Читать книгу: «Tierkommunikation mit Gänsehaut», страница 5

Шрифт:

Über diese Mysterien wollte ich auf meinem langen Rückweg zur Frühstückspension nachdenken. Also dankte ich der Tigerin, sang ihr noch ein letztes Liebeslied und blinzelte ihr zum Abschied zu. Doch als ich mich umdrehen wollte, sagte sie: „Geh auf die andere Seite des Geheges und schau durchs Fenster. Er wartet dort auf dich und will dir auf Wiedersehen sagen.“ Ich befolgte ihren Rat und ging den Hügel hinunter auf die andere Seite des Geheges. Bei seinem Anblick geriet ich vor Begeisterung ins Stolpern und wäre fast hingefallen. Am Fenster wartete ein riesiger sibirischer Tiger auf mich, der fast schon die Schnauze an die Glasscheibe drückte. Sein massiver Kopf füllte das ganze Fenster aus.

Dieser Tiger hatte eine ganz andere Persönlichkeit als die Tigerin, die mich fast bedrohlich angestarrt hatte. Er war ein unwiderstehliches, dreihundert Kilo schweres Geschöpf, und alles, was ich mir wünschte, war, zu ihm ins Gehege zu gehen, um ihn zu umarmen und seine karamellfarbene Riesenschnauze abzuknutschen. Sibirische Tiger sehen aus wie tibetanische Mönche, und manche von ihnen haben auch eine ganz ähnliche Persönlichkeit. Ich blinzelte dem prächtigen Tiger zu, und er blinzelte zurück. Dann erklärte ich, dass ich da war, um ihn kennenzulernen, weil ich an einem Kapitel über Tiger schrieb und seine Sicht des gefährdeten Status der Tiger hören wollte, da die Menschen schon fast alle Tiger auf der Erde ausgerottet haben und sie in wenigen Jahren ausgestorben sein werden.

„Ich weiß!“, sagte er. Ich bereitete mich auf ein weiteres Verschwinden wie von Zauberhand oder irgendeinen neuen übersinnlichen Akt vor. Doch er stand nur keuchend und grinsend da. Dann bedachte er mich mit dem schnurrenden Brüllen, das die Begrüßung nach Tigermanier ist. Was für ein Charmeur!

Ich hielt den Atem an. „Hast du eine Botschaft für die Menschheit?“, fragte ich verzweifelt.

„Ja, hab ich“, sagte er. Er drehte sich um und streckte mir sein enormes pelziges Hinterteil entgegen.

„Sag den Menschen, sie können mich mal!“

Das war die Botschaft des Königs des Dschungels! Und leider muss ich ihm voll und ganz zustimmen. Ich habe jedoch eine bessere Idee: Lassen Sie uns damit anfangen, die Kinder in China zu schulen, damit ihre Generation, die Generation ihrer Kinder und deren Kinder lernen, Tiger zu schätzen und eine gefährdete Tierart in all ihren prächtigen Formen zu schützen.

Wofür stehen Tiger?

Unabhängigkeit.

Welche Bedeutung hat das für Sie? Für mich bedeutet Unabhängigkeit geistige und gefühlsmäßige Unabhängigkeit, insbesondere in Herzensangelegenheiten. Wahre Unabhängigkeit zu erreichen bedeutet, dass ich nie mehr einen Weg einschlage, der meine Integrität kompromittiert, und dass ich niemals zulasse, dass mein Instinkt durch Korruption unterdrückt wird, so dass ich meine innere Stimme nicht mehr hören kann. Meine Lektion in Unabhängigkeit - als ich mich gegen meine Seele, meine eigenen „Leute“ (die Tiger) stellte, um mich den Falschen anzupassen, war schmerzhaft. Erst durch die Fehler, die ich gemacht habe, kann ich heute versichern, nie mehr vom richtigen Weg und der Klarheit, die er bringt, abzukommen - selbst wenn ich ihn alleine gehen muss.

Im Tigertempel versuchten mehrere Lehrmeister, mir Unabhängigkeit nahezubringen, um mich aus meinem Käfig zu befreien. Wir können die Tiger nicht aus ihren Käfigen befreien, solange wir uns nicht aus unserem eigenen Käfig befreit haben. Können wir unabhängige Denker sein, ohne auf die Stimmen unserer Väter, Mütter, Partner oder Altersgenossen zu hören, die in unserem Kopf erschallen? Können wir lernen, stattdessen auf Gottes Stimme zu hören?

Was werde ich tun, wenn ich gezwungen werde, mich zwischen der Wahrheit und einem minderwertigen Glaubenssystem entscheiden zu müssen? Ich werde springen. Ich werde mich dazu entscheiden, Täuschungen zu durchschauen. Ich werde mich für den Glauben an mich selbst und an all das, was aus mir geworden ist, entscheiden. Ich werde mich für die Unabhängigkeit entscheiden.

Wie mir heute klar ist, ist der einzige Weg, Frieden mit der Welt um mich herum und in meinem Inneren zu schließen, indem ich aus meinem authentischen Selbst heraus brülle. Es ist ein rebellisches wahres Selbst, das sich gegen die Konventionen früherer Generationen widersetzen muss, selbst wenn es unbequem ist. In dieser spirituellen Unabhängigkeit schwören wir, beständig auf Kurs zu bleiben, egal wie verzweifelt die Situation auch sein mag. Diese Form von Unabhängigkeit - dieses Vertrauen in Gott - ist, wofür der starke Tiger steht. Meine Tante Rue hat das in ihrem letzten Lebensjahr bewiesen. Bei ihren Lektionen in Unabhängigkeit ging es um die Unabhängigkeit von der Lähmung, von der Statistik der Patienten, die vor ihr einen Schlaganfall erlitten hatten, und sogar von einem potenziellen Todesurteil. Sie entschied sich dafür, weder an die Prognose der Ärzte zu glauben noch sich davor zu fürchten. Sie entschied sich, stattdessen Gott, mir und den Tigern zu vertrauen. Für mich ist das wahre Unabhängigkeit.

2. Elefanten

Gute Schwingungen


Trockne deine Tränen, Afrika! Wir haben schon aus allen Quellen des Unglücks und der Herrlichkeit getrunken. Und unsere Sinne sind nun für die Pracht deiner Schönheit offen. Für den Duft deiner Wälder. Für den Zauber deiner Gewässer. Für die Klarheit deines Himmels. Für die Zärtlichkeit deiner Sonne.

- Bernard Binlin Dadie Dry Your Tears, Afrika, 1967


Heute Vormittag sitze ich vor meinem Zelt im Süden von Luangwa. Im Hof befinden sich Nilpferde, und auf meinem Schreibtisch klettern Affen herum und klauen meinen Toast. (Was ich gehofft hatte!) In den vergangenen vier Tagen schrieb ich wie eine Besessene am Tigerkapitel und an Geschichten über die Frösche, die ich täglich an den unglaublichsten Orten entdeckt habe - sogar im Inneren meiner Klopapierrollen.

Gestern saß ich nach dem Frühstück am Fluss und fing an zu schreiben. Plötzlich bemerkte ich, dass die Sonne schon unterging, ich fror und voller Mückenstiche war. Das Personal sagte mir, ich hätte über acht Stunden lang ohne Pause geschrieben. Ich hatte ganz vergessen, zu essen und zu trinken. Das war mehr, als ein Autor sich wünschen könnte.

Doch nachdem ich mir gestern Abend zum Ziel gesetzt hatte, das Tigerkapitel heute fertigzustellen, machte ich einen Spaziergang und traf in einem Nachbarcamp auf meinen Lieblingselefanten, Prinzessin Naughty Tusk, und vier ihrer Verwandten. Ich sagte den fünf Elefanten, dass ich im Camp nebenan in Zelt Nummer fünf untergebracht war, und bat sie, sich morgen früh hier an meinem Zelt mit mir zu treffen. Es ist für sie ein ziemlich langer Marsch bis zu meinem Zelt, denn Nummer fünf liegt am anderen Ende des Camps.

Heute früh wachte ich von donnerndem Lärm auf. Die ganze Elefantenherde hatte sich um mein Zelt versammelt! Zwar verbietet die Campverwaltung es uns Touristen, den Elefanten nahezukommen, aber ich nahm meine Kaffeetasse trotzdem nach draußen, setzte mich hin und rief sie herbei. Alle fünf Elefanten kamen bis auf anderthalb Meter an mich heran. Es war einer der berauschendsten Momente in meinem Leben. Nun ist das Camp in Aufruhr, da alle Mitarbeiter darüber reden, dass die Elefanten sich heute früh um Zelt Nummer fünf versammelten und nicht weichen wollten. Sie brachten mir ein winziges Elefantenbaby mit und schoben es nach vorne, damit ich es mir ansehen könne. Die Kleine stand nur einen Meter von mir entfernt. Mir kamen vor Rührung die Tränen. Ich war noch nie einem afrikanischen Wildelefanten so nahe gekommen, und schon gar nicht einem Elefantenbaby. Ich dachte, mein Herz würde gleich vor Begeisterung bersten!

Sogar mich machte es ein wenig nervös, als die fünf Riesen mich besuchten, um mit mir zu reden. Doch ich bemühte mich, ruhig zu bleiben, und ich fragte sie, was sie mir mitteilen wollten. Prinzessin Naughty Tusk, die Mutter der Herde, sagte: „Beende das Tigerkapitel heute! Jetzt sind wir an der Reihe!“ Sechs Tonnen pure Freude sollte man nicht warten lassen! Also lassen Sie uns am Anfang beginnen. Ich erzähle Ihnen jetzt, wie es zu meiner Leidenschaft für Dickhäuter kam.

Gib Gott eine Erdnuss

Ich war damals vier Jahre alt. Es muss im Winter gewesen sein, weil ich mich noch daran erinnern kann, dass ich meinen Atem sehen konnte, während ich mich erwartungsvoll keuchend auf die Zehenspitzen stellte und über den Zaun schaute. Das war im Zoo von New Jersey. Ich erinnere mich daran, wie sich von hinten Arme um meinen warmen Mantel legten und mich aufhoben - ob die meines Vaters, meiner Mutter oder Großmutter, weiß ich nicht mehr -, damit ich dem Elefanten die Erdnuss vor den Rüssel halten konnte. Es war Anfang der 1970er, lange bevor die „gefährlichen“ Elefanten in die Hochsicherheitsgehege von heute gesteckt wurden, die sie von Kindern fernhalten. Ich werde das Gefühl nie vergessen - mein spontanes Jauchzen, als die warme, feuchte Rüsselspitze sich mir entgegenstreckte und sich um meine zitternden Fingerchen wickelte, um behutsam die Erdnuss entgegenzunehmen. Ich ließ die Nuss in die weiche, muskulöse Öffnung fallen, so als würde ich eine Kugel in den Lauf eines Gewehrs aus Samt stecken.

Dieser Augenblick, in dem Zeit und Raum stehen blieben, war meine erste Erfahrung mit Staunen, Ehrfurcht und unbeschreiblichem Entzücken. Es war der Augenblick, in dem mein Leben anfing. Es war der Tag, an dem ich auserwählt wurde. Der Elefant suchte zwischen all den anderen klebrigen Kinderfingern in der Menge meine Hand aus. In diesem Moment wurde ich in die Arme Ganeshas katapultiert. In dieser Sekunde berührte ich das Gesicht Gottes.

Seitdem setze ich alles daran, noch einmal die Chance zu bekommen, Gott noch eine Erdnuss geben zu können. Und mein Lebenswerk ist der Versuch, diese wundervollen Tiere zu schützen, damit auch andere Vierjährige an der Pracht und Herrlichkeit der verzaubertsten wilden Geschöpfe Gottes teilhaben können. Helfen Sie mir, Visionen von einer Zukunft zu erschaffen, in der dieses zerbrechliche Glück erhalten werden kann?

Im Laufe der letzten zehn Jahre hatte ich immer wieder beim Einschlafen dieses Bild vor Augen: Elefanten marschieren an mir vorbei - nicht in einer lustigen Parade wie im Zirkus, sondern ernst, majestätisch und würdevoll. Sie wirbeln Staubwolken auf und verschwinden hinter dem Horizont. Ich kann ihnen nachschauen, während sie diese Welt verlassen. Sie sind gekommen, um Abschied zu nehmen. Warum wurde ich für diesen wehmütigen Segen auserkoren? Elefanten sind Zeit meines Lebens meine Leidenschaft, doch wie die Gorillas, die mich auch beim Einschlafen besuchen, sind sie erst seit kurzem zu meiner Besessenheit geworden. Ich vermute, sie besuchen mich - wie die Gorillas -, damit ihre Geschichte erzählt wird, bevor sie für immer von uns gehen. In den verborgenen Winkeln meines Bewusstseins höre ich sie trompeten; es klingt wie der Schlachtruf eines Camelot aus ferner Vergangenheit. Diesmal suchen sie sich eine neue Welt, in der sie vollständig und unversehrt leben und gedeihen können, ohne von Menschen bedroht zu werden.

„Noch zwanzig Minuten“

Mein erstes wundersames Erlebnis mit afrikanischen Elefanten hatte ich, als ich zu einem Wildpark namens Pilanesberg hinauffahren wollte, der ungefähr zwei Autostunden nördlich von Johannesburg liegt. Die Fahrt mit meiner witzigen Workshop-Organisatorin Sandy erinnerte mich an eine Episode von I Love Lucy, da wir immer wieder in die unmöglichsten Situationen gerieten. Auf der gefährlichsten Straße Südafrikas, auf der man die Fenster hochkurbelt, die Türen verschließt und über die Ampeln fegt, um einen Überfall im Auto zu vermeiden, verfuhren wir uns und hielten vor einem Pub am Straßenrand, wo wir uns nach dem Weg erkundigen wollten. Im Pub fanden wir mitten am Nachmittag ungefähr ein Dutzend sturzbetrunkene Afrikaner vor. Alles, was ich wollte, war, Elefanten zu begegnen und ihnen zu sagen, dass ich sie lieb habe, während Sandy versuchte, mir dabei zu helfen. Es war, als wären wir aus einer Episode von I Love Lucy gefallen und hätten uns in einem Film von Quentin Tarantino verirrt.

Zwei eklige Tankstellen weiter bekamen wir schließlich eine Wegbeschreibung und rasten auf eines der Tore von Pilanesberg zu. Wir hatten uns so verspätet, dass wir Glück hatten, noch rechtzeitig anzukommen, bevor der Park geschlossen wurde. Nach der anstrengenden Fahrt in der Hitze wollten wir auf keinen Fall enttäuscht umdrehen müssen. Sandy kreischte mit ihrem köstlichen afrikanischen Dialekt: „Sag den Elefa-anten, dass wi-ir kommen! Sag ihnen, dass wi-ir kommen! Sie sollen auf uns wa-arten!“ Also raste ich einen holprigen Weg hinauf, während ich Staub einatmete und mir der Schweiß von der Stirn tropfte, und während ich versuchte, geistigen Kontakt zu den Elefanten aufzunehmen und sie zu bitten, uns entgegenzukommen. Man kann nämlich stundenlang durch den Wildpark Pilanesberg fahren, ohne einen einzigen Elefanten zu Gesicht zu bekommen. Es war also auch ohne unsere dreistündige Verspätung schon riskant genug gewesen, überhaupt herzukommen. Doch ich sandte meinen Radar aus und schickte den Elefanten die Bitte, sich mit uns am Tor zu treffen, ohne zu wissen, ob ich damit Erfolg haben würde. Ich war noch keinem von ihnen je begegnet, und daher schickte ich in Gedanken meine Liebe in den Park - in der Hoffnung, dass jemand mit einer sehr langen Nase und großen Ohren zufällig „online“ war.

Sandy und ich kamen am verkehrten Tor an. Man sagte uns, wir sollten zu einem anderen Tor weiterfahren - das ist etwas, worauf man in Afrika Gift nehmen kann: Irgendein strenger Beamter schickt einen immer woanders hin - und so fuhren wir wie die Irren zum anderen Tor. Als wir dort eintrafen, bekam Sandy vor Staunen den Mund nicht mehr zu, und mein Herz machte vor Freude einen Sprung. Am Haupttor wartete ein Elefantenbulle. Der Wärter sagte, ein solches Verhalten habe er noch nie erlebt. „Dieser junge Bulle kam ans Tor, als würde er jemanden erwarten.“ Offensichtlich hatte der Elefant meine Botschaft schon lange vor unserer Ankunft aufgefangen und hatte sich zum Tor aufgemacht, um uns zu empfangen. Ich nahm geistigen Kontakt zu dem riesigen Elefantenbullen auf und dankte ihm dafür. „Fahre zwanzig Minuten weiter, dann triffst du auf die Herde“, erklärte er mir. „Sie warten schon auf dich.“

Ich sagte Sandy Bescheid, und dann fuhren wir weiter. Der Park würde in weniger als einer Stunde schließen. Wenn dieser Bulle uns in die Irre führte, wären wir umsonst hingefahren. Doch die Elefantenherde enttäuschte uns nicht. Genau zwanzig Minuten Fahrt auf der kurvigen Straße kamen uns drei Elefanten entgegengetrottet. Dann waren es plötzlich vier, dann fünf und schließlich sechs Tiere, die auf die Straße liefen. Ich bekam vor Überraschung eine Gänsehaut. Sandy ist zwar eine ganz Coole, doch als ich einen Blick auf sie warf, sah ich, dass sie vor Freude zitternd auf dem Fahrersitz saß. Ihre großen, staunenden Augen werde ich nie vergessen. Sie war wieder eine Fünfjährige. Sie stellte den Motor ab, und wir blieben still sitzen, während die Herde unseren Wagen umkreiste.

Elefanten bewegen sich beim Gehen anmutig tänzelnd. Es ist eine Mischung aus Kraft und uralter Schönheit, die in der modernen Welt ihresgleichen sucht. In ihrer Gegenwart zu sein ist, als würde man sich im Beirat eines Gottes des Altertums befinden. Sie vermitteln einem das Gefühl, etwas sehr Ursprüngliches und Wichtiges zu spüren; die Atmosphäre, die sie ausstrahlen, ist mit vibrierender Magie aufgeladen. Es war ein Augenblick des Staunens und der Ehrfurcht, der erhörten Gebete, der gehaltenen Versprechen, des manifestierten Zaubers, des Nachweises für die Kommunikation zwischen verschiedenen Arten, der mein Leben für immer veränderte. Es war nur meine erste unfassbare Begegnung mit diesen herrlichen Geschöpfen. Das Elefantenwunder hatte erst begonnen.


Sie ist auf dem Weg zu mir. Sie kommt, um sich von mir zu verabschieden, weil es mein letzter Abend hier in meinem Zelt im Busch von Sambia ist. Die Eigentümer des Camps waren nicht sonderlich begeistert, als die ganze Herde den Fluss durchquerte und schnurstracks auf mein Zelt zusteuerte, doch selbst der skeptische Verwalter hatte ein Zwinkern in den Augen und ein Lächeln auf den Lippen, während er rief: „Sie sind gekommen, um Ihnen Auf Wiedersehen zu sagen!“

Daher muss ich Ihnen die Geschichte der frechsten Elefantendame der Welt erzählen, während ich den letzten Abend hier bei ihr verbringe. Vor Jahren fielen mir die Fotos eines Elefanten, der durch die Empfangshalle einer Holzhütte marschierte, in einer Ausgabe von National Geographic ins Auge. Ich hängte sie mit Reißzwecken an meine Zimmerwände, um sie jeden Tag betrachten zu können. Die Fotos sind frech, und die Elefantin scheint mit dem Rüssel über die Schultern der Gäste nach ihren Cocktails zu greifen. Nichts auf der Welt hätte mich mehr begeistert, als die Ehre zu haben, von einem wilden Elefanten berührt zu werden. Es wurde zu meiner tollsten Vorstellung - das Hotel zu finden und dabei zu sein, wenn diese Elefantengöttin durch die Lobby geht.

Als ich mit meinen Safariführungen anfing, sagte man mir, dass diese berühmte Elefantin, die Queen Wonky Tusk hieß, schon gestorben sei. Sie hatte einen krummen Rüssel. Die Hütte, die sie öfter aufsuchte, befindet sich hier im selben Nationalpark, in dem ich meine Safaris durchführe. Sie ist nur ein paar Meter weiter. Es soll in der Lobby einen Mangobaum geben, den die Elefanten lieben. Deswegen laufen sie jeden November durch, weil die Hütte direkt auf ihrem Weg liegt und weil sie gerne Mangos - die Lieblingsfrucht der Elefanten - zum Lunch verspeisen.

Im letzten Jahr wohnte ich in einer günstigen Hütte, um den Schulen, an denen Ark Angel arbeitet, näher zu sein. Wie schon gesagt: Ich gehe in die Schulen, um mit den Kindern über Elefanten zu sprechen, damit sie später nicht zu Wilderern werden. In den Schulen tanzen wir wie Elefanten, malen Elefanten und veranstalten Theateraufführungen über Wilderer, die Elefanten töten, und Pfadfinder, die Elefanten schützen. Ich hatte zwar noch nie in dieser Hütte gewohnt, doch sie lag näher an den Büros von Chipembele, in denen ich ehrenamtlich arbeite. An dem Abend, an dem ich eincheckte, hatte ich nicht vor, am nächsten Morgen um fünf an den Wildfahrten teilzunehmen, weil ich für meine Arbeit in der Schule fit sein wollte und Schlaf brauchte. In der Abenddämmerung sah ich eine Elefantenherde am anderen Flussufer. Sie war ziemlich weit weg vom Camp. Ich winkte ihnen zu und sagte ihnen, dass ich am nächsten Morgen nicht mitkommen könne, um ihnen zu begegnen. Könnten sie stattdessen vielleicht zu mir kommen?

Am nächsten Tag lag ich in meiner Hütte und schrieb an einem Drehbuch, in dem es unter anderem um die Erhaltung der Elefanten ging. Die Hütte lag abseits vom Weg und noch nicht einmal in der Nähe des Flusses, an dem ich sie gesehen hatte. Plötzlich hörte ich ein dumpfes Getrampel vor meinem Fenster. Vor Freude setzte mein Herz aus. Sie sind da! Sie sind gekommen! Du lieber Himmel! Danke, lieber Gott! Ich sprang atemlos auf, zog mir Schuhe an und öffnete vorsichtig die Tür. Draußen stand die Elefantenmutter auf meiner Türschwelle und wartete schon darauf, dass ich die Tür aufmachte! Ich erspähte hinter einem ihrer riesigen Ohren die ganze Horde, die sich um meine Hütte herum versammelt hatte! Ganz langsam und vorsichtig ging ich auf die Vorderveranda und entdeckte die Wächter, die wie erstarrt auf der anderen Seite des Hofs standen. Ängstlich starrten sie zu mir herüber. Die Elefanten traten von der Veranda herunter und ermöglichten es mir so, die Hütte zu verlassen. Also ging ich hinüber zu der offenen Lobby, setzte mich an die Bar und bestellte eine Cola. Außer dem Besitzer und ein paar Wachleuten war ich allein in der Lobby. Es war mitten am Nachmittag; die Mittagsgäste waren schon weg und die Abendgäste würden erst später auftauchen. So hatte ich die ganze Bar für mich - na ja, fast. Zum Glück hatte die Lobby ein sehr hohes, reetgedecktes Dach, so dass sich meine Teegesellschaft nicht die Köpfe an der Decke stieß.

Zuerst erschien die Elefantenmutter. Sie brachte mir ihr Baby. Dann kam ihre Schwester, die mir ihr Baby präsentierte. Zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich mich mit wilden Elefanten unterhalten. Die zweite Mama und ihr Kleines scheuten sich, in die Lobby zu kommen. Als die schüchterne Mutter ihr Kind durch den Raum führte, damit ich es kennenlernen konnte, hörte ich die Kleine fragen, während sie mich neugierig ansah: „Ist sie das?“ Ihre Mutter versicherte ihr, dass ich diejenige war, über die alle Elefanten gesprochen hatten. Ich kam mir ein bisschen wie Marilyn Monroe vor, die wiederauferstanden war - wie die Marilyn der Elefanten. Mittlerweile war der Eigentümer des Parks nahe dran, sich in die Hose zu machen, während die erste Elefantenmutter durch seine Lobby spazierte. Er befahl allen, sich ja nicht zu rühren, während die Elefantendame auf die Kaffeetheke zusteuerte und sich bedachtsam umdrehte. Ich glaube, sie fand es extrem unhöflich von ihm, ihr und ihrer Familie keinen Kaffee anzubieten, und ich teile natürlich ihre Meinung. Sie musterte mich, während sie friedlich an ihrer fünften Fußmatte kaute und er immer noch zischelte: „Rührt euch bloß nicht! Bewegt euch nicht!“

Das Zischen wurde lauter, als ein riesiger Elefantenbulle hinter den Elefantinnen auftauchte und seinen gigantischen Kopf in die Bar steckte, um mich zu begutachten. Ich bat ihn in Gedanken, sich mir nicht zu nähern, da der kleine Mann, der das Camp betrieb, drauf und dran war, einen Nervenzusammenbruch zu erleiden.

Trotz seines beschwörenden „Nein, Naughty! Nicht!“ kam die Elefantenmutter immer näher. Sie spazierte durch die Lobby und blieb fast eine Dreiviertelstunde, während wir Menschen uns nicht vom Fleck rührten. Ich traute mich nicht, mich ihr zuzuwenden, und sah nur aus dem Augenwinkel ihr mächtiges Hinterteil. Doch trotzdem konnte ich sehen, dass sie sanft schaukelte, den schönen Rüssel hin und her schwenkte und kaum merklich mit den riesigen sensiblen Ohren wackelte. Sie wartete geduldig auf eine Einladung. Würde ich wieder einmal auf einen instinktlosen Mann, der mich vor lauter Angst beherrschen wollte, hören und dafür mein Herz und mein besseres Wissen verleugnen? Schließlich kam ich wieder zu Sinnen und mir wurde klar, dass ich unhöflich war, weil ich sie nicht einlud, zu mir zu kommen. Wo waren meine guten Manieren?

„Naughty, wenn du mich hören kannst, dann komm her und küss mich aufs Gesicht“, bat ich sie stumm.

Mir schlug das Herz bis zum Hals, als sie mir den massiven Kopf zuwandte. Ein Auge war auf mich gerichtet. Ich spürte, wie meine Wangen heiß wurden. Ihre Ohren schlugen wie Türen, die auf- und zugehen. Sie hatte für fast eine geschlagene Stunde auf dem Abstellgleis gestanden, während ich wie eine Bescheuerte auf den kleinen Mann gehört hatte, statt auf mein Herz und die geliebte Elefantin zu hören. Hatte sie mich gehört? Oder hatte ich sie endlich gehört? Sie machte einen Schritt auf mich zu. Sofort kreischte der Betreiber des Camps hysterisch: „Rühren Sie sich nicht, Amelia! Rühren Sie sich nicht von der Stelle!“ Er ahnte natürlich nicht, was ich beruflich mache, und er hätte es auch sicher nicht geglaubt, dass ich sie hergerufen hatte. Sie durchquerte die Lobby und kam auf mich zu, als wäre sie auf einer Mission. Ich wagte kaum, mich ihr zuzuwenden. Aber eines kann ich Ihnen sagen: Als ihre Schritte näher kamen, schoss mir das Adrenalin durch den Körper und ich dachte, mir würde das Herz aus der Brust springen. Wie berauscht blickte ich auf den Boden und sah ihre Zehen - ihre wunderschönen großen Zehen - direkt neben meinem Sitzplatz stehen.

Sie blieb nur ungefähr einen halben Meter vor mir stehen. Ich konnte kaum atmen, so sehr begeisterte mich ihre Gegenwart. Am liebsten hätte ich mich an ihre Brust geworfen und die Arme um sie gelegt, doch stattdessen hörte ich immer noch auf den Betreiber und blieb starr wie eine Statue sitzen. Sie stieß mich sanft mit dem Rüssel in die Rippen, als wollte sie sagen: „Ist alles in Ordnung mit dir? Was ist los? Bist du tot?“ Meine natürliche Reaktion wäre natürlich gewesen, ihren Rüssel zu umarmen, doch stattdessen saß ich nur wie erstarrt da. Ich rührte keinen Finger, während mir die Tränen die Wangen herunterliefen.

Ihr Rüssel kam mir immer näher. Dann spürte ich ihn. Ich machte die Augen fest zu, als ich ihre Berührung fühlte. Ich wagte es nicht, die Augen wieder aufzumachen. Ich spürte, wie ein samtiger Saugnapf mir die Tränen im Gesicht wegküsste. Ich bebte vor Glück. Ich explodierte vor Freude, als würden sich alle Eiswaffeln, alle Wildblumen und Honigtöpfe dieser Welt zu meinen Füßen häufen, während uns ein Engel ein Menuett von Bach auf der Harfe vorspielte. Der Himmel hätte nicht näher sein können. Ich saß auf meinem Barhocker, wandte mich wohlig unter ihren warmen, kräftigen Küssen, und weinte.

Sie wickelte ihren Rüssel sogar in einer Umarmung um mich. Dann entschied sie, dass sie ihr Vorhaben beendet hatte, führte ihre Familie aus der Lobby heraus und alle marschierten weg. Aber falls Sie sich fragen, wie sich ein Elefantennasenkuss anfühlt - nun ja, im Gegensatz dazu kann ein Staubsauger einpacken. Ich fühlte mich wieder wie in meiner Kindheit: der liebevolle Kuss einer Seeanemone, eines samtigen Gewehrlaufs. Mir war, als wäre ich vom Blitz getroffen, so stark war die elektrische Strömung zwischen uns, doch die Sanftheit, mit der ihre Nase mein Gesicht abgetastet hatte, war wie eine von einem Tornado herangetragene Rosenblüte. Auch nachdem die Elefanten verschwunden waren, blieben die großen, starken afrikanischen Männer, die den Kuss mitangesehen hatten, zu Statuen erstarrt, wie gelähmt vor Angst. Erst als die Elefanten außer Sichtweite waren, kam wieder Bewegung in die Männer. Sie rannten herbei, um mir zu gratulieren.

„Hatten Sie denn keine Angst?“, fragten sie mich. „Natürlich nicht“, sagte ich. „Ich liebe Elefanten, und Elefanten lieben mich. Ich habe keine Probleme mit ihnen. Probleme habe ich nur mit den Menschen.“ Das brachte mir sogar von den Ortsansässigen, die kaum Englisch sprachen, ein wissendes Kopfnicken und Lachen ein. Vielleicht liebten sie die Elefantendame ja auch - oder vielleicht mochten sie auch einfach ihren Boss nicht.

Wie einer der Manager mir später erzählte, ist Princess Naughty Tusk die Tochter der berühmten Queen Wonky Tusk. Sie hat den Platz ihrer Mutter als Starelefant eingenommen, der jedes Jahr im November durch die Lobby von Mfuwe Lodge marschiert, um Mangos zu klauen und die Bewunderung der Menge einzuheimsen. Ich nehme an, da ich es mir nicht leisten konnte, in der schicken Mfuwe Lodge zu nächtigen, kam Naughty mich stattdessen in meinem billigen Camp besuchen. Und mit diesem Kuss wurde mein wildester Traum wahr. Mein Wunsch wurde erfüllt. Vielleicht war es der Geist ihrer Mutter oder der Kuss aller Elefanten und ihrer Vorfahren. Wieder einmal hatte mich Ganesha auf die Wange geküsst. Es sind solche Momente im Leben, die mich weitermachen lassen: solche Wunder, solche engelhaften Kommunikationen, dieses göttliche Eingreifen, das mich sicher macht, dass die Tiere mich hören können und dass Gott dabei zusieht.

Leider setzte der Verwalter dem allen am nächsten Tag ein Ende, indem er einen elektrischen Zaun um die Lobby errichten ließ, um die „gefährlichen Elefanten“ von mir fernzuhalten. Und als Naughty sich beim Versuch, unter dem heißen Draht hereinzukriechen, das Ohr böse verbrannte, hatte dieser Mann auch noch den Nerv, damit anzugeben, was für eine schlimme Verbrennung er ihrem Ohr zugefügt hatte. Er freute sich regelrecht darüber, ihr wehgetan zu haben. Wie ich später erfuhr, hegte er einen Groll gegen sie, seit sie zu seinem Haus spaziert war, ein Fenster zerbrochen, mit dem Rüssel hineingelangt und eine Flasche Schnaps herausgeholt hatte. Was für ein tolles Mädchen! Immer auf der Suche nach einer Party am Samstagabend!

Durch diesen ersten Kuss von Naughty wurde mir der empörende Konflikt zwischen Mensch und Elefant hier in Afrika bewusst, und wie fantasielos und primitiv die Versuche der Menschen sind, sich die Elefanten von ihren Häusern fernzuhalten - nicht etwa von den Häusern der Menschen, sondern denen der Elefanten, denn die waren zuerst da. Die Elefanten hatten entschieden, dass unsere Camps ihre Küchen sind. Recht so! Sie bauen ja auch keine Häuser mitten auf unseren Autobahnen, doch hier, wo ich heute übernachte, ist es so, als hätte ein Idiot mitten auf der Stadtautobahn von Los Angeles - der verkehrsreichsten achtspurigen Autobahn in Amerika - ein Safaricamp aufgestellt. Die Zelte, die den Tieren so schamlos in den Weg gestellt wurden, sind für sie nur ein paar kleine Hürden, und wenn die sanften Riesen die Geduld verlieren, entfernen sie die Straßensperren, die auf ihren Wegen errichtet worden sind, manchmal halt selbst. Würden Sie das nicht auch tun? Ich habe den Großteil meines Lebens im Stau auf der Stadtautobahn von Los Angeles verbracht. (Wenn Sie nicht brav waren und Petrus Sie nach Ihrem Ableben nicht durchs Himmeltor hereinlässt, könnte er Sie an einem Freitagnachmittag auf die Stadtautobahn von L. A. Richtung Süden schicken.) Die Eigentümer dieses Safariparks können sich glücklich schätzen, dass die Elefanten nicht längst alle Hürden entfernt haben und die Camps dem Boden gleichgemacht haben.

Letzte Woche verwüstete Naughty ein Zelt, um ein paar Hot-Dog-Brötchen auszugraben, und die wütenden Bewohner drohten, die Parkverwaltung zu verklagen, obwohl in jedem Zelt ein Schild hängt, das es den Gästen untersagt, Lebensmittel in ihren Zelten aufzubewahren. Doch die Menschen hier schieben den Elefanten die Schuld in die Schuhe. Elefanten haben den stärksten Geruchssinn aller Tiere; dies sollte man berücksichtigen, bevor man die Camp­regeln missachtet. Nicht nur haben die Menschen mitten auf der Autobahn der Elefanten ein Hotel gebaut, sondern sie hatten auch noch die Frechheit, dort eine Bäckerei zu eröffnen, und verbieten den Tieren, sich jemals der Backwaren zu bedienen! Wer kann schon erwarten, dass die Elefanten nicht gelegentlich vorbeischauen, um sich einen Donut zu nehmen?

1 787,68 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
22 декабря 2023
Объем:
414 стр. 8 иллюстраций
ISBN:
9783946959045
Переводчик:
Издатель:
Правообладатель:
Автор
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают