Читать книгу: «Das Namibia-Lesebuch», страница 2
Entlang des Grats der Düne 45 kann man sie gleich von der Straße aus erklimmen, steil führt der Trampelpfad gute 150 Meter aufwärts durch den Sand. Gefühlt steigt man dabei mühsam einen Schritt hinauf und rutscht gleich zwei wieder hinunter. Wem das zu beschwerlich ist, der kann ab Walvis Bay oder Swakopmund einen Rundflug über das Wüstenmeer unternehmen. Auch Fahrten mit dem Heißluftballon werden angeboten, sie starten in der Ortschaft Sesriem.
Und bei einer solchen Tour mit dem Heißluftballon hat man bestimmt das Glück, nicht nur die orangeroten Wogen des Wüstenmeers in ihrer ganzen Herrlichkeit bestaunen zu können, sondern auch das Leben in der Namib zu entdecken. Denn die Wüste lebt! Selbst hier, in einem der trockensten Bereiche der Namib, erspähen wir Strauße, Bergzebras und vereinzelte Exemplare der zähen Oryx am Straßenrand.
Letztere, die schöne Antilope mit den bis zu anderthalb Meter langen schlanken Hörnern, ist das Nationaltier Namibias. Wegen ihrer auffälligen Gesichtszeichnung, die an europäische Gämsen erinnert, wird sie auch Gemsbock genannt, zudem ist der Name Spießbock gebräuchlich. Sie ist ein Musterbeispiel für Anpassungsfähigkeit und Zähigkeit, denn sie kann sehr lange Zeit ohne Wasser auskommen und ihren Flüssigkeitsbedarf allein durch pflanzliche Nahrung decken. Ihr weißer Bauch reflektiert die Hitze des Bodens, ein ausgeklügeltes System in der Nase kühlt ihr Blut. Ihre Körpertemperatur kann sie trotzdem auf deutlich über 40 Grad steigern, ohne Schaden zu nehmen. Auch die Oryxantilope ist also ein wahrer Überlebenskünstler. Und nicht nur das: Es gibt Wissenschaftler, die der Ansicht sind, dass diese Tiere das Vorbild für die mythologischen Einhörner darstellen. Denn betrachtet man die pferdeähnliche Antilope von der Seite, so verschmelzen ihre eng beieinanderstehenden Hörner zu einem einzigen.
Es gibt noch weitaus mehr Lebewesen in der Wüste Namib, damit wollen wir uns später befassen, wenn wir einen Blick auf Namibias Tier- und Pflanzenwelt werfen. Nach unserem Ausflug ins Sossusvlei bleibt an dieser Stelle nur noch eine Frage: Wie kommt die Farbe in die Wüste?
Die Antwort ist ganz einfach. Nicht nur im Sossusvlei, sondern vielerorts in Namibia sticht der intensiv rotbraune Boden ins Auge. Diese Färbung wird durch den hohen Anteil an Eisenoxid verursacht. Mit anderen Worten: Die Wüste rostet!
Rock Shandy – Namibias Nationalgetränk gegen den Durst
Zutaten:
Zitronenlimonade
Sodawasser
Angostura Bitter
Scheiben einer unbe-
handelten Zitrone
Eiswürfel
Zubereitung:
Zitronenlimonade und Sodawasser zu gleichen Teilen mischen und ein paar Spritzer Angostura hinzugeben. Eine Zitronenscheibe sowie einige Eiswürfel in ein hohes Glas geben und mit der Mischung übergießen.
Rock Shandy ist in Namibia als Erfrischung sehr beliebt. Gerne reicht man ihn auch als fast alkoholfreien Dämmerschoppen beim obligatorischen „Sundowner“, dem gemeinschaftlichen Bewundern des spektakulären namibischen Sonnenuntergangs. Die meisten greifen dabei allerdings zu Drinks mit höherem Alkoholgehalt, Spitzenreiter in der Sundowner-Beliebtheitsskala ist Gin Tonic.
Allen Widernissen trotzend – Namibia kulinarisch
„Willkommen im Land der Fleischesser!“ Das war einer der allerersten Sätze, die ich in Namibia hörte, ausgesprochen von einer weißen Farmersfrau auf einem riesigen Landgut in der Nähe von Windhoek. Und damit hatte sie im Grunde schon alles Wesentliche über die Küche ihrer Heimat gesagt. In einem so durstigen Land tut man sich mit jeder Form von Ackerbau schwer, um nicht zu sagen, er ist in den meisten Gebieten so gut wie unmöglich. Deshalb spielt Fleisch in der namibischen Küche eine ganz herausragende Rolle.
Das ist keine gute Nachricht für Vegetarier, die Namibia bereisen wollen, und schon gar nicht für Veganer. Tatsächlich ist fleischfreie Kost hier eher die Ausnahme, und wer auf Fleisch oder tierische Produkte im Allgemeinen verzichten möchte, der sollte das bei der Reiseplanung berücksichtigen und die Möglichkeiten im Vorfeld abklären. In größeren Hotels ist das meist weniger problematisch, aber kleine Lodges bieten oft ein einheitliches Menü für alle Gäste, und das besteht nun einmal im Wesentlichen aus Fleisch. Sonderwünsche sollten also angemeldet werden.
Schon für die Buschleute und die Damara stellte die Jagd ein unverzichtbares Element bei der Nahrungsbeschaffung dar. Und dennoch lebten sie keinesfalls ausschließlich von Fleisch. Denn auch in der Namib, im Binnenhochland und in der Kalahari gibt es Früchte, Nüsse und essbare Wurzeln. Große Bedeutung kommt diesbezüglich dem Mankettibaum zu, der bis zu 25 Meter hoch werden kann und am liebsten als Solitärgewächs in der offenen Grassavanne gedeiht. Seine Wurzeln ragen tief bis ans Grundwasser hinab, trotzdem wirft er im trockenen namibischen Winter sein Laub ab. Dieser Baum ist ein wahrer Segen, denn er bringt eine ganze Masse von Früchten hervor. Ihr Fleisch ist süß und erinnert geschmacklich an Datteln, genau wie deren Fruchtfleisch kann man es trocknen und damit einen Nahrungsvorrat für mehrere Monate schaffen. Dann kaut man es langsam, es lässt sich aber auch ein nahrhafter Brei daraus kochen.
Noch interessanter sind allerdings die Kerne dieser Früchte, die nussartigen Samen, die als Mongongonüsse bezeichnet werden. Unter deren harter Schale verbirgt sich ein haselnussgroßes essbares Inneres, das sehr ölhaltig und entsprechend gehaltvoll ist. Um da ranzukommen, muss man die Schale mit einem Stein aufbrechen. Sie ist nämlich wirklich sehr robust. Auch Elefanten und Kudu-Antilopen verzehren gerne die Früchte des Mankettibaums, die Samen verlassen dabei ihren Verdauungstrakt unversehrt. In den Kothaufen findet man sie dann im wahrsten Sinne des Wortes zuhauf, Menschen können sie dort ganz bequem einsammeln. Kurz gesäubert und dann aufgeknackt, sollen sie nach der vorhergegangenen Prozedur angeblich ganz besonders schmackhaft sein. Aus Mongongonüssen wird inzwischen auch Öl hergestellt, das nicht nur in der Küche, sondern auch als Mittel zur Schönheitspflege eingesetzt wird. Es soll, so wird behauptet, für besonders zarte, glatte Haut und kräftiges Haar sorgen.
Ähnlich großzügig wie der Mankettibaum beschenkt der Marulabaum, auch Elefantenbaum genannt, Mensch und Tier mit seinen Früchten. Selbst bei nur spärlichen Regenfällen bringt er eine ganze Menge goldgelber Früchte hervor, auch hier enthält der Kern einen ölhaltigen, essbaren Samen. Die dünne Schicht des Fruchtfleischs schmeckt säuerlich und erfrischend, es beginnt sehr schnell mit der Gärung. Die Ovambo im Norden Namibias feiern ein Marula-Frucht-Fest und genießen dabei den mit Wasser vermischten Saft, der innerhalb weniger Tage zu einer Art Marula-Bier vergoren ist. Außerdem wird der auch bei uns erhältliche Amarula-Likör aus den Früchten hergestellt, und selbst Tiere wissen deren schnelle Gärung zu schätzen.
Für großes Vergnügen unter den Zuschauern sorgten die nach Verzehr von Marula-Früchten offenbar betrunkenen Elefanten im südafrikanischen Film „Die lustige Welt der Tiere“ von 1974. Wissenschaftler meinen allerdings, dass der Alkoholgehalt der Früchte bei weitem nicht ausreichen kann, um einen Elefanten in einen Rauschzustand zu versetzen. Verantwortlich für das Torkeln der Dickhäuter war wohl eher eine giftige Käferpuppe, die sie unbeabsichtigt als Beikost verzehrten. Buschleute verwenden diese Puppen zur Herstellung vergifteter Pfeilspitzen.
Eine Rolle in der pflanzlichen Ernährung spielt außerdem seit jeher die Nara, ein dorniger Strauch, der zur Familie der Kürbispflanzen gehört und nur in Namibia vorkommt. Sein Habitat ist ein bis zu 60 Kilometer breiter Streifen entlang der gesamten Küste der Namib, er wächst in Rivieren und überall, wo das Grundwasser für die bis zu 30 Meter in die Tiefe reichenden Wurzeln erreichbar ist. Seine Früchte werden etwa so groß wie ein Straußenei, sowohl das Fleisch als auch die öl- und eiweißhaltigen Samen sind genießbar. Nara-Öl spielt inzwischen bei der Herstellung von Kosmetika ebenfalls eine Rolle.
Für die als Jäger und Sammler lebenden Völker Namibias genoss zudem die Tsamma-Melone Bedeutung. Dabei handelt es sich um eine recht nahrhafte Wildform der Wassermelone, deren Geschmack kartoffelähnlich ist.
Sollten Sie nach dem kulinarischen Schauder im Absatz über die Mongongonüsse inzwischen erleichtert aufgeatmet haben, so muss ich Sie leider doch noch einmal aus unseren mitteleuropäischen Essgewohnheiten entführen und Ihnen einen weiteren Schrecken einjagen. Beginnen wir ganz harmlos mit dem Mopane, einem sehr verbreiteten Laubgehölz, das je nach Bedingungen strauchartig oder als Baum wächst. Der Mopane ist äußerst genügsam, gedeiht auch auf magersten Böden und bei extremer Trockenheit. Er stellt einen wichtigen Lieferanten für Brennholz dar, auch als Baumaterial wird sein Holz sehr geschätzt, denn es ist so hart, dass selbst die gefräßigen Termiten es verschmähen. Aus der Rinde kann man Schnüre herstellen, die Blätter setzten die Naturvölker zur Wundheilung und als Mittel gegen Magenbeschwerden ein. In kulinarischer Hinsicht taugen die Blätter hingegen nicht, denn sie riechen nach Terpentin.
Das schreckt allerdings den recht hübsch in Erdfarben gezeichneten Nachtfalter nicht, der auf den Mopaneblättern seine Eier ablegt. Daraus schlüpfen Raupen, die sich von den Blättern ernähren. Und diese Mopane-Raupen wiederum gelten als echte Delikatesse. Die wurmartigen Larven sind nicht nur sehr eiweißreich und damit nahrhaft, sondern sollen knusprig geröstet und mit würzigen Saucen oder als „Mopanewurmsuppe“ serviert auch sehr schmackhaft sein. Stellten sie früher eine saisonale Ergänzung des Speiseplans dar, so werden sie seit einigen Jahrzehnten systematisch eingesammelt und getrocknet oder in Dosen konserviert. So sind sie das ganze Jahr über verfügbar. Das Raupensammeln stellt für viele Menschen zudem eine wichtige Einnahmequelle dar.
Dass auch Termiten, Schlangen und Heuschrecken einen Platz in der traditionellen Ernährung finden, kann uns nun nicht mehr schockieren. Ein Herero erzählte uns genüsslich davon, wie er und seine Geschwister in der Kindheit Frösche am Wasserloch einsammelten. Diese wurden mit Stumpf und Stiel gekocht, danach wurde die grüne Haut abgezogen und das Fleisch verzehrt.
Doch wenden wir uns nun den weniger exotisch anmutenden Nahrungsmitteln Namibias zu. Dort, wo nicht ganz so große Dürre herrscht, vornehmlich im Nordosten Namibias, wird Perlhirse angebaut, auch Mahangu genannt, ein Wort aus der Sprache Oshivambo. Mahangu ist recht genügsam und benötigt zum Gedeihen nicht allzu viel Regen. Die Körner schmecken nicht schlecht und haben einen guten Nährwert. Mit Sorghum, einer anderen regionalen Hirseart, vermischt und unter Zugabe von Wasser stellt man daraus Oshikundu her, eine Art Bier. Jeder Haushalt hat dabei sein eigenes Rezept, auch der Alkoholgehalt ist sehr unterschiedlich, wenn auch meist äußerst gering.
Man bereitet aus Mahangu aber in erster Linie Pap zu, ein Grundnahrungsmittel in Namibia. Während der Kolonialzeit wurde Mais nach Namibia eingeführt, seitdem wird Pap in den meisten Teilen des Landes aus Maismehl zubereitet. Dann spricht man von Mielie- oder auch Mealie-Pap. Dazu mischt man das Mehl mit Wasser und/oder Milch, wobei die Herero Kuhmilch bevorzugen, die Damara hingegen Ziegenmilch. Meist wird zur Zubereitung von Pap Omaere verwendet, eine in Namibia sehr beliebte Sauermilch, die wiederum sowohl aus Kuh- als auch als Ziegenmilch gewonnen wird.
Pap wird morgens gekocht und zu allen Mahlzeiten des Tages mit der Hand gegessen. Was vom weichen Frühstücksbrei übrig bleibt, trocknet im Lauf der Stunden zu einem festen Fladen heran. Am Abend begleitet dieser dann die Fleischmahlzeit.
Nun sind wir also endlich beim Fleisch angekommen. Bevor viehzüchtende Völker nach Namibia kamen, wurde dieses durch Jagd erbeutet, das Spektrum der Beutetiere reichte dabei vom Buschhasen bis zur Giraffe. Das Fleisch wurde über dem Feuer geröstet, heute nimmt man den Grill, diese Zubereitungsart heißt in Namibia Braai. Das Wort entstammt der Sprache Afrikaans, das Grillfleisch nennt man Braaivleis, der typische Grill heißt Braaistand. Letzterer hat einen ziemlich großen Rost, denn das Braai genießt einen hohen Stellenwert als gesellschaftliches Ereignis, das bedeutet, dass viele Fleischstücke auf dem Braaistand Platz finden müssen. Man befeuert ihn traditionell mit Holz des Kameldornbaums, denn dessen Glut ist äußerst ergiebig. Trotzdem setzt sich auch in Namibia die praktische Holzkohle immer mehr durch.
Auf den Braaistand kommt neben den Fleischstücken die Boerewors, eine Bratwurstschnecke aus kräftig gewürztem Hack, meist einer Mischung aus Fleisch von Rind, Lamm, Schwein und Wild.
Das namibische Rindfleisch wird zu großen Teilen exportiert, vielfach grillt man deshalb Wild, sei es ein Oryx-Steak, eins vom Springbock, vom Kudu, von der Impala-Antilope oder was Namibia sonst noch so an Wildbret zu bieten hat. Das alles ähnelt geschmacklich übrigens mehr oder weniger dem Rindfleisch, weiß man es nicht besser, so bemerkt man den Unterschied meist gar nicht. Und weil Wild aus südafrikanischen Regionen bei uns nur schwer erhältlich ist, werde ich in den entsprechenden Rezepten dieses Buchs geeignete Alternativen angeben.
Hatten die traditionellen Jäger ein größeres Tier erbeutet, so konnte der Stamm natürlich nicht alles Fleisch auf einmal verzehren. Der Rest wurde deshalb in dünne Streifen geschnitten und getrocknet, ein Prozess, der sich bei den klimatischen Voraussetzungen recht schnell vollzieht. Daraus entwickelten die ab dem 17. Jahrhundert im südlichen Afrika einwandernden Europäer Biltong, der heute in Namibia ein weit verbreitetes Grundnahrungsmittel darstellt. Biltong ist luftgetrocknetes Fleisch, das zuvor mit Essig oder Salpeter (Pökelsalz) behandelt und mit einer Würzmischung eingerieben wird. Essig beziehungsweise Salpeter dienen dabei dazu, ein bestimmtes toxisches Bakterium abzutöten oder zumindest dessen Wachstum zu hemmen. Je nach Durchtrocknungsgrad ist der so behandelte Biltong bis zu zwei Jahre haltbar. Man macht ihn aus allen möglichen Fleischarten, nicht nur Rind, sondern auch Wild wie Strauß, Oryxantilope, Zebra, Kudu oder Springbock wird dafür verwendet. Man kocht Biltong in Eintopfgerichten mit oder verzehrt ihn als Snack, wer ihn kosten möchte, kann ihn auch bei uns übers Internet bestellen.
Wie man am Beispiel des Biltongs und des Paps bereits erkennt, haben Einwanderer die Küche Namibias maßgeblich beeinflusst. So kommt es, dass diese heute eine breite Palette von Rezepten aufweist, die mitunter gar nicht mehr so afrikanisch wirken. Denn wer würde schon auf die Idee verfallen, Schwarzwälder Kirschtorte als typisch namibischen Leckerbissen zu betrachten?
Die deutschen Kolonialherren führten eine Vielzahl typischer Gerichte aus ihrer Heimat in Namibias Küche ein. Deshalb findet man hier noch heute Spezialitäten wie Grillhaxe, Bratwurst, Landjäger, Kassler mit Sauerkraut und Kartoffelpüree oder Braten mit Soße, Rotkohl und Klößen. Aber auch frische Brötchen, Vollkornbrot, Pumpernickel, Bienenstich, Käsekuchen oder Apfelstrudel und natürlich die unvermeidliche Schwarzwälder Kirschtorte, ja, sogar Weihnachtsstollen. Auch der Deutschen liebstes Getränk darf nicht fehlen, der Genuss des nach dem deutschen Reinheitsgebot von 1516 in Namibia gebrauten Biers gehört längst ganz selbstverständlich zur namibischen Lebensart.
Die südafrikanischen Buren brachten ihre beliebten Eintopfgerichte mit nach Namibia, die Potjiekos. Dabei schmoren die Zutaten in einem dreibeinigen gusseisernen Topf, dem Potjie, langsam über offenem Feuer, eine praktische Sache, wenn man als nomadisierender Rinderhirte mit dem Ochsenwagen durchs Land zieht. Als Zutaten dienten ursprünglich Reis, Trockenfleisch und was man mit Glück unterwegs noch so fand. Und während der Nacht wurde Teig über der restlichen Glut im Potjie zu Brot gebacken.
Heute gibt es ein breites Spektrum der verschiedensten Rezepte für Potjiekos. In diesem Zusammenhang möchte ich Günther erwähnen, der in seinem kleinen Restaurant mitten im Nirgendwo der Namib Bobotie serviert, ein Schmorgericht aus Hackfleisch und Gemüse. Das Interessante daran ist, dass seine Kochstelle aus nichts als einer konkaven, mit Alufolie ausgelegten Schüssel besteht. In die Mitte davon stellt Günther einen Topf mit Reis, und allein die Kraft der Wüstensonne sorgt für dessen Garung. Das Bobotie schmort derweil nebenan in einer nach dem gleichen Prinzip funktionierenden Kochstelle, die mit einer Glasplatte abgedeckt ist. Dieser Sonnenbackofen erreicht dabei Temperaturen von bis zu 170 Grad.
Aus der gleichen Tradition wie Potjiekos und Bobotie stammt Chakalaka, ein pikantes Gemüsegericht, das aus Südafrika nach Namibia importiert wurde. Es entstand wohl ursprünglich, weil alles in einen Topf geworfen wurde, was noch an Essbarem aufzutreiben war. Chakalaka gibt es in verschiedenen geschmacklichen Variationen als Würzsauce, aber auch als Suppe oder Eintopf.
An der Küste Namibias bereichern Fisch und Meeresfrüchte den Speisezettel, besonders die Austern aus Lüderitz, Walvis Bay und Swakopmund genießen einen exzellenten Ruf. Sie können sich allerdings im kalten Wasser des Benguelastroms nicht vermehren, weshalb Larven als „Saataustern“ importiert werden müssen. Dafür gedeihen sie dann im planktonreichen Wasser umso schneller, eine Größe, zu der Austern anderswo in drei Jahren heranwachsen, erreichen sie hier schon binnen eines einzigen Jahres. Sie sollen ganz hervorragend schmecken. Ich kann das leider nicht beurteilen, obwohl ich mich dazu durchgerungen habe, sie mal zu kosten. Aber für mich ist das einfach nichts. Weitaus sympathischer ist mir da der hoch aromatische grüne Spargel, der im Flussbett des Swakop in Swakopmund angebaut wird und eine lokale Spezialität darstellt.
Wo Brunnen gute Bewässerungsmöglichkeiten bieten, wird inzwischen in den Gärten auch anderes Obst und Gemüse angebaut. Doch das ist ein ständiger Kampf gegen Trockenheit und allzu große Hitze. Besonders beliebt ist der Gem Squash, eine im Süden von Afrika weit verbreitete Kürbissorte. Optisch ähnelt er kleinen, runden Zucchini, hat aber einen nussigeren Geschmack. Neben Gem Squash spielen Kartoffeln, Mais und Mangold eine große Rolle in der Gemüseküche. Im größeren Stil haben Obst und Gemüse erst mit den Import- und Kühlmöglichkeiten unserer Zeit in die lokalen Rezepte Einzug gehalten.
Es gibt allerdings zwei ganz besondere Pilze, die fast nur in Namibia vorkommen. Zum einen ist das der Kalaharitrüffel, ein sehr seltener Pilz, der während der Regenzeit unter der Erdoberfläche runde dunkelbraune Fruchtkörper bildet. Die Buschleute sammeln ihn seit jeher als Speisepilz, sie erkennen ein Vorkommen an feinsten Rissen und winzigen Buckeln im Boden. Kalaharitrüffel schmecken milder als die Trüffel, die wir in Europa kennen.
Zum anderen gedeiht in der Regenzeit der Omajova, auch Termitenpilz genannt. Er wächst nämlich am unteren Bereich von Termitenhügeln und bildet weiße Schirme, die recht groß werden. Diese müssen schnell gesammelt werden, denn auch manche Tiere, wie zum Beispiel Warzenschweine, sind scharf darauf. Geschmacklich ähneln die Omajovas unseren Champignons, man kann sie braten oder in Suppen, Eintöpfen und Saucen verwenden.
Alle namibischen Speisen würzt man kräftig mit verschiedenen Gewürzen und mit Kalahari-Salz, das aus unterirdischen Salzseen gewonnen wird, in denen 280 Millionen Jahre altes Steinsalz gelöst ist. Alternativ kann man Salzperlen aus der Namib verwenden. Diese entstehen durch Meerwasser, das im Küstenbereich verdunstet. Das darin enthaltene Salz wird vom Wind zu Kügelchen geformt und mitunter weit ins Landesinnere der Wüste getragen. An der Küste bei Swakopmund und Walvis Bay gab es große natürliche Vorkommen von Meersalz, die in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts ausgebeutet wurden. Hier wird nun Meerwasser zur Verdunstung in Becken geleitet, um weiterhin Salz gewinnen zu können.
Die in Namibia servierten Desserts sind durchweg von kolonialen Einflüssen geprägt. Die San, die Damara und die ursprünglichen Hirtenvölker kannten den Luxus einer süßen Nachspeise nicht. Umso süßer und kalorienreicher sind die durchweg als „Pudding“ bezeichneten Leckereien, die heutzutage ein namibisches Menü abrunden. Zumindest in den bessergestellten Haushalten. Denn obwohl Namibia zu den wohlhabenderen Staaten Afrikas gehört, ist die Arbeitslosigkeit mit gut 34 Prozent sehr hoch. Entsprechend krass öffnet sich die Kluft zwischen Arm und Reich.
Die Farmersfrau, die mich zu Beginn dieses Kapitels in Namibia willkommen hieß, gehörte zur privilegierten Bevölkerungsschicht. Sie begrüßte mich in fließendem Deutsch, ganz offensichtlich ihre Muttersprache. Trotzdem ist sie Namibierin, und das schon in der vierten Generation. Wie ist es dazu gekommen?
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