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Читать книгу: «Königin Margot», страница 5

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Als er oben an die Treppe gelangte, erblickte er sie wirklich im unteren Stockwerke, und da Margarethe, sei es aus Zufall, sei es, weil das Geräusch seiner Schritte bis zu ihr drang, den Kopf emporhob, so konnte er sie noch einmal sehen.

»Oh!« sprach er, dem Pagen folgend, »das ist keine Sterbliche, das ist eine Göttin, und, wie Virgilius Maro sagt:

 
Et vera incessu patuit dea.
 

»Nun?« fragte der junge Page.

»Hier bin ich,« erwiederte La Mole, »verzeiht, hier bin ich.«

Der Page schritt voran, ging einen Stock hinunter, öffnete eine erste Thüre, dann eine zweite, und sagte auf der Schwelle stille stehend:

»Hier ist der Ort, wo Ihr warten sollt.«

La Mole trat in die Gallerie, deren Thüre sich hinter ihm schloß.

Es war Niemand in der Gallerie, außer einem Herrn, der auf und ab ging und ebenfalls zu warten schien.

Schon fing der Abend an, breite Schatten von den Gewölben herabfallen zu lassen, und obgleich die zwei Männer kaum zwanzig Schritte von einander entfernt waren, so konnten sie doch ihre Gesichter nicht erkennen. La Mole näherte sich.

»Gott vergebe mir!« murmelte er, als er nur noch ein paar Schritte von den Andern entfernt war, »ich finde den Herrn Grafen von Coconnas wieder hier.«

Bei dem Geräusch seiner Schritte hatte sich der Piemontese bereits umgekehrt, und er schaute ihn mit demselben Erstaunen an, mit welchem er selbst angeschaut wurde.

»Mordi!« rief er, »es ist Herr de La Mole, oder der Teufel soll mich holen. Was mache ich denn da? ich schwöre wie der König; bah! es scheint, der König schwört noch ganz anders, als ich, und zwar sogar in den Kirchen. Wir sind also hier im Louvre?«

»Wie Ihr seht; Herr von Besme hat Euch eingeführt?«

»Ja, es ist ein vortrefflicher Deutscher, dieser Herr von Besme… Und wer hat Euch zum Führer gedient?«

»Herr von Mouy. Ich sagte Euch, die Hugenotten ständen nicht mehr so schlecht bei Hofe. Habt Ihr Herrn von Guise getroffen?«

»Nein noch nicht … Und Ihr, habt Ihr Audienz bei dem König von Navarra erhalten?«

»Nein, aber es kann nicht mehr lange dauern. Man hat mich hierher geführt und hier warten heißen.«

»Ihr werdet sehen, es handelt sich um ein großes Abendbrod, und wir sitzen, beim Schmause neben einander. Welch ein sonderbarer Zufall! Seit zwei Stunden vereinigt uns das Schicksal. Aber was habt Ihr? Ihr scheint in Gedanken vertieft?«

»Ich?« versetzte la Mole bebend, denn er blieb immer noch wie geblendet von der Erscheinung, die er gesehen hatte, »nein, der Ort, an dem wir uns treffen, gibt in meinem Innern zu einer Menge von Betrachtungen Anlaß.

»Zu philosophischen, nicht wahr? das ist gerade wie bei mir. Als Ihr eintratet, kamen mir alle Ermahnungen meines Lehrers in den Kopf. Kennt Ihr den Plutarch, Herr Graf?«

»Wie?« erwiederte La Mole lächelnd, »das ist einer von meinen Lieblingsschriftstellern.«

»Gut,« fuhr Coconnas mit ernstem Tone fort, »dieser große Mann hat sich, wie es mir scheint, nicht getäuscht, wenn er die Gaben der Natur mit balsamischen Pflanzen von unvergänglichem Wohlgeruche und von mächtiger Wirksamkeit für die Heilung von Wunden vergleicht.«

»Versteht Ihr Griechisch, Herr von Coconnas?« sprach La Mole, seinen Gefährten fest anschauend.

»Nein, aber mein Lehrer verstand es, und er empfahl mir sehr, wenn ich am Hofe wäre, über die Tugend zu reden. »»Das hat ein gutes Aussehen,«« sagte er. Ich bin auch in dieser Hinsicht gepanzert, darauf mache ich Euch aufmerksam. Doch, sprecht, habt Ihr Hunger?«

»Nein.«

»Es kam mir aber vor, als ob es Euch sehr nach dem gebratenen Vogel im Schönen Gestirne gelüstete; ich sterbe vor Hunger.«

»Wohl, Herr von Coconnas, da habt Ihr eine Gelegenheit, Euere Argumente über die Tugend zu benützen und Euere Bewunderung für Plutarch zu beweisen, denn dieser große Schriftsteller sagt irgendwo: Es ist gut, die Seele an den Schmerz und den Magen an den Hunger zu gewöhnen.«

»Ah! Ihr versteht also Griechisch?« rief Coconnas erstaunt.

»Gewiß!« antwortete La Mole, »mein Lehrer hat mir darin Unterricht gegeben.«

»Mordi, Graf, dann ist Euer Glück gesichert; Ihr macht Verse mit König Karl IX., und sprecht Griechisch mit der Königin Margarethe.«

»Abgesehen davon,« fügte La Mole lächelnd bei, »daß ich mit dem König von Navarra Gascognisch sprechen kann.«

In diesem Augenblick wurde die Thüre der Gallerie, welche nach der Wohnung des Königs führte, geöffnet; es ertönte ein Tritt, man sah in der Dunkelheit einen Schatten sich nahen. Dieser Schatten wurde ein Körper. Dieser Körper war der von Herrn von Besme.

Er schaute den zwei jungen Männern in das Gesicht, um den seinigen zu erkennen, und bedeutete Coconnas durch ein Zeichen, er möge ihm folgen.

Coconnas grüßte La Mole mit der Hand.

Von Besme führte Coconnas an das Ende der Gallerie, öffnete eine Thüre und befand sich mit ihm auf der ersten Stufe einer Treppe.

Hier angelangt, blieb er stille stehen, schaute rings um sich her, dann aufwärts, dann abwärts und sagte endlich:

»Herr von Coconnas, wo wohnt Ihr?«

»Im Gasthofe zum Schönen Gestirne.«

»Gut, gut, in der Rue de l’Arbre-Sec, zwei Schritte von hier. Begebt Euch schnell in Euern Gasthof und diese Nacht…«

Er schaute abermals um sich her.

»Nun, diese Nacht?« fragte Coconnas.

»Diese Nacht kommt mit einem weißen Kreuze an Euerem Hute wieder hierher. Das Losungswort istGuise. Stille, reinen Mund gehalten.«

»Um welche Stunde soll ich kommen?«

»Sobald Ihr die Sturmglocke hört.«

»Gut, ich werde hier sein.«

Und sich vor Herrn von Besme verbeugend, entfernte er sich, ganz leise sich fragend:

»Was Teufels will er damit sagen, und warum soll die Sturmglocke ertönen? Gleichviel, ich bleibe bei meiner Meinung, es ist ein vortrefflicher Deutscher, dieser Herr von Besme. Soll ich auf den Grafen de La Mole warten? Meiner Treue, nein; er wird wahrscheinlich mit dem König von Navarra zu Nacht speisen.«

Und Coconnas wandte sich nach der Rue de l’Arbre-Sec, wohin ihn das Schild zum Schönen Gestirne wie eine Geliebte zog.

Während dieser Zeit öffnete sich eine Thüre der Gallerie, welche mit den Gemächern des Königs von Navarra in Verbindung stand, und ein Page trat auf Herrn de La Mole zu.

»Ihr seid wohl der Graf de La Mole’?« sagte er.

»Ich bin es.«

»Wo wohnt Ihr?«

»Im Schönen Gestirne«

»Gut, das ist vor dem Thor des Louvre. Hört: … Seine Majestät läßt Euch sagen, sie könne Euch in diesem Augenblicke nicht empfangen, werde Euch aber vielleicht in dieser Nacht holen lassen. Habt Ihr morgen früh keine Nachricht von dem König, so kommt jedenfalls in den Louvre.«

»Wenn mir aber die Schildwache den Eintritt verweigert?«

»Ah! Ihr habt Recht… Das Losungswort istNavarra; sagt dieses Wort und alle Thüren werden sich vor Euch öffnen.«

»Ich danke.«

»Wartet, Herr, ich habe Befehl, Euch bis an die Pforte zurückzuführen, man befürchtet, Ihr könntet Euch im Louvre verirren.«

»Wie steht es mit Coconnas?« sagte La Mole zu sich selbst, als er sich außerhalb des Palastes befand. »Oh! er wird ohne Zweifel bei dem Herzog von Guise zum Abendbrod geblieben sein.«

Als er aber wieder bei Meister La Hurière eintrat, war das erste Gesicht, welches unser Mann erblickte, das von Coconnas, der vor einem riesigen Speckpfannekuchen saß.

»Oh! Oh!« rief Coconnas laut lachend, »Ihr habt eben so wenig bei dem König von Navarra zu Mittag, als ich bei dem Herzog von Guise zu Nacht gespeist.«

»Meiner Treu, nein.«

»Und der Hunger ist Euch gekommen?«

»Ich glaube ja.«

»Trotz Plutarch?«

»Herr Graf,« erwiederte La Mole lachend, »Plutarch sagt an einer andern Stelle: derjenige, welcher hat, muß mit dem, welcher nicht hat, theilen. Wollt Ihr Plutarch zu Liebe Euern Pfannekuchen mit mir theilen? Wir sprechen, während wir essen, von der Tugend.«

»Oh! meiner Treue, nein,« versetzte Coconnas, »das ist gut im Louvre, wenn man behorcht zu werden befürchtet und der Magen leer ist. Setzt Euch hierher und eßt mit mir.«

»Hört Graf, ich sehe, daß uns das Schicksal offenbar unzertrennlich macht. Schlaft Ihr hier?«

»Ich weiß es nicht.«

»Ich auch nicht.«

»In jedem Falle weiß ich wohl, wo ich die Nacht zubringen werde.«

»Wo?«

»Wo Ihr sie selbst zubringt; das ist unfehlbar.«

Und Beide fingen an zu lachen und machten sodann dem Pfannekuchen des Meister La Hurière alle Ehre.

VI.
Die bezahlte Schuld

Will der Leser nun wissen, warum Herr de La Mole nicht vom König, warum Herr von Coconnas nicht von Herrn von Guise empfangen wurde, und warum endlich Beide statt im Louvre Fasanen, Feldhühner und Rehbraten zu speisen, im Gasthause zum Schönen Gestirne einen Speckpfannekuchen verzehrten, so muß er mit uns in den alten Palast der Könige zurückkehren und der Königin Margarethe von Navarra folgen, welche La Mole am Eingange der Gallerie aus dem Auge verloren hatte.

Als sie die Treppe hinabstieg, war der Herzog Heinrich von Guise, den sie seit ihrer Hochzeitnacht nicht gesehen hatte, in dem Cabinet des Königs. An dieser Treppe, welche Margarethe hinabstieg, war ein Ausgang. An dem Cabinet, in welchem sich Herr von Guise befand, war eine Thüre; diese Thüre und dieser Ausgang führten nun beide in einen Corridor, und dieser Corridor führte in die Gemächer der Königin Mutter, Catharina von Medicis.

Catharina von Medicis war allein. Sie saß an einem Tische, den Ellenbogen auf ein halb geöffnetes Gebetbuch gelehnt, den Kopf auf ihre Hand gestützt, welche immer noch merkwürdig schön war, was sie den cosmetischen Mitteln des Florentiners René zu danken hatte, welcher die doppelte Stelle eines Parfumeurs und eines Giftmischers der Königin Mutter inne hatte.

Die Wittwe von Heinrich II. trug die Trauerkleider, welche sie seit dem Tode ihres Gemahls nicht abgelegt hatte. Es war zu dieser Zeit eine Frau von zweiundfünfzig bis dreiundfünfzig Jahren, welche durch eine Rundung voll Frische noch Züge ihrer ersten Schönheit bewahrte. Ihr Gemach war wie ihr Gewand das einer Wittwe. Alles hatte einen düstern Charakter: Stoffe, Wände, Meubles. Nur sah man über einem Prachthimmel, welcher einen königlichen Stuhl bedeckte, auf dem in diesem Augenblick das Lieblingswindspiel der Königin lag, das ihr Schwiegersohn, Heinrich von Navarra, ihr geschenkt, und dem man den mythologischen Namen Phöbe gegeben, einen gemalten Regenbogen, umgeben von der Devise:Er bringt das Licht und die Heiterkeit, welche von Franz l. herrührte.

Plötzlich und in dem Augenblick, wo die Königin Mutter tief in einen Gedanken versunken war, welcher auf ihre mit Karmin gemalten Lippen ein langsames, zögerndes Lächeln brachte, öffnete ein Mann die Thüre, hob den Vorhang, zeigte sein bleiches Gesicht und sprach:

»Alles geht schlecht.«

Catharina schaute empor und erkannte den Herzog von Guise.

»Wie, Alles geht schlecht?« erwiederte die Königin. »Was wollt Ihr damit sagen, Heinrich?«

»Ich will damit sagen, daß der König mehr als je von seinen verdammten Hugenotten umgarnt ist, und daß wir, wenn wir seine Erlaubniß abwarten, um das große Unternehmen auszuführen, lange Zeit oder sogar ewig warten werden.«

»Was ist denn geschehen?« fragte Catharina mit dem ruhigen Gesichte, das bei ihr Gewohnheit war, dem sie jedoch bei Gelegenheit die entgegengesetzten Ausdrücke zu geben vermochte.

»Zum zwanzigsten Mal habe ich an Seine Majestät die Frage gestellt, ob man fortwährend die trotzigen Reden und Drohungen ertragen würde, die sich seit der Verwundung ihres Admirals die Herren jener Religion erlauben.«

»Und was antwortete mein Sohn?« fragte Catharina.

»Er antwortete mir: »»Herr Herzog, Ihr müßt bei dem Volke in Verdacht stehen, der Urheber des an meinem zweiten Vater, dem Herrn Admiral, begangenen Mordversuches zu sein. Vertheidigt Euch, wie es Euch beliebt. Ich, was mich betrifft, werde mich wohl selbst vertheidigen, wenn man mich beleidigt.« Und hiernach wandte er mir den Rücken zu, um seinen Hunden Abendbrod zu geben.«

»Und Ihr suchtet ihn nicht zurückzuhalten?«

Allerdings; aber er antwortete mir mit dem Euch bekannten Tone, und mich mit einem Blicke anschauend, der nur ihm eigenthümlich ist: »»Herr Herzog, meine Hunde haben Hunger, und sie sind keine Menschen, daß ich sie warten lassen könnte,« wonach ich hierher eilte, um Euch hiervon in Kenntniß zu setzen.«

»Und Ihr habt wohl daran gethan,« sprach die Königin Mutter.

»Aber was ist zu beschließen?«

»Man muß einen letzten Versuch machen.«

»Und wer wird dies thun?«

»Ich! Ist der König allein?«

»Nein, Herr von Tavannes ist bei ihm.«

»Erwartet mich hier, oder vielmehr folgt mir von ferne.«

Catharina stand sogleich auf und ging nach dem Zimmer, in welchem sich die Lieblingshunde des Königs auf türkischen Teppichen und Sammetkissen befanden. Auf Stangen, welche in der Wand befestigt waren, saßen einige Falken und ein kleiner Buntspecht, mit welchem Karl IX. zuweilen kleine Vögel in dem Garten des alten Louvre und in dem der Tuilerien, die man zu bauen anfing, beizte.

Auf dem Wege hatte sich die Königin Mutter ein bleiches, angstvolles Gesicht geordnet, über welches eine letzte oder vielmehr eine erste Thräne rollte.

Sie nähert sich geräuschlos Karl IX., der seinen Hunden in gleiche Theile geschnittene Stücke Kuchen gab.

»Mein Sohn,« sprach Catharina mit einem so gut gespielten Zittern der Stimme, daß der König bebte.

»Was habt Ihr, Madame?« fragte Karl, sich rasch umwendend.

»Mein Sohn,« antwortete Catharina, »ich bitte Euch um Erlaubniß, mich in eines Eurer Schlösser, gleichviel in welches, zurückzuziehen, wenn es nur weit von Paris entfernt ist.«

»Und warum dies, Madame?« fragte Karl IX. auf seine Mutter sein glasiges Auge heftend, das bei gewissen Gelegenheiten so durchdringend wurde.

»Weil mir jeden Tag neue Beleidigungen von den Leuten der Religion7 widerfahren, weil ich noch heute Euch von den Protestanten sogar im Louvre habe bedrohen hören und weil ich solchen Schauspielen nicht beiwohnen will.«

»Aber, meine Mutter,« erwiederte Karl IX. mit einem Ausdrucke voll Ueberzeugung, »man wollte ihnen ihren Admiral tödten. Ein heilloser Meuchler hatte diesen armen Leuten bereits ihren braven Herrn von Mouy ermordet. Bei Gott, meine Mutter, es muß doch eine Gerechtigkeit in einem Königreiche geben.«

»Oh! seid unbesorgt, mein Sohn, die Gerechtigkeit wird ihnen nicht entgehen, denn wenn Ihr sie verweigert, so nehmen sie sich dieselbe auf ihre Weise: an Herrn von Guise heute, an mir morgen, an Euch später.«

»Oh! Madame,« sprach Karl IX., indem er zum ersten Male in seinem Tone einen Ausdruck des Zweifels durchdringen ließ, »Ihr glaubt?«

»Ei, mein Sohn,« versetzte Catharina, sich ganz der Heftigkeit ihrer Sinnesart überlassend, »seht Ihr nicht, daß es sich nicht mehr um den Tod von Herrn Franz von Guise oder um den des Admirals, um die protestantische Religion oder um die katholische handelt, sondern ganz einfach darum, an die Stelle des Sohnes von Heinrich II. jenen Anton von Bourbon zu setzen.«

»Ruhig, ruhig, meine Mutter, Ihr verfallt wieder in Eure gewöhnlichen Uebertreibungen.«

»Was ist Eure Willensmeinung, mein Sohn?«

»Zu warten, meine Mutter, zu warten. Die ganze menschliche Weisheit liegt in diesem einzigen Worte. Der Größte, der Stärkste und der Geschickteste besonders ist derjenige, welcher zu warten versteht.«

»Wartet also, ich werde nicht warten.«

Hiernach machte Catharina eine Verbeugung, ging auf die Thüre zu und schickte sich an, nach Ihrer Wohnung zurückzukehren.

Karl IX. hielt sie zurück und fragte:

»Was soll ich denn thun, meine Mutter, denn ich bin vor Allem gerecht und wünschte, daß Jedermann mit mir zufrieden wäre.«

»Catharina näherte sich und sprach zu Tavanness, der den Buntspecht des Königs streichelte:

«Kommt. Herr Graf, und sagt dem König, was er Eurer Ansicht nach zu thun hat.«

»Eure Majestät erlaubt mir?« sagte der Graf.

»Sprich, Tavanness, sprich.«

»Was thut Eure Majestät, wenn auf der Jagd der verwundete Eber auf sie zukommt?«

»Gottes Tod, Herr, ich erwarte ihn festen Fußes und durchbohre ihm die Kehle mit meiner Schweinsfeder.«

»Einzig und allein um ihn zu verhindern, Euch zu schaden,« fügte Catharina bei.

»Und um mich zu belustigen,« sagte der König mit einem Lächeln, das den bis zur Wildheit getriebenen Muth andeutete. »Aber es würde mich nicht belustigen, meine Unterthanen zu tödten, und die Hugenotten sind im Ganzen meine Unterthanen, so gut wie die Katholiken.«

»Sire,« versetzte Catharina, »dann werden es die Hugenotten, Eure Unterthanen, machen wie der Eber, dem man nicht die Schweinsfeder in die Kehle stößt; sie werden den Thron aufreißen.«

»Bah! Ihr meint, Madame?« sagte Karl IX. mit einer Miene, als schenkte er den Weissagungen seiner Mutter keinen großen Glauben.

»Habt Ihr heute Herrn von Mouy und die Seinigen nicht gesehen?«

»Ja, ich habe sie gesehen, denn sie verlassen mich so eben. Aber Herr von Mouy verlangte nichts von mir, was nicht gerecht wäre. Er forderte den Tod des Mörders seines Vaters und den des Mörders des Admirals. Haben wir Herrn von Montgommery nicht für den Tod meines Vaters und Eures Gemahls bestraft, obgleich dieser Tod nur ein Zufall war?«

»Es ist gut, Sire,« versetzte Catharina gereizt, »sprechen wir nicht mehr davon. Eure Majestät steht unter dem Schutze Gottes, der ihr Kraft, Weisheit und Vertrauen gibt. Ich aber, eine arme Frau, welche Gott ohne Zweifel ihrer Sünden wegen verläßt, ich fürchte und weiche.«

Und hiernach grüßte Catharina zum zweiten Male und entfernte sich, indem sie dem Herzog von Guise, welcher mittlerweile eingetreten war, durch ein Zeichen bedeutete, er möge an ihrer Stelle bleiben, um einen letzten Versuch zu machen.

Karl IX. folgte seiner Mutter mit den Augen, diesmal aber ohne sie zurückzurufen; dann schmeichelte er seinen Hunden und pfiff dabei eine Jagdmelodie.

Plötzlich unterbrach er sich und sagte:

»Meine Mutter ist ein königlicher Geist. Wir sollen mit Vorbedacht ein paar Dutzende Hugenotten tödten, weil sie Gerechtigkeit von uns verlangt haben! Sind Sie denn im Ganzen nicht in ihrem Rechte?«

»Ein paar Dutzende?« murmelte der Herzog von Guise.

»Ah, Ihr seid da, mein Herr?« sagte der König, welcher sich stellte, als bemerkte er ihn jetzt erst. »Ja, ein paar Dutzende; ein schöner Abgang. Aber wenn Jemand käme und zu mir sagte: »Ihr sollt von allen Euren Feinden auf einmal befreit werden und morgen wird nicht ein Einziger mehr übrig sein, um Euch den Tod der Andern vorzuwerfen, dann sage ich nicht nein …«

»Nun, Sire?«

»Tavannes,« sprach der König abbrechend, »Ihr ermüdet Margot; setzt sie wieder auf die Stange. Es ist kein Grund für alle Welt, sie zu liebkosen, weil sie den Namen meiner Schwester, der Königin Margot, führt.«

Tavannes setzte den Specht auf die Stange und belustigte sich damit, einem Windhunde die Ohren hin und her zu rollen.

»Aber, Sire, wenn man Eurer Majestät sagte: »»Sire, Eure Majestät wird morgen von allen ihren Feinden befreit sein?««

»Und durch welches Heiligen Vermittlung würde man dieses große Wunder verrichten?«

»Wir haben heute den 24. August; es wäre also durch die Vermittelung des heiligen Bartholomäus.«

»Ein schöner Heiliger, der sich bei lebendigem Leibe schinden ließ,« sagte der König.

»Desto besser! je mehr er gelitten hat, desto mehr muß er Grimm gegen seine Henker bewahrt haben.«

»Und Ihr, mein Vetter,« sprach der König, »Ihr mit Eurem hübschen, kleinen Degen mit dem goldenen Griffe werdet von jetzt bis morgen zehntausend Hugenotten tödten? Oh, oh, meiner Treue, Ihr seid sehr lustig, Herr von Guise.«

Und der König brach in ein Gelächter aus, aber in ein so falsches, daß es das Echo des Zimmers in einem düstern Tone wiederholte.

»Sire, ein Wort, ein einziges Wort,« fuhr der Herzog, unwillkührlich bebend bei dem Geräusche dieses Gelächters, das nichts Menschliches hatte, fort, »ein Zeichen, und Alles ist bereit. Ich habe die Schweizer, ich habe elfhundert Edelleute, ich habe die Chevauxlegers, ich habe die Bürger. Eure Majestät hat ihre Garden, ihre Freunde, ihren katholischen Adel. Wir sind Zwanzig gegen Einen.«

»Nun, wenn Ihr so stark seid, mein Vetter, warum des Teufels kommt Ihr und schreit mir mit Allem dem die Ohren voll. Handelt ohne mich …« Und der König wandte sich nach seinen Hunden um.

Da hob sich der Thürvorhang, Catharina erschien wieder und sagte zu dem Herzog:

»Alles geht gut. Seid beharrlich, er wird nachgeben.«

Und der Thürvorhang fiel wieder vor Catharina herab, ohne daß Karl IX. sie sah, oder er stellte sich wenigstens, als sähe er sie nicht.

»Aber ich muß doch wissen,« sprach der Herzog von Guise, »ob ich, wenn ich thue, wie ich wünsche, Euerer Majestät zu Gefallen bin?«

»In der That, mein Vetter Heinrich, Ihr setzt mir das Messer an die Kehle, aber ich werde widerstehen. Gottes Tod! bin ich denn nicht der König?«

»Nein, noch nicht, Sire; doch, wenn Ihr wollt, seid Ihr es morgen.«

»Ah, man würde also den König von Navarra, den Prinzen von Condé … in meinem Louvre tödten, ah! …«

Dann fügte er mit kaum verständlichem Tone bei:

»Außen sage ich nichts.«

»Sire!« rief der Herzog, »Sie gehen diesen Abend aus, um mit dem Herzog von Alençon, Eurem Bruder, einen Schmaus zu halten.«

»Tavannes,« sprach der König mit bewunderungswürdig gespielter Ungeduld, »siehst Du nicht, daß Du meinen Hund plagst. Komm, Actéon, komm!«

Und Karl IX. entfernte sich, ohne mehr hören zu wollen, und ließ Tavannes und den Herzog von Guise in beinahe eben so großer Ungewißheit als zuvor zurück.

Es spielte indes eine Scene anderer Art bei Catharina, welche, nachdem sie dem Herzog den Rath Stand zu halten, gegeben hatte, in ihr Gemach zurückkehrte, wo sie die Personen versammelt fand, welche gewöhnlich ihrem Schlafengehen beiwohnten.

Bei ihrer Rückkehr hatte Catharina ein eben so lachendes Gesicht, als es bei ihrem Abgange entstellt gewesen war. Sie entließ nach und nach mit ihrer freundlichsten Miene ihre Frauen und ihre Höflinge. Es blieb bald Niemand mehr bei ihr, als Madame Margarethe, welche auf einem Tabouret an dem geöffneten Fenster sitzend in ihre Gedanken versunken den Himmel anschaute.

Zwei- oder dreimal öffnete die Königin Mutter, als sie mit ihrer Tochter allein war, den Mund, um zu sprechen; aber jedes Mal drängte ein finsterer Gedanke die Worte, welche aus ihrem Munde kommen sollten, in die Tiefe der Brust zurück.

Mittlerweile öffnete sich der Thürvorhang und Heinrich von Navarra erschien.

Das Windspiel, welches auf dem Thronstuhle schlief, sprang auf und lief auf ihn zu.

»Ihr hier, mein Sohn,« sagte Catharina bebend, speist ihr im Louvre zu Nacht?«

»Nein, Madame,« antwortete Heinrich, »wir schwärmen diese Nacht mit den Herren Alençon und Condé in der Stadt umher. Ich glaubte sie hier, Euch den Hof machend, zu finden.«

Catharina lächelte und erwiederte:

»Geht, meine Herren, geht. Die Männer sind doch sehr glücklich, so umherlaufen zu können. Nicht wahr, meine Tochter?«

»Das ist wahr,« antwortete Margarethe, »die Freiheit ist eine so schöne, so süße Sache!«

»Wollt Ihr damit sagen, ich halte die Eurige gefesselt?« sprach Heinrich, sich vor seiner Gemahlin verbeugend.

»Nein, mein Herr, ich beklage auch nicht mich, sondern die Lage der Frauen im Allgemeinen.«

»Ihr werdet vielleicht den Herrn Admiral sehen, mein Sohn,« sagte Catharina.

»Ja, vielleicht.«

»Geht dahin; das ist ein gutes Beispiel und Ihr gebt mir morgen Nachricht von ihm.«

»Ich gehe dahin, Madame, da Ihr diesen Schritt billigt.«

»Ich,« sagte Catharina, »ich billige nichts … Aber wer ist da? Seht nach.«

Heinrich machte einen Schritt nach der Thüre, um die Befehle von Catharina zu vollziehen; aber in demselben Augenblick hob sich der Vorhang, und Frau von Sauves zeigte ihren blonden Kopf.

»Madame,« sagte sie, »es ist René, der Parfumeur, den Eure Majestät hat rufen lassen.«

Catharina warf einen Blick, rasch wie der Blitz, auf Heinrich von Navarra. Der junge Prinz erröthete leicht und erbleichte dann auf eine furchtbare Weise. Man hatte wirklich den Namen des Mörders seiner Mutter genannt. Er fühlte, daß sein Gesicht die Bewegung in seinem Innern verrieth und stützte sich auf das Fenstergesimse.

Das Windspiel stieß einen Seufzer aus.

In demselben Augenblick traten zwei Personen ein, die eine gemeldet, die andere hatte nicht nöthig, gemeldet zu werden. Die erste war René, der Parfumeur, der sich Catharina mit der ganzen kriechenden Höflichkeit florentinischer Diener näherte. Er hielt ein Kistchen in der Hand, das er öffnete, und man sah alle Fächer mit Pulvern und Fläschchen gefüllt.

Die zweite war die Herzogin von Lothringen, die ältere Schwester von Margarethe; sie trat durch eine kleine verborgene Thüre, welche nach dem Cabinet des Königs ging, ganz bleich und zitternd ein. In der Hoffnung, von Catharina, welche mit Frau von Sauves den Inhalt des von René überbrachten Kistchens untersuchte, nicht bemerkt zu werden, wollte sie sich neben Margarethe niedersetzen, bei der der König von Navarra stand, die Hand an der Stirne, wie ein Mensch, der sich an einem Blendwerk zu erholen sucht.

In diesem Augenblick kehrte sich Catharina um und sagte zu Margarethe:

»Meine Tochter, Ihr könnt Euch in Eure Gemächer zurückziehen. Mein Sohn,« fügte sie bei, »Ihr könnt Euch in der Stadt belustigen.«

Margarethe stand auf und Heinrich wandte sich halb um.

Die Herzogin von Lothringen ergriff Margarethe bei der Hand und sprach leise und rasch zu ihr:

»Meine Schwester, im Namen des Herrn von Guise, der Euch rettet, wie Ihr ihn gerettet habt, entfernt Euch nicht von hier, geht nicht in Eure Wohnung.«

»He, was sagt Ihr da, Claude?« fragte Catharina, sich umwendend.

»Nichts, meine Mutter.«

»Ihr habt leise mit Margarethe gesprochen.«

»Um ihr gute Nacht und tausend schöne Dinge von der Herzogin von Nevers zu sagen.«

»Wo ist diese schöne Herzogin?«

»Bei ihrem Schwager, dem Herrn von Guise.«

Catharina schaute die zwei Frauen mit ihrem argwöhnischen Auge an, runzelte die Stirne und sagte:

»Komm hierher, Claude.«

Claude gehorchte. Catharina nahm sie bei der Hand.

»Was habt Ihr mit ihr gesprochen, Indiscrete,« murmelte sie und drückte ihre Tochter am Handgelenk, daß sie hätte schreien mögen.

»Madame,« sprach Heinrich zu seiner Gemahlin, (ohne zu hören, hatte er doch nicht das Geringste von der Pantomime der Königin und der beiden Schwestern verloren), »Madame, werdet Ihr mir die Ehre erzeigen, mir Eure Hand zum Kusse zu reichen?«

Margarethe reichte ihm eine zitternde Hand.

»Was hat sie Euch gesagt,« murmelte Heinrich, sich bückend, um seine Lippen dieser Hand zu nähern.

»Ich solle nicht von hinnen gehen; im Namen des Himmels, geht auch nicht aus.«

Es war nur ein Blitz, aber beim Schimmer dieses Blitzes, so rasch er auch war, errieth Heinrich ein ganzes Complott.

»Das ist noch nicht Alles,« sagte Margarethe, »hier ist ein Brief, den ein Provençalischer Edelmann überbracht hat.«

»Herr de La Mole?«

»Ja.«

»Ich danke,« sprach Heinrich, nahm den Brief und steckte ihn in sein Wamms, und an seiner Gemahlin vorüber gehend, legte er seine Hand auf die Schulter des Florentiners und sagte:

»Nun, Meister René, wie gehen Eure Handelsgeschäfte?«

»Ziemlich gut, Monseigneur, ziemlich gut,« antwortete der Giftmischer mit seinem treulosen Lächeln.

»Ich glaube es wohl,« versetzte Heinrich, »wenn man, wie Ihr, Lieferant aller gekrönter Häupter Frankreichs und des Auslandes ist.«

»Mit Ausnahme des Königs von Navarra,« antwortete der Florentiner in frechem Tone.

»Ventre-saint-gris!« sprach Heinrich, »Meister René, Ihr habt Recht. Und doch hat mir meine Mutter, welche auch bei Euch kaufte, sterbend Meister René empfohlen. Besucht mich morgen oder übermorgen in meiner Wohnung und bringt Eure besten Parfumerien mit.«

»Dies wird nicht übel sein, sprach Catharina lächelnd, »denn man sagt …«

»Ich habe einen feinen Geruch?« versetzte Heinrich lachend, »wer hat Euch das gesagt, meine Mutter? Margot etwa?«

»Nein, mein Sohn,« erwiederte Catharina, »Frau von Sauves.«

In diesem Augenblick brach die Frau Herzogin von Lothringen, welche sich trotz aller Anstrengung nicht mehr halten konnte, in ein Schluchzen aus.

Heinrich wandte sich nicht einmal um.

»Meine Schwester!« rief Margarethe, auf Claude zueilend, »was habt Ihr?«

»Nichts,« sagte Catharina, sich zwischen die zwei jungen Frauen stellend, »nichts, sie hat das nervöse Fieber, das ihr Mazille mit Aromen zu behandeln empfiehlt.«

Und sie drückte abermals und noch kräftiger als das erste Mal ihre ältere Tochter am Arme und sagte dann, sich gegen die jüngere umwendend:

»Margot, habt Ihr nicht gehört, daß ich Euch bereits aufforderte, Euch zurückzuziehen? Wenn das nicht genügt, so befehle ich es Euch.«

»Verzeiht, Madame,« erwiederte Margarethe bleich und zitternd. »Ich wünsche Eurer Majestät eine gute Nacht.«

»Und ich hoffe, Euer Wunsch wird erfüllt werden. Gute Nacht, gute Nacht!«

Margarethe entfernte sich wankend und vergebens bemüht, einem Blicke ihres Gemahls zu begegnen, der sich nicht einmal nach ihr umdrehte.

Es herrschte ein kurzes Stillschweigen, während dessen Catharina die Augen auf die Herzogin von Lothringen geheftet hielt, welche ihrerseits, ohne zu sprechen, die Hände gefaltet, ihre Mutter anschaute.

Heinrich wandte der Scene den Rücken zu, aber er sah sie dennoch in einem Spiegel, indeß er sich den Anschein gab, als kräuselte er einen Schnurrbart mit einer Pommade, die ihm René überreicht hatte.

»Und Ihr, Heinrich?« sagte Catharina, »geht Ihr noch aus?«

»Ah, ja, das ist wahr!« rief der König von Navarra, »ah bei meiner Treue, ich vergaß, daß der Herzog von Alençon und der Prinz von Condé mich erwarten. Diese bewunderungswürdigen Wohlgerüche berauschen mich und berauben mich, wie es scheint, des Gedächtnisses. Auf Wiedersehen, Madame.«

»Auf Wiedersehen! Morgen gebt Ihr mir Nachricht von dem Admiral, nicht wahr?«

»Ich werde nicht ermangeln. Nun, Phöbe, was gibt es?«

»Phöbe!« sagte die Königin Mutter ungeduldig.

»Ruft sie zu Euch, Madame,« sprach der Bearner, »denn sie will mich nicht gehen lassen.«

Die Königin Mutter stand auf, nahm die kleine Hündin beim Halsbande und hielt sie zurück, während Heinrich sich entfernte, das Gesicht so ruhig und lachend, als hätte er keine Ahnung gehabt, daß er Gefahr lief, ermordet zu werden.

Von Catharina von Medicis wieder losgelassen, lief ihm die kleine Hündin nach, um ihn einzuholen, aber sie konnte nur ihre längliche Schnauze, ein trauriges, langes Geheul ausstoßend, unter der Tapete durchstrecken.

»Nun, Charlotte,« sagte Catharina zu Frau von Sauves, »nun hole mir die Herren von Guise und Tavannes, welche in meinem Betzimmer sind, und komme dann mit ihnen zurück, um der Herzogin von Lothringen welche an ihren Vapeurs leidet, Gesellschaft zu leisten.«

7.Ceux de la Religion, war in jener Zeit der gewöhnliche Ausdruck für die Hugenotten.
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Дата выхода на Литрес:
04 декабря 2019
Объем:
800 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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