunstein war nicht wieder aufgetaucht. Ben hatte es um acht und dann noch einmal kurz vor elf versucht. Gerade wollte er Kai denselben unausgegorenen Schlachtplan wie am vorherigen Nachmittag machen, Ivo Sunsteins Hotel zu besuchen, als sein Handy klingelte.

»Von Dauss hier«, donnerte der Anrufer. »Es geht los. Die Ganoven haben angerufen und mir mitgeteilt, dass ich gleich weitere Angaben erhalten werde, wann und wo die Übergabe vonstattengehen soll.«

»Sehr gut«, sagte Ben, der die Gefühlsexplosion in seinem Bauch alles andere als sehr gut fand. Er drehte sich zu Kai, der, wie er selbst, am Küchentisch saß und mit seinem dritten Frühstück und irgendeiner Tipp-und-Klick-Arbeit am Laptop beschäftigt war. Ben riss die Augen auf und verzog den Mund zu einem stummen Schrei. Er legte die Brötchenhälfte, in die er gerade reinbeißen wollte, zurück auf den Teller. Ihm war der ohnehin nur mäßige Vormittagsappetit vergangen. Sollte der doch ruhig übergangslos in einen ohnehin nur mäßigen Mittagsappetit hinübergleiten. »Wir machen uns gleich auf den Weg, Herr von Dauss. Haben die Diebe noch irgendwas gesagt?«

»Kein Wort. Ich habe nur schon mal erwähnt, dass ich zwei Leute schicken werde. Darauf wollte der Typ sich zuerst nicht einlassen. Als ich klarstellte, dass Sie mein Unterhändler sind und Ihr Kollege ein Kunstexperte, der die Echtheit des Bildes bestätigen soll, hat er eingelenkt.«

»Ich weiß Bescheid. Dann bis gleich«. Er legte auf und blickte Kai mit aufgeregter Miene an. »Na, dann los, du Kunstexperte.«


Erst um dreizehn Uhr klingelte das Telefon bei Richard von Dauss erneut. Seit sie gegen halb zwölf beim Haus der von Dauss’ eingetroffen waren, saßen Ben und Kai gelangweilt auf der Couch herum und spielten mit ihren Handys. Richard von Dauss hatte ihnen nur kurz die Plätze zugewiesen und eine Flasche Wasser mit zwei Gläsern hingestellt. Dann war er ins Obergeschoss verschwunden, um zu arbeiten. Diesmal roch es weder zart nach Limone, noch war eine dezente Musikuntermalung aus den versteckten Lautsprechern zu vernehmen. Zu Kais Missfallen war zudem weit und breit keine Isana zu sehen, die ihm mit ihren zuckersüßen Blicken den Kopf verdrehen konnte.

Im Obergeschoss klingelte das Telefon. Gleich darauf öffnete sich die Tür von Richard von Dauss’ Arbeitszimmer, und er eilte mit dem hoch über seinen Kopf erhobenen Mobilteil die Treppe hinunter. Beim dritten Klingeln nahm er das Gespräch an und meldete sich mit einem tonlosen »Hallo?«. Er nahm das Telefon vom Ohr und drückte den Knopf für die Freisprecheinrichtung. Eine derbe Männerstimme ohne vernehmbaren Akzent brummte: »Setzen Sie sich ins Auto und fahren Sie nach Bittermark. Ecke Lots Siepen und Bittermarkstraße stellten Sie Ihr Auto ab. Gehen Sie den Waldweg hinter der Schranke entlang. Immer geradeaus. Ungefähr nach zehn Minuten finden Sie einen Baum mit einem Pfeil. In diese Richtung gehen Sie weiter. Dann kommen Sie ans Ziel. Keine Handys, keine Polizei. Sollten wir das Gefühl haben, irgendwas ist nicht in Ordnung, verschwinden wir, und Sie hören nie wieder von uns. Haben Sie das verstanden?«

Ben, der mit zittrigen Fingern die simplen Anweisungen mitgeschrieben hatte, nickte stumm mehrere Male in von Dauss’ Richtung.

Dieser beachtete ihn gar nicht und antwortete: »Natürlich. Ich bin ja nicht blöd. Wie es mit Ihnen steht, bin ich mir allerdings nicht sicher. Ich habe beim letzten Telefonat laut und deutlich vermittelt, dass nicht ich kommen werde, sondern mein Unterhändler zusammen mit einem sachverständigen Kunstprofessor.«

»Die sollen sich beeilen«, sagte die Stimme am anderen Ende lapidar. Dann wurde aufgelegt.

Ein paar Sekunden blieb es still im Raum, niemand rührte sich. Ben stellte fest, dass er die Luft angehalten hatte, und gab sich jetzt Mühe, nicht allzu lautstark Luft zu holen. Gerne hätte er über den Kunstprofessor Siebert gelacht, doch das musste warten. Er war zu nervös und sehnte sich nach seinen Rescuetropfen, die er immer in der Jackentasche mit sich trug. Gleich im Auto würde er sich eine ordentliche Portion davon einverleiben. Bis dahin musste er Stärke, Tatendurst und Energie vortäuschen. »Na, dann mal los!« Er klatschte in die Hände. »Wo ist das Geld?«, fragte er.

»Da drüben, im Rucksack.« Von Dauss zeigte auf einen schwarzen Wanderrucksack, der schon die ganze Zeit auf dem gefliesten Boden neben dem Fernseher gestanden hatte. Von Dauss ging hin, öffnete den Reißverschluss und zeigte Ben und Kai den Inhalt. »30.000 Euro. Wie besprochen.«

Ben wünschte sich, von Dauss hätte ihm das Geld nicht gezeigt. Jetzt, da er die 30.000 in glatten Bündeln aus Fünfzig-Euro-Scheinen mit eigenen Augen gesehen hatte, drohten seine Beine unter ihm schlappzumachen. Sein Mund wurde trocken, und es piepste in seinen Ohren. »Okay, geben Sie her«, sagte er mit weit mehr Entschlossenheit in der Stimme, als er fühlte, dann blickte er auf seine Notizen. »Ich kenne das. Da ist ein kleiner Parkplatz direkt am Wald.«

»Na, dann los«, sagte von Dauss. »Bringen Sie meinen Schatz zurück! Und dass da bloß nichts drankommt, sonst …« Er ließ das Ende des Satzes unausgesprochen. Dann griff er in seine Hosentasche und fischte einen Autoschlüssel hervor, den er Ben vor die Nase hielt.

»Ach so. Sollen wir mit Ihrem Auto fahren?«, fragte dieser irritiert.

»Vor der Tür steht ein Mercedes Vito Transporter. Oder wollen Sie das Bild zusammenfalten und in ihrem Fiesta durch die Gegend schaukeln?«, antwortete Richard von Dauss ohne einen Anschein von Humor in der Stimme.

Oh Mann, Ben hatte vollkommen vergessen, dass der Schinken riesig war. Am liebsten hätte er sich eine Ohrfeige verpasst, und auch Kai guckte, als ob er es ihm liebend gern gleichtun würde.

»Natürlich nicht«, gab er kleinlaut zurück und nahm den Schlüssel an sich.

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9783954415694
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