Читать книгу: «Isabelle von Bayern», страница 7

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»Ja, meine Herren«, sagte Bétisac, der dadurch Zeit zu gewinnen hoffte; »ja, einen Priester, einen Priester!«

»Und wozu?« schrie der Greis, da keine Seele zu retten und sein Körper verloren ist?«

»Zum Tode! Zum Tode!« heulte das Volk. Der Henker näherte sich.

»Bétisac«, sagte er, »es ist befohlen, dass Ihr sterben sollt; Eure schlechten Taten führen Euch zu einem schlechten Ende.«

Bétisac stand regungslos, mit starrem Blick und zu Berge gesträubten Haaren. Der Henker ergriff ihn bei der Hand; er ließ sich wie ein Kind führen. Auf dem Scheiterhaufen hob er ihn auf seinem Arme empor, seine Knechte öffneten das Halsband und legten es Bétisac um. Er hing so ohne erwürgt zu werden. In diesem Augenblicke sprang der Greis nach der Pechfackel, die an der Seite brannte und setzte den Scheiterhaufen in Flammen. Der Henker und seine Knechte sprangen herab.

Die Flamme gab dem Unglücklichen, den sie verzehren sollte, eine ganze Kraft wieder. Ohne einen Schrei auszustoßen, ohne weiter um Gnade zu flehen, ergriff er mit beiden Händen die Kette, an der er hing, wand sich an deren Ringen empor, erreichte den Arm des Galgens und klammerte sich daran fest, indem er sich so viel als möglich von dem Scheiterhaufen entfernte. So hielt er sich fern von der Flamme, so lange diese nur noch den unteren Teil von dem Scheiterhaufen erfasst hatte, aber bald breitete sie sich weiter aus und streckte gleich einer gierigen Schlange die spitzige Zunge gegen Bétisac aus, Rauch und Funken um ihn sprühend; endlich schien sie ihn mit ihrer Glutzunge zu belecken. Der Unglückliche stieß bei dieser tödlichen Liebkosung ein gellendes Angstgeschrei aus; das Feuer hatte seine Kleider ergriffen.

Es entstand ein feierliches Schweigen, als hätten die Zuschauer sich verabredet, sich nichts von dem letzten Kampfe des Geschöpfes mit dem Elemente, des Lebens mit dem Tode entgehen zu lassen. Man hörte die Klagelaute des Einen, das Freudenjauchzen des Andern. Der Mensch und das Feuer, das Opfer und der Henker, schienen sich nun zu umschlingen und mit einander zu ringen; bald aber erklärte der Mensch sich besiegt, seine Füße gaben ihren Halt auf, seine Hände konnten die glühend gewordene Kette nicht mehr umklammern, er stieß einen lauten, grässlichen Schmerzensschrei aus und stürzte herab in die Mitte der Flammen. Noch einige Sekunden wand sich hier die unförmliche Gestalt, die noch kurz zuvor ein Mensch gewesen war, dann streckte sie sich lang aus und blieb zuletzt regungslos. Einen Augenblick darauf riss der Ring aus dem verbrannten Arme des Galgens und der Leichnam verschwand in dem Brande des Scheiterhaufens, als stürze er in die Hölle hinab,

Jetzt kam wieder Leben in die noch wortlose Menge; sie verlief sich allmählich und nur der Greis blieb am Fuße des Scheiterhaufens zurück. Den scheuen Blick rückwärts gewendet, fragte man sich, ob das nicht Satan sei, gekommen, um die Seele eines Verdammten in Empfang zu nehmen.

Dieser Greis war ein Vater, dessen Tochter Bétisac geschändet hatte.

VI.

Wir bitten unsere Leser, um die einzelnen Umstände des Ganzen, das zu schildern wir uns vorgenommen, besser zu übersehen, uns außerhalb den Mauern Béssieres zu folgen. Willigen sie ein, die reichen Ebenen Languedoc's und der Provence zu verlassen, und Städte mit dem wohlklingenden Namen, wo man die Tochtersprache Roms und Athens spricht, die Olivenhaine, von silbernen Bächen durch rieselt, an deren Ufern Rosenlorbeeren blühen, und mit uns die bergigen Gegenden der Bretagne mit ihren hundertjährigen Eichenwäldern, ihrer Ursprache, ihren Ozean mit den tiefen grünen Fluten zu besuchen, so wollen wir sie an einige Orte der alten Stadt Vannes geleiten und sie in einer jener festen Burgen einführen, welche der Wohnsitz jener großen Vasallen waren, die sich stets bereit zeigten, große Rebellen zu werden. Dort erblicken wir an einer Tafel von künstlich geschnitztem Holzwerk, auf der ein Krug von künstlicher Silberarbeit, gefüllt mit gewürztem Weine stand, zwei Männer; der Eine hatte häufigen freundschaftlichen Verkehr mit diesem Kruge, aus dem er oft sein Glas füllte, der Andere aber zeigte sich mäßig und zurückhaltend und wies stets die Einladungen seines Gefährten ab, indem er sein Glas mit der Hand bedeckte.

Der, welchen wir als den wenigste eifrigen Anhänger der Mäßigkeit bezeichneten, war ein Mann zwischen fünfzig und sechzig Jahren, ergraut unter der Kriegsrüstung, mit der er noch jetzt zu dem größten Teile bekleidet war. Seine gebräunte Stirn, an der zu beiden Seiten ein graues Haar herabhing, war weniger durch das Alter gefurcht, als durch den beständigen Druck des Helmes. In den Zwischenräumen der Beschäftigung, deren wir er wähnten, stützte er seinen Ellenbogen auf den Tisch; sein Kinn lehnte sich auf die beiden gewaltigen Hände, und sein mit einem tüchtigen Schnurrbarte gezierter Mund befand sich so in gleicher Höhe mit dem Kruge, dessen durch feine wiederholten Angriffe abnehmende Flüssigkeit er mit gierigem Blicke zu verfolgen schien.

Der Andere war ein schöner junger Mann, ganz in Samt und Seide gekleidet, der nachlässig in einem großen Armsessel ruhte, das Haupt rückwärts gelehnt, und der diese Stellung nur verließ, um, wie erwähnt, die Hand auf das Glas zu decken, wenn der alte Krieger ihn mit einer neuen Ladung Wein bedrohte, dessen Wert beide so verschieden zu betrachten schienen.

»Meiner Treu, mein Vetter von Craon«, sagte der Greis, indem er zum letzten Male den Krug auf die Tafel setzte, man muss gestehen, dass Ihr trotz Eurer Abstammung mütterlicherseits von dem König Robert, den Schimpf, den der Herzog von Touraine Euch angetan, mit merkwürdiger Philosophie ertragen habt.

»Ei, mein gnädiger Herr von Bretagne«, er widerte Peter von Craon, ohne seine Stellung zu verändern, »was Teufel wolltet Ihr, dass ich gegen den Bruder des Königs beginnen sollte?«

»Gegen den Bruder des Königs? – es sei, obgleich das für mich kein Hindernis gewesen wäre. Der Bruder des Königs ist nur Herzog und Edelmann gleich mir, und tat er mir das, was er Euch tat – aber ich werde mich dem nie aussetzen, darum wollen wir nicht von ihm sprechen. Aber seht Ihr wohl, es ist ein Mensch, der die ganze Geschichte eingefädelt hat.«

»Ich glaube es«, erwidert der Ritter nachlässig.

»Und dieser Mensch, seht Ihr wohl«, fuhr der Herzog fort, indem er sein Glas wieder füllte und es halb zum Munde führte, »dieser Mensch – ebenso wahr, als dieser Hyppocras, der nicht nach Eurem Geschmack zu sein scheint, aus dem besten Weine, den man in Dijon gewinnt, den besten Honig, den man in Narbonne zieht, und den feinsten aromatischen Kräutern Asiens zusammengesetzt ist – eben so gewiss ist dieser Mensch Niemand anders, als der niederträchtige Clisson;« und dabei schlug er mit der Faust auf den Tisch.

»Ich bin ganz Eurer Meinung, gnädiger Herr«, erwiderte mit derselben Gleichgültigkeit der Messire Peter, welcher sich zum Gesetz gemacht zu haben schien, in eben dem Maße kälter zu werden, als der Herzog sich ereiferte.

»Und Ihr habt Paris mit dieser Überzeugung verlassen, ohne den Versuch zu machen, Euch an diesen Menschen zu rächen?« erwiderte der Herzog.

»Ich hatte einen Augenblick den Gedanken daran, aber eine Betrachtung hielt mich zurück.«

»Und welche, wenn es Euch gefällig ist?« sagte der Herzog, indem er sich in seinen Armsessel zurückwarf.

»Welche?« sagte Peter, stützte jetzt seinerseits die Ellenbogen auf den Tisch, das Kinn in die Hände und sah den Herzog starr an. »Welche? Ihr sollt sie kennen lernen, gnädiger Herr. Ich sagte zu mir selbst: dieser Mensch, der mich jetzt beleidigt, mich, einen einfachen Ritter, beleidigte eines Tags noch schmählicher einen der ersten Großen von Frankreich, einen Herzog, der so reich und mächtig war, dass er gegen einen König hätte Krieg führen können. Dieser Herzog hatte das Schloss Gavre den berühmten Johann Schandos geschenkt, und als er Clisson davon sagte, erwiderte er: »»Der Teufel soll mich holen, Monseigneur, wenn ich jemals einen Engländer als Nachbar dulde!««

»Noch an eben demselben Abend wurde das Schloss Gavre erobert, und am nächsten Tage wurde es geschleift. Ich weiß nicht mehr, wem der Konnetabel diesen Schimpf zufügte, aber dessen erinnere ich mich noch, dass es ein Herzog war. Auf Eure Gesundheit, gnädiger Herr!«

Peter von Craon ergriff sein Glas, leerte es auf einen Zug, und setzte es wieder auf die Tafel nieder.

»Bei der Seele meines Vaters«, sagte der Herzog erbleichend, »Ihr sagt uns das, um Uns zu ärgern, Vetter, denn Ihr wisst wohl, dass uns dies widerfuhr, aber ebenso auch, dass der Freche sechs Monate darauf in eben diesem Schloss gefangen saß.«

»Und was er gesund und wohlbehalten verlassen hat.«

»Ja, indem er mir hunderttausend Livres auszahlte und eine Stadt und drei Schlösser abtrat.«

»Aber er behielt sein verwünschtes Leben«, sagte Craon mit lauterer Stimme, »sein Leben, welches der mächtige Herzog von Bretagne ihm nicht zu nehmen wagte, indem er den Hass seines Gebieters auf sich zu laden fürchtete. Hunderttausend Livres, eine Stadt und drei Schlösser! O, über die schöne Rache gegen einen Menschen, der 1,700.000 Livres, zehn Städte und zwanzig Schlösser besitzt. Nein, nein, mein Vetter, sprecht offen; Ihr hieltet ihn für entwaffnet, gefesselt, in dem tiefen und finstersten Kerker eines Schlosses gefangen. Ihr hasst ihn tödlich und Ihr wagtet nicht, ihm den Tod zu geben!«

»Ich gab Bavalan den Befehl dazu, aber er tat es nicht.«

»Und er hatte Recht, Monseigneur, denn wenn ihn der König als den Mörder des Konnetabel gefordert hätte, würde der, welcher ihm den Befehl dazu erteilte, wahrscheinlich es nicht gewagt haben, sich dem königlichen Zorne auszusetzen. Vielleicht hätte der treue Diener, der doch nur das Schwert war, sich von dem Arme verlassen gesehen, und von je feinerem Stahle das Schwert ist, um desto leichter lässt es sich zerbrechen.«

»Mein Vetter«, sagte der Herzog, indem er aufstand, »Ihr verdächtigt. Unsere Ehre, glaub' ich; Wir hatten Bavalan unser Wort gegeben, ihn zu schützen, und wir würden es beim Himmel getan haben, sowohl gegen den König von Frankreich, als gegen den deutschen Kaiser und den Papst von Rom. Nur eins verdrießt uns«, fuhr er fort, indem er sich wieder setzte und den ganzen Ausdruck seines Hasses annahm, »dass Bavalan uns nicht gehorchte, und dass Niemand bereit ist, zu tun, was er verweigerte.«

»Und wenn Jemand sich dazu erböte, dürfte er überzeugt sein, nach vollbrachter Tat bei dem Herzoge von Bretagne Schutz und Zuflucht zu finden?«

»Ein ebenso sicheres Asyl, als das Heiligtum einer Kirche ist«, erwiderte der Herzog mit feierlicher Stimme, »eine Unterstützung, so kräftig, als dieser Arm sie zu geben vermag. Ich schwöre das bei dem Grabe meiner Väter, dem Wappen meines Schildes, dem Kreuze meines Schwertes. Es komme ein solcher Mann, und die Sache ist in Richtigkeit.«

»Sie ist es, gnädiger Herr!« rief Craon, indem er aufstand und die Hand des alten Herzogs mit einer Kraft drückte, deren ihn dieser gar nicht fähig gehalten hatte. »Warum sagtet Ihr das nicht früher? so wäre die Sache jetzt abgemacht.«

Der Herzog sah Craon voll Verwunderung an.

»Ihr glaubtet wohl«, fuhr der Ritter, die Arme kreuzend, fort, »dass die Beleidigung an meiner Brust abgeglitten sei, wie die Lanze am Stahle meines Panzers? Nein, nein, sie ist tief eingedrungen und hat mir das Herz verwundet. Ich bin Euch heiter und sorglos erschienen, aber dennoch sagtet Ihr mir oft, dass ich blass aussähe. Das ist der Krebs, der mir die Brust zernagt und mir mit den Zähnen dieses Menschen zernagen wird, so lange er selbst lebt. Jetzt kehren die Farben der Freude und der Gesundheit auf meine Wangen zurück, denn von jetzt an gerechnet, beginnt meine Genesung, und in einigen Tagen hoffe ich ganz hergestellt zu sein.«

»Wie das?«

Craon setzte sich wieder.

»Hört, gnädiger Herr, ich wartete nur auf dies Wort, um Euch alles mitzuteilen. Ich habe in Paris bei dem Kirchhofe von St. Johann ein großes Hôtel, welches nur durch einen Kastellan bewohnt wird, der mir ganz ergeben ist, und auf den ich fest bauen kann. Ich habe ihm vor länger als drei Monaten geschrieben, in meinem Hôtel starke Vorräte von Wein, Mehl und gesalzenem Fleisch anzulegen, Rüstungen, Panzerhemden, Waffen für vierzig Mann anzuschaffen. Diese vierzig Mann habe ich angeworben und selbst ausgewählt; es sind kecke Bursche, die weder Gott noch Teufel scheuen, und in die Hölle hinabsteigen würden, sähen sie mich an ihrer Spitze.«

»Aber«, sagte der Herzog, »Ihr würdet bemerkt werden, wenn Ihr mit einem so zahlreichen Gefolge nach Paris zurückkehrtet.«

»Dafür werde ich mich wohl hüten. Schon seit zwei Monaten sind sie allmählich zu zweien, dreien und vieren nach der Hauptstadt geschafft. Einmal in dem Hôtel angelangt, haben sie den Befehl, es nicht mehr zu verlassen, und der Kastellan, sie reichlich zu verpflegen. Sie sind eine Art von Mönche, die der Hölle entgegenarbeiten. Begreift Ihr jetzt, gnädiger Herr? Der nichtswürdige Konnetabel bringt fast alle Abende bei dem König zu und verlässt ihn gewöhnlich erst um Mitternacht. Um sich nach seinem Hôtel Clisson in der Rue de Bretagne zu begeben, kommt er durch die Rues Saint Catharine und de Poulies, welche um diese Zeit stets öde sind, und wobei er an dem Kirchhofe von St. Johann vorüber muss.«

»Meiner Treu, Vetter«,, sagte der Herzog, »die Sache ist gut angelegt.«

»Und wird gut enden, Monseigneur, wenn Gott sich nicht hinein mischt, denn das Ganze ist eine Teufelsangelegenheit.«

»Und wie lange denkt Ihr noch bei uns zu bleiben, wo Ihr übrigens ein gern gesehener Gast seid?«

»So lange, gnädiger Herr, als nötig ist, mein Pferd satteln zu lassen, denn hier ist der Brief meines Kastellans, den ich diesen Morgen durch einen Boten empfing, und der mir meldet, dass meine letzte Mannschaft angekommen ist.«

Bei diesen Worten pfiff Peter von Craon seinem Stallmeister und befahl, sein Pferd zu satteln.

»Wollt Ihr nicht noch diese Nacht in Unserm Schloss Hermine bleiben, mein schöner Vetter?« sagte der Herzog, als er diese Vorbereitung sah.

»Ich bin Euch sehr dankbar, Monseigneur, aber jetzt, da ich weiß, dass alles bereit ist und man nur noch auf mich wartet, darf ich nicht um eine Stunde, eine Minute, eine Sekunde zögern. Wie könnt Ihr verlangen, dass ich mich in ein Bett niederlege oder vor einem Tische niedersetze? Ich muss fort, Monseigneur, und zwar auf dem kürzesten Wege. Ich bedarf der Luft, der Bewegung, lebt wohl, Monseigneur, ich habe Euer Wort.«

»Und ich erneure es Euch.«

»Ein zweites Versprechen verlangen, hieße an dem ersten zweifeln.«

Bei diesen Worten gürtete Peter von Craon sein Schwert um, zog die Stiefeln von grauem Leder, mit rotem Plüsch gefüttert, über die Knie herauf, nahm einen letzten Abschied vom Herzoge, und schwang sich langsam aufs Pferd.

Er setzte seine Reise so leicht und glücklich fort, dass er am Abende des siebenten Tages, seit er das Schloss Hermine verließ, Paris erblickte. Er wartete bis zum gänzlichen Einbruch der Nacht, um die Stadt zu betreten, und langte in seinem Hôtel mit eben so wenig Geräusch und Aufsehen an, als alle die Leute, die er vorausgeschickt hatte. Kaum vom Pferde gestiegen, gab er dem Knechte, der am Tor wachte, den Befehl, bei Verlust seiner Augen. Niemand in sein Zimmer zu lassen. Der Knecht überbrachte diesen Befehl dem Kastellan, der das Hôtel hütete, und dieser schloss Frau, Kinder und Mädchen in seine Stube ein.

Und das war sehr vernünftig, sagte Froissard sehr naiv, denn wenn Frau und Kinder auf die Straße gelassen worden wären, hätte man bald die Ankunft des Messire Peter gewusst.

Nach diesen getroffenen Vorsichtsmaßregeln wählte Peter von Craon die verschlagendsten seiner Leute und stellte sie den Türhütern vor, damit dieser sie zu jeder Stunde frei ein- und ausließe. Sie erhielten den Auftrag, den Konnetabel zu umgeben und ihm Schritt vor Schritt zu folgen, damit ein Feind von Allem Kunde bekäme, was er vornahm. Jedem Abend wusste er daher auch, was er den Tag über begonnen, und wo er den Abend zubringen würde. So blieben aber die Sachen stehen, und es bot sich keine sichere Gelegenheit zur Ausführung feiner Rache, vom 14. Mai bis zum 18. Juni, dem Tage des Frohnleichnamfestes.

An diesem Tage hielt der König von Frankreich offnen Hof in seinem Hôtel St. Paul, und alle Barone und Herren seines Reiches, in Paris anwesend, waren zu einem Mahle geladen, dem auch die Königin und die Herzogin von Touraine bei wohnten. Nach der Mahlzeit und zur Unterhaltung der Damen wurde in dem innern Raume des Hôtels ein Rennen gehalten. Messire Wilhelm von Flandern, Graf von Namur riefen die Herolde als Sieger aus; er hatte den Preis aus den Händen der Königin und denen der Madame Valentine empfangen; dann tanzte man bis Mitternacht. Um diese Stunde dachte. Jeder daran, sich in sein Hôtel oder seine Wohnung zurück zu begeben, und fast Alle verließen das Schloss ohne Begleitung. Messire Olivier von Clisson blieb bis zuletzt, nahm dann Abschied vom König, und kehrte hierauf in die Gemächer des Herzogs von Touraine zurück. Er fand diesen damit beschäftigt, seine Toilette zu ordnen, statt sich auszuziehen. Als er ihn so beschäftigt fand, fragte er ihn lachend, ob er nicht bei Poulain schlafen wolle. Dieser Poulain war der Schatzmeister des Herzogs von Touraine, und unter dem Vorwande, seine Rechnungen zu prüfen, verließ er oft Abends das Hôtel St. Paul, aus dem er sonst während der Nacht nicht hätte gelangen können und ging zu seinem Schatzmeister, um dort größerer Freiheit zu genießen, denn von dort begab er sich dahin, wohin das Vergnügen ihn führte. Der Herzog sah wohl, was der Konnetabel sagen wollte, legte ihm die Hand auf die Schulter und erwiderte lachend:

»Konnetabel, ich weiß noch nicht, wo ich schlafen werde, und ob ich deshalb weit oder nahe gehen muss. Vielleicht verlasse ich das Hôtel St. Paul diese Nacht nicht, doch was Sie betrifft, so rate ich Ihnen zu gehen, denn es ist spät.«

»Gott verleihe Ihnen eine gute Nacht, Monseigneur!« sagte der Konnetabel. »Ich danke. In dieser Hinsicht aber, erwiderte der Herzog lachend, »habe ich mich nicht sehr zu beklagen und glaube, dass sich Gott mehr mit meinen Nächten, als mit meinen Tagen beschäftigt, Lebt wohl, Clisson.«

Der Konnetabel sah wohl, dass er den Herzog belästigen würde, wenn er noch länger bliebe, verneigte sich daher zum Abschied und ging zu seinen Leuten und Pferden, die seiner auf dem Platze vor dem Hôtel warteten. Es waren acht Diener, und außerdem noch zwei Knechte, welche Fackeln trugen.

Als der Konnetabel zu Pferde saß, zündeten die Diener ihre Fackeln an und gingen nach der Rue Saint Catharine einige Schritte vor ihrem Gebieter voraus. Seine übrigen Leute folgten ihm, ausgenommen ein Stallmeister, den er an seine Seite berufen hatte, ihm Befehle wegen einer Mahlzeit zu erteilen, welche er am folgenden Tage dem Herzoge von Touraine, dem Sir von Coucy, dem Messire Johann von Vienne und einigen. Andern geben wollte.

In diesem Augenblicke gingen zwei Männer an den Fackelträgern vorüber, und schlugen ihnen die Fackeln aus den Händen, das sie verlöschten.

Der Connetable hielt sein Pferd kurz an, aber er glaubte, es sei ein Scherz des Herzogs von Touraine, welcher ihn eingeholt hatte, und rief heiter: »Meiner Treu, Monseigneur, das ist nicht Recht; aber ich verzeihe es Ihnen, denn Sie sind jung und finden in Allem Freude und Spiel.«

Bei diesen Worten sah er sich um und eine große Menge unbekannter Reiter unter seine Leute gemischt; zwei dieser Unbekannten waren nur wenige Schritte von ihm entfernt. Jetzt begann Verdacht sich in ihm zu regen, er hielt fein Pferd an, und rief: »Wer seid Ihr? und was heißt –«

»Zum Tode, zum Tode mit Clisson«, rief der Mensch, welcher ihm zunächst war, und zog sein Schwert.

»Zum Tode mit Clisson!« rief der Konnetabel, »das ist ein freches Wort. Wer bist Du, der es auszusprechen wagt?«

»Ich bin Peter von Craon, Euer Feind«, sagte der Ritter, »Ihr habt mich so vielfältig beleidigt, dass ich mich endlich rächen muss.« Darauf stützte er sich in die Bügel, wendete sich zu seinen Leuten, und schrie ihnen zu: »Ich habe den, den ich suche, drauf! drauf!«

Bei diesem Worte stürzte er auf den Konnetabel ein, während seine Leute dessen Gefolge auseinander sprengten und zerstreuten. Aber obgleich ohne Rüstung und überfallen, war Messire Olivier dennoch nicht der Mann, den man leicht niederwirft. Er zog ein kleines Schwert von etwa zwei Fuß Länge, das er mehr zum Schmuck, als zur Verteidigung genommen hatte, deckte sich den Kopf mit dem linken Arme und drängte sein Pferd gegen die Mauer, dass man ihn nur von vorne angreifen könne.

»Sollen wir alle töten?« riefen die Leute Peters von Craon.

»Ja«, erwiderte dieser, indem er auf den Connetable einhieb, »aber zu mir, hierher! der verfluchte Konnetabel sterbe! kommt!«

Zwei oder drei seiner Leute kamen ihm zu Hilfe, aber die Kraft und Gewandtheit Clisson’s war einem solchen Kampfe dennoch nicht gewachsen, und während er mit dem linken Arme einen Streich auffing, mit dem rechten einen führte, sank das Schwert Peters von Craon auf seinen unbedeckten Kopf her ab. Clisson stieß einen Seufzer aus, ließ seine Waffe fallen und stürzte vom Pferde, mit dem Kopf gegen eine Tür, welche nachgab; so lag er an der Erde, mit der Hälfte seines Körpers in dem Hause eines Bäckers, der mit seiner Arbeit beschäftigt gewesen war, und die Tür halb öffnete, um zu sehen, was der gewaltige Lärm auf der Straße verursachte.

Messire Peter von Craon wollte in das Haus hineinreiten, aber die Tür war zu niedrig.

»Soll ich absteigen und ihn vollends abtun?« sagte Einer der Leute.

Ohne zu antworten ließ Craon ein Pferd auf die Beine und Schenkel des Konnetabel treten, und als er sah, dass er kein Zeichen des Lebens gab, sagte er: »es ist unnütz, wir haben ihm genug gegeben; ist er nicht todt, so ist es doch auch Nicht viel besser; er ist am Kopf getroffen worden, und das von gutem Arm, das schwör' ich Euch. Auf also, Ihr Herren! Wir treffen uns jenseits des Tores von Saint Antoine8.

Kaum hatten die Mörder sich entfernt, als die Leute des Konnetabels, denen kein großes Übel zu gefügt worden war, sich um den Körper ihres Gebieters sammelten. Als der Bäcker erfuhr, dass der Verwundete der Konnetabel sei, bot er mit Freuden sein Haus an. Man legte den Verwundeten auf ein Bett, brachte Licht, und Alle brachen in ein lautes Geschrei aus, denn sie glaubten, ihr Gebieter sei tot, als sie auf der Stirn eine breite Wunde und Gesicht und Kleider voll Blut erblickten.

Indessen war Einer von den Leuten des Konnetabels nach dem Hôtel St. Paul geeilt, und als man seine Farben hier erkannte, führte man ihn in das Zimmer des Königs, welcher sich ermüdet eben in eine Gemächer zurückgezogen hatte. Er fand im Begriff, zu Bett zu gehen, als dieser Mensch bleich und entstellt eintrat und laut ausrief: »Ach, Monseigneur! welch eine traurige Sache! welch großes Unglück!«

»Was gibt’s denn?« sagte der König.

»Messire Oliviers von Clisson, Euer Konnetabel, ist ermordet worden.«

»Und wer hat dies Verbrechen begangen? fragte der König,

»Ach, wir wissen es nicht, aber das Unglück widerfuhr ihm nahe bei Eurem Hôtel in der Rue Saint Catharine.«

»Fackeln, Fackeln, Diener!« rief der König. »Todt oder lebend will ich meinen Konnetabel wiedersehen.«

Er warf ein leichtes Gewand über, und in fünf Minuten waren Bewaffnete und Diener zu seiner Begleitung bereit. Der König wollte nicht einmal auf ein Pferd warten, und verließ das Hôtel St. Paul zu Fuß, nur von seinen Fackelträgern und seinen Kammerherren begleitet, Messire Wilhelm Martel und Messire Helion von Lignac. Er ging rasch und gelangte bald zu dem Hause des Bäckers. Seine Kammerherren und die Diener blieben vor der Tür, er aber trat heftig ein, ging gerade auf das Bett zu, nahm die Hand des Verwundeten und sagte: »ich bin es, Konnetabel, wie fühlt Ihr Euch?«

»Teurer Sire!« erwiderte der Konnetabel, »matt und schwach.«

»Und wer versetzte Euch in diesen Zustand, mein braver Olivier?«

»Messire Peter von Craon und seine Mitschuldigen; sie überfielen mich verräterischer Weise, als ich ohne Argwohn und ohne Verteidigung war.«

»Konnetabel«, sagte der König, indem er die Hand über das Bett streckte, »nie soll ein Verbrechen so schwer gebüßt worden sein, als dieses. Aber jetzt wollen wir uns mit Eurer Rettung beschäftigen; wo sind die Arzte und Wundärzte?«

»,Man holt sie, gnädigster Herr!« sagte einer von den Leuten des Konnetabel. In diesem Augenblicke traten sie ein. Der König ging auf den Vordersten zu und führte ihn an das Lager.

»Betrachtet meinen Konnetabel, Ihr Herren«, sagte er, »und erklärt mir schnell, wie es mit ihm steht, denn ich bin trauriger über seine Verwundung, als hätte das Schwert mich selbst getroffen.«

Die Ärzte untersuchten die Wunde des Konnetabels; aber der König war so ungeduldig, dass er ihnen kaum die Zeit ließ, den Verband an zulegen,

»Ist Todesgefahr vorhanden, Ihr Herren?« wiederholte er alle Augenblicke, »So antwortet mir doch!«

Der, welcher der Geschickteste zu sein schien, wendete sich hierauf zu dem König und sagte:

»Nein, Sire; wir schwören es Euch, dass der Konnetabel in vierzehn Tagen das Pferd wieder besteigen kann.«

Der König suchte eine Kette, eine Börse, kurz irgend so etwas, um es diesem Menschen zu schenken, als er nichts fand, umarmte er ihn und ging dann zu dem Konnetabel.

»Nun, Olivier«, sagte er, »Ihr hört es; in vierzehn Tagen seid Ihr wieder so gesund, als wäre Euch nichts widerfahren. Ihr habt uns da eine köstliche Nachricht gegeben, Ihr Herren, Wir werden sie Euch nicht vergessen. Was Euch betrifft, Clisson, so bekümmert Euch um nichts, als um Eure Genesung, denn ich sagte es Euch und wiederhole es noch einmal: nie so ein Vergehen so gezüchtigt, nie ein Verbrechen härter bestraft, ein vergossenes Blut mit mehr Blut gerächt werden. Verlasst Euch auf mich; das ist meine Sache.«

»Gott vergelte es Euch, Sire!« sagte der Konnetabel, »und segne Euch besonders den freundlichen Besuch.«

»Es wird nicht der letzte sein, mein lieber Clisson, denn ich gebe den Befehl, dass man Euch in unser Hôtel bringt, denn es ist weniger weit als das Eurige.«

Clisson wollte die Hand des Königs an seine Lippen ziehen, aber Karl umarmte ihn wie einen Bruder.

»Ich muss Euch verlassen, Clisson«, sagte er dann, »denn ich habe nach dem Hôtel St. Paul den Oberrichter von Paris bestellt, ihm meine Befehle zu erteilen.«

Er schied von dem Konnetabel, und kehrte nach seinem Hôtel zurück, wo er in der Tat den Oberrichter bereits vorfand.

»Oberrichter«, sagte der König, indem er sich in einen Armsessel warf, »nehmt Leute, wo Ihr wollt, wo Ihr könnt; gebt ihnen tüchtige Rosse, und lässt sie auf Wegen und Fußsteigen, über Berge und Täler, den Verräter Craon verfolgen, der unsern Konnetabel verwundet hat. Wisset, dass Ihr Uns keinen größeren Dienst erzeigen könnt, als ihn aufzufinden, gefangen zu nehmen und uns zuzuführen.«

»,Sire«, erwiderte der Oberrichter, »ich werde tun, was in meiner Macht steht, aber welchen Weg kann er eingeschlagen haben?«

»Das zu erforschen, ist Eure Sache«, sagte der König. »Geht!«

Der Oberrichter ging. – Sein Auftrag war schwierig, denn um diese Zeit blieben die vier Haupttore von Paris Tag und Nacht offen, in Folge einer Ordonnanz, die der König nach der Rückkehr aus der Schlacht von Rosebrique erlassen hatte, wo er die Flammländer schlug. Messire Olivier von Clisson selbst hatte diesen Befehl bewirkt, damit der König stets Herr in seiner Stadt Paris sei, deren Bürger sich in seiner Abwesenheit empört hatten. Die Torflügel wurden ausgehoben, die Ketten von den Straßen und Kreuzwegen genommen, so dass die königliche Scharwache während der Nacht überall hindurch konnte. War es nicht wunderbar, dass Messire Clisson, der diese Ordonnanz bewirkte, die Strafe dafür erlitt? denn wären die Tor geschlossen, die Ketten gezogen gewesen, so hätte Peter von Craon, es nimmermehr gewagt, dem König und dem Konnetabel die Beleidigung zuzufügen; denn er hätte gewusst, dass er nach dem vollbrachten Verbrechen, der Strafe dafür nicht entgehen konnte.

So war es aber jetzt nicht. Als Peter von Craon und seine Mitverschwornen an dem bezeichneten Orte anlangten, fanden sie die Tore offen und das Feld frei. Die Einen sagten, dass er auf der Brücke von Charenton über die Seine ging; Andere behaupteten, er sei um die Wälle gegangen, am Fuße des Montmartre vorüber, das Tor Saint Honoré links lassend und sei bei Ponson über den Fluss gegangen. Das war wenigstens gewiss, dass er gegen acht Uhr zu Chartre mit den Bestberittenen seines Haufens anlangte, die Andern hatten sich zerstreut, entweder weil ihre Pferde erschöpft waren, oder weil sie keinen Verdacht durch einen so bedeutenden Haufen erwecken wollten. Dort fand er bei einem Canonicus frische Pferde, und eine Stunde darauf war er schon wieder auf der Straße nach Maine unterwegs, und dreißig Stunden darauf langte er schon in seinem Schloss Sablé an. Hier erst hielt er an, denn nur hier glaubte er sich in Sicherheit.

Der Oberrichter von Paris hatte die Stadt mit sechzig Bewaffneten verlassen; er war durch das Tor von Saint-Honore geritten, fand dort frische Pferdespuren, und folgte ihnen bis Chenevière. Dort sah er, dass die Spuren gegen die Seine gingen, und fragte den Fährmann, ob diesen Morgen Jemand nach Ponson übergesetzt sei. Der Fährmann sagte, er hätte gegen zwei Uhr ein Dutzend Reiter durch den Fluss setzen sehen, aber Niemand erkannt, da die Einen vom Kopf bis zum Fuß gerüstet, die Andern in ihre Mäntel gehüllt gewesen wären.

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9783966510653
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