Читать книгу: «Steuerstrafrecht», страница 15

Шрифт:

c) § 370 Abs. 1 Nr. 3 – pflichtwidrige Nichtverwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern

151

Tathandlung des § 370 Abs. 1 Nr. 3 ist die pflichtwidrige Nichtverwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern. Es handelt sich dabei – wie bei § 370 Abs. 1 Nr. 3 um ein gesetzlich geregeltes echtes Unterlassungsdelikt.[402] Steuerzeichen und Steuerstempler dienen dem Nachweis der Entrichtung einer geschuldeten Steuer. Eine Steuerfestsetzung ist nur erforderlich, wenn sie zu einer höheren Steuer führt. Einziger aktueller Anwendungsfall ist § 12 TabStG.[403]

3. Taterfolg

152

§ 370 ist ein Erfolgsdelikt. Der Taterfolg tritt ein, indem durch die Handlungen des § 370 Abs. 1 Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt werden. Zwischen Tathandlung und Taterfolg muss, wie der Gesetzeswortlaut „dadurch“ zeigt, ein Kausal- und Zurechnungszusammenhang bestehen (s. dazu Rn. 226 f.).

a) Abgrenzung der Verkürzung vom Erlangen nicht gerechtfertigter Steuervorteile

153

Das Verhältnis zwischen dem Verkürzen von Steuern und dem Erlangen von nicht gerechtfertigten Steuervorteilen ist umstritten.[404] Die Begriffe der Steuerverkürzung und des Steuervorteils werden, abgesehen von der Nennung einzelner Fälle in § 370 Abs. 4 S. 1 bzw. S. 2, gesetzlich nicht bestimmt. In der Rspr. wird eine Trennung wenn überhaupt, uneinheitlich vorgenommen.[405] Jeder Verkürzung von Steuereinnahmen zum Nachteil des Fiskus steht auf der anderen Seite ein ungerechtfertigter Steuervorteil des Steuerpflichtigen gegenüber. Eine sinnvolle Definition des Steuervorteils muss deshalb über den bloßen Perspektivwechsel hinausgehen.[406] Für beide Varianten genügt die Gefährdung des staatlichen Steueranspruchs.[407]

aa) Steuerverkürzung

154

Gemäß § 370 Abs. 4 S. 1 Hs. 1 sind Steuern namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden. Damit stellt das Gesetz auf das Festsetzungsverfahren ab und setzt für diesen Verfahrensabschnitt die Vermögensgefährdung dem Vermögensschaden gleich. Nach § 370 Abs. 4 S. 1 Hs. 2 tritt der Erfolg auch dann ein, wenn die Steuer nur vorläufig (§ 165 AO) oder unter dem Vorgehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) festgesetzt wird. Der Wortlaut „namentlich“ im 1. Hs. zeigt, dass die Regelung nicht abschließend zu verstehen ist. Eine Steuerhinterziehung kann auch in anderen Verfahrensabschnitten begangen werden (siehe zum Erhebungsverfahren Rn. 145). Im Erhebungs- und Vollstreckungsverfahren kommt es auf eine Verkürzung in dem Sinne an, dass die Ist-Einnahmen hinter den Soll-Einnahmen zurück bleiben.[408] Darüber hinaus bewirkt das Kompensationsverbot des § 370 Abs. 4 S. 3, dass eine Steuerhinterziehung auch dann vorliegen kann, wenn kein Steuerschaden eingetreten ist (s. dazu ausführlich Rn. 230 ff.).

(1) Gegenstand der Steuerverkürzung

155

Gegenstand der Verkürzung sind Steuern i.S.d. § 3 Abs. 1 AO. Nach § 1 Abs. 1 gelten die Vorschriften der AO nur für Steuern, die durch Bundes- oder EU-Recht geregelt und durch Bundes- oder Landes-Finanzbehörden verwaltet werden (USt, ESt, KSt, ErbSt, GrErwSt). Erfasst werden davon auch die in § 3 Abs. 3 genannten Ein- und Ausfuhrabgaben i.S.d. Art. 288 Abs. 2 UZK. § 370 Abs. 6 erweitert den Anwendungsbereich auf Ein- und Ausfuhrabgaben, die von einem anderen Mitgliedstaat der EU verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation zustehen (§ 370 Abs. 6 S. 1) und auf Umsatzsteuern und harmonisierte Verbrauchssteuern, die von einem anderen Mitgliedstaat der EU verwaltet werden (§ 370 Abs. 6 S. 2).

156

Bei der von den Gemeinden verwalteten Grund- und Gewerbesteuer handelt es sich um Realsteuern i.S.d. § 3 Abs. 2. Für diese gelten die Straf- und Bußgeldvorschriften der §§ 369 ff. nach § 1 Abs. 2 Nr. 7 entsprechend.

157

Verkürzt werden kann als Ergänzungsabgabe i.S.d. Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG, auch der Solidaritätszuschlag.[409]

158

Nach den Kirchensteuergesetzen der Länder gilt der Achte Teil der AO (§§ 369–412) für die Kirchensteuer in der Regel nicht. Ausnahmen bilden insoweit Sachsen (§ 12 Sächs. KiStG) und Niedersachsen (§ 6 Nds. KiStG, Voraussetzung ist gem. § 10 Abs. 1 S. 4 Nds. KiStG die Stellung eines Strafantrages durch die Religionsgemeinschaft). Wird die Kirchensteuer nicht von § 370 erfasst, soll die Verkürzung nach der Rspr. des BGH gem. § 263 StGB geahndet werden können.[410] Das wird von Stimmen in der Literatur insb. deshalb abgelehnt, weil sich die Länder insoweit gegen eine Strafbarkeit entschieden haben.[411] Der BGH hält dem entgegen, dass die Gesetzgebungskompetenz insoweit beim Bund liege und dieser auf diese Kompetenz im Rahmen des Art. 4 EGStGB nicht verzichtet habe. Allerdings sei zu erwägen, dass den Ländern diese Kompetenz als Annex zur Gesetzgebung über die Kirchensteuer zustehe (siehe dazu alldem auch § 369 Rn. 9 ff).[412] Die Nichtanwendbarkeit des Hinterziehungstatbestands auf die Kirchensteuer hat zur Folge, dass die verlängerte Festsetzungsfrist nicht greift.[413] Das ergibt sich aus dem Wortlaut „soweit eine Steuer hinterzogen wurde“ des § 169 Abs. 2 S. 2, der zeigt, dass die Vorschrift von einer Teilverjährung ausgeht.[414] Dementsprechend verjährt nur diejenige Steuerart bzw. derjenige anteilige Steuerbetrag nach zehn Jahren, die Gegenstand einer Steuerhinterziehung sind, während es im Übrigen bei der regelmäßigen Verjährungsfrist von vier Jahren bleibt. Für den Haftungsschuldner gilt das ausgehend vom anderslautenden Gesetzeswortlaut des § 191 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 71 („wer eine Steuerhinterziehung begeht“) und § 191 Abs. 5 S. 2 („wenn die Haftung darauf beruht“, nicht „soweit die Haftung darauf beruht“) nicht.[415]

159

Umstritten ist die Anwendbarkeit des § 370 auf steuerliche Nebenleistungen i.S.d. § 3 Abs. 4. Für diese gelten die Vorschiften der AO gem. § 1 Abs. 3, abgesehen von den dort genannten Ausnahmen, sinngemäß. Eine sinngemäße Anwendung des § 370 setzt voraus, dass hinsichtlich der steuerlichen Nebenleistungen ein gleichgerichtetes Rechtsschutzinteresse wie bei der Sicherung des vollständigen und rechtzeitigen Steueraufkommens besteht.[416] Der BGH hatte zunächst allgemein betont, dass die steuerlichen Nebenleistungen anders als Steuern (§ 3 Abs. 1) nicht der Einnahmeerzielung dienen und § 370 daher auf steuerliche Nebenleistungen i.S.d. § 3 Abs. 4 nicht anwendbar sei.[417] So sind Säumnis- und Verspätungszuschläge sowie Zwangsgelder „vorrangig Beuge- oder Druckmittel eigener Art, die dazu dienen sollen, die Steuerpflichtigen zu einem bestimmten erwünschten Verhalten zu veranlassen“.[418] Eine Ausdehnung des Tatbestandes des § 370 kommt daher im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG nicht in Betracht, die Verhinderung von Säumnis- und Verspätungszuschlägen sowie Zwangsgeldern durch Täuschung ist folglich weder nach § 371 noch nach § 263 strafbar.[419] Demgegenüber hat der BGH[420] erlangte Zinsen auf Steuererstattungsbeträge nach § 233a Abs. 3 und 5 AO zuletzt als Steuervorteile i.S.d. § 370 qualifiziert und ausgeführt, die für Steuern geltenden Normen würden für die Festsetzung von Zinsen entspr. gelten (§ 239 Abs. 1 S. 1). Die wirtschaftliche Bedeutung des Zeitpunkts der Steuerzahlung für die staatlichen Einnahmen stehe insoweit im Vordergrund, weshalb Zinsen – sowohl auf Steuernachforderungen als auch auf Steuererstattungen – zum geschützten Rechtsgut des § 370 zählten. Das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG stehe dem nicht entgegen.[421]

(2) Begriff der Verkürzung

160

§ 370 ist ein Erfolgs-, nicht jedoch notwendig ein Verletzungsdelikt.[422] Im Festsetzungsverfahren ist Taterfolg nach § 370 Abs. 4 bereits die fehlerhafte Steuerfestsetzung. Demgemäß hat sich die Auffassung durchgesetzt, wonach es im Festsetzungsverfahren nicht zu einer „wirklichen Verletzung“ des Steueranspruchs oder einer „wirklichen Beeinträchtigung“ des Steueraufkommens kommen müsse.[423] Aus Sicht des Steuerpflichtigen betrachtet, kommt es für die Vollendung der Hinterziehung nicht auf die für ihn dadurch eintretenden finanziellen Vorteile an.

161

Bei einer Hinterziehung im Beitreibungsverfahren besteht der Erfolg demgegenüber in der Verletzung, also darin, dass der Täter die Beitreibung von Steuerbeträgen, bspw. durch das Verheimlichen von Einkünften oder Vermögen, vereitelt.

(3) Steuerverkürzung auf Zeit

162

Nach § 370 Abs. 4 S. 1 Hs. 1 genügt für die Vollendung der Steuerverkürzung die nicht rechtzeitige Festsetzung der Steuer, also die Steuerverkürzung auf Zeit. Objektiv betrachtet sind verfolgbare Steuerhinterziehungen immer solche auf Zeit, da die Festsetzungsfrist des § 169 AO regelmäßig nicht vor der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung (nach § 78 Abs. 3 StGB bzw. § 376 AO) abläuft.[424] Wird die zutreffende Steuer nach Tatendeckung festgesetzt und gezahlt, tritt kein endgültiger Schaden ein, die begangene Straftat entfällt dadurch nicht.[425]

163

Will der Täter die Steuer subjektiv nur vorübergehend, für eine gewisse Zeit verkürzen, so dass die Festsetzung oder Anmeldung lediglich nicht rechtzeitig erfolgt, liegt der Schaden zwar nur in dem Zinsverlust,[426] der tatbestandliche Verkürzungserfolg bemisst sich hingegen nach aktueller Rspr. nach dem Nominalbetrag der nicht rechtzeitig festgesetzten Steuer.[427] Damit ist die Rspr. überholt, wonach zugunsten des Täters insb. in den Fällen nur eine Steuerhinterziehung auf Zeit angenommen wurde, in denen nach der Tathandlung eine weitere steuerliche Erklärung vom Täter abzugeben ist. Bspw. folgt auf die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen (§ 18 Abs. 1 UStG) eines Jahres nach der Systematik des Gesetzes die Abgabe der Jahreserklärung (§ 18 Abs. 3 UStG). Gab der Täter keine Umsatzsteuervoranmeldungen ab, beging er nach dieser Auffassung nur eine Hinterziehung auf Zeit.[428] Der Hinterziehungsschaden wurde auf den dem Fiskus entstandenen Zinsverlust beschränkt. Die Hinterziehung auf Dauer wurde erst in der Nichtabgabe der Jahressteuererklärung gesehen.[429] Gleiches galt für Lohnsteueranmeldungen sowie Vorauszahlungen auf die Einkommen-, Körperschaft- oder Kapitalertragsteuer.[430] Wurde eine Steuerhinterziehung auf Zeit bejaht, bemaß sich der Verspätungsschaden nach dem Zinsverlust des Fiskus.[431] Dieser wurde entspr. §§ 235, 238 AO mit 0,5 Prozent pro Monat des nicht rechtzeitig festgesetzten Steuerbetrags angesetzt. Der 1. Senat des BGH hat diese Rspr. im Jahr 2009 aufgegeben und die Unterscheidung der tatbestandlichen Steuerverkürzung in eine solche „auf Dauer“ und eine solche „auf Zeit“ insgesamt abgelehnt.[432] Der BGH begründet dies damit, dass bei einer Verletzung der Pflicht zur Einreichung von zutreffenden Umsatzsteuervoranmeldungen die gem. § 370 strafbewährte Gefährdung des Steueranspruchs unabhängig davon besteht, ob der Steuerschuldner beabsichtigt, die falschen oder unterlassenen Angaben später – insb. in der Jahreserklärung – zu berichtigen oder nachzuholen. Die Steuerhinterziehung sei zwar ein Erfolgsdelikt, jedoch – wie die Vorschrift des § 370 Abs. 4 Satz 1 AO zeigt – nicht notwendig Verletzungs- sondern konkretes Gefährdungsdelikt. Die geschuldete Steuer sei bereits dann verkürzt, wenn sie nicht rechtzeitig festgesetzt wird. Die spätere Korrektur ändere daher nichts am Erfolgsunrecht. Ziel des Täters, der sich durch eine Steuerhinterziehung auf Zeit nur vorübergehend Liquidität beschaffen wolle, sei eine Schadenswiedergutmachung. Sein Handlungsunrecht sei daher geringer, dies sei lediglich für die Strafzumessung von Bedeutung (s. dazu Rn. 362).[433]

bb) Erlangen nicht gerechtfertigter Steuervorteile

(1) Begriff des Steuervorteils

164

Der Begriff des Steuervorteils wird gesetzlich nicht definiert. § 370 Abs. 4 S. 2 stellt lediglich klar, dass Steuervorteile auch Steuervergütungen sind und dass Steuervorteile erlangt sind, wenn sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Nach der sehr weiten Definition des BGH handelt es sich um Vorteile spezifisch steuerlicher Art, die auf dem Tätigwerden der Finanzbehörde beruhen.[434] Ausgehend von der Definition der Steuer in § 3 Abs. 1 S. 1 kann ein Vorteil dann als spezifisch steuerlicher Art angesehen werden, wenn er den Ertrag einer Steuer mindert und dies auf der Anwendung eines Steuergesetzes beruht.[435] So ist bspw. das gem. § 31 S. 1 Alt. 2 EStG i.V.m. Abschn. 10 EStG gewährte Kindergeld ein Steuervorteil in Form einer Steuervergütung,[436] die für bis Ende 2005 angeschaffte Eigenheime gewährte Eigenheimzulage hingegen nicht, da es sich nicht um einen spezifisch steuerrechtlichen Vorteil handelt.[437] Der Steuervorteil muss nicht durch einen Verwaltungsakt gewährt werden. So soll bspw. die einstweilige Einstellung oder Beschränkung der Vollstreckung nach § 258 einen steuerlichen Vorteil bilden.[438]

165

Da jede Steuerverkürzung zugleich einen Steuervorteil für den Steuerpflichtigen begründet, wird in der Literatur auf unterschiedliche Weise versucht, eine sinnvolle Abgrenzung des Erlangens eines Steuervorteils von der Steuerverkürzung vorzunehmen. Dies kann in der Weise geschehen, dass als Steuervorteile nur solche Vorteile erfasst werden, die außerhalb des Festsetzungsverfahrens erlangt werden.[439] Eine Steuererstattung ist dann nur in den Fällen ein Steuervorteil, in denen sie nicht auf einer zu niedrigen Festsetzung beruht.[440] Auch in einem vorteilhaften Feststellungsbescheid i.S.d. § 180 Abs. 1 wäre dann kein Steuervorteil zu sehen (s. dazu Rn. 169 ff.). In vielen Fällen beruht es auch außerhalb des Festsetzungsverfahrens allein auf dem Blickwinkel (Steuerpflichtiger oder Fiskus), ob man in dem Tätigwerden der Finanzbehörde einen steuerlichen Vorteil oder eine Steuerverkürzung sieht, wie etwa bei Stundung (§ 222), Zahlungsaufschub (§ 223) oder Aussetzung der Vollziehung (§ 361 Abs. 2 bzw. § 69 FGO).

166

Streitig ist, ob rein verfahrensrechtliche Entscheidungen, wie die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 und die Gewährung einer Fristverlängerung nach § 109 einen Steuervorteil darstellen bzw. zu einer Steuerverkürzung führen können.[441] Zuzustimmen ist insoweit dem OLG Hamm, das darauf abstellt, ob durch die verfahrensrechtliche Entscheidung der materielle Steueranspruch des Staates beeinträchtigt wird.[442] Demnach kann in der Erschleichung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann eine Steuerverkürzung –nicht ein steuerlicher Vorteil – gesehen werden, wenn dadurch die Beitreibung eines materiell bestehenden Steueranspruchs erschwert oder vereitelt wird. Das scheidet aus, wenn der Steuerpflichtige die materiell zutreffende steuerliche Festsetzung erstrebt.[443] Ransiek weist überdies darauf hin, dass die Gewährung von Wiedereinsetzung – anders als ggf. die Verlängerung von Fristen – das Steueraufkommen selbst nicht berühre, sondern nur die Möglichkeit zu einer späteren Änderung der Steuerlage schaffe.[444] Entscheidend ist, ob es aufgrund des verfahrensrechtlichen Antrags zu einer verspäteten Steuerfestsetzung oder -beitreibung und damit zu einer Steuerverkürzung kommt. Denkbar ist das unter Umständen, wenn ein verspätet eingelegter Einspruch gegen einen Steuerbescheid mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung verbunden und Wiedereinsetzung gewährt wird.

167

Bei Steuererstattungen handelt es sich um die Rückzahlung von rechtsgrundlos gezahlten Steuern (§ 37 Abs. 2 AO).[445] Erfolgt die Erstattung als Folge zu niedriger Steuerfestsetzungen, so handelt es sich um Steuerverkürzungen.[446] Die auf Steuererstattungen gem. § 233a Abs. 3 und Abs. 5 gezahlten Zinsen werden nach neuerer Rspr. als Steuervorteile i.S.d. § 370 Abs. 1 betrachtet,[447] anders als Säumnis- und Verspätungszuschläge sowie Zwangsgelder.[448]

168

Auch durch die Untätigkeit der Finanzbehörde kann ein Steuervorteil gewährt werden, wenn der Steuerpflichtige mit falschen oder unterbliebenen Angaben veranlasst, dass ihm ein bereits gewährter Vorteil belassen wird.[449]

(2) Sonderfall: Grundlagenbescheid als Steuervorteil

169

Der BGH erachtet die Feststellung von steuergünstigen Tatsachen in Grundlagenbescheiden (§ 171 Abs. 10 S. 1) wegen der Bindungswirkung gem. § 182 Abs. 1 S. 1 für Folgebescheide seit einer dazu am 8.12.2008 ergangenen Grundsatzentscheidung[450] als ausreichend für die Erlangung eines ungerechtfertigten Steuervorteils i.S.d. § 370 Abs. 1.[451] Die Entscheidung betraf die einheitliche und gesonderte Feststellung nach §§ 180 ff. AO. Im Anschluss daran hat der BGH die Rechtsprechungsänderung auch für Verlustfeststellungsbescheide (gem. § 10a GewStG oder § 10d Abs. 4 EStG) bestätigt.[452] Demgegenüber hatte die Rspr. zuvor in der Erlangung eines unzutreffenden Grundlagenbescheides noch keinen Taterfolg gesehen,[453] sondern auf die Steuerverkürzung im Folgebescheid abgestellt.[454]

170

Nach der vom BGH in der genannten Grundsatzentscheidung vertretenen Auffassung ist bereits mit dem Wirksamwerden eines Bescheides über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Bst. a ein ungerechtfertigter Steuervorteil erlangt.[455] Zwar bewirke ein unrichtiger Feststellungsbescheid als bloßer Grundlagenbescheid noch keine Steuerverkürzung, da in ihm lediglich die Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden, während die Festsetzung der Steuern dem Folgebescheid vorbehalten bleibt. Die Bindungswirkung des Grundlagenbescheides für den Folgebescheid begründe aber eine hinreichend konkrete Gefährdung des Steueranspruchs, die für die Annahme eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils genüge.[456] Dementsprechend stellt es nach der Rspr. des BGH ebenfalls einen Steuervorteil dar, wenn der Täter durch unrichtige Angaben erreicht, dass ein zu hoher vortragsfähiger Verlust festgestellt wird.[457] Bereits damit werde eine Besserstellung des Steuerpflichtigen bewirkt, nicht erst durch die tatsächliche Durchführung des Verlustabzugs.

171

Den Umstand, dass sich erst anhand des Folgebescheides die steuerlichen Auswirkungen feststellen lassen, hält der BGH im Hinblick auf die Strafzumessung für unproblematisch. Es genüge, dass sich „die Dimension der Gefährdung“ bereits aus dem Grundlagenbescheid erkennen lasse.[458] Auch im Hinblick auf die Anwendung des Regelbeispiels aus § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 (Hinterziehung großen Ausmaßes) bedürfe es der Bezifferung der Auswirkungen des Steuervorteils nicht. Die Bestimmung einer Wertgrenze für Steuervorteile der hier fraglichen Art sei bislang durch die Rspr. nicht erfolgt, komme aber grundsätzlich in Betracht.[459] Nachdem der BGH jede Differenzierung für die Bestimmung des großen Ausmaßes aufgegeben hat und nun einheitlich einen Betrag von 50 000 EUR ansetzt,[460] ist davon auszugehen, dass er diesen Betrag auch für Feststellungsbescheide heranziehen wird, wobei fraglich bleibt, wie dieser berechnet werden soll.

172

Diese Rspr. ist in der Literatur umstritten[461] und nach der hier vertretenen Auffassung abzulehnen. Mit der gesonderten Feststellung erfolgt noch keine Festsetzung der Steuer, sondern lediglich die Feststellung der Grundlagen der erst im Folgebescheid erfolgenden Besteuerung.[462] Sie ist damit innerhalb des Festsetzungsverfahrens eine Vorstufe zur Steuerfestsetzung.[463] Erst durch Übernahme der Feststellungen in den Folgebescheid wird die Verkürzung i.S.d. § 370 Abs. 1 erreicht. Insoweit hinkt auch der Verweis darauf, dass die Regelung des § 370 Abs. 4 S. 1 belege, dass es auf den Eintritt eines steuerlichen Schadens nicht ankomme, sondern eine Gefährdung des Steueraufkommens grundsätzlich als Steuerhinterziehungserfolg genügt.[464] Denn auch nach dieser Vorschrift kommt es dem Wortlaut nach sehr wohl auf die (Nicht-)Festsetzung der Steuer an[465] – auf irgendwelche Vorstufen zur Festsetzung stellt § 370 an keiner Stelle ab. Die Gefährdung macht aus den Feststellungen des Grundlagenbescheides weder eine Steuerverkürzung noch einen nicht gerechtfertigten Steuervorteil. Demgegenüber verlagert der BGH durch eine weite Auslegung des Begriffs des „steuerlichen Vorteils“ (als zweite Erfolgsalternative des § 370 Abs. 1 Nr. 1) die Vollendung des Tatbestandes vor und hebt dabei die nach dem Wortlaut des § 370 Abs. 1 und Abs. 4 S. 1 und 2 getroffene Differenzierung zwischen der Steuerverkürzung (die nach § 370 Abs. 4 S. 1 u.a. die – hier erst im Folgebescheid erfolgende – zu niedrige Steuerfestsetzung umfasst) und dem Erlangen steuerlicher Vorteile auf.[466] Es erscheint widersprüchlich, den Eintritt einer Steuerverkürzung zu verneinen, weil diese erst mit Übernahme der Feststellungen in den Folgebescheid eintrete, die Vollendung dann aber über den Umweg der vermeintlichen Gewährung eines steuerlichen Vorteils doch zu bejahen.[467] Der Steuervorteil wird so zu einer Vorstufe der Steuerverkürzung.[468] Die dadurch erreichte Vorverlagerung der Strafbarkeit ist auch aus kriminalpolitischen Gründen nicht angezeigt, da einerseits Vollendung bei der Festsetzung von Steuern bereits dadurch vorverlagert ist, dass ein Schadenseintritt nach § 370 Abs. 4 S. 1 nicht vorausgesetzt wird[469] und andererseits Strafbarkeitslücken bei Bejahung der Strafbarkeit als Versuch (§ 370 Abs. 2) nicht entstehen.

173

Nach einer in der Literatur vertretenen Meinung wird die Erlangung eines fehlerhaften Feststellungsbescheides als straflose Vorbereitungshandlung qualifiziert,[470] da der Täter mit den dazu gemachten Erklärungen noch nicht zur Tatbestandsverwirklichung ansetze. Grundsätzlich kann es bei zeitlich gestreckten Handlungsabläufen an einem unmittelbaren Ansetzen fehlen, wenn zwischen vorbereitenden Handlungen und Erfolgsherbeiführung noch eine Mehrzahl von Handlungsschritten erforderlich ist.[471] In diesem Sinne sieht bspw. Beckemper in den Angaben zur Erwirkung eines Feststellungsbescheides keine Hinterziehungshandlung, weil dadurch der tatbestandliche Erfolg noch nicht eintreten solle.[472] Allerdings geht Beckemper wohl unzutreffend davon aus, dass der Steuerpflichtige von dem Feststellungsbescheid durch Einreichung zu seiner Steuererklärung Gebrauch mache.[473] Tatsächlich erfolgt die Mitteilung (auch) durch das Feststellungsfinanzamt von Amts wegen an das für die Steuerfestsetzung zuständige (Wohnsitz-)Finanzamt. Der Steuerpflichtige kann die Angaben auch nicht durch Berichtigung im Rahmen seiner Steuererklärung korrigieren, sondern müsste dazu für eine Änderung des Feststellungsbescheides Sorge tragen (§§ 182 Abs. 1, 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1). Eher lässt sich für diese Ansicht vorbringen, dass zur Übernahme der Feststellungen in den Folgebescheid behördenintern noch ein Zwischenschritt erforderlich ist.[474] Ob daraus aber der Schluss gezogen werden kann, dass eine unmittelbare Gefahr im Hinblick auf die Steuerverkürzung erst bestehe, wenn die Übernahme in die nachfolgende Steuerfestsetzung bevorstehe,[475] erscheint vor dem Hintergrund, dass die Übernahme der Feststellungen zwingend ist, zweifelhaft.[476]

174

Überzeugend war demgegenüber der BGH – und mit ihm andere Stimmen in der Literatur – vor Änderung seiner Rechtsprechung, d.h. als er den Erlass eines Feststellungsbescheides noch nicht als steuerlichen Vorteil betrachtete, davon ausgegangen, dass der Täter mit Einreichen der Feststellungserklärung beim Finanzamt das Geschehen aus der Hand gibt und – bei entsprechendem Tatplan – i.S.d. § 22 StGB unmittelbar zur Verwirklichung des Tatbestandes ansetzt.[477] Der BGH verwies insoweit darauf, dass die Erklärung bei gewöhnlichem Ablauf ohne Weiteres in den Feststellungsbescheid und dieser gem. § 182 Abs. 1 S. 1 wiederum in den Steuerbescheid münde,[478] mit der Folge, dass der Steueranspruch bereits konkret gefährdet sei.[479] Demnach macht sich der Steuerpflichtige mit falschen Angaben im Rahmen der Feststellungserklärung einer versuchten Steuerhinterziehung strafbar.[480]

175

Darüber hinaus überzeugt die Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2008[481] auch insoweit nicht, als er ausführt, die Feststellung der steuerlichen Auswirkungen des Grundlagenbescheides lasse sich ohne Betrachtung des Folgebescheides zumindest als „Dimension der Gefährdung“ aus dem Grundlagenbescheid erkennen und das genüge für alle im Steuerstrafrecht erforderlichen Betragsfeststellungen. Dies widerspricht allen hergebrachten Grundsätzen. Weder leuchtet ein, inwieweit sich die „Dimension der Gefährdung“ ohne Betrachtung der Folgebescheide ergeben soll, noch wie die bloße „Dimension“ u.a. im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden soll. In der Literatur wird dagegen vorgebracht, auf die Feststellung der konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen der durch einen Feststellungsbescheid herbeigeführten Verlustgefahr für das Vermögen des Staates dürfe nicht verzichtet werden, weil es sich bei § 370 um ein Vermögenserfolgsdelikt handele.[482] Andere Stimmen in der Literatur wollen es bezogen auf Verlustfeststellungsbescheide genügen lassen, dass im Einzelfall eine Prognose über die Wahrscheinlichkeit der künftigen Verlustnutzung gestellt werde.[483] Auch das genügt jedoch nicht den bislang – soweit ersichtlich – einhellig an die Genauigkeit der Berechnung der hinterzogenen Beträge gestellten Anforderungen, noch den betragsmäßig vorgegebenen Grenzen für die Bestimmung des großen Ausmaßes, der verlängerten Verjährungsfrist nach § 376 Abs. 1 und der Sperrwirkung für die Selbstanzeige nach § 371 Abs. 2 Nr. 3.[484] Ein Abstellen auf die bloße „Dimension der Gefährdung“ ist daher als weder rechtmäßig noch praktisch handhabbar abzulehnen.[485]

176

Die Verjährung beginnt nach Rspr. des BGH erst mit Bekanntgabe des Folgebescheides;[486] die durch die Umsetzung der festgestellten unrichtigen Besteuerungsgrundlagen bei der Steuerfestsetzung in den Folgebescheiden bewirkte Steuerverkürzung stelle einen weitergehenden Taterfolg dar, der insbesondere für den Zeitpunkt der Tatbeendigung und damit für den Verjährungsbeginn der Steuerhinterziehung von Bedeutung sei. Sofern mehrere Festsetzungsbeteiligte vorhanden sind, tritt nach der hier vertretenen Auffassung Vollendung mit Erlass des ersten Folgebescheides ein, Beendigung mit Erlass des letzten Folgebescheides.

Возрастное ограничение:
0+
Объем:
2472 стр. 5 иллюстраций
ISBN:
9783811406506
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают