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b) Tathandlung des § 370 Abs. 1 Nr. 2 – Unterlassen

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Nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 macht sich strafbar, wer die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

aa) Steuerhinterziehung als gesetzlich geregeltes echtes Unterlassungsdelikt

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Mit dem pflichtwidrigen In-Unkenntnis-Lassen des § 370 Abs. 1 Nr. 2 wird ein Unterlassen unter Strafe gestellt. Bei dem Tatbestand handelt es sich um ein besonders gesetzlich geregeltes echtes Unterlassungsdelikt.[283]

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Das Unterlassen i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 2 muss pflichtwidrig sein. Die Vorschrift wird daher – anders als § 370 Abs. 1 Nr. 1 – als Sonderdelikt eingeordnet.[284] Der Täter selbst muss zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet sein. Eine Zurechnung fremder Pflichten kommt auch dann nicht in Betracht, wenn sonst nach allgemeinen Grundsätzen Mittäterschaft vorliegen würde.[285] Nach geänderter Rspr. des 1. Senats[286] handelt es sich bei der Pflichtwidrigkeit, um ein strafbarkeitsbegründendes besonderes persönliches Merkmal i.S.d. § 28 StGB,[287] mit der Folge, dass die Strafe – abgesehen von der Milderung für den Teilnehmer nach §§ 27, 49 Abs. 1 StGB – nochmals nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert wird, sofern nicht allein wegen des Fehlens der Erklärungspflicht Beihilfe und nicht Täterschaft angenommen wird.[288] Der BGH begründet dies zutreffend damit, dass den Verpflichteten – ungeachtet dessen, dass die steuerrechtlichen Erklärungsvorschriften potentiell viele treffen können – im konkreten Fall jedenfalls eine Sonderpflicht trifft, die höchstpersönlicher Art ist. Denn das tatbestandliche Unrecht der verwirklichten Tat ergibt sich im Vergleich zu anderen Straftatbeteiligten aus der im Rahmen von § 370 Abs. 1 Nr. 2 erforderlichen Erklärungspflicht, die die besondere soziale Rolle des Täters in Bezug auf die von der Vorschrift geschützten Rechtsgüter kennzeichnet.

bb) Steuerliche Erklärungspflicht

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Pflichtwidrig unterlassen i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 2 kann nur, wer zur Aufklärung besonders verpflichtet ist. Die steuerlichen Erklärungspflichten ergeben sich aus den Steuergesetzen,[289] also aus der AO und den Einzelsteuergesetzen.

(1) Erklärungspflichtiger

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Adressat steuerlicher Pflichten sind Steuerpflichtige i.S.d. § 33 Abs. 1. An diese richten sich auch die in den Steuergesetzen geregelten Erklärungspflichten. Nach § 33 AO ist steuerpfl. grundsätzlich derjenige, der


eine Steuer schuldet, d.h. derjenige, der verpflichtet ist, die Steuer für eigene Rechnung selbst zu entrichten, oder für dessen Rechnung ein anderer die Steuer zu entrichten hat, § 43 AO (z.B. ist nach § 38 Abs. 2 EStG der Arbeitnehmer Schuldner der Lohnsteuer, bzgl. der pauschalen Lohnsteuer nach §§ 40 bis 40b EStG der Arbeitgeber, § 40 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 EStG);
eine Steuer für Rechnung eines anderen einzubehalten und abzuführen hat (etwa nach §§ 38 ff. EStG: Einbehaltung und Abführung von Lohnsteuer durch den Arbeitgeber, §§ 43 ff. EStG: Steuerabzug bei Kapitalerträgen, § 48 ff. EStG: Steuerabzug bei Bauleistungen);
eine Steuererklärung abzugeben hat (z.B. gem. § 25 Abs. 3 EStG i.V.m. § 56 EStDV; § 14a GewStG i.V.m. § 25 GewStDV; § 18 Abs. 1 UStG; § 31 ErbStG);
Sicherheit zu leisten hat (z.B. im Rahmen der Stundung gem. § 222 und des Zahlungsaufschubs gem. § 223);
Bücher und Aufzeichnungen zu führen hat (z.B. gem. §§ 141 ff.);
andere ihm durch die Steuergesetze auferlegte Verpflichtungen zu erfüllen hat.

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Die Vorschrift des § 149 Abs. 1 S. 2, wonach zur Abgabe einer Steuererklärung jeder verpflichtet ist, der dazu von der Finanzbehörde aufgefordert ist, spielt strafrechtlich keine Rolle, da eine Steuerhinterziehung letztlich nur derjenige begehen kann, der tatsächlich – nach gesetzlichen Vorschriften – erklärungspflichtig ist.[291]

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Zur steuerlichen Verantwortung von faktischen und eingetragenen Organen sowie Strohmännern und Hintermännern, s. Rn. 32 ff.

(2) Garantenstellung gem. § 13 StGB

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Umstritten ist, ob sich eine strafbewehrte Pflicht zur Abwendung des Hinterziehungserfolges auch aus der allgemeinen strafrechtlichen Garantenstellung i.S.d. § 13 StGB ergeben kann. In Betracht käme dann bspw. eine Pflicht aus vorausgegangenem pflichtwidrigen Tun (Ingerenz), eine Hinterziehung durch Unterlassen zu verhindern. In diesem Sinne hat der 1. Senat des BGH[292] in einem Urteil aus dem Jahr 2013 soweit ersichtlich erstmals bejaht, dass allgemeine Garantenpflichten den (Mit-)Täter zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichten können.[293] Allerdings würden solche Pflichten „eine untergeordnete Rolle spielen“.[294] Teile der Literatur stimmen dem zu.[295] Als möglicher Anwendungsfall wird angeführt, dass eine selbst nicht steuerpflichtige Person den Steuerpflichtigen durch Täuschung an der Abgabe einer wahrheitsgemäßen Steuererklärung hindert.[296]

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Der Annahme einer strafbewehrten Garantenpftlicht aus Ingerenz im Rahmen des § 370 Abs. 1 Nr. 2 ist zu widersprechen.[297] § 13 StGB regelt die Strafbarkeit der Verwirklichung des Erfolges einer als Handlungsdelikt normierten Tat durch Unterlassen – das Unterlassen muss „der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entsprechen“. Die Regelung gilt somit nicht für echte Unterlassungsdelikte.[298] Der BGH vertritt in der zitierten Entscheidung die Auffassung, da § 370 Abs. 1 Nr. 2 nicht die Formulierung „wer als Steuerpflichtiger“ enthalte, richte er sich auch nicht allein an den Adressaten eines Steuergesetzes, also denjenigen, dem aus einem Steuergesetz Rechte und Pflichten erwachsen.[299] Da die Steuergesetze jedoch klare Vorschriften dazu enthalten, wem welche steuerlichen Erklärungspflichten obliegen, verbietet sich ein Rückgriff auf § 13 StGB. Nach den Steuergesetzen bestehen steuerliche Pflichten nie allgemein für „Jedermann“, sondern immer nur für bestimmte steuerpflichtige Personen. Steuerliche Erklärungspflichten ergeben sich nur, wenn und soweit dies gesetzlich bestimmt ist. So begründet insb. § 153 eine steuerliche Garantenpflicht aus Ingerenz. Die Vorschrift verpflichtet aber gerade nicht „jedermann“ im Sinne einer allgemeinen Garantenstellung aus vorangegangenem Tun, sondern sieht steuerliche Berichtigungspflichten nur für die in der Vorschrift genannten, steuerlich besonders verpflichteten Personen vor.[300] Darüber hinausgehende allgemeine Pflichten i.S.d. § 13 StGB sind keine steuerlichen Erklärungspflichten.[301] Ließe man solch allgemeine Pflichten genügen, würde die Strafbarkeit durch Unterlassen weiter gehen, als die dem zugrunde liegenden steuerlichen Pflichten, d.h. es würde Verhalten als Steuerhinterziehung bestraft werden, das steuerlich nicht beachtlich wäre.[302] Dadurch würde – wenn nicht schon die tatbestandliche Begrenzung des § 370 Abs. 1 Nr. 2 – zumindest die in den Steuergesetzen getroffene Begrenzung der Pflichten umgangen und wäre somit hinfällig.[303] Zudem sieht § 13 Abs. 2 StGB eine fakultative Strafmilderungsmöglichkeit vor, so dass die Norm als milderes Gesetz Anwendung finden müsste.[304] Insoweit ist aber anerkannt, dass § 13 Abs. 2 StGB nicht anwendbar ist.[305] Die Anwendung des § 13 StGB im Zusammenhang mit § 370 Abs. 1 Nr. 2 bzw. die Herleitung der Pflichtwidrigkeit aus allgemeinen Handlungspflichten außerhalb der Steuergesetze ist daher abzulehnen.

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Folglich kann auch die neuere Rspr. des BGH zur strafrechtlichen Verantwortung des Leiters der Innenrevision[306] bzw. des Compliance Officers eines Unternehmens in Fällen des § 370 Abs. 1 Nr. 2 nicht über § 13 StGB zu einer Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung führen.[307] Gleiches gilt für sonstige Angestellte eines Unternehmens, die nicht aufgrund steuerlicher Vorschriften selbst zur Abgabe steuerlicher Erklärungen verpflichtet sind.

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Einen Sonderfall bildet die Gestellungspflicht i.S. des Art. 40, 4 Nr. 19 ZK bei der Einfuhr von Waren in das Zollgebiet der EU. Insoweit wurde diskutiert, ob die Gestellungspflicht auch die Hintermänner eines Schmuggels trifft, die am Transportvorgang nicht beteiligt sind.[308] Der EuGH hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2005[309] klargestellt, dass Verbringer i.S.d. Art. 38, 40 ZK auch derjenige sein kann, der als Organisator des Transports durch seine Weisungsbefugnis die Herrschaft über das Fahrzeug hat. Der BGH hat sich dem angeschlossen.[310] Insoweit handelt es sich jedoch nicht um die strafrechtliche Frage, ob die Erklärungspflicht nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 einen anderen als den aus den Steuergesetzen Verantwortlichen treffen kann,[311] sondern darum, wie weit die Verantwortung aus den Steuergesetzen reicht. Art. 139 UZK[312] erfasst nun ausdrücklich auch den Auftraggeber.

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Teilnehmer einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen kann hingegen jeder sein, ohne dass es auf eine besondere Pflichtenstellung ankommt.[313]

(3) Steuerliche Erklärungspflichten

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Pflichten zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen ergeben sich regelmäßig aus den Steuergesetzen. So enthält die AO z.B. Pflichten zur Auskunftserteilung und Vorlegung von Unterlagen nach §§ 90, 93, 97, 200, Anzeigepflichten gem. §§ 135 ff., die Berichtigungspflicht nach § 153 sowie insb. die Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen gem. § 149 i.V.m. den Einzelsteuergesetzen (z.B. § 18 Abs. 1 UStG, § 31 ErbStG). Ein pflichtwidriges Unterlassen kann etwa darin liegen, dass Anzeigepflichten zur steuerlichen Erfassung nach § 137 bis § 139 verletzt werden und dadurch z.B. die Festsetzung von Vorauszahlungen unterbleibt.[314] Voraussetzung ist, dass bereits die unterbliebene Mitteilung über die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit o.ä. ursächlich für die Steuerverkürzung ist. Meist kommt es aber erst dadurch zur Steuerhinterziehung, dass anschließend auch die Abgabe von Steuererklärungen unterlassen wird.[315]

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Bereits das Verstreichenlassen steuerlicher Abgabefristen für Erklärungen[316] stellt ein pflichtwidriges Unterlassen dar, das im Falle von Veranlagungssteuern den Versuch einer Steuerhinterziehung und bei Anmeldungssteuern, sofern die Anmeldung nach § 168 der Festsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich steht, die Vollendung einer Steuerhinterziehung begründet (s. dazu auch Rn. 282).

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Da Tathandlung nur das pflichtwidrige in Unkenntnis lassen der Finanzbehörde ist, scheidet eine Strafbarkeit aus, wenn der Steuerpflichtige aufgrund wahrheitsgemäßer Angaben von der Abgabe einer Erklärung befreit ist oder die Frist zur Abgabe nicht abgelaufen ist. Ab dem Veranlagungszeitraum 2018 läuft die Abgabefrist für Jahreserklärungen, wie z.B. die ESt-Erklärung, bis zum 31.7. des Folgejahres (§ 149 Abs. 2). Steuerlich beratenen Steuerpflichtigen wird eine Frist bis Ende Februar des übernächsten auf das Kalenderjahr der Veranlagung folgende Jahr gewährt (§ 149 Abs. 3). In früheren Jahren lief die Frist bereits zum 31.5. des Folgejahres ab. Steuerlich beratenen Steuerpflichtigen wurde durch Allgemeinverfügung der meisten Bundesländer jährlich pauschal eine Fristverlängerung bis zum 31.12. des auf das Veranlagungsjahr folgenden Jahres eingeräumt.[317] Voraussetzung war, dass tatsächlich ein Steuerberater beauftragt war.[318] Wurde das Mandatsverhältnis vor Abgabe der Erklärung gekündigt, war dem Steuerpflichtigen eine (kürzere) Fristverlängerung zu gewähren.[319] Eine Fristverlängerung kann auch auf Antrag individuell – auch rückwirkend – gewährt werden, allerdings nur noch unter den Voraussetzungen des § 109 Abs. 2.

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Bei unterbleibender Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen geht die Rspr. nicht mehr von eigenständigen Steuerverkürzungen gegenüber der Jahressteuererklärung aus, vielmehr sind die Voranmeldungen gegenüber der Jahreserklärung mitbestrafte Vortaten[320] (s. dazu Rn. 439).

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Allein die Missachtung vorgeschriebener Formen (§ 150) begründet keinen Hinterziehungsvorwurf.[321]

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Die Verletzung der nach § 116 Abs. 1 S. 1 für Gerichte und andere Behörden als Finanzbehörden bestehenden Pflicht zur Anzeige von Steuerstraftaten begründet, da es sich nicht um eine Erklärungspflicht i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 2 handelt, allenfalls eine Strafvereitelung durch Unterlassen nach §§ 258, 13 StGB.[322]

(4) Unzumutbarkeit der Erfüllung der Pflicht zur Abgabe der Erklärung

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Die (strafbewehrte) steuerliche Pflicht zur Abgabe von Erklärungen besteht grundsätzlich auch dann fort, wenn der Erklärungspflichtige Gefahr läuft, mit der Erfüllung der Erklärungspflicht zu offenbaren, dass er sich strafbar gemacht hat (vgl. § 393 Abs. 1 S. 1 sowie die Kommentierung zu § 393 Rn. 37 ff.). Allerdings ist in solchen Fällen das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bzw. aus Art. 6 Abs. 1 EGMR[323] hergeleitete Verbot von Zwang zur strafrechtlichen Selbstbelastung (nemo tenetur se ipsum accusare) zu beachten.[324] Die Erfüllung steuerlicher Erklärungspflichten kann danach für den Steuerpflichtigen unzumutbar sein, weil er sich damit selbst belasten und der Gefahr der Strafverfolgung aussetzen müsste (s. dazu auch § 393 Rn. 6 ff.).[325]

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Im steuerlichen Verfahren besteht die Pflicht zur Mitwirkung auch dann fort, wenn der Steuerpflichtige sich durch die Erfüllung dieser Pflicht selbst belasten könnte. Allerdings enthält § 393 Abs. 1 S. 2 ein Verbot der Anwendung von Zwangsmitteln nach § 328 zur Durchsetzung der steuerlichen Pflichten.[326]

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Im Hinblick auf eine mögliche Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 im Falle des Unterlassens der Abgabe von den Erklärenden möglicherweise selbst belastenden Erklärungen, gewährleistet die Rspr. die Selbstbelastungsfreiheit nur in Ausnahmefällen dadurch, dass sie die Strafbewehrung der steuerlichen Pflichten suspendiert.[327] In der Regel nimmt sie an, dass die Erklärungspflichten fortbestehen, wenn der Betroffene auf andere Weise, insb. durch eine Selbstanzeige (siehe dazu § 371 Rn. 45) oder ein strafrechtliches Verwendungsverbot, ausreichend geschützt werden kann.[328]

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Ist dem Steuerpflichtigen die Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Verfahrens mitgeteilt worden, ist er nach § 393 Abs. 1 S. 2, 3 von der Abgabe von weiteren Erklärungen betreffend dieselbe Steuerart und denselben Besteuerungszeitraum – also etwa bzgl. der Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung nach Verfahrenseinleitung wegen der Voranmeldungen desselben Jahres – befreit, weil er sich dadurch möglicherweise selbst belasten würde (zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen s. § 393 Rn. 20 ff.).[329] Ist gegen den Erklärungspflichtigen ein Verfahren wegen versuchter Steuerhinterziehung eingeleitet worden, kann der Vorwurf daher nicht zu vollendeter Hinterziehung erweitert werden, wenn der Beschuldigte die Abgabe der Erklärung nach Verfahrenseinleitung weiterhin unterlässt.[330] Die Unzumutbarkeit der Abgabe weiterer Erklärungen betrifft nach der Rspr. des BGH hingegen nicht Steuerarten und Besteuerungszeiträume für die kein Strafverfahren eingeleitet worden ist.[331] Wird der Steuerpflichtige also bspw. nur wegen Einkommensteuerhinterziehung im Veranlagungszeitraum 2013 verfolgt, so muss er die Erklärung für 2014 weiterhin abgeben, auch wenn sich daraus möglicherweise Rückschlüsse hinsichtlich des Veranlagungszeitraums 2013 ergeben können. Zur Begründung weist der BGH darauf hin, dass selbst wenn die Abgabe zutreffender Steuererklärungen für nachfolgende Besteuerungszeiträume mittelbare Auswirkungen auf das laufende Steuerstrafverfahren haben sollte, dies ihre Unterlassung nicht rechtfertigen könne, weil andernfalls neues Unrecht geschaffen und dem Täter zudem gegenüber anderen Steuerpflichtigen eine ungerechtfertigte Besserstellung eingeräumt würde.[332] Der Nemo-tenetur-Grundsatz könne im Hinblick auf die Steuergerechtigkeit und die Notwendigkeit eines gesicherten Steueraufkommens für den Staat dahingehend eingeschränkt werden, dass der Steuerpflichtige grundsätzlich zur Auskunft verpflichtet bleibt, ohne Rücksicht darauf, ob hierdurch Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten aufgedeckt werden.[333] Die sich daraus für den Erklärungspflichtigen möglicherweise ergebende Zwangslage will der BGH dadurch lösen, dass für die Angaben, mit denen sich der Erklärende mittelbar selbst belastet, ein strafrechtliches Verwendungsverbot gelten soll.[334] Tatsächlich geschützt wird der Erklärende dadurch allerdings nur, wenn sichergestellt wird, dass das auch die mittelbare Verwendung der Erkenntnisse umfasst.[335]

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§ 393 Abs. 1 S. 2, 3 und der Nemo-tenetur-Grundsatz befreien den Erklärungspflichtigen zudem nicht von den in anderen Verfahrensabschnitten bestehenden Mitwirkungspflichten. So bleibt er nach einer im Festsetzungsverfahren begangenen Hinterziehung verpflichtet, eine eidesstattliche Versicherung über seine Vermögensverhältnisse gem. § 284 im Beitreibungsverfahren abzugeben.[336] Auch insoweit soll ausreichender Schutz dadurch gewährt sein, dass ein Verwendungsverbot für die dort gemachten Angaben besteht, sofern diese Rückschlüsse auf die im Festsetzungsverfahren begangene Hinterziehung zulassen.[337]

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Dem Erklärungspflichtigen werden zudem allgemein keine Rechte aus dem Nemo-tenetur-Grundsatz zugebilligt, solange er die Strafverfolgung für bereits begangene Steuerhinterziehungen durch die Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige nach § 371 vermeiden kann.[338] Problematisch sind (insb. nach erneuter Verschärfung der Voraussetzungen des § 371) die Fälle, in denen der Erklärungspflichtige die Wirksamkeit der Selbstanzeige voraussichtlich nicht herbeiführen können wird, weil er finanziell nicht in der Lage ist, die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern und ggf. den nach § 371 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 398a erforderlichen Zuschlag innerhalb einer ihm dazu nach § 371 Abs. 3 bzw. § 398a gesetzten Frist zu entrichten. Die Selbstanzeige ist dann für den Täter nur eine theoretische Möglichkeit, die ihn tatsächlich nicht vor Strafverfolgung schützt. Die Abgabe der Berichtigungserklärung bedeutet in diesen Fällen für ihn faktisch eine Selbstbezichtigung, so dass der Nemo-tenetur-Grundsatz auf andere Weise sichergestellt werden muss.

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Die Erklärungspflicht besteht auch dann fort, wenn die Buchführung für das Strafverfahren sichergestellt oder beschlagnahmt worden ist. Der Steuerpflichtige muss sich in diesem Fall darum kümmern, die benötigten Unterlagen bei der Ermittlungsbehörde zu sichten bzw. zu kopieren.

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Für die Abgabe von Schenkungsteuererklärungen ist der BGH der Auffassung, dass die unterlassene Abgabe von Erklärungen bzgl. in der Vergangenheit erhaltener Schenkungen den Erklärungspflichtigen nicht von der Pflicht befreit, diese im Rahmen einer Erklärung für eine spätere Schenkung als Vorschenkungen anzugeben.[339] Zwar hat der Beschenkte hinsichtlich der vorausgegangenen Erwerbe bereits in der Vergangenheit Steuerhinterziehungen begangen, soweit diese den für den Bedachten geltenden Freibetrag überschritten haben, es soll ihm dennoch – im Hinblick auf den nemo-tenetur-Grundsatz – nicht unzumutbar sein, die bereits hinsichtlich der Vorschenkungen begangenen Steuerhinterziehungen im Rahmen der aktuellen Erklärung zu offenbaren.[340] Unterlässt er die Angabe der Vorschenkungen, so soll darin eine neue Hinterziehung der Vorschenkungen gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 liegen. Zwar diene § 14 ErbStG nur der Steuerberechnung für die Steuer auf den Letzterwerb und nicht der Ermittlung einer Gesamtsteuer für sämtliche Erwerbe innerhalb eines zehnjährigen Zeitraums, allerdings habe das Finanzamt, wenn es bei der Besteuerung des letzten Erwerbs noch nicht versteuerte Schenkungen feststellt, deren Besteuerung durch einen besonderen Schenkungsteuerbescheid nachzuholen, sofern noch keine steuerrechtliche Verjährung eingetreten ist. Damit seien die Angaben in einer Schenkungsteuererklärung über Vorschenkungen desselben Schenkers stets Grundlage für die Prüfung der ordnungsgemäßen Besteuerung sämtlicher Schenkungen des vorangehenden Zehnjahreszeitraums. Die durch Verschweigen solcher Vorschenkungen begangene Hinterziehung von Schenkungsteuer sei mitbestrafte Nachtat, deren Straflosigkeit entfällt, wenn die Vortat nicht mehr verfolgbar ist.[341] Zwar treffe es zu, dass in Fällen, in denen die Verfolgung einer Hinterziehung von Schenkungsteuer durch Unterlassen wegen eingetretener Verfolgungsverjährung nicht mehr in Betracht kommt, die Verfolgung der Hinterziehung derselben Steuer durch nachfolgendes aktives Tun wieder möglich wird, wenn der Täter später – und sei es nur zur Verdeckung seiner Unterlassungstat – gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben macht. Dieses Ergebnis widerspreche aber nicht der „gesetzgeberischen Grundwertung“ der Verfolgungsverjährung, sondern sei Folge einer neuen tatbestandlichen Handlung, die zu einem neuen Taterfolg führt und für die deshalb die Verfolgungsverjährung eigenständig zu prüfen ist. Die Tatbestandsmäßigkeit einer solchen neuen Tat scheide lediglich dann aus, wenn für die Schenkungsteuer bereits die steuerliche Festsetzungsverjährung eingetreten ist.[342]

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Zuzustimmen ist dem BGH darin, dass die unterlassene Nennung der Vorschenkungen insoweit als Hinterziehung zu werten ist, als sie über die Freibeträge und den Steuersatz zu einer Verkürzung der aktuellen Schenkungsteuer führen kann.

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Die Verheimlichung der früheren Erwerbe kann aber nur dann als Hinterziehungshandlung gewertet werden, wenn Sinn und Zweck des § 14 ErbStG auch ist, ggf. die Besteuerung für diese Vorerwerbe nachzuholen.[343] Das verneint der BGH in Übereinstimmung mit der Rspr. des BFH. Dieser weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Selbstständigkeit der Besteuerung der einzelnen Erwerbsvorgänge hin und darauf, dass § 14 Abs. 1 S. 3 ErbStG nicht das Ziel verfolgt, eine Korrekturmöglichkeit für Fehler zu eröffnen, die bei der Steuerfestsetzung für die Vorerwerbe zugunsten oder zulasten des Steuerpflichtigen unterlaufen sind.[344] Vielmehr habe der Gesetzgeber mit der Norm lediglich unbillige Folgen für Steuerpflichtige vermeiden wollen, die sich durch für sie günstige Rechtsänderungen wie höhere Freibeträge oder niedrigere Steuersätze bei einem Übergang zu neuem Recht ergeben können.[345] Die Entscheidung des BGH ist insoweit zu kritisieren, als entgegen dem zutreffend festgestellten Sinn und Zweck des § 14 ErbStG letztlich darauf abstellt wird, dass das Finanzamt, wenn es noch nicht versteuerte (Vor-) Schenkungen feststelle, deren Besteuerung nachzuholen habe. Denn entscheidend für die Frage der Strafbarkeit der unrichtigen Erklärung kann nur sein, dass § 14 ErbStG diesem Zweck – der Nachholung der Besteuerung früherer Zuwendungen – gerade nicht dient, so dass insoweit auch keine strafbewährte Erklärungspflicht besteht.[346] Hinterzogen wird durch das Verschweigen der Vorerwerbe nur die Steuer auf den neuerlichen Erwerb, soweit die verschwiegenen Schenkungen Auswirkungen auf Steuersatz und Freibeträge haben.[347]

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Für den Fall, dass der Erklärungspflichtige Gefahr läuft, sich mit der Abgabe der steuerlichen Erklärung einer sonstigen Straftat zu bezichtigen, wie z.B. der Bestechlichkeit i.S. des § 332 StGB durch die Erklärung der erhaltenen Bestechungsgelder, hat der BGH es im Hinblick auf den Nemo-Tenetur-Grundsatz für gangbar erachtet, lediglich niedrigere Anforderungen an den Erklärungsinhalt zu stellen, indem nur verlangt wird, dass die Einkünfte ohne Nennung der Einkunftsquelle betragsmäßig angegeben werden.[348] Hintergrund ist die Regelung des § 393 Abs. 2 S. 1 und 2, wonach Tatsachen oder Beweismittel, die der Steuerpflichtige der Finanzbehörde vor Einleitung oder in Unkenntnis des Strafverfahrens in Erfüllung steuerlicher Pflichten offenbart hat, im Strafverfahren wegen anderen als Steuerstraftaten gegen ihn verwendet werden dürfen, sofern an der Verfolgung ein zwingendes öffentliches Interesse i.S.d. § 30 Abs. 4 Nr. 5 besteht. Ob ihn allerdings das Verschweigen der Einkunftsquelle letztlich vor der Tatentdeckung schützen kann, ist gerade in Fällen, in denen es um größere Beträge geht, zweifelhaft.[349]

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9783811406506
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